Vom diesjährigen Sommer-Projekt von Ueli Steck, dem Enchainement aller 82 Alpen-Viertausender, haben wohl die Meisten das Wesentliche mitbekommen. Nämlich, dass das Projekt in 62 Tagen erfolgreich abgeschlossen wurde, es jedoch auch von Zwischenfällen nicht verschont blieb. Trotzdem blieben Details aber bisher vage, so war mir z.B. die Sequenz der bestiegenen Gipfel und auch die gewählten Routen bis auf einzelne Ausnahmen unklar. Licht ins Dunkel kommt nun mit einem exzellenten Artikel auf der französischen Seite summits.info, von dem ich an dieser Stelle einige Ausschnitte wiedergeben möchte.
Entstanden ist der erwähnte Artikel bei einem Interview mit Ueli Steck, nachdem er 2 Wochen nach Abschluss seines Projekts am Wettkampf Ultra Trail du Mont-Blanc (53km, 3300hm) teilgenommen und als 22. von über 1200 Teilnehmern abgeschlossen hat. Gemäss seinen Aussagen sei er aber noch nicht erholt von seinem 4000er-Enchainement gewesen, und insbesondere in den flachen Abschnitten langsam gewesen. Wie immer ist alles relativ. Wissenswert vielleicht auch, dass er während seiner 4000er-Tour im Schnitt pro Tag (inkl. der 11 Ruhetage ohne Aktivität) rund 2000hm und 30km Distanz zurückgelegt hat.
Die Wächten an den Graten von Täschhorn und Dome können heikel sein. Hier anlässlich meiner Besteigung im 2009. |
Zur Sprache kommt dann die Vorgeschichte des 4000er-Projekts. Zwei Briten realisierten 1993 das erste, durchgehende Human-Powered-Enchainement, 2007 realisierte eine Slowene alle Gipfel am Stück mit motorisierten Transporten dazwischen, bevor im Sommer 2008 zwei Italiener die 82 4000er in 60 Tagen und ebenfalls komplett Human Powered realisierten. Dazu gab es den Versuch der beiden Franzosen Patrick Berhault und Philippe Magnin, wobei ersterer jedoch auf der Täschhorn-Dom Traverse tödlich abstürzte. Diese war auch für Ueli Steck ein Pièce de Resistance: geplant war ein Raid über die 7 Viertausender vom Dürrenhorn über den gesamten Nadelgrat, Dom und Täschhorn bis zum Mischabelbiwak. Der Abstieg über den Dom-Südgrat war dann Ueli Steck jedoch zu heikel, so dass er über die Dom-Normalroute nach Randa abstieg und den bereits postierten Fotografen am Täschhorn vergeblich warten liess.
Weiter zur Sprache kommt der Unfall seines ursprünglich vorgesehenen Partners Michi Wohlleben. Nachdem die beiden mit der Traverse von Schreckhorn und Lauteraarhorn die Gipfel Nr. 2 und 3 bestiegen hatten, hatte dieser beim anschliessenden Flug von der Schreckhornhütte ins Tal eine Crashlandung zu vergegenwärtigen, welche mit heftigen Prellungen endete. Über zwei weitere Gipfel (Mönch und Jungfrau) konnte er sich noch quälen, danach musste er das Handtuch werfen. Während der Gleitschirm im Hochgebirge ein bequemes Hilfsmittel sein kann, so birgt er natürlich auch Gefahren. Zum Glück war meine persönliche Gleitschirm-Erfahrung am Schreckhorn damals deutlich besser ausgegangen - ein Abenteuer, das ich auch heute noch in bester Erinnerung habe.
Mein persönliches Bergsteiger- und Gleitschirm-Abenteuer am Schreckhorn: hier bei der Hütte auf 2600m. |
Ein Effort ganz besonderer Art war es schliesslich, als Ueli Steck zusammen mit dem Zermatter Andreas Steindl die gesamte Spaghetti-Tour mit ihren 18 4000ern an einem einzigen Tag von der Monte-Rosa-Hütte bis aufs Klein Matterhorn abspulen konnten. Rund 30km Horizontaldistanz und über 4000 Aufstiegs-Höhenmeter stehen dabei auf dem Programm - nicht etwa auf Bergwegen, sondern im Schnee und auch hochalpinen, exponierten Graten. Und am Folgetag wurde nicht etwa pausiert, sondern vom Klein Matterhorn rasch der grosse Bruder bestiegen. Nur schon vom Klein Matterhorn bis zur Hörnlihütte ist es ein Stück (das Stück vom Trockenen Steg zur Hütte legte ich letztes Jahr bei meiner Tour durch die Nordwand zurück), doch gelang es den beiden in beinahe unglaublichen 6:29 Stunden nicht nur auch noch zum Gipfel zu gelangen, sondern auch zu Fuss nach Zermatt abzusteigen und mit dem Velo nach Randa zu fahren - Wahnsinn! In dieselbe Kategorie gehört auch die Tour aufs Weisshorn von der gleichnamigen Hütte, über den Ostgrat mit Abstieg über den Nordgrat und via Bishorn nach Zinal mit anschliessender Velo-Fahrt nach Sion in 7:06 Stunden. Nebst Top-Kondition braucht es für solche Efforts natürlich auch eine überdurchschnittliche Rekuperations-Fähigkeit. Trotz ständigem Aufenthalt in der Höhe, bzw. in einfachen Verhältnissen auf Berghütten und im Wohnwagen sowie wenig Schlaf wurde Ueli nie krank und war stets wieder fit für die nächsten Leistungen. Zu futtern gab es gemäss seiner Aussage einfach das, was ihm auf den Hütten serviert wurde, tagsüber ernährte er sich von Riegeln, Bananen und Gels.
Weisshorn-Nordgrat: Jogging-Gelände für Ueli Steck, wir brauchten etwas länger... |
Der tragische Zwischenfall auf dem Rochefort-Grat, als Martjin Seueren in den Tod stürzte, schaffte es bei uns bis in die Print- und Online-Medien. Die Details dazu blieben allerdings lange vage. Offenbar waren Steck und Seueren vorher nicht persönlich bekannt, vereinbarten jedoch, die Traverse der Aiguilles de Rochefort und der Grandes Jorasses wenn auch nicht gemeinsam (Seueren war mit einem Partner unterwegs), dann doch parallel anzugehen. Beim Absturz am Rochefort-Grat war Ueli Steck nicht unmittelbar dabei, da er die beiden vorgehen liess und noch den am Weg liegenden Dent du Géant bestieg. Er traf erst danach auf den ihm alleine entgegenkommenden Partner von Seueren, welcher ihm vom Absturz berichtete. Für Steck folgte danach eine Reflexionspause von 5 Tagen, sowie ein weiterer zweitägiger Unterbruch für den Besuch der Trauerfeierlichkeiten in den Niederlanden.
Chronologische Auflistung aller Touren. Quelle: http://sommets.info/82-4000-des-alpes-lextraordinaire-enchainement-de-ueli-steck/ |
Ueli Steck entschied sich schliesslich, die Tour fortzusetzen. Inklusive bewegender Momente, da er ja die Überschreitung Rochefort-Grandes Jorasses ebenfalls anzugehen hatte. Weiter folgten gewaltige Ausdauerleistungen mit einer zweimaligen Traverse des Mont Blanc von Süden nach Norden, um jeweils alle Satelliten-Viertausender des grossen Onkels abzuholen. Interessant ist dabei vor allem das Zitat von seinem Begleiter Jon Griffith, seines Zeichens auch ein exzellenter Alpinist und fit wie ein Turnschuh: "Die Beine von Ueli? Wie Baumstämme... Die Alpen sind für ihn nur ein Trainingsparcours, da gibt es für ihn nirgends so etwas wie Schwierigkeiten. Er kann einfach überall rennen, klettern ist das für ihn nicht." Damit ist wohl fast alles gesagt! Gratulation dem Protagonisten und viel Erfolg beim nächsten Projekt mit der Nuptse-Südwand.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.