Während in den vorangehenden Beiträgen unsere Erlebnisse und die gekletterten Routen im Fokus standen, will ich nun noch ein abschliessendes Fazit unserer Ferien ziehen und einige nützliche Reisehinweise aufschreiben. Auf jeden Fall ist klar, dass wir mit der Wahl unseres Reisezeitpunktes wirklich Glück hatten. Während daheim Schneetreiben und Wolkengrau herrschte und in Mitteleuropa fast überall nasses Schlechtwetter dominierte, konnten wir von Sonnenschein und guten Kletterbedingungen profitieren.
Fazit
In Summe kann man sagen, dass die Kletterferien in San Vito in jeder Hinsicht gelungen waren. Vom sportlichen her habe ich es zwar verpasst, eine Route im achten Franzosengrad zu punkten. Das ist zwar jedes mal von neuem eines meiner Ziele in Kletterferien, meistens scheitere ich aber an meiner mangelnden Persistenz, d.h. der Regel, in den Ferien nicht mehr als 3 Versuche pro Route machen zu wollen. Im Onsight wurde das Soll aber mehr als erfüllt und ob den vielen tollen Klettereien, die so toll und rasch gelangen, stellte sich zuhause der typische Blues ein: kein Wunder, wenn man sich hier an kleingriffig-technischen Jurafelsen mit noch drückender Winterfeuchte in einem Grad abmüht, wo man in Sizilien locker hochspaziert ist.
In Walk the Line (7b) am Salinella-Felsband |
Vom klettertechnischen Aspekt her gesehen fehlt bei den meisten Felsen um San Vito der ganz grosse Wow-Effekt. Dies trifft insbesondere auf das Salinella-Felsband zu, das auf weite Strecken stark gegliedert und bewachsen ist. Das ist einfach nicht damit zu vergleichen, wie wenn man das erste Mal unter der Mauer von Ceüse steht, oder in der Grande Grotta auf Kalymnos. Doch auch am Salinella-Felsband gibt es kompakte Zonen mit bestem Fels, die sehr schöne Wandklettereien bieten. Auch die Sintertouren am Crown of Aragorn und an der Never Sleeping Wall sind sehr schön, auch wenn ich Qualität und Einzigartigkeit jetzt nicht ganz auf dieselbe Stufe wie die Top-Sektoren auf Kalymnos setzen würde.
Insgesamt kann man sagen, dass man rund um San Vito im siebten Franzosengrad bis hinauf zu einem Niveau von ca. 8a auf jeden Fall genügend qualitativ hochwertige Touren findet. Im sechsten Franzosengrad ist das Angebot riesig. Die Anfahrten sind alle schön kurz, die Zustiege meist im Sekunden- bis einstelligen Minutenbereich. Die Sektoren zeigen durchaus unterschiedlichen Charakter wie auch unterschiedliche Szenerie, so dass für Abwechslung gesorgt ist. Um mit Kindern an den Fels zu gehen, ist es perfekt. Zudem ist die Gegend von San Vito ein sehr angenehmer Platz zum Sein (und daher im Sommer auch als eher teure Stranddestination bei Italienern beliebt): gebirgig-felsiges Umland, aber flache Strände mit klarem Wasser plus natürlich die typische italienische Dolce-Far-Niente-Stimmung mit gutem Essen, Gelati und Caffè.
Allgemeines zu Sizilien
Sizilien ist eine hügelige bis gebirgige Insel und hat eine Fläche von gut 25'000km2. Damit ist sie gut halb so gross wie die Schweiz. Die Insel würde in der Schweiz grosso Modo ein Dreieck mit den Eckpunkten Bodensee - Kanton Jura - Chiasso überdecken. Somit ist Sizilien zu gross, um von San Vito (das sich im Jura-Eckpunkt befindet) in Tagestrips weiter entfernte Klettergebiete anzufahren. Für einen kürzeren Aufenthalt lohnt es sich bestimmt, sich auf die Gegend von San Vito zu fokussieren, wer in längeren Ferien auch noch andere Gebiete besuchen will, wechselt wohl besser sein Quartier. Spezielle Erwähnung verdienen in meinen Augen auch die vielen Marmorsteinbrüche. Sie stellen eine unglaubliche Landschaftsverschandelung dar und beeinträchtigen meine Wahrnehmung der an sich schönen Gegend stark. Wobei hier gesagt sei, dass man vom Ort San Vito selber, ebenso wie von den wichtigsten Klettergebieten aus, keinen einzigen grossen Steinbruch störend vor der Nase hat. Und natürlich schreibe ich dies im Wissen drum, dass andere Weltgegenden durch den von uns angetriebenen Rohstoffhunger noch viel stärker verunstaltet werden...
Karte von San Vito und Umgebung mit den Klettergebieten und Campingplätzen. Quelle: Google Maps. |
San Vito gilt als Wintergebiet. Klar, denn es gibt in Europa nicht viele Konkurrenten, wenn es darum geht in der kalten Jahreszeit (mit Garantie und Genuss) am Fels zu moven. Der Klimachart von holidaycheck.ch sagt eigentlich alles nötige: im Sommer ist es durchschnittlich über 30 und im Extremfall über 40 Grad warm und damit zu heiss. Und selbst im Hochwinter fällt das Thermometer selten unter null, und die Tagesmaxima erreichen fast immer mehr als 10 Grad und somit klettertaugliche Werte. Von November bis Februar muss man pro Woche im Schnitt allerdings 2-3 Tage mit Niederschlag einkalkulieren, je nach Glück oder Pech auch weniger oder mehr. Zum ambitioniert-schweren Sportklettern an der Sonne kann es übrigens selbst an Weihnachten zu heiss sein. Generell kann man wohl sagen, dass man ausser in der Periode von November bis März sein Kletterglück eher im Schatten suchen soll, wobei viele Gebiete diesen zumindest bis in die frühen Nachmittagsstunden bieten.
Nach meinem persönlichen Gusto dürfte die Zeit um die zweite Oktoberhälfte vermutlich die beste Zeit sein, mit noch milden Luft- und Wassertemperaturen und somit richtiger Ferienstimmung. Der Frühling ist sicher auch eine gute Jahreszeit. Allerdings ist das Meer dann noch zu kalt zum Baden. Scheint die Sonne, so kann es im einen Moment schon stechend heiss sein, geht hingegen das typische Lüftchen und man steht im Schatten, so ist im nächsten Moment wieder die Daunenjacke fällig. Zu beachten ist auch, dass sämtliche Sintertouren im Winter und Frühling meist wenn nicht nass, so dann mindestens feucht und weniger genussvoll zu klettern sind. Der Winter (ca. zweite Novemberhälfte bis Ende März) bringt neben den kurzen Tagen auch mit sich, dass San Vito ziemlich ausgestorben wirkt. Hat natürlich den Vorteil, nicht im Touristenrummel zu sein, keine Sitzplatzprobleme in den Restaurants, etc.. Dafür fehlt auch die fröhliche Ferienatmosphäre, wie ich sie z.B. jeweils im September in Kalymnos so toll finde.
Tolle Blumenpracht eigentlich fast überall. Das ist der Vorteil, wenn man im Frühling reist. |
Sizilien per PW erreichen zu wollen lohnt sich höchstens für Langzeit-Urlauber mit gutem Sitzleder, denn das ist einfach elend weit weg. Die allermeisten werden also mit dem Flieger kommen. Zwei Zielflughäfen kommen in Frage, nämlich jener von Palermo (bei Punta Raisi gelegen) und jener von Trapani (bei Birgi gelegen). Beide sind ungefähr gleich weit (1-1:15h per Auto) von San Vito weg. Als Ausgangspunkt wählt man einen Flughafen in seiner Nähe... oder auch nicht: ab Zürich gibt es nur von April bis Oktober Direktflüge nach Palermo. Deshalb haben wir Stuttgart als Ausgangspunkt gewählt, anstatt teuer, mit Umsteigen und langer Aufenthaltszeit per Alitalia ab Zürich zu fliegen.
Den Flughafen Stuttgart erreicht man ab Zürich Nord in nur 2 Stunden, der Weg ist einem von Frankenjura-Trips wohlbekannt. So ergab sich für uns eine viel kürzere Gesamtreisezeit, und der zusätzliche Sprit wurde durch die um Welten billigere Parkgebühr (50 Euro vs. 212 CHF) und die billigeren Tickets um ein x-faches wettgemacht. Alternativ kann man auch vom Allgäu Airport in Memmingen mit Ryanair (nach Trapani) fliegen, die Anfahrt von Zürich Nord aus dauert rund 1:45h. Eine weitere Alternative für günstige Direktflüge ist Milano Malpensa (Easyjet) oder Milano Bergamo (Ryanair).
Von den Flughäfen Palermo oder Trapani per öV nach San Vito zu gelangen liegt vermutlich im Bereich des Möglichen, ist aber wohl nur für jene mit ganz wenig Geld und viel Zeit eine Option. Vor Ort kommt man nämlich auch nur dann ohne Auto aus, wenn man im Camping El Bahira (siehe unten) residiert und sich zum Klettern auf das Salinella-Felsband beschränkt. Wer die Vielfalt der Gebiete geniessen möchte, mal nach San Vito oder anderswo zum Essen, für ein Gelati oder an den Strand gehen möchte und keine Lust auf jeweils >=1 Stunde Fussmarsch pro Weg hat, braucht einen Mietwagen. Kleiner Tipp: ich hatte das Air Berlin Sonderangebot beim Flugbuchen ausgeschlagen und via rentalcars.com nochmals einen Hunderter für die Wochenmiete gespart. Das klappte alles tiptop - die Karre hatte zwar schon 80'000km drauf und etliche Kratzer. Dies stellt aber keinen Nachteil dar, weil auf verursachte Kratzer beim Mieten ein hoher Selbstbehalt besteht, bei Neuwägen penibel kontrolliert wird und die Sizilianer einfach null Vorsicht beim Umgang mit eigenen und fremden Autos zeigen.
Unterkunft
Bei (nicht in!!!) San Vito gibt es zwei grosse 4*-Campingplätze. Einerseits den El Bahira, der etwa 4km ausserhalb vom Ort direkt am Salinella-Felsband gelegen ist. Mit 2x Umfallen ist man da bereits am Fels, für alle anderen Gebiete oder den Besuch im Ort ist eine kurze Autofahrt nötig. Ebenfalls wichtig zu wissen: obwohl am Meer gelegen, verfügt er über keinen Strand. Der Camping La Pineta befindet sich etwa 300m ausserhalb von San Vito. Mit einem kurzen Fussmarsch erreicht man den grossen Sandstrand und den Ort. Ausser allenfalls für den Monte Monaco ist auf jeden Fall eine kurze Autofahrt nötig, wenn man klettern will. Ansonsten bieten die beiden Plätze ein ähnliches Angebot: es gibt Bungalows zu mieten, einen Pool, Sport- und Einkaufsmöglichkeiten, Bar und Restaurant, etc.. Ich denke, beide Locations haben ihre Vor- und Nachteile, keine ist eindeutig besser. Für einen Bungalow mit 4-5 Betten zahlt man pro Woche je nach Verhandlungsgeschick und Saison übrigens ca. 300 Euro.
Unser Bungalow (ist gemütlicher als es aussieht) und die Macchina auf dem Campingplatz La Pineta |
Eine andere Option ist es, in San Vito nach einer Ferienwohnung zu suchen. Für die Suche empfehlen sich die Seiten von holidaycheck.ch (Deutsch) oder vulcanoconsult.it (Italienisch). In der Kletter-Hauptsaison ist das Angebot typischerweise gross, und die Preise liegen (wenn überhaupt) auch nicht wesentlich über jenen für einen Bungalow. Wer sein Bett nicht selber machen möchte, findet auch ein üppiges Angebot an Hotels und B&B's. Da San Vito extrem auf den (italienischen) Sommertourismus ausgerichtet ist, gibt es hier auch an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern keine Knappheit an Unterkünften.
Essen
Die Bungalows verfügen alle über eine Kochnische, die Ferienwohnungen natürlich über eine vollwertige Küche. Somit kann sich wer will vollkommen selbst verpflegen, was aber keineswegs nötig ist. Zum Zmorgen kann man auf den Campingplätzen für ein paar Euro ans Frühstücksbuffett gehen, oder man schnappt sich in einer Bar einen Cappuccino und ein Brioche. Für den Znacht gibt es in San Vito zahlreiche Restaurants. Diese sind weniger auf Pizza und Pasta orientiert wie anderswo in Italien, sondern es gibt auch allerlei Meeresgetier und Gerichte nordafrikanischen Ursprungs. Auch über Ostern waren etliche Restaurants noch geschlossen, an der Hauptgasse und Flaniermeile unweit von der Kirche (Via Savoia) fanden wir das Dal Cozzaro und das Sapori di Sicilia die besten Adressen. Das ist wohl nicht nur eine Einzelmeinung, denn diese Schuppen waren eindeutig am besten frequentiert - auch wenn um diese Jahreszeit beliebig ein freier Tisch zu finden war.
Einkaufen
Zum Einkaufen gibt es auf den Campingplätzen kleine Läden für den nötigsten Bedarf. In San Vito selber gibt es etliche kleine Supermärkte. An der Strasse nach Custonaci vor dem Marmorkreisel hat es einen etwas grösseren Simply Market und im Dorf selber noch einen Spar. Einen richtig grossen Supermarkt habe ich in der Gegend nirgends gesehen, in Trapani würde man wohl fündig. Ebenso gibt es in und um San Vito keinen Kletterladen. Somit vergisst man besser keine wichtigen Utensilien zuhause und nimmt Verbrauchs- und Gebrauchsmaterial in ausreichender Reserve mit.
Diesen Kletterführer soll man kaufen... |
Topo
Für die Gebiete um San Vito gibt es zwei Möglichkeiten: entweder den Führer Sicily-Rock (Oelze/Röker) aus dem Gebro-Verlag, aktuell in der 2. Auflage aus dem Jahr 2012. Er ist in Deutsch, Englisch und Italienisch gehalten. Alle von uns besuchten Gebiete (und noch einige mehr) sind dort drin beschrieben und mit informativen Fototopos abgebildet. Zu jeder Route sind Länge, Anzahl benötigte Exen und meist auch ein kurzer Beschreibungstext zum Charakter angegeben. Die Zugangsbeschriebe und Skizzen sind tadellos. Somit kann ich diesen Führer sehr empfehlen. Als Alternative gibt es den Di Roccia Di Sole aus dem Verlag Versante Sud. Man kann ihn entweder auf Deutsch oder Italienisch beziehen. Wer dem Italienischen einigermassen mächtig ist, wird mit der Originalversion wohl glücklicher wie mit der teilweise holprigen Übersetzung. In diesem ziemlich dicken Buch sind nicht nur die Gebiete um San Vito beschrieben, sondern man hat Sizilien komplett. Allerdings sind die Topos rudimentär und auch die weiteren Angaben oft unpräzis.
Die nähere und weitere Umgebung hält durchaus interessante Ausflüge bereit: den sehr schönen Parco dello Zingaro, an der Küste mit schönen Bade- und Wandergelegenheiten. Dasselbe gilt für die Riserva Naturale di Monte Cofano. Sicherlich auch sehr empfehlenswert ist eine Besteigung oder Umrundung des Monte Cofano. Auch dem direkt über San Vito gelegenen Monte Monaco kann man aufs Haupt steigen - eigentlich fast ein Muss! Vor Ort kann man auch eine präzise Wanderkarte kaufen, die noch weitere Möglichkeiten zeigt. Einige eher ruhige Strassen und Schotterpisten erlauben auch genussvolle Touren mit dem Rennvelo oder dem Mountain Bike. Eher in die Kategorie Sightseeing gehören hingegen die Ausflüge zur Tempelanlage Segesta oder in die mittelalterliche Stadt Erice. Da Strand und Meer wirklich das Prädikat schön verdienen, kann man auch gut einmal einen Tag nur faulenzen.
Blick vom Camping El Bahira auf den 659m hohen Monte Cofano. Eine schöne Bergtour und ein prima Aussichtspunkt. |
So, nun wünsche ich allen grosse (Vor)freude auf den nächsten Besuch in Sizilien. Wer noch weitere Tipps als Ergänzungen hat, darf diese natürlich gerne in das Kommentarfeld schreiben.