Einen Auffahrtstrip mit Family & Friends galt es zu planen, wobei die starken Teenie-Girls sowohl auf Kletter- als auch auf Bouldermöglichkeiten Zugriff haben wollten. Die prädestinierte Destination für solch ein Programm ist ganz bestimmt das Tessin. Dort entpuppte sich das Wetter jedoch als regnerisch, weshalb eine Alternative gefragt war. Einerseits wettertechnisch, andererseits aber eben auch wegen der Mischung zwischen Blocs und Falaises schien mir das Elsass eine gute Wahl. Bereits vor 4 Jahren hatten wir dort eine tolle Zeit verbracht und die Klettermöglichkeiten als genial empfunden. Einen Beitrag habe ich damals nicht verfasst, nur hier im 2019er-Jahresrückblick fand dieser Ausflug mit Kommentar und Foto Eingang. Im Gegensatz zu damals stationierten wir uns etwas südlicher in der Gegend von Saverne und besuchten vorwiegend uns noch unbekannte Gebiete. Hier ein Bericht über die besuchten Felsen.
Sandsteinklettern im Elsass/Vogesen, immer eine tolle Sache! |
Kronthal
Wir reisten schon am Mittwochnachmittag an, der Weg führte direkt an der Carrière de Kronthal vorbei. Dieses hervorragende Sportklettergebiet mit über 100 Routen liegt direkt an der Hauptstrasse. Dementsprechend ist das Ambiente nicht so toll, die athletische Sandstein-Kletterei aber umso mehr. Da nach SW exponiert, ist es im Mai bei Sonnenschein eigentlich viel zu heiss für diese Felsen. Doch im notorisch kühlen und sonnenarmen Frühjahr 2023 war dies nicht wirklich das Problem. So konnten wir nicht nur die Finger ein wenig strecken, sondern (ich meinerseits) mit der Le génie des carpettes (7a) und der Spéléoscopie (7b) die ersten Punkte buchen. Letztere ist laut den Online-Datenbanken eine sehr beliebte Route und da sich auf dem braunen Fels die weissen Chalkflecken so gut präsentieren, identifizierte ich sie als ein realistisches Ziel für einen Onsight. Ein Schweizer Kletterer wies mich vor dem Einstiegen darauf hin, dass dem nicht so wäre, aber probieren wollte ich es natürlich trotzdem. Er lag aber genau richtig, die anhaltende Kletterei an abschüssig-miesen Leisten mit bescheidenen Trittmöglichkeiten zeigte sich widerspenstig. Im zweiten Go ging's dann, so kamen wir auch schön rechtzeitig 2 Minuten vor Receptionsschluss zum Camping. Eine Abreibung für zu spätes Erscheinen gab's trotzdem, das war ja schon fast wie dereinst in der Schreckhornhütte 😊
Einklettern in Kronthal, trotz der vielen weissen Flecken ist die Kletterei knifflig! |
Grotte du Brotsch
Der beliebeste Crag in diesem Teilgebiet der Nordvogesen ist mit einigem Abstand die Grotte du Brotsch. Diese eindrückliche Höhle ist ein ziemlich aussergewöhnliches Klettergebiet. Das gedruckte Topo listet 28 Routen auf. Das ist jedoch bei Weitem nicht alles, für eine vollständige Übersicht konsultiere man diese Webseiten (klick, klack). Dies bringt den Vorteil mit sich, dass man so plötzlich 81 Routen zur Verfügung hat 😲 Das liegt jedoch nicht etwa daran, dass es einen auf Papier nicht beschriebenen Sektor gäbe. Sondern, es wird in dieser Höhle, einer Spraywall ähnlich, quasi jede kletterbare Kombination von Griffen und Tritten als Route definiert. Das "Problem" besteht mehr darin, dass es nur relativ wenige unabhängige Linien gibt und das Gebiet sehr beliebt ist. Schlussendlich war es aber trotz Auffahrt nicht extrem störend, am Ende des Tages waren wir überall dort eingestiegen, wo wir es wollten. Neben ein paar Aufwärmrouten im linken Teil waren dies eindrückliche Routen im Bereich der grossen Grotte...
Schöne Aufwärmroute (oder Projekt...) an der Grotte du Brotsch: Via Diabolo (5c+) |
Héliotrope (7b): sie verläuft am linken Rand des steilsten Bereichs, bietet aber dennoch schon so richtig kräftige und anhaltende Kletterei. Die Route ist wirklich ein Highlight, dementsprechend beliebt und oft projektiert. Die Girls haben hier beide einen blitzsauberen und arschcoolen Flash hingelegt, was mir - ähm - nicht ganz gelungen ist 😎. Dabei hatte es so einfach ausgesehen, doch das entscheidende Loch entpuppte mich für meine Griffel als unfreundlich, noch dazu befanden sich da meine langen Beine noch im steilen Niemandsland.
La traité de déversification (8a): soft 8a heisst es allenthalben, sowas nimmt man ja gerade in den Ferien doch gerne mit. Wer in den endlosen Diskussion stöbert, kann sich nach dem Lesen von Bewertungsvorschlägen à la 7b+ oder 7c erst recht die Hoffnung machen, da einen günstigen Punkt zu erzielen. Naja, schon der Anblick dieses rund 60 Grad überhängenden, dachartigen Wandbereichs rief bei mir starke Zweifel hervor. Da müssten die Griffe also schon sehr gut sein... Ob sie das sind oder nicht, ist natürlich ein Frage des persönlichen Standpunkts, für mein Befinden sind diese schlonzigen Sloperlöcher aber längst nicht Idealhenkel. Dementsprechend waren bei mir innerhalb eines Tages keine Lorbeeren zu holen. Die Girls kriegten nach längerem Bouldern zwar alle Moves inkl. ein paar richtig cooler Cutloose-Dynos zusammen, einen Durchstieg aber nicht. Selbst für hoffnungsvolle, junge Gym Rats (die Indoor regelmässig steile 7c's onsighten und 8a's punkten) dünken mich die online geäusserten Bewertungsvorschläge also doch eher auf der fragwürdigen Seite - für dünnbizepsige Senioren natürlich erst recht.
Larina in der dachartigen Traité de deversification (8a). |
Voyage au bout de la suie (7a+): eine Wahnsinnsreise mitten durch die Grotte, kaum zu glauben, dass dies in einem so tiefen Schwierigkeitsgrad zu haben ist. Es liegt daran, dass man sich hier weitestgehend an idealen und sehr idealen Henkeln bedient, mit Ausnahme der zupfigen Bouldercrux am zweiten Haken. Hier war unsere Erfolgsrate im Onsight/Flash bei 1/3, wobei sich der Autor den Punkt erst im zweiten Anlauf sichern konnte...
In der Voyage (7a+), der Direkteinstieg mit den vielen Exen ist die Brombeerzeit (8a). |
Althal
Um die Kräfte wieder ein wenig ins Gleichgewicht zu schieben, schien ein Besuch von einem etwas weniger steilen Gebiet angezeigt. Das Topo wurde gewälzt, schliesslich stehen im Gebiet viele eher kleinere Felsen zur Auswahl, die auf dem Papier alle attraktiv aussehen (wobei wegen Vogelschutz im Frühjahr manche Crags nicht zugänglich sind). So auch Althal, wobei der lokale Führer nicht sehr aussagekräftig ist und uns ziemlich im Ungewissen liess, was da wartet. Augenscheinlich war in den Online-Datenbanken nur, dass da nicht sehr häufig geklettert wird. Trotzdem, wir wollten es probieren und kurvten nach Hommert in die tiefe, elsässische Provinz. Obwohl der Zustieg so gut wie keine Trittspuren aufwies, gelang er uns auf Anhieb korrekt und so standen wir nach wenigen Minuten in der gut im Wald versteckten Wand. Ziemlich verblüfft, denn diese sah auf den ersten Blick eher wie eine Kiesbank aus. Die Matrix besteht aus einem sehr weichen Sandstein, in welchen viele Flusskiesel eingebettet sind. Und ja genau, an diesen bewegt man sich dann - sehr aussergewöhnlich! Anfängliche Zweifel, ob dies dann auch tatsächlich dem Gewicht eines Kletterers standhalten möge wichen mit zunehmender Erfahrung dem Vertrauen, dass doch nicht gleich alles auseinanderfällt. Schliesslich gelangen mir nach den einfacheren Aufwärmrouten zwei 7a und mit der L'ombre du charme eine 7b+, die sich schon ziemlich taff anfühlte. Ein cooler Tag, gerade wegen seiner Aussergewöhnlichkeit hat das Gebiet uns sehr gefallen. Zuletzt sei noch erwähnt, dass die Girls alle Moves - selbst die scheinbar grössenabhängigsten) am Ende auch gezogen hatten (wenn auch nicht jede Route im Vorstieg gepunktet wurde).
Grotte du Baldur
Eigentlich hatten wir ja geplant, uns mindestens 2 Tage dem Bouldern zu widmen. Kurzfristig fiel die Entscheidung dann doch nochmals auf's Seil, mir war es natürlich recht. Der Kompromiss war, dafür ein Gebiet mit kurzen, dafür umso steileren Routen auszusuchen. Das war die dachartige Grotte du Baldur, die mit 28 Routen von 6b-8b+ aufwartet. Zu erwähnen ist, dass der im Topo beschriebene Zustieg vom Grand Ballerstein nur wenig Sinn macht. Zuerst ist es ein Gekurve dahin, danach mangels Parkmöglichkeiten viel weiter zu laufen, wie wenn man schon vorher in Schäferhof gestartet wäre. Nun ja, für das nächste Mal wissen wir es. Die Routen in der Grotte schienen mir ziemlich unternutzt, in manchen Routen waren überhaupt keine Kletterspuren auszumachen. Der Fels bietet eine Mischung von Kieseln und Sandsteinhenkeln. Onsightklettern entpuppte sich als sehr schwierig: ohne die Griffe zu putzen waren diese meist viel zu brösmelig und bei den zahllosen Kieseln ist es meist nahezu unmöglich, den griffigsten zu identifizieren, sofern keine Chalkspuren dran sind. So war es nach dem Aufwärmen dann auch nötig, selbst in den 7a-Routen (Starting Blog, Les confessions) und in der Patère Austère (7a+) einen zweiten Go zu geben. Die Krönung bestand aus der ultrasteilen Le serpent à sornettes (7b+/7c). Eine ideale Trainingstour für die Halle, könnte man fast sagen - bis auf den Ausstieg ins vermooste Gelände. Dies war definitiv eine Route, wo die Girls die bessere Figur abgaben wie ich - was jedoch bei dieser Steilheit absolut die Norm ist...
Steil, steiler, Baldur! Dachartige Kletterei im Sandsteinkonglomerat. |
Nouveau Gueberschwihr
Also musste am letzten Tag nochmals Gegensteuer gegeben werden! Nachdem wir unser Camp geräumt hatten, fuhren wir schon ein Stück heimwärts und wollten uns an den Blöcken im neuen Sektor von Gueberschwihr versuchen. Schliesslich hatten die Matten so viel Platz im Auto beansprucht und die Packerei zu einem Tetris auf höchstem Level gemacht, dass sie idealerweise doch noch zum Einsatz kamen (natürlich zum Preis, nach der Session das Pack-Tetris noch einmal wiederholen zu müssen). In Gueber gibt's auch viele, sehr beliebte Kletterrouten, bei unserem letzten Trip im 2019 hatten wir da auf der Hinreise einen Stopp eingelegt. Auch die Blöcke werden regelmässig genutzt - allerdings ist der Mai nicht gerade die Prime Time dafür. Überall wuchert die Vegetation und Zecken gibt's en masse. Das sollte uns aber nicht abhalten, wir hatten eine lässige Session. Am störendsten schien mir, dass die Blöcke nicht sehr kompakt liegen, bzw. auf engem Raum meist nur wenige Probleme eines Schwierigkeitsbereichs zu finden sind. Daher kommt man nicht darum herum, immer mal wieder zu dislozieren, was hier am Hang mit dem ganzen Gestrüpp aufwändiger erschien wie z.B. in den Tessiner Gebieten. Damit ich noch einmal (vielleicht zum letzten Mal...) mit dem guten Gewissen "ich bin doch noch besser" heimreisen konnte (just kidding of course 😜), fand ich ganz am Ende tatsächlich noch einen Move, den die Teenies nicht replizieren konnten...
Ich bin ja durchaus nicht talentiert für derlei Sprünge, meine ersten Versuche waren denn auch nicht von Erfolg gekrönt. Trotzdem war ich mir ziemlich bald sicher, dass ich es hinkriegen würde. Es dauerte dann zwar verflixt lange, bis meine Hand endlich am Topgriff kleben bleiben wollte. Doch in der Slowmotion sieht man auch schön, dass eben doch eine ganze Menge an Koordination erforderlich ist. Wohl weil mir hier die umfassende Erfahrung fehlt, bin ich auch ein ineffizienter Lerner. Sprich, mir fehlt völlig die Intuition, was zu verbessern ist, um zum Erfolg zu kommen. Das geht irgendwie nur mit blindem Trial & Error, was dann halt entsprechend Zeit braucht. Dass meine Wahrnehmung von solchen Moves schlecht ist, zeigt auch die Tatsache, dass mein Rat "erst aus den Beinen pushen, dann erst kommt der Zwick aus den Armen" laut der Slomo falsch, ja geradezu komplett verkehrt ist 😂 ich hätte aber schwören können, dass ich erst mit den Beinen gedrückt und erst nachher mit den Armen gezogen habe 🙄 Nun ja, auf jeden Fall hat dieses Outdoor-Training für das Indoor-Bouldern jede Menge Spass gemacht. Der Sonntagnachmittag verging auf jeden Fall wie im Flug und schon zu bald war es Zeit, um endgültig nach Hause zu fahren. Danke an alle die dabei waren für die tolle Zeit!
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