Übers Grödnerjoch waren wir schon etliche Male gekurvt, und immer wieder hatten wir dabei unsere Blicke auf den steilen, herausfordernden Felsklotz der Rodelheilspitze geworfen. Die dortige Triplano hatten wir darum schon lange auf der Liste, vor allem auch weil sie im Topoguide hoch gelobt wird. Andererseits hatten wir an guten Tagen wegen der relativen Kürze von nur 5 SL und 160 Klettermetern doch immer wieder ambitioniertere, längere Ziele gewählt. Und für einen Rasttag waren die Schwierigkeiten mit 7b dann doch wieder zu hoch. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, für die aktuelle, gewittrige Lage war die Triplano genau das richtige Ziel.
Der steile Felsklotz der Rodelheilspitze am Grödner Joch mit dem Zustieg und dem Verlauf der Route Triplano. |
Eigentlich wäre es ja vernünftig, an solchen Tagen zeitig zu starten. Wobei die Felsen von den vorabendlichen und nächtlichen Niederschlägen auch erst wieder trocknen müssen. Und in den Familienferien ist ein früher Aufbruch von Mama und Papa sowieso ein komplett hoffnungsloses Unterfangen. So hofften wir also, Petrus möge uns an diesem Tag gnädig sein und machten uns erst um 10:25 Uhr am Grödnerjoch auf den Weg, immerhin herrschte zu diesem Zeitpunkt noch so gut wie uneingeschränktes Schönwetter. Der Parkplatz bei der Passhöhe ist kostenpflichtig, wenige Minuten unterhalb kann man sich diesen Obulus auch sparen. Einzuschlagen gilt es den Weg 666, den man für ein paar Minuten verfolgt, um dann an offensichtlicher Stelle gerade hinauf Richtung Rodelheilspitze (oder Sass de la Luesa, wie der Berg auf Italienisch heisst) zu steigen. Die Geröllhänge lassen sich einfacher erklimmen wie befürchtet und schon bald steht man unter dem Vorbau. Hier ist durchaus etwas alpinistischer Spürsinn und Selbstvertrauen nötig! Unter zwei markanten Blöcken kraxelt man links hinauf, sofort ist gehörig Exposition da, der Fels ist teils ordentlich lottrig, es warten doch Zweier- und Dreierstellen und Sicherungsmöglichkeiten gibt es keine. Die zu wählende Linie ist auf dem Wandbild von Planetmountain korrekt eingezeichnet und vor Ort auch logisch bzw. ergibt sich von selbst. Um etwa 11:00 Uhr waren wir nach 35 Minuten Zustieg beim Einstiegsbohrhaken angelangt, wenige Minuten später starteten wir mit der Kletterei.
Steiles Gemäuer! Im Vordergrund die zu erkletternden Vorbaufelsen, in Mitte des Pfeilers die Route. |
L1, 25m, 6a+: Die ersten 8m bilden die direkte Fortsetzung der Kraxelei über den Vorbau, hier ist's einfach noch steiler und etwas schwieriger, das Ganze ähnelt etwas einem Free Solo zum ersten, hoch steckenden BH - nur keinen Fehler machen! Danach folgen dann unmittelbar (Abstand ca. 1.5m) zwei Bolts hintereinander, sowie auch die erste schwere Kletterstelle, die mir für den angegebenen Grad doch richtig zupfig vorkam. Danach wird's wieder etwas leichter, es bleibt aber steil, irgendwie ernsthaft und auch etwas grimmig. Vom letzten BH zum Stand wartet dann ein ordentlicher Runout, an einem feinen Riss könnte man wohl legen wenn man Gerätschaften dabei hätte. Der in allen Topos verzeichnete, dortige BH wurde wohl abgeflext, denn entgegen der Angaben in der Literatur stecken auf dieser Länge aktuell definitiv nur noch 4 BH.
Überraschend anspruchsvolle Kletterei wartet in L1 (6a+), die Absicherung ist dabei auch nicht so üppig gehalten. |
L2, 45m, 6b+: Lange Seillänge, welche im oberen Teil zwei Varianten bereithält (links direkt am steilen Pfeiler, oder rechts über die Platte in der Seitenwand einer grossen Verschneidung). Der Auftakt ein cooler Riesenslalom um die Bolts herum, man hänge die Sicherungen entsprechend ein, um nicht später unter Seilzug zu leiden! Bald aber wird's fordernd, an einer steilen Kante warten knifflige, technische Moves, und da es von den grossen Überhängen im oberen Wandteil runtertropft, ist der teils etwas glatte Fels stellenweise glitschig. Die linke Pfeilervariante war dann ebenfalls von der Feuchtigkeit betroffen, so dass ich die eher logischere, rechte Variante über die steile Platte gewählt habe. Dort gibt's ziemlich speziellen, für die Region untypischen Fels (aber gute Qualität) und zum Schluss eine feine Mover-Crux mit Querung nach links an kleinen Griffen und Reibungstritten.
Spezieller Fels und eher plattige Kletterei im oberen Teil von L2 (rechte Variante, 6b+). |
L3, 25m, 6b+: Hier geht's nun mehr oder weniger direkt am Pfeiler entlang griffig und steil aufwärts. Wenige Meter höher befindet sich nochmals ein Stand, und es zweigt auch eine Linie direkt hinauf am Risssystem ab, hier sollte man sich also nicht verkoffern. Die Kletterei hier gefiel mir gut, die losen Griffe/Tritte sind noch in der Minderzahl und mir ging's auch recht leicht von der Hand, die kurze Crux an einem Überhang bereitete mir keine Schwierigkeiten. Ich empfand dies sogar als die gemütlichste Seillänge der ganzen Tour. Der Stand befindet sich bei einer Nische bzw. kleinen Höhle - nachdem die Farbe des Himmels von blau bereits zu mehrheitlich grau gewechselt hatte, war ich froh hier um einen Unterschlupf zu wissen, falls das Wetter käme. So wurde denn nicht abgeseilt, sondern weitergeklettert.
Man sieht's, der Routenverlauf immer etwas diagonal querend in steilem Gelände, hier L3 (6b+). |
L4, 25m, 6c: Durch die überhängende Verschneidung sollst du gehen, wobei die Felsqualität hier nach meinem Empfinden nicht mehr so richtig toll ist. Das Ganze ist doch ziemlich splittrig und an der Grenze zur Brüchigkeit. Klar, es gibt immer noch genügend Griffe, welche das Körpergewicht tragen, aber ohne alpine Erfahrung geht's hier kaum und es fühlt sich irgendwie einfach etwas ernsthaft an. Zudem, auch wenn hier keine wirklich weiten Hakenabstände vorhanden sind, 5 BH auf 20-25m anhaltend überhängende und anspruchsvolle Kletterstrecke sind halt dann doch wieder nicht so viele. Vor allem der Weg vom letzten Bolt zum Stand ist absolut zwingend und nach meinem Empfinden die Crux der Seillänge.
Anspruchsvolle Kletterei durch die überhängende Verschneidung in nicht überall ganz solidem Fels: L4 (6c). |
L5, 40m, 7b: Am überhängenden Bug an schwarzem Fels geht's weiter, die Kletterei ist ausdauernd und bisweilen vertrackt. Mit den Bohrhaken wurde für einmal nicht gegeizt, die Absicherung ist in dieser Länge wie im Klettergarten. Dennoch muss man ein bisschen etwas auf dem Kasten haben, um hier hochzukommen und bedenkenlos an allem zerren, was den Fingern Widerstand bietet, kann man definitiv auch nicht, obwohl die Felsqualität (bis auf die letzten, einfacheren Meter) grundsätzlich als ok bezeichnet werden kann. Während die Erstbegeher hier sogar noch mit 7b plus zweimaligem Griff zum Haken bewertet hatten, kann man auf dem Internet schon lesen, dass die Bewertung von 7b (die Hilfspunkte sind sowieso nicht nötig) etwas hoch gegriffen sei. Global gesehen wird das schon so sein, im Vergleich zu anderen, mir bekannten Dolomiten-MSL ist's jedoch nicht komplett unrealistisch hoch, ich fand's jedenfalls schwerer wie die 7a's in manchen anderen Routen und musste auch richtig fighten, um onsight am Top anzukommen.
Das war grob um 14:15 Uhr der Fall, somit hatten uns diese paar Seillängen doch beinahe 4 Stunden beschäftigt. Die Kletterei ist aber eben anhaltend steil und schwierig und das Freiklettern hatte bei Vorsteiger und Nachsteigerin einige Zeit und hin und wieder Schüttelpausen erfordert. Wobei, einen Grund zur Eile gab's ja eigentlich keinen, die Zeit ist kein wesentlicher Faktor, eine saubere, freie Begehung zählt deutlich mehr. Allerdings, von der Kletterei voll absorbiert, hatte ich bis zum Klippen der Haken am Top gar nicht bemerkt, dass hinter meinem Rücken inzwischen eine schwarze Wand aufgezogen war, und die ersten Tropfen bereits fielen. Nichts wie runter, war also die Devise!
Beim Aussitzen des Regenschauers am Trockenen in der gemütlichen Grotte am Ende von L3. Die Aufhellung kommt! |
Die Abseilerei gestaltet sich in der stark überhängenden Wand wegen dem entlang einer Rampe leicht querenden Routenverlauf als nicht ganz einfach. Die Erstbegeher hatten hier ein Fixseil installiert, welches ganz sicher gute Dienste leistete. Irgendwelchen Traditionalisten passte so viel Bequemlichkeit aber nicht in den Kram, weshalb es später entfernt wurde. Vom Top ging's deshalb in einem langen Abseiler (2x50m-Seil reicht) in die Nische am Ende von L3, wobei man in L4 zwingend 1-2 Zwischensicherungen einhängen muss (was ich stets vermeide, wenn's mit Pendeln irgendwie geht, was mir hier jedoch nicht der Fall schien). Nun schlug auch der Regen mit voller Intensität zu, was uns jedoch nicht allzu gross zu kümmern brauchte. Dieser Wandteil ist nämlich so überhängend, dass man trocken bleibt, in der leidlich bequemen Stand-Nische sowieso. Also zogen wir das Seil ab, machten es uns gemütlich und genossen bei einem Vesper das Schauspiel der Elemente, was wollten wir auch weiter unten nass werden.
Nach einer guten halben Stunde kam wie erhofft ein trockenes Fenster, und wir konnten weiter in die Tiefe gleiten. Die diagonal verlaufende L3 seilten wir an einem doppelt genommenen Halbseilstrang ab (1x50m reicht), damit auch die Zweitabseilende den Fixkarabiner im obersten BH mit beiden Strängen klippen konnte. Dann zwei weitere Abseiler mit beiden Seilen, wobei man mit dem zweiten auch den oberen, steilen Vorbauteil ideal überwinden kann. Dennoch will der untere Teil vorsichtig abgeklettert sein, ein Rutscher hier wäre definitiv das letzte Missgeschick im Leben! Alles ging gut, also konnten wir uns dem Geröllsurf hinunter zum Weg 666 widmen und in wenigen Minuten zurück zum Grödnerjoch gehen, wo wir um 15:45 Uhr schliesslich eintrafen.
Nochmals ein Blick zurück auf den Berg, hier vor allem gut ersichtlich die Steilheit und Exponiertheit des Vorbaus. |
Rodelheilspitze - Triplano 7b (6c obl.) - 5 SL, 160m - Marin/Piardi/Tremolada 1998 - ***;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, evtl. Camalots 0.3-0.75 und/oder Keilset
Anspruchsvolle, steile und irgendwie auch ziemlich ernsthafte Kletterei durch die steile Nordwand am Grödnerjoch. Die Felsqualität kann man gerade noch als in Ordnung bezeichnen, sie ist aber z.B. deutlich schlechter wie an der nur wenig entfernten Mur del Pisciadu. Gefährlich brüchig ist's sicher nicht, jedoch manchmal durchaus splittrig, so dass die Wahl von Griffen und Tritten etwas Sorgfalt erfordert. Die Leere unter den Füssen ist zudem auch noch beeindruckend, so dass es durchaus nicht eine halbe Klettergartentour ist, sondern ein Unternehmen, dass trotz seiner Kürze Psyche und alpines Engagement erfordert. Das gilt durchaus auch für den exponierten Kraxel-Zustieg und die etwas umständliche Abseilerei im Steilgelände. Die Absicherung mit verzinkten BH (Stand Juli 2016: guter Zustand) ist vernünftig ausgefallen. Vorsicht verlangen vor allem Start und Ende von L1 (hier wurde wohl ein BH entfernt), da und dort ist auch mal eine Stelle zwingend über dem Bolt zu meistern, die Schlüsselstellen und vor allem die letzte Länge sind dann aber eng gebohrt. Ich hatte keine mobilen Sicherungsmittel dabei und es ging, ein Set kleine Cams oder Keile mitzuführen wäre aber gar keine so schlechte Idee. Zu erwähnen ist, dass die Route meines Erachtens im Topoguide in Bezug auf Felsqualität, Kletterei, Absicherung und auch Bewertung eher optimistisch eingestuft wird - vor allem (aber nicht nur) wenn man mit den im Band III beschriebenen Routen vergleicht.
Topo
Ein schematisches Topo von guter Qualität findet man wie erwähnt im Topoguide Band I, wobei dort jedoch die rechte Variante auf der Platte in L2 nicht genau beschrieben ist. Natürlich steht die Tour auch noch in zahlreichen weiteren Dolomiten-Führern, im Prinzip ist hier jedoch auch das Wandbild und das Topo von Planetmountain gut ausreichend.
Topo der Route von planetmountain.com. |
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