Ein bisschen spürten wir schon die Efforts der vorangegangenen Tage und da es zudem draussen auch noch schneite, nahmen wir gerne einen zweiten Cappuccino und verweilten noch etwas länger beim Frühstück. Schliesslich obsiegte dann aber doch die Motivation, einen weiteren Eisfall zu begehen. Weil wir schon zuvor wegen Fernarbeitspflichten den Schichtwechsel für die Kinderbetreuung auf 14 Uhr festgesetzt hatten, passte der Tutto Relativo perfekt ins Programm. Dies tönt nun ein wenig nach Ausweichtour, was aber der Wahrheit nicht entspricht. Diese Route hatte ich daheim noch ganz oben auf die Wunschliste gesetzt. Vor Ort waren aber nun einige deutlich schwierigere Routen geglückt und so verblieb natürlich auch ein Stück weit die Verlockung, eine weitere Herausforderung anzunehmen.
Routenübersicht, aufgenommen kurz vor dem Einstieg |
Aber fertig der kühnen Träume, die Tourenwahl war erfolgt und wir fuhren nach Lillaz. Der Zustieg zum Tutto Relativo ist ziemlich kurz und dauert rund 20-30 Minuten. Natürlich war bereits eine optimale Spur vorhanden, Konkurrenz aber zum Glück keine in Sicht - man sei sich gewahr, dass dies an Weekends ganz anders aussehen wird, handelt es sich doch hiermit um eine der beliebtesten Touren des Valeille. Wie immer waren wir zwecks Bequemlichkeit mit bereits montierten Steigeisen und Klettergurten zugestiegen und so konnte es sogleich losgehen. Die erste Länge bietet gemütliche Kletterei von 70-75 Grad in prima Sorbet und war dementsprechend rasch erledigt: 50m, 4 Schrauben, mit der Zeit gewöhnt man sich einfach an das Medium Eis und fühlt sich auch über den Sicherungen wohler. Der BH-Stand befindet sich links an den Felsen und gibt den Blick frei auf das Prunkstück der Route, die zentrale Säule. Bevor man diese anpackt, gilt es aber noch eine einfache Überführungslänge (40m, max. 60 Grad) zu überwinden. Stand macht man entweder rechts an einem Baum, oder dann hinter der Säule an BH. Bei unserer Begehung floss rechts im steilen Teil eine massive Dusche, und so war die Option mit dem BH-Stand in der Nische deutlich angenehmer und trockener.
Tiefblick auf die einfachere L2, zumeist im Schnee, am Schluss kurz 60 Grad im Eis. |
Die Säule selber liess sich dann prima klettern: erst rausqueren auf einer schmalen Leiste und dann aufwärts. Im zentralen Teil war das Eis trocken und von idealer Konsistenz, perfekt zum Schrauben und der eine oder andere Hook bzw. Tritt war ebenfalls vorhanden. Die Steilheit beträgt auf wenige Meter 90 Grad, und legt sich dann rasch graduell zurück. Insgesamt kann man sagen, doch deutlich schwerer wie die Patri-Fälle, aber auch klar einfacher wie Tuborg oder Sentinel Ice. Anyway, den BH-Stand nach der Säule erreicht man in etwa 10-15m weiterem Aufstieg über Schnee links an den Felsen. Zum Glück waren noch Fussspuren von Vorgängern sichtbar, ansonsten wäre es hier echt schwer geworden, waren doch die BH schon komplett zugeschneit und nicht mehr erkennbar.
Blick auf die Säule, im rechten Teil tropft es gewaltig, am besten grossräumig ausweichen. |
Die letzte Seillänge bietet dann noch eine tolle Gully-Kletterei, anregend aber ohne grosse Schwierigkeiten. Eis hatte es hier nicht mehr allzu viel und da auch noch Schnee lag, musste man etwas aufpassen, um Felstreffer zu vermeiden. Kletterei und Absicherung waren aber tadellos möglich. Nach dem Ausstieg auf den Schnee steigt man noch etwa 15m weiter, bis wiederum links in den Felsen ein Stand à l'Italienne mit Schlingenverhau um einen Block plus ein BH sichtbar wird. Somit war ein weiteres Ziel erreicht, und ob den winterlich-feuchten Bedingungen hielten wir uns nicht lange auf. Um ins Tal zu gelangen, steigt man noch etwa 20hm durch die Rinne auf, bevor man sich nach links wendet und in einer ziemlich steilen Querung einfacheres Gelände erreicht. Hier käme man gerade am Einstieg der Cristal Giusy (80m, WI4) vorbei, mit der man weiteren Eishunger stillen könnte. Für uns lag dies zeitlich nicht mehr drin, zügig stiegen wir über die Schneehänge ab und waren wie abgemacht zeitig zurück daheim - zur Freude unserer Kinder blieb noch ausreichend Gelegenheit, um nochmals am Sylvenoire-Sessellift Skifahren zu gehen.
Blick auf die letzte SL, auch wenn es hier einfach aussieht wartet in der Rinne nochmals richtige Eiskletterei. |
E Tutto Relativo II WI4 180m
Material: 6-8 Schrauben, 2x60m-Seile, mit 2x50m muss man in L4 kurz (gefahrlos) gemeinsam steigen.
Zugang: durch den Ort Lillaz hindurch und auf gespurtem Wanderweg ins Valeille hinein und auf die erste Anhöhe hinauf. Dort, wo der Weg wieder etwas abfällt, bei der Ausschilderung links den Hang hinauf und zum Einstieg. Zeit ca. 20-30 Minuten.
Route: in L1 (50m) eine homogen geneigte Rampe von 70 Grad, oft feucht. Stand danach links in den Felsen. In L2 (35m) Schnee oder leichtes Eis, zum Schluss kurz etwas steiler (60 Grad) an den Stand an Baum rechts oder an BH rechts hinter der Säule. In L3 (35m) die markante Säule, mit kurzem senkrechtem Stück, danach um 85 Grad, BH-Stand etwa 15m darüber im Fels links. In L4 (60m) eine schöne, enge Rinne um 70 Grad und etwas Schneegestapfe, BH-Stand in den Felsen links.
Abstieg: abseilen über die Route ist mit 2x60m gut möglich, bequemer ist aber der Fussabstieg. Man steigt noch etwa 20hm auf und quert dann nach links hinaus und steigt über das Schneefeld ab. In 10 Minuten ist man retour beim Einstieg, wenn man nicht noch die 2 SL der Cristal Giusy (WI4, 80m) anhängt, an deren Einstieg man direkt vorbeiläuft.
Im Fussabstieg, hinten sind gut noch die 2 schönen SL der Cristal Giusy (WI4, 80m) erkennbar. |
Gefahren: auch dieser Eisfall befindet sich in einer Lawinenrinne mit recht grossem Einzugsgebiet oberhalb, deshalb Vorsicht nach starken Schneefällen und/oder viel Wind. Dank dem, dass die Kaskade von einigen Schneefeldern unterbrochen ist, kann man hier unter Umständen auch anderen Seilschaften folgen, ohne sich einer allzu grossen Gefahr von Eisschlag auszusetzen.
Stand à l'Italienne. |
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