Sie sind berühmt und eigentlich noch viel mehr berüchtigt: die Sanduhrschlingen an den Wendenstöcken. In der frühen Erschliessungsgeschichte scheuten die Erstbegeher keinen Aufwand, um eine natürliche Sanduhr auszugraben oder setzten gleich den Bohrer an, um den fehlenden Durchbruch künstlich zu schaffen. All diesen Sicherungspunkten ist gemein, dass man zwingend auf die fix montierten Schlingen angewiesen ist. Sofern man beim Klettern (wie üblich) nur gerade eine Hand frei hat, ist kaum für Ersatz zu sorgen. So kommt es denn immer wieder vor, dass man den nächsten Runout über einer zumindest verblichen-spröden Schlinge angeht, sofern sie nicht bereits schon zerfetzt und zu einzelnen Fäden aufgelöst ist. Gerade letzthin hatte ich im Torwächter (hier der Bericht) einige fixe Schlingen ersetzt und die alten selbstverständlich nach Hause genommen.
Von den Wendenstöcken mitgenommene Gammelschlinge. Aber sie ward nicht kaputtzustürzen... |
Nun wollte ich im Klettergarten prüfen, ob diese einer Sturzbelastung noch gewachsen sind. Die erste Schwierigkeit bestand bereits darin, die Schlinge wieder zu Knoten. Das Textil ist dermassen steif und spröde, dass sich der Knoten augenscheinlich gar nicht richtig anziehen lässt. Die einzige Möglichkeit zur Verbindung war übrigens der Bandschlingenknoten, alles andere wäre illusorisch gewesen. So montierte ich das gute Stück dann im Klettergarten, mit einer etwas längeren Schlinge hintersichert. Von so weit darüber wie ich mich eben traute und es mir nicht ein unnötiges Risiko schien (Füsse ca. 1-1.5m über dem Haken) schepperte ich dann 5x hintereinander mit vollem Karacho in die Schlinge - es tat sich einfach rein gar nichts. Der Mantel von diesem ~10mm dicken, alten Kletterseil war zwar inzwischen auf längerer Strecke komplett zerstört, die Kernfäden waren aber alle intakt. Ich hätte wohl noch einen ganzen Nachmittag lang in die Schlinge stürzen können und sie wäre nicht zerrissen. Fazit: aus einer einzelnen Beobachtung allgemeine Schlüsse zu ziehen, ist immer schwierig. Es scheint mir aber, dass die alten Gammelschlingen doch widerstandsfähiger sind, wie ich befürchtet hatte. Ob ich deswegen den nächsten Wenden-Runout nun mit einem viel besseren Gefühl in der Magengrube angehen werde?!? Hmm, da bin ich dann doch nicht so sicher...
Vielen Dank fürs Ersetzen! Was mich noch interessieren würde: Die oft auch schon recht vergammelten Reepschnüre, die (auch in den Wenden oft) die zwei Standhaken verbinden - würden die beim Versagen (sagen wir des oberen) Bohrhakens überhaupt noch was bringen? Immerhin wird die dann ja mit rel. hoher Kraft auf das kantige Metall der Lasche gerissen...
AntwortenLöschenJa, das ist sicher eine suboptimale Situation. Die Antwort kenne ich auch nicht. Mal sehen, ich denke mal die mitgenommenen Wendenschlingen werde ich kaum mehr in einer meiner Erstbegehung platzieren und somit könnte ich ja eigentlich, bevor sie in den Abfallkübel wandern, einmal die Probe aufs Exempel machen. Sprich, die Schlinge direkt in einen Bolt knüpfen und dann so reinstürzen. Wobei, wenn der Mantel an der Stelle der Belastung noch intakt ist, so bin ich nicht sicher, ob ein Sportklettersturz zum Riss reicht...
LöschenDarüber hinaus: egal wie der Standplatz eingerichtet ist, ich versuche beim Abseilen das Seil immer direkt im unteren Sicherungspunkt zu montieren und bin mir auch nicht zu schade, wo nötig und möglich den Stand etwas umzubauen. Das scheint mir einfach die Anordnung zu sein, welche das Risiko maximal minimiert.
Wir haben anlässlich eines Bohr- und Sanierungskurses des SAC uralte Reepschnüre und Schlingen mit dem Hakenauszuggerät getestet. Und es war in der Tat erstaunlich was die alten gammeligen Dinger (10 Jahre und bis deutlich mehr) noch alles aushielten. Also für mich sind Schlingen seitdem bedeutend weniger Angsteinflössend als möglicherweise kaum einschätzbare Schlaghaken. Eher mache ich mir dann Sorgen wenn dann bloss Fingerdicke Sanduhren gefädelt werden oder nicht klar ist wie abgerundet oder messerscharf so Sanduhren an ihren hinteren und oft nicht einsehbaren Seiten sind.
AntwortenLöschenLieber Gruss aus dem Baselbiet
Patrik
Vielen Dank Patrik für diese Infos! Ja, die Haltekraft der Sanduhren an sich, das ist ja auch so eine Frage. An den Wendenstöcken gibt's tatsächlich viele dünne Exemplare. Allerdings ist dort oft der "Steg" sehr dünn - d.h. bei Belastung nach aussen wären sie schwach, bei Belastung nach unten sieht's halt (möglicherweise) viel besser aus. Mit deinen Bedenken zur Felsbeschaffenheit hast du sicher auch recht!
LöschenDaniel hat mir noch eine Ergänzung zu meinen Untersuchungen geschickt. Er hat vor einiger Zeit eine rund ~25-jährige 8mm-Reepschnur am Brisi mitgenommen und dann in einer schwachbrüstigen Zuganlage geprüft. Diese liess maximal 4kn zu, was die Schlinge ausgehalten hat. Anmerkung des Verfasser: bei meinen Teststürzen vermute ich die Kraftspitzen eher höher, ich denke so an die 6-7kN bringt man da vermutlich schon auf den Sicherungspunkt.
AntwortenLöschenEbenso weist er darauf hin, dass Bandmaterial (welches nicht über Mantel und Kern verfügt) an solchen Stellen viel schneller altert. Hier sind Unfälle durch gerissene Schlingen bekannt und es gab in Bergundsteigen eine Untersuchung darüber, siehe http://www.bergundsteigen.at/file.php/archiv/2015/2/48-52%28seinundschein%29.pdf.
Auf jeden Fall helfen mir in Fällen von nur kaum oder gar nicht beurteilbaren Sicherungspunkten zwei Hauptleitsätze (Diese sind übrigens auch bei selber konstruierten Zwischensicherungen uneingeschränkt anwendbar.):
Löschen1: Ein Stossgebet: "Und Gott gebe dass es hebe!"
2: Hoffe wenigstens auf einen "bremsenden" Einfluss...
Patrik