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Mittwoch, 17. Januar 2024

Salginatobel-Rundtour

Keine Frage, was an diesem Sonntag zu tun war: super Pulverschnee, geringe Lawinengefahr und ideales Bergwetter. Auf zu einer exquisiten Skitour, konnte die Devise da nur lauten. In mir drin verspürte ich dennoch ein leichtes Zögern, denn es gab ja noch unerledigte Sportkletterprojekte. Ob der Kälte ein bisschen gesucht vielleicht, aber möglich wäre es bestimmt gewesen. Tja, das ist das Privileg der Bergsportler, welche sich nur auf eine Disziplin fokussieren. Da muss man dann nicht überlegen, ob Ski, Seil oder Bouldermatte. Jedenfalls, der Wechsel zwischen den Disziplinen fällt nicht immer ganz leicht, die Entscheidungsfindung bereitet durch das Mehr an Optionen manchmal Kopfzerbrechen. Aber dafür sind die diversen Erlebnisse natürlich eine grosse Bereicherung.

Wer Einsamkeit will, muss eine Tour gehen, für die sich sonst niemand interessiert...

Mit dem Sonnenaufgang geht's los (im Januar schafft das selbst Langschläfer Dettling noch 😁)

Auftakt zur Tour war um 8.00 Uhr bei der Seilbahn Fanas. Etwas erstaunlicherweise war ich auf der ersten Fahrt (16 CHF/Person) der einzige Fahrgast. Das lag wohl daran, dass die Südhänge nicht mehr die beste Reputation genossen und mein Ansinnen mit der Rundtour definitiv in die Kategorie Special Interest gehörte. Um 8.20 Uhr machte ich mich bei der Bergstation (1700m) auf den langen Weg. Die Route auf den Sassauna war natürlich gespurt - leider Multi-Use, sprich das Trassee war von Schneeschuh- und Fussgängern zertreten. Trotzdem war es in wunderbarer Morgenstimmung ein sehr schöner Aufstieg. Nach einer knappen Stunde hatte ich den Gipfel (2307m) erreicht.

Blick vom Gipfel auf meinen Weiterweg. Am Horizont links die Schesaplana und rechts der Bildmitte die Rätikon-Felsberge Kirchlispitzen, Drusenfluh und Sulzfluh. Mein nächstes Ziel Pfäwi in der linken Bildhälfte (nicht am Horizont, mit der schattigen Flanke). 

Es folgte ein erster Höhepunkt, die Abfahrt über die Sassauna NW-Flanke. Der einfachste Einstieg befindet sich 100m westlich vom Gipfel, bei Idealbedingungen geht's auch 20m westlich vom höchsten Punkt. Extrem steil fährt man da nicht Ski, die Neigung liegt auf der gutmütigsten Linie bei 30-35 Grad. Aber die ganze Flanke ist schon riesig und hat viele Steilpartien - da darf gar nichts ins Rutschen kommen, absolut sichere Bedingungen sind unabdingbar. Die waren gegeben und da idealer, gesetzter Pulverschnee lag, durfte ich diesen Schwüngen gerne 100 von 100 Punkten geben. Auf 1800m im Gebiet von Ludera kamen die Ski zum Stehen und die Felle wurden wieder montiert. 

In Bildmitte die Sassauna NW-Flanke, ein absolut ideales Skigelände.

Um 9.40 Uhr ging's weiter Richtung Luderer Fürggli. Am besten geht's erst etwas querend über den Graben vom Schwieggatobel hinweg, dann hinauf zum (oberen) Sommerweg und mehr oder weniger diesem entlang zum Sattel. Für Sammler gibt's mit 47hm Zusatzaufwand noch den absolut unbedeutenden, aber irgendwie doch noch neckischen Gipfel vom Picardichopf (2096m) einzusammeln. Zum Pfäwi geht's dem aussichtsreichen NW-Grat entlang. Hier machte ich nun aus der Spur (der Gemsen) auch ein Multi-Use. Sie werden meine Planierarbeit hoffentlich geschätzt haben. Um 10.40 Uhr war die Arbeit getan und der Gipfel vom Pfäwi (2304m) erreicht. Die Felle konnten abgezogen werden und die Vorfreude auf eine nächste geniale Abfahrt paarte sich mit der formidablen Aussicht.

Blick vom Pfäwi (2304m) zum Sassauna (2307m), gut sichtbar die schattige NW-Flanke.

Die nordseitige Abfahrt vom Pfäwi via Hinterberg und Freschidörsch ist dann mit ein paar kurzen Stellen im Bereich von 35 Grad nicht extrem steil - war aber sehr genussreich mit idealem Skigelände und perfektem Powder, besser kann es wirklich nicht sein! Nur zu bald kamen die Skis in der Talsohle beim Vordersäss zum Stehen. Dies ist wirklich ein sehr abgelegener Platz: rundherum nur Berge, kein Blick ins bewohnte Tal und erst recht kein rascher Weg zurück dahin. Weil auch noch der Handyempfang fehlt, fühlt man sich da rasch ziemlich isoliert und schon ein kleines Problem mit nicht (mehr) klebenden Fellen oder einem verlorenen Ski würde einen da durchaus in die Bredouille bringen.

Blick zur Schesaplana aus der Pfäwi-Nordflanke, wo meine zweite Abfahrt durchführte.

Bei mir lief aber alles flott und ich genoss das Gefühl der Abgeschiedenheit extrem. Das Tal war komplett unberührt, keine einzige Spur von Menschen oder Tieren war sichtbar. Da fühlte ich mich gleich wie auf Terra Incognita, während ich ab 11.15 Uhr durch hektarweise besten Pulverschnee Richtung Golrosa spurte. Ein Tipp noch für jene, die es mir dereinst gleichtun wollen: die Rinne vom Valser Bach lässt sich nicht überall einfach queren, insgesamt ist der Aufstieg auf der linken (nördlichen) Seite vom Bach wohl als angenehmer zu werten. Gehen tut's aber definitiv auf beiden Seiten.

Rückblick ins einsame Hochtal des Valser Bachs am Fuss der Schesaplana-Südflanke.

Um 12.40 Uhr hatte ich den Passübergang der Golrosa (2124m) erreicht. Fast 90 Minuten also für die nur 450hm, aber es ist eben auch eine beträchtliche Strecke von nahezu 4km, die man dabei (in nicht immer gerader Linie) zurücklegt. Beim Übergang wird der Blick auf die Rätikon-Felsberge frei. Darauf hatte ich mich natürlich sehr gefreut, denn aus dieser Perspektive hatte ich die Wände bisher nie gesehen. Sowieso bilden die westlichen Kirchlispitzen 1-3 aus der typischen Kletterer-Optik eine vernachlässigte Grösse und es war schön, diese für einmal etwas näher zu Gesicht zu bekommen.

Blick von der Golrosa auf die Rätikon-Kletterberge: Kirchlispitzen, Drusenfluh und Sulzfluh.

Mein Rückweg in die Zivilisation sollte ab der Golrosa via den Höchstelli erfolgen. Bei sicheren Verhältnissen kann man dazu die steilen Nordhänge vom Girenspitz ohne Höhenverlust queren. Andernfalls wäre eine kurze Abfahrt Richtung Vorder Cavell die sicherere Variante. Für mich war das nicht nötig und somit war es prinzipiell nur noch ein Katzensprung zum letzten Kulminationspunkt. Wobei die Beine langsam etwas schwer wurden, mit der Nachmittagstour vom Vortag hatte ich in 24h nun bereits fast 3500hm zurückgelegt, dies bei fast der Hälfte davon inkl. der Spurarbeit. Um 13.10 Uhr schlug ich auf dem Höchstelli (2297m) an. Von da kann es wieder abwärts gehen, wobei der ambitionierte Gipfelsammler sich die Gelegenheit mit dem nahe gelegenen Girenspitz (2393m) nicht entgehen lässt. Skitechnisch lohnt es sich allerdings eher nicht und der Aufstieg entlang dem teils stark verwächteten Grat war auch nicht unbedingt dem Genre Plaisir zuzuordnen. Einfacher wäre es wohl, diesen Gipfel direkt von NW bzw. N anzugehen, man würde sich so auch einiges an Rund-um-den-Berg-herum-Distanz sparen.

Der Girenspitz (2393m) mit seinem überwächteten SSE-Grat vom Höchstelli.

Der Kulminationspunkt war erreicht, nun war wieder Skifahren angesagt! Wobei über den ersten Teil über die steilen Südhänge hinunter nicht viel Rühmenswertes gesagt werden kann. Teilweise war es schwingbar, je nach Steilheit und Expo aber auch ein unmöglicher Zwieback-Karton. Immerhin war es relativ schnell vorüber, unter 2150m war der nach Schuders verlaufende Rücken genügend flach, dass die Schneeoberfläche noch locker war und beschwingt gekurvt werden konnte. Bis zu dieser Stelle war von Schuders her gespurt, wobei diese Tourengänger über den SE-Rücken von Falvanja abgefahren waren. Das sah echt verlockend aus, hätte mir aber ultimativ die Fluggelegenheit genommen, weshalb ich die Idee dort abzufahren verwarf...

Sicht aus der Kartonzone auf den nach Schuders verlaufenden Rücken (mit wieder gutem Schnee).

Dies war sowieso ein springender Punkt meiner ganzen Planung gewesen: wie sich die Tour gut beenden liesse und man wieder zum Ausgangspunkt zurückkäme. Der logische Endpunkt war nämlich in Schuders, was doch eine ganze Ecke von der Fanaser Talstation entfernt liegt. Man müsste also auf eine Mitfahrgelegenheit von dort nach Schiers hoffen. Einzig bei idealen Verhältnissen mit genügend Schnee bis in tiefe Lagen könnte man durch das Schraubachtobel bis nach Schiers fahren - das war aber an dem Tag nicht möglich. Mein Joker war der Ultraleicht-Gleitschirm, mit welchem ich vom Schuderser Maiensäss starten wollte, um effizient zu Tale zu kommen. 

Ideale Startgelegenheiten in mehr oder weniger alle Richtungen findet man auf dem Rücken.

Im Winter dann aber auch tatsächlich in die Luft zu kommen, ist nicht immer trivial. Der Abwind kann ein hartnäckiger Gegner sein, aber hier auf dem Rücken sollte nichts schiefgehen. Laut Prognose und auch zuvor auf den Gipfel war ein deutlicher Westwind vorhanden, was auch die bevorzugte Startrichtung war. Warum dieser dann an meinem Absprungort doch plötzlich aus NE kam, ist eine gute Frage. Aber einmal um 180 Grad umgedreht, so war das an meinem designierten Startplatz auf einer Kuppe kein Problem. Anderswo könnte es aber auch bedeuten, ohne das Flugtaxi ins Tal gelangen zu müssen. 

Ah natürlich, der Schirm wollte halt auch einfach nochmals die Drusenfluh sehen, das ist der Grund!

Der einzige Schönheitsfehler meiner Rundtour ist der, dass der Flug vom Schuderser Maiensäss zurück zur Talstation der Fanas-Seilbahn sich mit dem Ultralight-Equipment kaum ausgeht. Da müsste man schon auf Thermik treffen oder sehr günstigen Wind haben, das war mir schon im Voraus bewusst. Und tatsächlich war der Touchdown dann im Haupttal bei Schiers Pferpfier. Grundsätzlich wäre es ein Leichtes gewesen, auf der Anreise das Bike dort zu deponieren und die Runde damit als Ski-Fly-Bike-Triathlon zu vollenden. Aber ich dachte mir, dass es entweder mit Autostopp oder dann zu Fuss wohl auch ohne grossen Zeitverlust ginge. Und genau so war es dann. Ich machte mich per Pedes auf die Socken, nach ein paar Minuten wurde ich mitgenommen und punktgenau nach Fanas zur Seilbahnstation chauffiert. So schloss sich diese geniale Runde mit ihrem grossen Exklusivitätsbonus - das war eine Tour ganz nach meinem Gusto gewesen!

Facts

Route: Fanas Bergstation - Saussauna - NW-Abfahrt - Luderer Fürggli - Picardichopf - Pfäwi - N-Abfahrt - Vordersäss - Golrosa - Höchstelli - Girenspitz - Schuderser Maiensäss - Flug nach Schiers Pferpfier - Fanas Talstation (Autostopp, sonst +300hm extra). 

Total ca. 1900hm Aufstieg, 2000hm Abfahrt und 1000hm Gleitschirmflug
Ski-Schwierigkeit ca. ZS, jedoch diverse Steilhänge, die sichere Bedingungen fordern!

Mittwoch, 21. Juni 2023

Rätikon - Sabra (7a)

Rätikon Sabra, das stand schon viele Male auf dem Zettel, als es um die Auswahl einer Route ging. Irgendwie kam es doch nie dazu, restlos genau zu erklären ist das nicht. Möglicherweise ist es eine Kombination der mit 8 SL auf dem Papier kurz scheinenden Kletterstrecke und einiger nicht durchwegs positiver Online-Rezensionen. Aber spät(er) ist nicht nie, der Tag kam wo wegen abendlicher Verpflichtungen, einem nicht zu 100% gewitterfreien Wetter und einem schon weit zurückliegenden letzten Rätikon-Besuch die Sabra genau das richtige Ziel war. Zudem sollte ich ja sowieso für den im 2024 geplanten Kletterführer recherchieren, das passte umso besser. Mit der Aussicht auf diesen sollte man online vielleicht nicht alle Körner verpulvern - den textlastigen, einen Kletterführer weit sprengenden Blog gibt's nun trotzdem, für ein aktualisiertes Topo und das Wandbild mit dem Routenverlauf verweise ich aber gerne auf das zu erscheinende Schriftstück.

Die Kirchlispitzen mit der Sabra ganz rechts an der noch grösstenteils schattigen 7. Spitze.

Ich habe es auf diesem Blog nun schon mehrmals erwähnt: die Strasse von Schuders zum Parkplatz bei der Kletterhütte oberhalb des Grüscher Älpli ist neu kostenpflichtig (10 CHF/Tag, bezahlbar mit den Apps Twint oder Parkingpay, Details am Ortseingang von Schuders). Ich präferiere inzwischen das E-Bike für die Strecke: es ist gleich geschwind oder tendenziell schneller wie mit dem Auto (bis Melkplatz 26min hin, 18min retour), es schont die Karrosse und vermeidet Parkplatzprobleme, welches es an Wochentagen in der Vorsaison zwar kaum gibt, im Sommer und Herbst an Weekends aber durchaus. Zur Erinnerung, man darf sich nur auf dem Platz unterhalb vom Kletterhüttli stationieren, wo es für ca. 8 Fahrzeuge Platz hat. Vom Melkplatz stiegen wir zügig in ca. 25 Minuten hinauf zum Einstieg, der sich ca. 20m links vom mir wohlbekannten Start der Kamala befindet. Um 9.45 Uhr hatten wir alles parat und legten mit der Kletterei los.

Die beste Variante, um ins Gebiet zu kommen...

L1, 25m, 6b+: Der Start befindet sich bei einem angelehnten Pfeiler bei einer stark verwitterten Sanduhrschlinge. Dieser bietet problemlose erste Meter zur kompakten Wand hinauf, wo es dann gleich volle Kanne losgeht. Die Absicherung ist gut, dennoch will engagiert gestiegen werden. Es wartet mehr oder weniger senkrechte Wandkletterei an schönem Fels - teilweise mit leichter Staubschicht von der Feuchtigkeit, welche hier wohl doch hin und wieder drückt. Sollte letzteres der Fall sein, so erachte ich die Länge als unpassierbar. Das hat auch mit einem längeren Abstand zum letzten BH hin zu tun, welcher in einem zwar nicht sehr schwierigen, aber doch ziemlich kühnen Quergang erreicht werden will.

Trotz der moderaten Bewertung: schon in L1 (6b+) muss man richtig parat sein!

L2, 25m, 6c+: Dieser Abschnitt bietet eine etwas eigenwillige Routenführung. Der erste BH ob dem Stand ist gut sichtbar und wird mit einer Linksschleife erreicht. Dann quert man weit nach rechts und klettert in einem grossen Bogen dem schönsten Fels und den homogenen Schwierigkeiten entlang (?!?). Der Ausweg aus diesem Wandteil führt aber unweigerlich durch den überhängenden Abschluss der Rissverschneidung. Diese kann bestimmt auf zig verschiedene Arten bewältigt werden, von Riss-Jamming über Kamin-Fortbewegung, Ausspreizen und derlei 3d-Manöver ist vieles vorstellbar. Auch das ist übrigens eine Stelle, wo die Feuchtigkeit lange drückt. Insgesamt handelt es sich hiermit um die vermutlich am besten abgesicherte Seillänge der Route.

Ich sage nur "es täuscht". Dieses Foto gibt keinen adäquaten Eindruck der lässigen L2 (6c+). Vor allem befindet sich der Akteur (auch wenn es trivial aussieht) in der Crux, dem kaminartigen Rissüberhang zu entsteigen ist dann im Fall alles andere als einfach!

L3, 50m, 5c+: Nun ja, gerade attraktiv sieht dieser Abschnitt vom Standplatz unterhalb nicht aus. Das Gelände wirkt eher splittrig und lässt rustikale Verschneidungskletterei bei spärlicher BH-Sicherung vermuten. Schlussendlich entpuppt es sich als weniger schlimm wie befürchtet. Nicht alles was lottrig aussieht fällt gleich auseinander und während auf die gestreckten 50m tatsächlich nur 3 BH stecken, so befinden sich diese genau am richtigen Ort, dazwischen können mobile Sicherungen in anfoderungsgerechten Abständen platziert werden.

In L3 (5c+) macht das Gelände einen etwas splittrigen Eindruck. Sicherlich ist es die alpinste Seillänge der Route, schlussendlich ist es aber doch deutlich angenehmer zu beklettern wie man auf den ersten Eindruck befürchten könnte.

L4, 40m, 6a+: Auch diese Sequenz hat mehr den Charakter einer Übergangslänge zum fantastischen oberen Teil. Hier hätte man sich bestimmt auch eine relativ einfach Linie im vierten Grad zimmern können, doch die Erschliesser wählten einen Weg der erst links eine (erstaunlich knifflige) Plattenstelle einbaut, sich dann rechts schöne Meter sucht und zum Ende einen elegant-griffigen Abschluss findet. Aus der Optik "schöne Klettermeter maximieren" wäre m.E. der Weiterweg über die kompakte Plattenzone links oberhalb des ersten BH logischer gewesen, so hätten sich 40 homogene und sehr schöne Meter im Bereich 6b ergeben (ich hab's im Nachstieg ausprobiert und würde die Route bei der Sanierung dahin verlegen).

Aussichten auf den oberen Routenteil, Jonas in L4 (6a+) unterwegs.

L5, 40m, 6c+: Bis zu diesem Punkt war die Route vielleicht nicht gerade leichtverdaulich, aber doch noch nicht extrem anforderungsreich. Ich schreibe das, weil es ab L5 definitiv einen Gang höher zu schalten gilt. Und zwar schon bald! Über die geneigte Platte pirscht man sich noch problemlos ans aus dem Netz und Erzählungen bereits bekannte Corpus Delicti hinan. Dies besteht aus einer zu 100% zwingenden 6c/+ Reibungsstelle vom zweiten zum dritten BH. Rein metermässig ist der Abstand nicht megaweit, die zwei, drei harten Moves beginnen, wenn man mit den Füssen etwas links oberhalb des Hakens steht. Doch die Stelle ist absolut zurecht berüchtigt - mit dem eher ungünstigen Seilverlauf, den wackligen Moves und einer geneigten Plattenzone unterhalb ist der Mix absolut da, dass es einen womöglich sehr unangenehm runterpaniert. Immerhin wurde der offenbar stark in Mitleidenschaft gezogene Original-BH an dieser Stelle von einer guten Seele durch ein neuwertiges Exemplar ersetzt. Danach geht's vorerst recht gemässigt voran, bis am Ende eine taffe Sequenz nochmals fordert - je nach persönlicher Präferenz zwischen fusslastiger vs. athletischer Kletterei ist das sogar die Crux. In einer Rechts-/Links-Schleife warten coole, zügige und nicht so einfach zu lesende Leistenmoves - echt super, obschon die Felsqualität an der Stelle nur 1b ist.

Erst typische Rätikonplatten, dann powerige Leistenkletterei: in L5 (6c+) wartet das volle Programm.

L6, 50m, 6a: Für Abwechslung ist gesorgt und die folgt hier im Rahmen einer relativ einfachen Seillänge in steilem Gemäuer, wo die Absicherung abschnittweise mobil zu erfolgen hat. Im Auftakt trifft man auf einen Schlaghaken des historischen CFC-Wegs, der hier (wohl teilweise gemeinsam?!?) verläuft. Nach einem Bolt folgt eine abdrängende Schuppe, dann griffige Kletterei über tolle Platten - man achte bloss darauf, seine Sicherungspunkte gut zu verlängern! Denn am Ende (wo man sich mangels weiterem Material möglicherweise zum Verlauf fragt) quert man erst markant an einem geradlinigen Riss vorbei nach rechts, steigt über Platten hinauf um schliesslich den Stand links auf dem Pfeiler zu finden.

Das etwas grasige wirkende Foto wird der langen Reise in L6 (6a) nicht wirklich gerecht. Die Kletterei ist weitgehend super, teilweise selber abzusichern und somit für den tief angesetzten Schwierigkeitsgrad überhaupt nicht langweilig.

L7, 45m, 6c+: Eine wahre Monsterseillänge in prima Fels! Schon gleich aus dem Stand raus geht's los und so richtig "lugg" lässt es nie mehr. Wiewohl wartet nirgends die Megahärte in Form einer extremen Boulderstelle. Doch gleich zu Beginn ist's kräftig an Löchern, Leisten und Slopern, dann bahnt man sich den Weg über sehr schönen, teils mit prima Griffen gespickten Fels. In der zweiten Hälfte wird es dann mehr und mehr fusslastig - erinnerungswürdig v.a. die Linksquerung mit einem einzigartigen 3-Finger-Schlitz (ohne den die Stelle im sonst blanken Gelände wohl kaum kletterbar wäre) mit seinem engagierten Klipp danach. Einfach dran bleiben heisst es, zum Ende wird es dann an einem Riss nochmals athletisch, wobei da selbst bei verlängerten Sicherungen (und sonst erst recht) das Seil in die ungünstige Richtung zieht. 

Mit Aussichten aufs Schweizertor in der Monsterlänge L7 (6c+)

L8, 45m, 7a: Zum Ende folgt die am höchsten bewertete Seillänge und tatsächlich findet man da klar die schwierigsten Kletterstellen. Los geht's mit einer leicht überhängenden, griffarmen Wandstufe, die zu einer einfacheren Verschneidung führt. Die Moves sind erst hart und der Exit ins einfacher werdende Gelände heikel. Man kann da durchaus fallen und sollte das passieren, so kommt man wegen dem tief steckenden BH mit dem Belayer und dem Standband sehr viel schneller in intimen Kontakt als einem lieb ist. Man kann zwar einen 0.2er Cam platzieren der das verhindert, aber auch nur wenn man so viele Reserven hat, dass man wohl einfacher gleich durchzieht, bis man oben steht (Anmerkung der Redaktion: der Cam lässt sich auch aus einer Trittschlinge platzieren - was, wenn man sich nicht ganz sicher ist, der Gesundheit zuliebe vielleicht nicht der dümmste Approach ist). In griffigem Gelände gelangt man zu den nächsten Herausforderungen, welche in einem reibungslastigen Runout in einem seichten Winkel zu hoch steckendem Bolt und einer Boulderstelle mit nicht offensichtlicher Routenwahl bestehen. Das ist es aber noch nicht, das Schlussbouquet folgt erst danach in Form von einer grifflosen Zauberstelle (in senkrechtem Gelände, notabene). Für uns hat sich da keine machbare Lösung erschlossen, schon gar nicht in 7a-Kragenweite. Immerhin geht's da kommod A0 und die letzten 10m zum Stand stellen auch kein unüberwindbares Hindernis dar.

Kein Top-Foto und aussehen tut's ähnlich wie davor. Das ist aber am Routenende in L8 (7a).

So erreichen wir um 16.15 Uhr nach doch 6:30h der Kletterei das Top. Nun ja, die für 8 SL doch recht lange Kletterzeit ist schnell erklärt: in den meisten Längen wird das Seil ausgeklettert, vielfach ist es über längere Passagen schwierig und während die Absicherung wohl als "gut" bezeichnet kann, so erlaubt sie kein zügiges Durchmarschieren, sondern wohlüberlegtes Vorgehen. Noch dazu sind die einfacheren Abschnitte eher spärlich geboltet, so dass dort mit selber absichern, Wegsuche und zurückhaltendem Vorgehen auch nicht aufs Tempo gedrückt werden kann. Für den Rückweg kann man entweder über die NE-Flanke abkraxeln und dann via Schweizertor zu Fuss absteigen oder auch Abseilen, wozu 7 Manöver fällig sind. Um die Schuhe nicht mitnehmen zu müssen, hatten wir uns dafür entschieden. Je nachdem wie speditiv man ist, dauert es wohl nur ein bisschen oder auch ein Stücklein länger wie der Fussabstieg. Nachher machten wir uns zügig auf die Socken, genossen den Bike-Downhill nach Schuders und fuhren einer 40. Geburtstagsparty entgegen, die genau wie die Sabra und die Erinnerungen an die Kamala daneben in Erinnerung rief, dass es schon eine gute Weile her ist, seit ich auch noch so jung war.

Facts

Rätikon / 7. Kirchlispitze - Sabra 7a (6c+ obl.) - 8 SL, 320m - Wyser/Morel/Tischhauser 1991 - ****;xxx
Material: 50m-Seil, 12 Express (min. 5 verlängerbare), Cams 0.2-0.75 (evtl. 1 und 2), Keile

Tolle Rätikontour, welche unten noch etwas verhalten startet aber auch dort schon schöne Passagen bietet. Die obere Hälfte weist dann durchgehend besten Fels und geniale Kletterei auf. Die Route ist eher länger, wie die nur 8 SL suggerieren, da diese meist lang sind, sowie komplexe und anhaltende Kletterei bieten. Da zusätzlich die Haken nicht immer in einer Linie stecken, kämpft man am Ende der Seillängen meist gegen Seilzug - man beherzige sich den Tipp, genügend verlängerbare Alpine Draws mitzunehmen und diese auch einzusetzen. Die schwierigen Stellen sind gut eingerichtet, weisen aber doch immer wieder zwingende Passagen nahe der Höchstschwierigkeit auf. An den einfacheren Stellen stecken die Bolts eher spärlich und mit grossen Abständen. Das ist aber insofern wenig problematisch, als dass dort meist gut mit mobilen Mitteln ergänzt werden kann. Die Geräte der Wahl sind kleine Cams 0.2-0.75 - entweder doppelt oder dann mit einem Satz Keile ergänzt. Grössere Cams (1-2) bringt man sicher auch mal unter, sie scheinen mir aber verzichtbar. Hinweis: Jahreszeit beachten, da im Schatten vom Schweizereck gelegen, erscheint die Sonne trotz SE-Ausrichtung erst recht spät und verschwindet aus den oberen Seillängen spätestens Mitte Nachmittag. Topo und weitere Details zu den Routen im Panico-Führer Rätikon Süd, dessen Neuerscheinung für 2024 geplant ist.

Donnerstag, 26. Januar 2023

Skitour zum P.2435

Vermutlich wird dieser Beitrag niemanden vom Hocker reissen. Muss er natürlich auch nicht, er soll auch nur eine (vielleicht doch nicht ganz) gewöhnliche Skitour dokumentieren. Mir war es nach "nicht zu weit, nicht zu extrem, nicht zu speziell", aber Neuland sollte es dann doch gerne sein und auch nicht unbedingt ein Ziel, welches im Fokus der Massen steht. Schliesslich fand ich meine Destination im Gebiet der Aschariner Alp bei St. Antönien. 

Fantastisch die Mauer der Rätschenflue, ebenso wie der Hang vom Wandfuss hinunter!

Meine Tour startete bei der Brücke und Postautohaltestelle Ausserascharina P.1274. Noch ein wenig günstiger wäre jene bei der Alpbachbrücke, spielt aber keine wesentliche Rolle. Schnee lag beim Ausgangspunkt nicht üppig viel, aber doch gut genügend, um auch wieder dahin abzufahren. Ebenso war eine schön griffige und gut ausgetretene Aufstiegsspur vorhanden, so dass ich zügig an Höhe gewinnen konnte. Bald einmal war die Aschariner Alp erreicht, wo die das Tal abschliessende Rätschenflue der Blickfang ist. Sie lockt unglaublich für eine Besteigung, sowohl aus der Ferne wie auch aus relativer Nähe sieht sie einfach famos aus. Es gibt aber nur 2 alte Routen von 1947 und 1972, welche der SAC-Führer von 1988 mit dem Attribut "makaber brüchig" beschreibt und von einer Wiederholung abrät - was natürlich schon fast wieder dazu einlädt, denn die quasi schlechtestmögliche Route müsste man zwecks Kalibration seiner Massstäbe ja auch einmal machen. Nebst einem genauen Blick auf dieses Gemäuer wollte ich auch noch alle kotierten und benannten Kulminationspunkte in der SE-Ecke des Tals besuchen. Diese bieten keine Schwierigkeiten, dementsprechend konnte ich sie auch alle mühelos einsammeln. Der Höhepunkt meiner Tour war beim leider namenlosen P.2435, der ein absolut logisches Ziel im Talschluss darstellt. Doch heute bot er nicht nur das, sondern an den südseitigen Felsen auch eine wohltemperierte und windstille Gipfelrast, sowie in seiner Nordflanke besten Pulverschnee. 

Gipfelblick auf's heute hohe Nebelmeer, am rechten Bildrand die bekannteren Rätikonwände.

Weiter unten gibt's zwischen dem Hinter- und dem Vordersäss eine pistenartige Passage. Zwischen 1800-1600m ist die Schneelage am knappsten, aufgrund dem rauen Gelände war auch da der pistenmässig eingefahrene Güterweg die Linie der Wahl. Ab da hat's wieder glatte Wiesen, wo man nach Belieben im führigen Pulver schwingen konnte. Der Sparfuchs hatte natürlich auf seine alten Bretter gesetzt, konstatierte aber am Ende, dass es auch mit etwas Umsicht auch mit dem neuen Material gut gegangen wäre. Höchst zufrieden über einen wohl nicht spektakulären, aber doch genussreichen Ausflug in den Schnee machte ich mich auf den Heimweg.

Freitag, 22. Oktober 2021

Rätikon - Lanciamira (17 SL, 6c, Erstbegehung)

Lanciamira, das grosse Projekt von Larina & Marcel am Drusenfluh Westgipfel im Rätikon! Alles begann mit der Vision, in dieser riesigen Wand eine Route einzurichten. Auf mein Werweissen am Mittagstisch, wer für dieses Vorhaben wohl die richtige Begleitung wäre, kam die Antwort von Larina wie aus der Pistole geschossen: "ich komme mit dir mit!". Normalerweise würde man da einem Kind für das Angebot danken, ihm dann aber erklären, dass so etwas nicht realistisch ist. Aber so bin ich nicht gestrickt, mit Passion, Motivation und Hingabe ist vieles möglich und es gibt vor allem einen grossen Fehler im Leben, nämlich sich die Grenzen zu eng zu setzen. So dauerte es nicht lange, bis wir das erste Mal gemeinsam ("aber nur wir zwei!") ins Rätikon aufbrachen. Die langen und anstrengenden Tage verabreichten wir uns danach in vernünftigen Dosen, sprich 1-2x pro Jahr. So behielten wir immer die Motivation für das Projekt und freuten uns auf den nächsten Besuch. Wobei man sagen muss, dass die entscheidenden Faktoren auch nicht viel öfter zusammengepasst hätten. Wir stiegen jeweils von unten in die Route ein und kletterten bis zum Vortriebspunkt, was natürlich immer länger und länger dauerte - dafür mit dem Klettern vieler toller Seillängen vergütet wurde. Summa summarum dauerte es schliesslich 5 Saisons für die insgesamt 7 Tage Erschliessungstätigkeit und der Krönung mit dem kompletten Rotpunkt-Durchstieg, wo dann nach zähen Verhandlungen auch die Mama mit dabei sein durfte. Nun können wir glücklich und stolz unser Werk präsentieren.





Zufahrt

Auf steiler Bergstrasse von Schiers nach Schuders, am Parkplatz vor dem Ort muss seit Sommer 2021 die Taxe für den Alpweg zum Grüscher Älpli per QR-Code bezahlt werden (Apps Twint oder Parkingpay nötig, 10 CHF für 1 Tag oder 40 CHF für 1 Monat). Eine gute Alternative ist es, die raue Naturstrasse per E-Bike zurückzulegen, was einem neben der Gebühr auch die Parkplatzsorgen erspart. Laut Abmachung dürfen während der Alpzeit (Anfang Juni bis Ende September) Fahrzeuge nur auf dem eingezäunten Platz unter dem Kletterhüttli abgestellt werden. Je nach Disziplin der Besucher ist genügend Raum für 6-8 Autos vorhanden. Man sei sich auch bewusst, dass der Alpweg ab Schuders mit einem offiziellen Fahrverbot belegt ist. Dessen Missachtung wurde bis dato von den Behörden toleriert, dies unter der Auflage, dass die Regeln (v.a. Taxe und Parkplatz) beachtet werden.



Zustieg

Vom Parkplatz weiter der Strasse entlang zum Melkplatz (P.1745, Bikedepot). Ab hier seien 3 Optionen erwähnt, wie man in Sichtweite der Wand gelangen kann. 1) auf dem markierten Weg Richtung Kirchlispitzen, dann ab dem Pardutzbödeli auf dem Prättigauer Höhenweg nach rechts; 2) vom Melkplatz weiter dem Alpweg zum Stall beim Heidbüel folgen und von dort auf schwachen Wegspuren zum Prättigauer Höhenweg oder die beste und schnellste Option 3) vom Melkplatz nur kurz dem Alpweg Richtung Heidbüel entlang, dann aber direkt in weglosem Gelände zum Höhenweg - am Beginn muss durch einige Büsche navigiert werden, bald ist das Terrain prima begehbar. Man verlässt den Prättigauer Höhenweg bei allen 3 Optionen an derselben Stelle, folgt einem Wiesenrücken und steigt erst links der Geröllreisse auf. Man überquert diese, um rechts davon über Wiesen und grossblockiges Geröll weiter an Höhe zu gewinnen. Schliesslich nach links zum Kamm der markanten Runse halten. Diese ist oft nicht einfach zu überqueren, am besten geht es in der Regel am tiefsten Punkt, wo auf den Wandvorbau gewechselt werden kann. Nun links der Runse auf dem nackten, geneigten Fels hinauf und schliesslich auf dem untersten, gut begehbaren Band noch ca. 50m nach links zum Einstieg queren (Anschrift, BH mit Seilschlinge). Dieser befindet sich exakt genau da, wo auf der CH-Landeskarte die 'Schüsshöli' vermerkt ist... das muss übrigens ein Fehler sein, denn eine Höhle gibt's da definitiv keine. Aber natürlich ist es sehr nett von Swisstopo, unseren Einstieg so klar auf der Karte vermerkt zu haben. Vom Parkplatz sind es gerade gut 600hm, für welche wir am Tag der RP-Begehung 1:15h brauchten.

Der Zustieg ist perfekt mit Steinmännern markiert... sofern sie noch da sind ;-)

Hier geht's los :-)

Das Wandbild mit dem Routenverlauf hilft sicher auch, den Einstieg zu finden.

Route

Die Lanciamira beginnt am tiefsten möglichen bzw. sinnvollen Punkt in diesem Wandteil (ohne Vorbau), die benachbarten Routen Mangold, Felsprinzessin und Schwarzer Diamant beginnen alle erst höher oben und erfordern die Begehung von steilerem Schrofengelände, das wir uns lieber ersparen wollten. Es ist möglich, von rechts her über ein höheres Band zu Stand 1 zu kraxeln oder die ersten 4 Seillängen weiträumig an den Einstiegen von Mauerläufer und Schwarzer Diamant vorbei rechts zu umgehen (T5,II). Die 4 eher plattigen Längen zu Beginn sind aber ideal zum Angewöhnen und verlaufen zum grössten Teil in perfekt rauem Rätikonfels, so dass es schade wäre sie auszulassen.

L1, 30m, 5a, 3 BH: Griffiges Gelände, Wasserrillen und ein Aufschwung zum Schluss
L2, 40m, 5c, 5 BH: Einfacher Auftakt zu schönen Platten mit feinen Wasserrillen und Struktur
L3, 30m, 6b, 5 BH: Schwieriger Steilwulst, dann schöne Linksquerung und griffiger Ausstieg
L4, 45m, 5c, 5 BH: Erst über die Platte links, kurz durchs Gras, dann super wasserzerfressener Fels

Unterwegs in L2 (5c), mit noch einem sehr langen Weiterweg vor sich!
Larina folgt auf der feinen Platte in L2 (5c), das Foto von 2019.
Am Anfang von L4 (5c) sucht die Route erst den Fels linksherum, ist dann kurz etwas grasig, findet dann aber wieder perfektes, rau-griffiges Gestein. Den Punkt oberhalb des Kletterers, d.h. den Beginn von L5 kann man auch von rechts her einquerend über etwas heikle Schrofenkletterei erreichen. Natürlich empfehlen wir, die komplette Route von ganz unten zu begehen!

Die folgenden 4 Seillängen führen in steilplattiger Kletterei in vielfach perfektem Rätikonfels hinauf auf das grosse Band. Die Lanciamira verläuft hier rechts der Mangold, deren berüchtigte zweite Seillänge auf der Höhe von unserem Stand 4 beginnt.

L5, 35m, 6c, 8 BH: Erst Steilplattenkletterei mit Leisten, Seit- und Untergriffen, einfacheres Finish
L6, 40m, 6a, 5 BH: Gemütlicher Beginn, zum Schluss steileres aber sehr henkliges Gelände
L7, 50m, 6a+, 8 BH: Sehr schöne und anhaltende Wandkletter-Seillänge in perfektem Fels
L8, 50m, 5a, 3 BH: An Wasserrillen aufwärts, dann rechtshaltende Querung über das Geröllband

Nachstieg in L5 (6c), welche mit einer fordernden Steilplattenstelle aufwartet (Foto von 2020).
Prima griffiger Fels und sehr genussvolle Kletterei in L6 (6a, Foto von 2019)
Larina und Kathrin folgen in L7 (6a+), die mit hervorragend wasserzerfressenem Fels aufwartet!
Nach schönen Wasserrillen quert man in L8 (5a) übers Geröllband nach rechts.

Wichtig ist es, beim zweiten BH in L8 markant und mehr oder weniger horizontal nach rechts zu queren (Richtung 14 Uhr, aufgemalter Pfeil) und nicht über Schrofen und Geröll hinauf zur oberen Wand zu steigen, obwohl dort ein (von uns eingerichteter Abseil)stand sichtbar ist. Der nächste Routenabschnitt führt über Steilplatten mit einzelnen Aufschwüngen an die Schlusswand heran. Die Schwierigkeiten dieser Seillängen sind alle um +/- 6b herum.

L9, 30m, 6a+, 4 BH: Prima mit etwas unübersichtlichem Wulst und nicht geschenkter Platte.
L10, 30m, 6b, 5 BH: Steil-griffiger Auftakt, dann Steilplatte und stumpfe Wasserrillen, super!
L11, 40m, 6b, 6 BH: Steilplattenkletterei an Slopern, geniale Wasserrillen, steile Schlusswand

Mit den immer wieder bequemen Standplätzen auf Bändern ist die Route in dieser Zone nicht so fotogen im Rückblick. Daher beschränken wir uns hier auf einen Shot aus L11 (6b), wo man Kathrin in der steilen und genial zu kletternden Schlusswand sieht.

Ab L12 geht's nun deutlich steiler in die Höhe. Der meist stark wasserzerfressene Fels trumpft aber mit Tropflöchern und rauen Henkeln auf, so dass die Schwierigkeiten im überschaubaren Rahmen bleiben. Trotzdem werden die Unterarme hier nun klar mehr gefordert. Und das alles führt unweigerlich unter das grosse, sperrende Dach hinauf... würde es hier wohl einen Ausweg geben?!? Ja, das haben wir uns im Laufe der Erschliessung auch 1000x gefragt. Denn da die Schwachstellen links und rechts bereits besetzt waren, blieb uns nur der Weg direkt darüber hinweg. Und ja, das Dach ist dank grob strukturiertem Fels in freier Kletterei machbar - eine spannende Boulderpassage für fitte Athlet*innen an Untergriffen, Slopern und Leisten, wo das Trick-Repertoire von den Blöcken und aus der Halle eingesetzt werden kann. Ich vermute, dass die meisten Begeher aber dankbar dafür sind, diese Stelle im Modus 2pa mit Hakenhilfe zu begehen. Es tut der Sache keinen Abbruch und ist eine spektakulär luftige Passage! 

L12, 30m, 6b, 6 BH: Linksherum über den Pfeiler zu Goldstreifen mit steil-griffiger Kletterei
L13, 35m, 6b+, 6 BH: Wandkletterei in super Fels, dann athletisch am Turm mit super Tropflochfels
L14, 30m, 6c, 7 BH: Erst scharfe Allegro-Wandkletterei, dann einfacher unter das Dach hinauf
L15, 20m, 6c 2pa oder 7b+, 5 BH: Das Rätikon-Dach! Luftiger Boulder oder Griff zum Haken

Der Autor unterwegs im Goldstreifen von L12 (6b).
Der Stand nach L12 (6b) bietet sich an, sei es für eine Pause oder auch für ein Biwak ;-)
Die Seillänge auf den Turm (L13, 6b+) ist absolut fantastisch zu klettern!
Hier ein Rückblick auf den tollen Fels am Turm von L13 (6b+).
Am Anfang von L14 (6c) ist der Fels scharf & crimpy, dafür am Ende dann rund und ausgewaschen.

Nach dem Dach erreicht man die wiederum geneigte Abschlusswand. Hier hat der Erstbegeher viel Auftrieb verspürt und eine sehr schöne, aber etwas kühne Passage in bestem Fels durch das Wändchen links vom Stand geklettert. Vielleicht logischer, sicher aber deutlich einfacher ist es, diese Stelle rechts zu umgehen. Mit einer gerölligen Kraxelpassage erreicht man die 50m lange Schlusslänge. Diese bietet ein tolles Abschlussbouquet mit wunderbarer Wasserrillenkletterei und einer kniffligen Stelle, die mit einer 6a+ Auskneifvariante linksherum vermieden werden kann.

L16, 40m, 6b/5b, 2 BH: Schöne Stufe (rechts umgehbar), nachher eher schuttig-einfaches Gehgelände
L17, 50m, 6b+, 6 BH: Wasserrillen und super zerfressenes Henkelgelände mit kniffliger Stelle

Die Abschlusslänge (L17, 6b+) wartet nochmals mit super Kletterei auf!
Das Routenbuch befindet sich unter dem Gipfelsteinmann, 2-3m links vom letzten Stand.

Man vergesse am Top nicht, sich im Routenbuch einzutragen! Es ist in einem Glas 2-3m links des letzten Standes in der Nähe vom Steinmann deponiert, siehe Foto! Für die Kletterei am Tag der RP-Begehung brauchten wir ziemlich genau 8 Stunden. Darin enthalten sind auch zwei, drei gemütliche Verpflegungspausen und die Zeit, um die Route an den Ständen 1 und 4 zu beschriften. Während ich mit meinen Vorkenntnissen sicher eher zügiger als ein erstmaliger Anwärter unterwegs war, nahmen sich meine beiden Nachsteigerinnen ausführlich Zeit, um die ganze Route (bis auf das Dach) sauber freizuklettern. Den normalen Zeitbedarf für die Route würde ich auf 6-8 Stunden schätzen.

Abstieg und Rückzugsmöglichkeiten

Die beste Option ist der Fussabstieg über die Nordabdachung! Abseilen bietet sich vor allem früh oder spät in der Saison an, wenn die Nordseite schneebedeckt ist, was üblicherweise bis ca. Ende Juni und ab den ersten Herbstschneefällen Tatsache ist. Man kann vom Top bis zum Einstieg abseilen (17 -> 16 -> 15 -> 13 -> 12 -> 11 -> 10 -> separater Abseilstand -> 7 -> 6 -> 5, ab hier exponierter Fussabstieg (T5,II) wenn man die Schuhe bei Stand 4 deponiert hat oder -> 4 -> 3 -> 2 -> 1). Im Zuge der Erschliessung mussten wir logischerweise jeweils abseilen, frühe Wiederholer haben es ebenfalls praktiziert. Die 11 bzw. 15 Manöver sind ziemlich zeitraubend, der so kletterfreundliche, raue Fels wird zum seilfressenden Nachteil, das geneigte Gelände erfordert immer wieder Seilpflege und zudem lauern auf den Bändern Steine, von welchen das Seil gerne den einen oder anderen in die Tiefe schickt (wobei die Standplätze jeweils Schutz bieten, die Gefahr besteht v.a. für andere Leute in der Wand). Auch ein Rückzug ist somit aus der ganzen Route möglich (auch von den Ständen, die nicht direkt an der obigen Piste liegen), man unterschätze aber nicht den Aufwand dafür. Es ist sicher ratsam, die Route nur bei günstiger Wetterprognose anzugehen. Sofern man sich verschätzt hat, bieten die Grotte links von Stand 9 sowie Stand 14 unter dem Dach perfekten Schutz vor den Naturgewalten.

Impressionen vom Abstieg über die Nordabdachung der Drusenfluh.
Der Abstieg ist an sich unschwierig und gut auffindbar, erfordert aber teils leichte Kletterei (II) und dürfte bei schlechter Sicht (Nebel, Dunkelheit) für Neulinge doch gewisse Orientierungsprobleme bieten. Im Einzelnen: 1) Vom Top (2721m) ca. 40m nach links (Westen) dem Kamm entlang und über kurze Stufe abklettern. 2) Über die Nordabdachung der Nase nach gerade hinab (Steinmänner, in gerölligen Passagen auch Wegspuren), zuletzt über eine etwas steilere Stufe zur Verflachung des Imhofsattel (ca. 2570m). 3) Vom Imhofsattel nach links hinab Richtung NW und einen weiteren Sattel bzw. Verflachung (ca. 2500m) nach links überqueren. 4) Im nun folgenden, am weitesten links gelegenen Kar weiter linkshaltend über oft blanken, sehr schönen Fels absteigen, bis das Gelände auf ca. 2380m steiler abbricht. 5) Die Steilstufe klettert man ebenfalls meist leicht linkshaltend ab, da es immer wieder Rampen und Bänder gibt, geht dies einfacher wie man denken könnte (kurze Stellen II) und man erreicht schliesslich flacheres Gelände unterhalb (ca. 2310m). 6) Über den grasigen Rücken hinunter zum Wanderweg (ca. 2220m), diesem entlang zum Schweizertor (2137m) und ab da wie bestens bekannt auf den markierten Wanderwegen mit kurzem Klettersteig-Intermezzo retour zum Parkplatz. Ich habe diesen Abstieg auch schon in weniger als einer Stunde geschafft, der normale Zeitbedarf ist aber eher bei 1:30-1:45h, bei Orientierungsproblemen auch mehr. Zu beachten: bis in die erste Julihälfte muss man mit Schneefeldern rechnen, insbesondere am Ende der Steilstufe 5) lungert oft ein steiles Schneefeld, Abseilen an natürlichen Verankerungen (Zacken, Sanduhren) ist aber möglich.

Stellenweise muss gekraxelt werden auf der Nordseite, aber alles im grünen Bereich!

Material & Absicherung

Die Route ist mit Inox-BH abgesichert, welche nach bestem Wissen und Gewissen sinnvoll und fair für die Wiederholer platziert wurden. Während die schwierigen Stellen nach üblichem MSL-Massstab gut abgesichert sind, steckt im einfacheren Terrain nicht alle 2-3m ein Haken. Das ist in diesem Gelände einfach nicht sinnvoll und passt nicht zu Gebiet und Wand. Auf allzu derbe Runouts wurde dennoch verzichtet und die Absicherung sollte insgesamt auf Stufe xxx sein. Ich habe bei der RP-Begehung kein mobiles Material mitgenommen und empfinde dies nicht als zwingend nötig. Es mag aber sein, dass in dieser Aussage ein Erschliesser-Bias drinsteckt und es ist sicher hier und da möglich, eine zusätzliche Sicherung zu platzieren. Am ehesten würde ich kleine bis mittlere Cams, d.h. Grössen 0.3-1 empfehlen. Sonst sind 50m-Seile nötig, es stecken max. 8 BH pro Länge, d.h. 10-12 Exen reichen gut aus.

Erste Wiederholungen

Die Route wurde im Herbst 2021 bis zur Publikation dieses Beitrags schon von einigen Seilschaften wiederholt. Besonders erwähnenswert ist die erste Wiederholung von Daniel Benz und Beni Jüstrich am 12.9.2021, wobei Daniel die ganze Route inkl. dem Dach onsight klettern konnte, bravo!

Topo & Video

Nun bleibt uns nur noch, auf's komplette PDF-Topo mit allen Informationen zu verweisen. Wir wünschen allen Wiederholern viel Freude beim Klettern. Für uns sind die Erinnerungen an die Lanciamira Momente für die Ewigkeit! Einen Teil davon haben wir versucht, mit dem Video (YouTube-Link) festzuhalten...


Mittwoch, 29. September 2021

Rätikon - Lilith (7c+)

Ja die Lilith, diese mit 5 Sternen hoch dekorierte Route am Schweizereck, hatte ich natürlich schon lange auf dem Radar. Aber wie so oft hat es sich auch hier gelohnt, auf den richtigen Moment zu warten, bis der Wunsch in Erfüllung ging. Stimmen muss nämlich nicht nur die Form für diese anhaltend schwierige, steile Kletterei, sondern es gilt auch, die äusseren Bedingungen perfekt zu erwischen. In der WSW-Wand kommt die Sonne nämlich erst nach dem Mittag zu Vorschein, zudem pfeift hier nahe am Übergang des Schweizertors oft ein lästiger Wind. An manchen Tagen hat man die Wahl, entweder zuerst an der Kälte zu schlottern oder dann in der Sonne geröstet zu werden. Beides zusammen zu vermeiden ist gar nicht so einfach, doch an einem windstillen, traumhaften Septembertag ist uns dies fast perfekt gelungen. Von den zahlreichen Routen (1,2,3,4,5,6) die ich am Schweizereck bisher klettern konnte, fand ich die Lilith die beste - das will etwas heissen!

Die Wand am Schweizereck mit dem Verlauf der Lilith (9 SL, 7c+)

Nach schon vielen Besuchen in den vergangenen Jahren, zuletzt kurz davor für die Beendigung des Lanciamira-Projekts (Blog folgt) gibt's über den Weg nicht mehr viel Neues zu erzählen. Ausser, dass der Alpweg von Schuders zum Grüscher Älpli neu mit einer Taxe von 10 CHF/Tag belegt ist, welche am Ortseingang von Schuders per Twint- oder Parkingpay-App bezahlt werden muss. Hoffen wir, dass der Obulus dazu genutzt wird, um mittels Unterhalt die Piste immer vernünftig befahrbar zu halten. Der Parkplatz unterhalb der Kletterhütte war an diesem Tag verwaist, somit gab es keine Sorgen, das Automobil zu platzieren. Um ca. 9.40 Uhr liefen wir guter Dinge los. Auf dem üblichen Weg ging's unter die Kirchlispitzen und über den Klettersteig in ca. 45 Minuten zum Einstieg. Dieser befindet sich ca. 5m links vom Punkt, wo der kleine Pfad vom Klettersteig wieder auf den Wanderweg trifft. Angeschrieben sind die Routen nicht (mehr), es starten an dieser Stelle gleich drei Touren unmittelbar nebeneinander (Intifada, Lilith, Blue Veins). Die Lilith in der Mitte weist am Einstieg einen Mammut-Longlife-BH als Erkennungsmerkmal auf. Um ca. 10.45 Uhr stiegen wir schliesslich ein, noch tief im Schatten des Berges. Die Sonne bestreicht den Einstieg erst ab ca. 12.00 Uhr, die mittleren Seillängen der Route sogar erst eine halbe bis eine ganze Stunde später.

Ein Vorgeschmack auf das was folgt soll nicht fehlen!

L1, 40m, 6c: Tja, über die allesamt nicht leichtverdaulichen Auftaktseillängen der Schweizereck-Routen hatte ich ja schon hin und wieder lamentiert... Auch wenn's im Topo der Lilith mit einer 6c nach einem im Vergleich zum Restprogramm gemächlichen Länge aussieht, so stimmt das nicht ganz mit unserer Realität überein. Schlabbrig-glatt und knapp strukturiert kommt auch hier der Fels daher, noch ohne das Mojo in der Tasche und bei kühlen Temperaturen steigt man hier nicht wirklich entspannt. Auch wenn diese Länge in jeder Hinsicht zugänglicher ist wie jene der Intifada gleich nebenan: zum hoch steckenden zweiten Haken klettert man de fakto ein Stück freesolo auf bereits beunruhigender Höhe; ein dafür nahe am dritten steckender vierter Haken lässt eine erste Crux vermuten und bietet diese stehtechnisch, inkl. einem heiklen Klipp und einem Grasbüschel-Mantle als Exit. Die plattige Querung danach ist herausfordernd und schwierig zugleich, der abschliessende Runout über eine Grasrampe zwar relativ einfach, aber stürzen sollte man da besser nicht.

Nein, nicht das beste Foto... aber solche Verrenkungen sind in L1 (6c) tatsächlich nötig, um für Fortschritt im unangenehm abschüssig-glatten Fels zu sorgen. Der Exit übers Gras und nicht mehr ganz so soliden Fels 6-8m über der letzten Sicherung sorgt dann auch noch für Anspannung.

L2, 35m, 7a+: Links geht's weiter (die goldenen Bolts rechts gehören zur Route Blue Veins). Man überlistet die ersten 2 Haken, nimmt die sauberen Tropflochleisten zum nächsten, klettert griffig und eng gesichert ein kleines Dach und gelangt so zur Cruxzone. Athletisch-crimpy geht's zur Sache, ein wenig passen die Tritte nicht zu den Griffen (oder umgekehrt) und nachdem ich eine entscheidende Leiste erfolgreich ausblende klappt's leider nicht im Onsight. Im nächsten Anlauf passt's dann, nun muss noch der Rest zum Stand sitzen. Der wartet noch mit einer sloprigen Stelle auf, welche einiges an Entschlossenheit verlangt, gemessen an den restlichen Abständen dieser Länge könnte man sagen "da fehlt ein Bolt". Zuletzt dann gut abgesichert und gemässigt schwierig zum Stand, wo mich beim Nachsichern die ersten Sonnenstrahlen treffen.

Aaaah, Sonne! Angie folgt im etwas gemütlicheren Finish von L2 (7a+), während ich die erste, wohlige Wärme geniesse. Es war davor zwar nicht sonderlich kalt, aber auf diesen Moment freut man sich trotzdem. 

L3, 30m, 6c+: Eine richtige Genusslänge, nach unserem Gusto der zugänglichste Abschnitt der Route, den wir mühelos durchsteigen konnten! Die griffige Tropflochkletterei ist hervorragend, absolut vergleichbar mit dem, was man in den Längen 2, 4, 5, 8 auch trifft, einfach ohne eine richtig giftige Stelle wie in jenen Sequenzen. Auch hier ist die Absicherung ein wenig inhomogen - erst sehr eng, da wo es am schwierigsten ist aber doch wieder etwas weiter. Passt aber, das muss man in dieser Route einfach bieten. Danke Jack für den im Zuge einer Sanierung etwas nach oben verschobenen Stand, der hier einen bequemen Aufenthalt ermöglicht!

L3 (6c+) bietet super schöne Kletterei, nach unserem Gusto die am leichtesten verdauliche Seillänge der ganzen Tour (definitiv angenehmer wie L1!). Wie man sieht bewegen wir uns hier um 13.00 Uhr immer noch hart an der Licht/Schatten-Grenze. Die mittleren Seillängen erhalten erst etwas später Sonne wie der Einstieg.

L4, 30m, 7a+: Rechtsherum zu einer ersten, schwierig zu lesenden Sequenz in etwas schräg geschichtetem Fels, der kurzfristig nicht ganz der Top-Qualitätsklasse zuzuordnen ist. Nachher verläuft die Route im Bereich einer schwach ausgeprägten Kante - ob links, zentral oder rechts möge jeder Aspirant für sich entscheiden, die Haken jedenfalls wären ziemlich weit links aussen. Die Crux folgt schliesslich im letzten Drittel mit einer Sequenz, wo man mutig auf abschüssigem Gelände antreten muss und nachher an Tropflöchern durchzuziehen hat. Der Bolt steckt da nicht sonderlich konsumentenfreundlich (etwas abseits, schwierig zu klippen, die härtesten Moves sind Kopfsache). Doch inzwischen war mein Flow da, ich konnte die unangenehme Situation ausblenden und den Fokus aufs Weitersteigen legen. Mit ein paar richtig coolen Tropflochmoves erreichte ich den etwas nach oben in die bequeme Nische verlegten Stand im Onsight, mein erster Vorstiegsblock war damit abgeschlossen.

Zwischendurch muss man schon ein wenig 'auspacken', hier in L4 (7a+), zudem auch die Felsstruktur klar erkennbar!

Mein erster Vorstiegs-Block war mit L4 (7a+) beendet, Zeit für eine kleine Pause. Ich meine, dass Schoggimuffin-Power deutlich besser über die anstregenden, oberen Längen hilft wie Carrot-Power - in diesem Sinne vielen herzlichen Dank fürs Backen Larina und Noemi, hat suuuper geschmeckt! 

L5, 30m, 7a+: Auf dieser Länge beschreibt die Route ein grosses 'S' und bietet hervorragende, ziemlich homogene Kletterei an Tropflöchern. Während sich auch hier eine Cruxsequenz identifizieren lässt, so empfanden wir dies als die 7a+ Länge mit den anhaltendsten Schwierigkeiten. Inzwischen gut aufgewärmt ging mir dieser Abschnitt ziemlich leicht von der Hand - wobei man im Nachstieg halt immer noch ein wenig frecher und kraftsparender klettern kann, selbst bei so guter Absicherung wie hier.

Nicht nur die Ästhetik passt, auch die Kletterei ist genial gut in L5 (7a+)!

L6, 20m, 7b: Hier hat die Kletterei einen anderen Charakter wie davor, so viel ist bereits vom Standplatz aus klar. Denn die initiale Balance-Traverse über die blau-grau versinterte Wand bietet eher wenig Struktur. Während für die Füsse ein paar vernünftige, aber (zu) weit auseinander liegende Tritte erkennbar sind, fehlen umso mehr die Möglichkeiten für die Hände, die es hier trotz leicht liegendem Charakter zwingend braucht. Am Abschmier-Limit ging's mir schliesslich grad auf, aber ob ich es bei einem nächstem Mal wiederholen könnte, ist unsicher... Nach dieser Stelle kann man sich kurz etwas sammeln, danach musste ich mich dann aber nochmals zünftig anstrengen, in einem seichten Winkel sehr kleine Griffe bedienen und mich geschickt reinstemmen, bevor der bequeme Stand erreicht wird.

Die heikle, sehr technische Querung am Anfang von L6 (7b).

L7, 20m, 7b+: Was für eine absolut geniale Seillänge, vielleicht die allerbeste einer erstklassigen Route! Gerade der Start könnte aber gerne nass sein, bei unserer Begehung hörte der Wasserstreifen jedoch 10m oberhalb auf und schickte nur vereinzelt einmal ein paar Tropfen herunter. Geklettert wird entlang von einer (mehr oder weniger) henkligen Fuge, die sich diagonal nach rechts oben zieht. Das Trittangebot ist nicht immer üppig, d.h. es ist so richtig athletisch und man wird je nach vorhandenen Körnern und Fitnessstand durchaus schon gut gegrillt. Die Klimax dann dort, wo man vom Ende der Fuge gerade hinauf muss - die Griffe sind "gut", es hat kleine, positive Leisten. Doch man muss hier schon echt aufs Gaspedal drücken! Leider, leider habe ich hier im Notstrom-Modus und leicht benebelt von all den Botenstoffen an der Blut-Hirn-Schranke die entscheidende, kleine Trittmöglichkeit nicht wahrgenommen, welche wohl den Unterschied zwischen Durchstieg und einem Absitzer ins Seil gemacht hätte. Diese Länge wurde ursprünglich als 7c gehandelt, aber 7b+ passt wohl tatsächlich besser.

Erst henklig, dann den Turbo zünden - L7 (7b+) ist eine absolut geniale Länge!

L8, 30m, 7a+: Zurück ans Ruder für meinen zweiten Vorstiegsblock hiess es hier - also erst mal den Pump von der Länge davor vergessen machen! Auch hier geht's auf einem etwas verschlungenen Pfad durch die attraktive und weiterhin steile Wand, welche sich aber gegenüber L7 doch massiv zurückgelegt hat. So löst sich auch alles, erst rechts, dann links und wieder rechts, vorerst einmal ziemlich gut auf. Das Problem ist mehr, dass die Haken etwas kreuz und quer seilzugträchtig stecken. Das wird in der Crux zum Faktor, denn auch da steckt der Haken alles andere als optimal und bietet das Potenzial für zwar nicht sehr weite, aber unangenehme Stürze bei der bouldrigen Stelle, wo es wieder einmal schwierig ist, den nötigen Druck von mässigen Griffen auf fast inexistente Tritte zu bringen. Das Finish bietet dann nochmals eine Linksecke mit echt coolem Rettungsgriff, toll!

Geniale Wandkletterei in L8 (7a+). Und wie das Foto schon erahnen lässt, stecken nach meinem Gusto hier nicht alle Haken ganz auf der logischen Linie... nicht böse gemeint, so geht's halt manchmal aus, wenn man von unten bohrt und der weitere Verlauf nicht glasklar gegeben ist.

L9, 30m, 7c+: Nun wartet noch das Schlussbouquet, wohl dem, der seinen Extrastrom noch bis dahin konservieren konnte. Wobei, so viel sei an dieser Stelle verraten: sollte dies nicht der Fall sein, so wird es mit dem schieren Hochkommen vermutlich doch noch klappen. Die Länge ist freundlich gebohrt und wenig obligatorisch. Unter dem Strich sind es nur ca. 3m, welche hier richtig Bauchweh machen, nämlich die Passage gleich unter bzw. ins Dach oberhalb vom Stand. Im nahezu strukturlosen, senkrechten Gelände heisst es sich zu positionieren, um den offensichtlichen Henkel zu schnappen. Doch wie macht man einen langen Move nach oben-hinten-aussen, wenn man schon die  Ausgangsposition an der Abschmiergrenze kaum halten kann und alles nach unten zieht?!? Mir hat sich das nicht erschlossen und während ich sonst den ganzen Rest klettern konnte, fand ich da keine Lösung - allzu lange gesucht habe ich dann aber eben auch nicht. Oberhalb vom Dach geht's erst technisch fordernd weiter, der Fels hat hier wieder die typische Schweizereck-Tendenz, glatt und abschüssig zu werden - passt aber schon. Bald einmal trifft man dann auf den grossen Quergang der Intifada, wo man noch die klettertechnische Crux jener Länge klettert (laut dem Topo von Thomas Behm, ich habe nicht viel davon bemerkt), einen längeren Hakenabstand in einfachem Gelände überwindet (Cam im Grössenbereich 0.3-0.5 evtl. nützlich) und mit einem Ausstiegsmantle das Routenende erreicht.

Schau genau... 'free the heel' lautet da Angies Motto am Ende von L9 (7c+) ;-) Die Wahl der Schuhwerks ist übrigens gar nicht mal so einfach. Enge, präzise Schuhe sind grundsätzlich sehr hilfreich an den Cruxen, aber die Belastung auf die Füsse ist während den vielen Stunden an schwieriger Kletterei dafür entsprechend hoch. Meine bequemen Treter machten diesbezüglich weniger Sorgen, dafür mehr Schwierigkeiten an den oft kleinen Strukturen anzutreten (d.h. ich hätte mir hier und da härtere Schuhe gewünscht). 

Um 17.50 Uhr und somit nach rund 7:00 Stunden Kletterei hatten wir diesen erreicht. Sicher keine Speedbegehung - nein, wir hatten es sehr genossen und waren ja gekommen, um möglichst jeden Meter der Route sauber zu klettern. Dieses Ziel hatten wir zwar wegen der bockharten, technischen Passage in L9 nicht ganz vollständig erreicht, es tat dem Vergnügen und der Zufriedenheit aber keinen grossen Abbruch. Das war nun eine echt geniale, fordernde und homogen schöne, anhaltende Kletterei gewesen. Noch dazu waren die äusseren Bedingungen perfekt gewesen. Beim Start im Schatten war es zwar frisch, aber nicht unangenehm kalt gewesen, später an der Sonne dann einfach perfekt angenehm warm. Traumtag, Traumkletterei, was will man mehr?!?

Eigentlich ist's ja nur Beigemüse nach dem Hauptgang, aber im Prinzip ist das Abseilen über solch extrem steile Wände ja schon unglaublich spektakulär. Auch hier gibt's die Emotion, dass die Seilenden 50-60m weiter unten ins Leere baumeln und man pendelnd dafür sorgen muss, wieder an die Wand zu kommen. Sehr cool, nicht nur für die Fotos!

Nachdem wir für ein paar Minuten auf dem bequemen Grasband gechillt hatten, warfen wir die Seile aus. Das Abseilen vollzieht sich sehr speditiv, selbst mit 2x50m reicht's gerade knapp in 4 Manövern (9 -> 7 -> 4 -> 2 -> Boden), auch wenn man jeweils unter Nutzung der Dehnung bis ganz ans Ende abfahren muss. Alternativ entweder längere Seile mitbringen oder mehr Manöver durchführen, es sind ja alle Standplätze zum Abseilen eingerichtet. Es sei auch erwähnt, dass man in der steilen Wand teils reichlich pendeln muss, um die nächste Kette zu erreichen. Wir packten unsere Siebensachen und liefen bei wunderschönem Alpenglühen zurück zum Parkplatz - an diesem Traumtag waren wir die einzige Seilschaft im ganzen Bereich des Grüscher Älpli gewesen, was die Erfahrung umso spezieller machte.

Alpenglühen an der Drusenfluh, wunderschön!

Facts

Rätikon/Schweizereck - Lilith 7c+ (7a obl.) - 9 SL, 250m - Tischhauser/Wieser 1996 - *****;xxxx

Material: 2x50m-Seile (2x60m komfortabel zum Abseilen), 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Grandiose MSL-Sportkletterei in meist bestem Tropflochfels, welche die proklamierten 5* absolut verdient, trotz dem Wermutstropfen, dass sie nicht die ganze Wand bezwingt, sondern mittendrin aufhört. Mit Ausnahme der noch nicht so attraktiven, plattigen ersten Seillänge verläuft die Route durchgehend im senkrechten bis leicht überhängenden Steilgelände und bietet technisch anspruchsvolle Wandkletterei. Die Schwierigkeiten sind sehr anhaltend im 6c+/7a-Bereich, gewürzt mit ein paar meist eher kurzen, schwierigeren Einzelstellen (mehrmals 7a+, 7b, 7b+) und einem kleinen "Schönheitsfehler" in der letzten Seillänge, eine 3m lange, nahezu grifflose, ultratechnische Passage im Bereich 7c+. Die Absicherung ist meist sportklettermässig sehr gut (xxxx), wobei dies für die erste Länge nicht zutrifft (xx-xxx) und man auch sonst hin und wieder etwas erratisch auf einen längeren Abstand mit xxx-Charakter trifft. Auch die Angabe von 7a obligatorisch trifft wohl zu, wobei dies nicht harakirimässig 3m über dem letzten Haken im unsicheren Stehgelände zu bieten ist, sondern eher so in der Art von 1m diagonal versetzt vom Haken weg an Tropflochcrimps, sprich vergleichsweise (psychisch) angenehm. Mit Cams/Keilen kann und muss man wenig anfangen, einzig in der Schlusslänge gibt's einen 8-10m langen Abstand, den man gut verkürzen könnte, aber das ist höchstens 6a-Kletterei. Topos findet man z.B. im Extrem Ost (Filidor), Rätikon Süd (Panico) oder Kletterführer Graubünden (SAC), alternativ hier auch das originale PDF. Zuletzt: zum Zeitpunkt unserer Begehung waren die Standplätze sowie die letzte Seillänge saniert (1:1-Ersatz der Haken, durch Jack mit Material von Eastbolt, vielen Dank!), der Rest folgt dann möglicherweise noch!?!