Auf meiner Projektliste war die Tour schon lange, und auch für Xaver, notabene einer der Erstbegeher, war nach etlichen Jahren wieder einmal ein Besuch fällig. Da im nächsten Jahr allerhand neue Literatur über die Klettertouren an den Mythen erscheint, beschlossen wir, noch diesen Herbst vorbeizuschauen, um Bildmaterial liefern zu können. Leider fiel dann der eingeplante Profifotograf wegen einer Verletzung kurzfristig aus. Einige gute „Shots“ hat es auch mit unseren Kompaktkameras gegeben, und die Kletterei war sowieso ein Genuss!
Mit dem Wissen, dass die Sonne die Gross Mythen Westwand Mitte November erst ab ca. 10.00 Uhr bescheint (die zwei einfachen Einstiegslängen sogar noch später), konnten wir uns einen gemütlichen Start erlauben. Durch ein Labyrinth von (teilweise mit Fahrverboten belegten) Forststrassen führte mich Xaver aufwärts, als Zustiegszeit ist mit einer knappen Dreiviertelstunde zu rechnen. So ging es um 11.00 Uhr los.
Los geht's! Foto: Xaver |
SL 1, 5a, 40m: Unspektakulärer, einfacher, aber nicht schlechter Auftakt, als Zustieg zur richtigen Kletterei.
SL 2, 6a, 45m: Im Mittelteil muss hier, in erstaunlich schönem Fels, schon erstaunlich gut hingeschaut werden. Anfang und Ende sind einfacher.
SL 3, 7a, 35m: Sehr schöne, steile und athletische Seillänge. Die Crux an scharfem Fels beim Wechsel vom rechten an den linken Riss. Danach ist erst die Ausdauer, zum Schluss dann das gute Auge für die richtige Line, gefragt.
SL 3 (7a), die Crux gerade erfolgreich gemeistert. Foto: Xaver |
SL 4, 7b, 40m: Prima Seillänge, wo die Herausforderungen eher im technischen Bereich liegen. Nicht zu unterschätzender Start, danach Quergang nach rechts, an dessen Ende eine erste Crux mit zünftigem Blockierer. Dann kurz etwas einfacher, bevor nochmals eine sehr technische Sequenz an scharfen, kleinen Griffen folgt, welche mit einem kniffligen Aufsteher abgeschlossen wird.
SL 4 (7b): die perfekte Welle, der perfekte Tag. An den Bäumen im Hintergrund sieht man, dass nicht mit dem Kamerawinkel gemogelt wurde. Foto: Xaver |
SL 5, 6a+, 15m: Kurzes, einfaches Intermezzo an steilem, griffigem Fels, ein Genuss!
SL 6, 7a+, 30m: Sehr schöne Seillänge mit einer Tüftelcrux nach dem ersten Drittel. Es ist ein Quergang nach links mit mässigen Tritten und scharfen, kleinen Leisten als Griffen. Der Rest erfordert dann wiederum Übersicht, geht aber gut. Mit Vorteil macht man bei einer kleinen Föhrenansammlung Stand.
Xaver in der Crux von SL 6 (7a+). |
SL 7, 7b, 15m: Recht weit, aber nicht so schwer hoch zum 1. BH, wo die Crux ansetzt. Wiederum ein technischer Boulder, der gefühlvolles Treten verlangt. Ich hab’s mit Rauhigkeiten für links, einem 1-Finger-Tropfloch für rechts und einem Dynamo an den rettenden Griff gelöst. Das war’s dann schon. Für Kleingewachsene: viel Glück!
Das Ambiente passt einfach am Gross Mythen: Lauerzersee und Rigi mit Nebelzunge. |
SL 8, 6a+, 35m: Sieht schwerer aus, als es ist, weil sich da über die drohenden Bäuche hinweg unverhofft einige griffige Schüpplein hervortun. Eher athletisch, prima Genusskletterei.
SL 9, 6a+, 40m: Eine weitere, schöne Seillänge in luftiger Position, die der alten Westwandroute folgt. Für damalige Verhältnisse durchaus kühn! Die Herausforderungen eher im technischen Bereich, d.h. Übersicht und Bewegungsgefühl ist gefragt.
Xaver am Fels, Vogel im Flug: SL 9, 6a+. |
SL 10, 7a+, 20m: Einige einfache Meter zu guten Tritten vor Beginn der Cruxzone. Es handelt sich erneut um ein technisches Bewegungsproblem, wo gefühlvoll und sauber hingestanden werden muss. Der Wulst links ist etwas splittrig, mit beherztem Ziehen an etwas fragil aussehendem Schüpplein geht’s aber am einfachsten, und gehalten haben sie auch. Danach einfachere Querung zum Stand.
Technische Crux in SL 10 (7a+). Man kann sich noch so strecken, es kommt kein guter Griff... Gut Antreten und präzise Bewegen ist der Schlüssel. Foto: Xaver. |
SL 11, 5a, 45m: Einfache Seillänge in teils etwas durchzogenem Gelände, am Schluss ist der Fels auch nicht mehr zu 100% solide. Die Absicherung ist aber genügend, das seit einiger Zeit fehlende BH-Plättli haben wir ersetzt.
Um 16.30 Uhr sind wie schliesslich am Ausstieg. Gerade eben laufen zwei Hikr über die Mythenmatt, welche von einem tödlichen Unfall auf dem Normalweg berichten. Unschön habe es ausgesehen, meinen sie. Wir hatten den Heli gesehen, aber natürlich nicht mit einem solch gravierenden Unfall gerechnet. Es versetzt unserer Euphorie über die gelungene Tour gerade einen kleinen Dämpfer.
Denn tatsächlich ist es so, dass wir in dieser Route einen erneut magischen Novembertag mit vorzüglicher Kletterei geniessen konnten. Die „Abendsonne“ hat mich wirklich sehr positiv überrascht: die Felsqualität ist über weite Strecken sehr gut, die Textur rauh und mit scharfen kleinen Griffen gespickt, die Moves immer interessant. Die Absicherung ist vorzüglich und erlaubt, bedenkenlos am persönlichen Limit zu klettern. So gelangen mir, im Gegensatz zum „Desaster“ in der Achtibahn eine Woche zuvor, alle Seillängen bis 7a onsight bzw. flash (Nachstieg). Und in den 3 Cruxlängen scheiterte ich zwar auf Anhieb jeweils, jedoch nur knapp: nach kurzem Checken ging es in freier Kletterei, in den SL 7 und 10 sogar Rotkreis.
Wie bereits beschrieben, das Ambiente passt. Nachstieg in SL 9 (6a+). Foto: Xaver |
Wie auch immer, zu viel an Philosophieren darf nicht mehr sein am Gipfel: die Sonne steht tief am Horizont, und es gilt, das letzte Tageslicht noch für die Abseilfahrt auszunützen. Diese geht in 30 Minuten zügig vonstatten, auch wenn hin und wieder ein Föhre meint, das Seil gehöre ihr. Um 17.15 Uhr machen wir uns dann am Wandfuss bereits mit der Stirnlampe auf die Socken, im gerölligen Steilabstieg findet prompt noch ein grösserer Stein den schmerzhaften Weg auf Xaver’s Schulter. Das hätte jetzt nun wirklich nicht sein müssen – doch im Rückblick überwiegen dann zum Glück die positiven Eindrücke wieder.
Facts
Material: 12 Express, evtl. Camalots 0.3-1 (hin und wieder einsetzbar, nicht zwingend).
Schöne alpine Sportklettertour durch die kompakten Zonen der Westwand am Gross Mythen. Sie bietet einen Wechsel zwischen athletischer, griffiger Kletterei und technisch anspruchsvollen Zonen. Sämtliche Schlüsselstellen sind kurz, aber erfordern ein gutes Bewegungsgefühl, Kraft für kleine Griffe und sauberes Antreten auf Reibung. Die Absicherung ist, bis auf einige etwas grössere Abstände im leichteren Gelände, vorzüglich. Dennoch sollte man 6b/6c solide draufhaben, damit die Tour Spass macht.
Hier geht es zum guten Originaltopo der Erstbegeher. Im Laufe der Zeit haben sich leicht andere Schwierigkeitsgrade herauskristallisiert, siehe Angaben im Bericht oben.
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