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Dienstag, 8. Dezember 2015

Ausser Spesen nix gewesen...

Wie viele Male sass ich schon daheim, während ideale Bedingungen herrschten? Jedes Mal war ich fit, motiviert und bereit zu gehen. Aber entweder scheiterte es als beruflich und familiär mit fixem Plan engagiertem Mann an der Möglichkeit, die nötigen 3 Tage am Stück frei zu kriegen. Oder wenn für einmal nicht dieser Umstand das Problem darstellte, so war es die Verfügbarkeit von einem kompetenten und motivierten Kletterpartner zu genau der richtigen Zeit.

Der Autor unterwegs in L1...
Nun hat sich etwas geändert: ich durfte wenigstens einmal den Rucksack definitiv packen, die Anfahrt ins Berner Oberland unter die Räder nehmen und die Anspannung vor der Tour erleben. Geklettert ist die Wand der Wände aber leider doch nicht. Die ideale Phase 2.5 Wochen vorher musste leider wieder einmal ungenutzt verstreichen, doch nun passten wenigstens Wetter und Kletterpartner. Das Zeitbudget, naja, hätte besser sein können. Mit der ersten Bahn am Morgen am Tag 1 hinauf, rassig einsteigen und bis zum Biwak am Brüchigen Band oder am Götterquergang durchziehen. Am nächsten Tag dann zum Gipfel, absteigen und zwingend auch heimfahren, denn bei der Vorlesung um 8:00 Uhr am Tag 3, da konnte ich nicht fehlen. Immerhin ging's meinem Kletterpartner in der Hinsicht auch nicht besser.

Wandansicht bei eher nicht so wirklich guten Bedingungen
Das hätte durchaus klappen können. Wobei, Anfang Dezember ist so ziemlich die ungünstigste Saison für eine Begehung mit knappem Zeitbudget. Es wird erst nach 7.00 Uhr hell und ist um 17.00 Uhr bereits dunkel, was die Kletterzeit weiter limitiert. Alles in allem, Zu- und Abstieg abgezogen, blieben uns über die beiden Tage keine 14 Stunden Tageslichtbudget für den Wanddurchstieg. Bei idealen Bedingungen vielleicht machbar, wo doch schnelle Seilschaften inzwischen weniger Stunden für die Wand brauchen, als eine Hand Finger hat. Wie auch immer, probieren geht über studieren. Das galt nicht nur für das Zeitbudget, sondern erst recht in Bezug auf die Verhältnisse. Sicher war nur, dass keine Spur liegt. Ganz klar suboptimal und dem Zeitbudget nicht förderlich. Auf der Webcam sah die Wand immerhin nicht übel zugeschneit aus. Könnte also passen. Nur nicht die Hoffnung verlieren...

Spurarbeit auf dem Weg zum Einstieg. Eigentlich möchte man hier Kräfte sparen und möglichst schnell sein.
Vor Ort war es dann so, dass schon die Querung zum Einstieg hin uns mit öfters knietiefer Spurarbeit in unverfestigtem Pulver etwas ausbremste. Die Motivation war aber hoch, und so wurden die Tritte behände gestapft. Dann die erste Stufe hinauf aufs Band. Pulverschnee liegt auf plattig-abschüssigem Fels, ungut, heikel. Lässt sich wenigstens die Querung in die Wandmitte bequem gehen? Leider nur teilweise, auch hier versaufen wir ab und zu recht tief im Schnee. Und dann gilt es endgültig ernst. Seilfrei bis zum Schwierigen Riss, so geht das, oder? Schon die erste, richtige Seillänge zieht uns aber die Zähne. Der Fels ist mit lockerem Pulverschnee überzogen, nirgendwo findet man halt. Ohne den Schnee abzuputzen lässt sich das nicht klettern. Ohne Seil auch nicht, aber absichern ist schwierig und nagt an der Zeitreserve. Ganz fest sogar, und eigentlich ist sie eh schon fast abgenagt.

Die ersten, und für uns auch die letzten Meter in der Wand. Plattiger Fels mit unverfestigter Pulverauflage, ungut.
Es dauert nicht allzu lange, bis wir uns die Sinnlosigkeit des Unterfangens eingestehen müssen. Schlecht im Sinne von objektiv gefährlich sind die Bedingungen zwar nicht. Aber eben auch nicht gut, und schon gar nicht schnell. Mit einem Biwak durchzukommen und am Folgetag noch heimzureisen ist die komplette Utopie, nichts anderes als das. Das müssen wir aber, unbedingt. Da gibt es nur noch eine Option: umdrehen! Und zwar lieber jetzt als später, wo das nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Der Vernunftentscheid fällt und ich bin gar nicht so betrübt. Einerseits, weil's wegen dem knappen Zeitbudget und den unbekannten Bedingungen ein Experiment war. Andererseits, weil ich nun wirklich einmal ein paar Meter mit Steigeisen und Eisgeräten in der Wand klettern konnte - und "nicht nur" mit den Kletterfinken, wie bis anhin immer. Auf jeden Fall "a story to follow" - vielleicht klappt es ja eines Tages doch noch. Mit der Heckmair in der Eiger Nordwand, natürlich.

So sehen mässige Bedingungen aus.

2 Kommentare:

  1. Hoi Marcel
    Irgendwann wird es dann schon passen... Was habe ich immer still wieder daran gedacht an diese Wand zu gehen und dann beim Klettern am Hintisberg, oder an der Mönch Nollenroute oder an der Lauper dann im Angesicht dieser Wand irgendwie dennoch Zweifel bekommen ob das wirklich etwas wäre. Obwohl rein Schwierigkeitstechnisch, bei guten Verhältnissen, diese Tour sicherlich in meinen Erfahrungsschatz passen würde. Diese irgendwie grimmige Grundstimmung hat mich bisher immer wieder abgehalten einen richtigen Versuch darin überhaupt zu wagen.
    Ganz anders z.B. der El-Cap im Yosemite. Ebenfalls eine mytenumwobene Berggestalt mit gewaltiger Auro vor Ort. Diese hatte mich aber sofort in ihren Bann geschlagen und ich konnte kaum warten daran einige Technoclimbs zu starten! Da waren für mich jederzeit positive Energien spürbar.
    Lustegerweise verhielt es sich auch mit dem Matterhorn auch ganz speziell: Wochenlang zugen wir während jahren durch die Alpen von Berg zu Berg, auf unterschiedlichsten Routen, ohne dass ich ein must-to-do-feeling für diesen wirklich eindrücklichen Berg verspürte. Und plätzlich machte es dann "klick" und bei excellenten Verhältnissen und einem tollen Kletterkumpel erlebten wir einen unvergesslichen Bergtag an diesem Zapfen!
    Und dann spricht auch noch die Statistik eine eigene Sprache:
    Ich führte während jahren nicht nur ein Tourenbuch mit all den Höhepunkten meiner "Bergkarriere" sondern auch noch eine Liste der "shit happens" wenn man dem so sagen darf. Und da stellte sich heraus, das selbst zu meinen wildesten Zeiten, gut und gern 10Prozent aller Touren und Unternehmungen erfolglos abgebrochen werden mussten, warum auch immer. Und dies nur Touren wo wir vom Biwak oder der Hütte überhaupt einen Versuch starteten. Nicht gerechnet all die geplanten und dann aber bereits zu Hause abgesagten Touren.
    Da fällt zum Beispiel das Vrenelisgärtli auf, wo ich als Himalaya erprobter und 4000er auf allen möglichen Routen besteigenden Alpinisten, sage und schreibe 4 Anläufe brauchte um auf dem Normalweg einen Erfolg verbuchen zu dürfen!
    Irgendwie glaube ich, darf sich ein richtiger Alpinist einfach für nichts zu schade sein, schon gar nicht um einen erfolglosen Versuch! Denn wer weis was für Erfahrungen aus diesen Versuchen wachsen, die dann eben später tolle Gipfel- und wieder nach Hausekommenerlebnisse ermöglichen!
    Und du hast ja erlebt, der "Flow" kann man sogar, bei entsprechender Einstellung und Kreativität oder Inspiration sogar am Säntis erleben! Gratuliere dazu.
    Liebe Grüsse aus den sonnigen Baselbieter Kletterwänden
    Patrik Müller

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    1. Hallo Patrik,

      Vielen Dank für die aufmunternden Worte!

      Kann Deine Einschätzung zur Heckmair nur bestätigen. Die Wand ist gut zugänglich, die Details über die Route bestens bekannt und die Schwierigkeiten nach heutigen Massstäben nicht allzu hoch. Trotzdem ist es eine grosse Tour geblieben. Meines Erachtens vor allem wegen der fehlenden Rückzugsmöglichkeit. Da kann man noch so lange die Bilder vom Wasserfallkamin, Brüchigen Riss, Quarzriss und Ausstiegskaminen studieren. Vor Ort gibt es dann nur eines, Augen zu und durch...

      Ich persönlich habe wohl eine recht tiefe Rate an erfolglosen Touren. Soweit wie möglich, versuche ich solche zu vermeiden. Einerseits hilft mir dabei sicherlich die langjährige Erfahrung im Einschätzen der Verhältnisse, dann plane ich lieber zu defensiv als zu offensiv und wenn einmal vor Ort und nichts gravierendes dagegen spricht, so wird dann auch bis zum Top durchgezogen.

      Nichtsdestotrotz, einen Fehlschlag kann es immer wieder einmal geben und man würde seine Ausbeute sicherlich auch stark einschränken, wenn man nur noch so unterwegs ist, dass die Rate an abgebrochenen Touren auf 0% sinkt - tiefe Rate ja, aber gar nie Scheitern ist kein erstrebenswertes Ziel.

      Beste Grüsse, Marcel

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