Schon seit Ewigkeiten war der Torwächter am Mähren weit oben
auf meiner Liste, schlussendlich wurden ihm aber doch wieder andere Touren
vorgezogen. Nachdem jedoch ein weiterer, goldener Herbst(kletter)tag angesagt
war und mit Jonas so etwas wie mein Wenden-Standardpartner zur Verfügung stand,
wollte ich zum 34. Abenteuer an ebendieser Bergkette antreten. Ambiance und
geniale Kletterei sind an den Wendenstöcken ja sowieso garantiert, am Mähren
lockte nun auch noch eine Prise Wildheit und Abenteuer, wird doch an diesem
Berg nur selten geklettert. Doch so viel sei jetzt schon verraten, der Torwächter
kann mit den bekannten und beliebten Pfaffenhuet-Routen in jeder Beziehung
mithalten!
Eigentlich weiss man so wenig über den Torwächter, dass
nicht einmal klar ist, wie man am besten zu dessen Einstieg kommt. Eine
Möglichkeit besteht darin, von der Mettlenalp die weglosen Grashänge zum
Mähren-Pfeiler zu nehmen um dann diagonal nach rechts hinauf zu steigen, einen Sporn zu überqueren und dann quasi "von hinten" (d.h. Osten) in die Scharte hinter dem Turm zu steigen, wo die Route beginnt. Wir wollten die Alternative probieren, welche zwar hier und da Erwähnung findet, aber aufgrund der Absenz von konkreten Informationen vermutlich noch kaum je wirklich angegangen wurde - nämlich jene über den Pfaffenhuet-Zustieg mit einer Querung unter dessen Wänden nach links. Somit stiegen wir auf dem normalen Weg zur Steifrou hinauf, über die Gneisrippe, dann der Abzweiger mit Querung nach links (zuletzt über das mühsame Geröllfeld) um die Ecke aufs "Dach". Das Dach steigt man für etwa die Hälfte der Strecke hinauf, bis nacheinander die einzigen zwei kurzen Verflachungen folgen. Bei der oberen geht's diagonal nach links hinauf, in Richtung unterste Felsen des Pfaffenhuet. Dort angekommen, quert man horizontal nach links, traversiert den Graben zwischen Pfaffenhuet und Mähren, was an sich problemlos möglich ist - Vorsicht jedoch auf Steinschlag, bei Regen oder wenn es oben noch Schnee oder Tiere hat. Man kann diese Stelle jedoch sehr zügig hinter sich bringen. Jenseits des Grabens geht's dann wieder diagonal hinauf in die bereits gut sichtbare Scharte hinter dem Turm P.2426. Die letzten Meter sind steiler und etwas heikel, aber da hat's ein (altes) Fixseil. Wir machten uns im Schatten des vorgelagerten Turms bereit - nach 75 Minuten Zustieg ging's um 9.45 Uhr los mit der Klimmerei.
L1, 30m, 6c: Gut abgesicherte, schöne Kletterei für an die Wendenstöcke ungewöhnlich geschichtetem Fels, der zahlreiche Seit-/Untergriffe bietet. Es geht erst gerade hinauf, dann diagonal nach links, aufgrund der Felsstruktur sind die eigentlich zahlreichen Bolts nicht gut zu sehen. Etwas längere Exen zu verwenden schadet hier nicht, die Länge ist etwas für Seilzug anfällig.
L2, 30m, 6c+: Vom Stand noch moderat schwierig nach links weg und hinauf. Dort, wo es schwieriger wird scheint der Bolt noch immer 3m höher zu stecken - ahja, nein rechts schlecht sichtbar aussen auf der Rippe ist ja auch noch einer. Sonst wäre das schon eine richtig kühne und auch heikle Sache gewesen. Steilheit und geforderte Athletik nehmen zu und gipfeln in der pumpigen, absolut wendentypischen Schlusspassage. Die Sache ist dazu noch relativ unübersichtlich und nach der Crux werden die Griffe zwar beständig besser, es sind jedoch etwa 5m zum nächsten Bolt - hier muss man etwas Mut beweisen. Die letzten Meter zum Stand hinauf geben dann noch das Rätsel auf, welcher Weg zu wählen ist... die Lösung will ich jedoch nicht verraten.
L3, 35m, 6c+: Diese Seillänge bietet nun ganz anders wie die ersten beiden eine heftige Plattenkletterei. In der Crux gleich zu Beginn gilt es, den Fuss etwa auf Höhe der Nasenspitze anzusetzen und sich dann an üblen Slopern aufzurichten. Danach noch einmal kräftig und gewagt von einem Seitgriff weit ziehen - diese Passage ist mit 2 nahe steckenden BH gut gesichert, dafür bezahlt man danach mit einem Runout in einfacher werdendem Gelände. Vorerst geht's besser dahin, erst zum Schluss der Länge verlangt eine knifflige Stelle (auch eher von plattiger Hinsteh-Natur) noch einmal sorgfältige Planung der Bewegungen.
Plattige Kletterei à la Wellhorn oder Rätikon wartet in L3 (6c+) - sehr schön! |
L4, 30m, 3a: Überführungsstück zum nächsten Wandteil. Erst sehr schöner, gestufter Fels, dann ein einfaches Schutt-/Schrofenband. Der Stand unterhalb ist leider kaum geschützt, deshalb vorsichtig agieren!
L5, 25m, 6b: Sehr schöne Steilplatte, welche unter den gewaltigen Bauch der Cruxlänge hinaufführt. Diese Seillänge war ursprünglich mit UIAA 7- (d.h. 6a+) bewertet und wurde im neusten Extrem West nach oben korrigiert. Ok, sie ist natürlich nicht ganz trivial, jedoch mit der ersten Länge der Excalibur sind die Schwierigkeiten dann doch auch wieder nicht zu vergleichen.
L6, 40m, 7a: Eine Monsterlänge! Durchwegs überhängend, lang, anhaltend und leider ist aufgrund der kurvigen Linie auch die Seilreibung ein zu berücksichtigender Faktor. Der Beginn bietet pumpige Kletterei an guten Griffen im 6c-Bereich. In der Mitte nimmt die Steilheit etwas ab, dafür verschwinden die Henkel auch komplett. Hier muss man in bereits angebretzeltem Zustand die Umstellung auf Tropflochkletterei der feinen Art meistern. Leider steckt hier ein Bolt weit links aussen im Schilf - jedoch nur, was den Seilverlauf betrifft, denn die einfachste Passage führt tatsächlich direkt an ihm vorbei. Hier wäre es dienlich, eine lange (min. 60cm, besser 120cm) Schlinge einzuhängen. Das ist allerdings leicht psycho, weil nachher gleich die schwierigsten Meter mit heiklen, feinen und trittarmen Moves folgen und zudem der nächste Bolt auch zäh zum Klippen ist (was für den übernächsten genauso gilt). Hier kam wieder einmal der Chäppi-Spezialtrick zum Einsatz. Sprich, beim Einrichten wurde an der letzten, brauchbaren Struktur geclifft, 50cm höher ein kleines Cliffloch gebohrt um dann an diesem hängend den Haken nochmals 50cm weiter oben zu setzen. Tja, so spart man Haken und macht gleichzeitig die Schwierigkeiten sehr zwingend! Am besten geht's definitiv, wenn man die Coolheit hat, über diese Stellen einfach drüberzusteigen und erst nach der Passage zu klippen. Die letzten Meter dann nochmals steil und griffig in eine Nische hinauf - ich bin total ausgepumpt und beim Seil einziehen habe ich tatsächlich Krampferscheinungen.
Jonas in der entscheidenden Passage der Monster-Cruxlänge (L6, 7a). Die Kletterei super, die Position atemberaubend! |
L7, 30m, 6b+: Rein nominell sind die Hauptschwierigkeiten nun vorbei, wogegen ich bei meinem aktuellen Kräftepegel gar nichts einzuwenden habe. Allerdings scheint die Linie davon vorerst nicht allzu viel davon zu wissen, denn in athletisch-kräftiger Kletterei will man in äusserst luftiger Position weiterkommen. Mittig in dieser Seillänge wartet dann eine knifflige Crux in feiner, kleingriffiger Wandkletterei, gar nicht so einfach - erst recht nicht, wenn man den entscheidenden Kniff verpasst. Zu erwähnen auch noch: selbst wenn man diese Länge als mit BH und (teils gebohrten) Sanduhren als gut abgesichert bezeichnen darf, so habe ich hier doch mein ganzes Rack von Camalots 0.3-1 gelegt.
Steiler und luftiger Beginn von L7 (6b+), gesichert nur von einem Cam. |
L8, 30m, 5c: Nun wird's noch einfacher, auch wenn's gar nicht so nach halbem Gehgelände aussieht - wer würde denn an den Wendenstöcken auch so etwas erwarten. Auf dieser Seillänge befinden sich nun neben 2 bereits gefädelten Sanduhren nur noch Möglichkeiten zur mobilen Absicherung. Es geht aber gut und die Kletterei ist denn auch tatsächlich nie verzweifelt schwierig. Einzig die Orientierung ist ein Faktor, aber die fixe Sanduhrschlinge weit oben weist den Weg (immer tendenziell leicht linkshaltend aufwärts).
L9, 30m, 6b+: Aus der Standnische nach links, über eine Mini-Version des Thank-God-Ledge. Beim Hinaufsteigen bald die Crux, eine bouldrige Stelle zum Überwinden eines kleinen Dächleins. Diese dünkte mich für den angegeben Grad und die Wendenstöcke für einmal ziemlich gutmütig. Steht man über dem Aufschwung, stellt sich die Frage wohin des Weges. Es bleibt nämlich ziemlich viel Steilplatte übrig und fixe Sicherungen kommen keine mehr. Ich ging etwas nach links, dort kommt dann ein perfektes Cam-Placement und die Moves lösen sich auch super auf. Dann steigt man auf ein Schuttband aus, wo sich an der nächsten Wand der Stand befindet.
L10, 30m, 6a+: Vom Stand aus sieht's nach weiträumiger Absicherung und steiler, wenn auch nicht allzu schwieriger Kletterei aus. So entpuppt sich die Länge dann auch. Über die ersten 2 Haken ist die Absicherung tatsächlich knapp, v.a. da man ja auch direkt über dem Schuttband operiert. Man schalte den Spürhund ein, damit man die wenigen vorhandenen Placements für mobile Sicherungen nicht verpasst, sonst ist's definitiv 100% eine No-Fall-Zone. Die Crux dann eher am Schluss direkt am Haken, der Stand bzw. die Route ist links vom Dach bzw. grossen Überhang.
L11, 30m, 5c: Zum Abschluss noch ein schönes 2-Bolt-Rüteli in bzw. neben der Verschneidung. Gemütliche Sache, mobil ergänzbar und hübscher Fels bis fast zuoberst.
Um 15.30 Uhr sind wir nach 5:45 Stunden Kletterei am Top angekommen. Hochzufrieden, denn das war nun tatsächlich eine prima Wendenkletterei in einem hervorragenden Ambiente. Wir steigen noch die wenigen Meter im Schrofengelände zum Pfeilergipfel hinauf und vergrössern den Steinmann, der definitiv schon bessere Zeit gesehen hat. Oberhalb von unserem Pfeiler bleibt noch ziemlich viel Berg übrig - es scheint auf den ersten Blick so, als ob eine Fortsetzung des Aufstiegs möglich wäre. Dagegen sprechen hingegen die Steinböcke auf dem Ringband unter dem Gipfelaufschwung. Diese scheinen ob unserer Präsenz wenig erfreut und schmeissen in grossen Portionen Steine hinunter. Allerdings stürzen sie die Schluchten links und rechts, unsere Position ist absolut sicher. So sehen wir noch etwas den anderen Seilschaften am Pfaffenhuet und Excaliburpfeiler zu, in welche man aufgrund der etwas vorgelagerten Position guten Einblick hat.
Die Abseilfahrt geht dann ziemlich zügig vonstatten. Erst lassen sich zwei Seillängen verbinden, danach werden 2 routenunabhängige Standplätze benutzt, bevor man wiederum mit dem Auslassen eines Standplatzes das untere Schuttband erreicht. Von dort kann man einen weiteren Stand überspringen und erreicht in 2 Manövern den Einstieg. Wir nehmen uns unterwegs noch etwas Zeit, um mit den mitgeführten ~20m Seil noch diverse Standplätze zu verbessern und fixe Sanduhrschlingen zu ersetzen. Zusammen mit dem, was vorher bereits in erneuertem Zustand war, darf man derzeit alle entscheidenden SU-Schlingen und zum Abseilen benutzten Standplätze als in gutem Zustand bezeichnen. Um das restliche Material auch noch vollständig aufzumöbeln, wäre der Verbau von weiteren ~20m Seil nötig. Vielleicht kann das ja die nächste Seilschaft erledigen. Für uns verblieb der Abstieg. Den obersten, steilsten Teil von der Scharte seilten wir ab, danach stiegen wir vorsichtig retour zum Pfaffenhuet-Abstieg. Da merkte man wieder einmal, wie viel einfacher die Wenden-Zustieg durch die inzwischen präsenten (wenn auch immer noch spärlichen) Wegspuren geworden sind. Das Gelände im obersten Teil unserer Abstiegs war nämlich nicht steiler, fühlte sich jedoch gleich viel wilder an und erforderte eine defensive Herangehensweise - einmal auf der Pfaffenhuet-Spur etabliert, konnte man es danach dann rollen lassen. So gelangten wir dieses Mal mit den letzten Sonnenstrahlen zurück auf die Wendenalp und konnten zufrieden, um ein weiteres Wenden-Abenteuer bereichert, nach Hause cruisen.
Facts
Mähren - Torwächter 7a (6c obl.) - 11 SL, 340m - K. & R. Ochsner 1991 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1, evtl. Messer, Draht & Seilstücke
Sehr schöne Kletterei über den SE-Pfeiler am Mähren. Die Linie fernab von anderen Routen gibt der Sache etwas einzigartiges, qualitativ kann der Torwächter definitiv mit den Pfaffenhuet-Routen mithalten. Der Fels ist meist sehr schön, rau und mit guter Reibung. Unterwegs gibt's Abwechslung zwischen der wendentypischen Kletterei an runden Löchern, Leisten, Seitgriffen und plattigen Passaagen. Zur Höchstnote reicht's nicht ganz aufgrund der zwei (gut passierbaren) Schuttbänder, der im oberen Teil nicht mehr so anhaltenden Schwierigkeiten und kompakt-luftigen Linie. Die Absicherung darf man als gut bezeichnen, für eine Wendenroute erst recht. Wie üblich bei einer Route von Kaspar Ochsner kann man sich darauf verlassen, dass dort wo es heikel würde, dann schon wieder ein Bohrhaken kommt - in den schwierigen Seillängen sogar auch schon vorher. In den einfacheren, oberen Seillängen ist die BH-Dichte geringer. Hier kann man mit einem Set Camalots 0.3-1 aber immer wieder mobil ergänzen und erreicht auch da einen genügenden Standard. Erwähnt sei, dass die Absicherung zu einem Teil aus (gebohrten) Sanduhrschlingen besteht und man auch bei den Abseilstellen oft auf die Qualität des Textils angewiesen ist. Derzeit (Oktober 2017) war alles in gutem Zustand, aber natürlicherweise wird dies ohne weiteren Unterhalt nicht ewig so bleiben. Somit kann es sich durchaus empfehlen, sich für das Ersetzen gewisser Schlingen vorzubereiten. Das Topo zur Route findet man im Schweiz Extrem West (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich).
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