In einer Zeit, wo das Wetter in etwa ähnlich bescheiden ist wie meine Erfolge beim Sportklettern, lohnt es sich, wieder einmal in der Touren-Mottenkiste zu kramen. So kommt dieser Bericht über die Wendenroute Passion (7a) am Pfaffenhuet zustande. Diese fristet unter ihresgleichen keinem sonderlich berühmtes Dasein, was sicherlich auch mit den Angaben in der Führerliteratur zu tun hat. Klar, an die absoluten Toplinien im Gebiet reicht sie nicht ganz heran, auf globaler Skala gesehen handelt es sich aber um eine sehr schöne MSL-Kletterei. Zugleich ist es eine der einfacheren im Massiv.
Der klassische Ausblick am Beginn einer Wendentour mit Mähren, Pfaffenhuet und den Sektoren am Gross Wendenstock. |
Unsere Tour startet wenig vielversprechend. Ein heftiges Gewitter am Vorabend hat im Haslital gewaltig die Schleusen geöffnet. Dies notabene in einem Zeitalter, als wir noch nicht mit Smartphones ausgerüstet waren und daher die Möglichkeiten zum Online-Tracking von aktuellem und vergangenem Niederschlag noch reichlich bescheidener zur Verfügung standen. Nun denn, da wir schon vor Ort waren, liessen wir uns durch die von zahlreichen, dunklen Wasserstreifen durchzogenen Wände nicht abhalten und stiegen trotzdem gegen den Pfaffenhuet hinauf. Womöglich würde ja die Sonne ihre Arbeit verrichten und schon bald für Trockenheit sorgen - so war es dann tatsächlich auch. Um etwa 9.20 Uhr waren wir am Einstieg startbereit. Dieser befindet sich etwas links am Pfaffenhuet, noch vor der markanten, grossen und brüchigen Verschneidung. Damals war er mit abblätternder Farbe markiert, ob man das heute noch lesen kann?!? Maybe, aber vielleicht auch nicht. Ein BH und ein paar alte Schlingen waren ebenso präsent, diese sind bestimmt noch immer vor Ort.
Verlauf der Route Passion am Pfaffenhuet, die Wasserstreifen sind eher aussergewöhnlich. |
L1, 45m, 6a+: Wie immer bei einer Wendentour ist eine gewisse Anspannung nicht zu verneinen und die ersten Meter starten gleich fulminant. Nicht mega schwierig jetzt, aber an einem Riss will erst gleich ein Cam gelegt sein und dann folgen ein paar kompakte Meter, wo sorgfältig angetreten werden will. Im oberen Teil der Länge klettert man dann eine grosse Links-Rechts-Schleife, dabei erst die technische Crux, danach sehr schöne Wasserrillen.
Sehr schöne Wasserrillen und eine für die Region typische, gebohrte Sanduhr als Sicherung oben in L1 (6a+). |
L2, 45m, 6b: Plattiger Auftakt mit guter Kletterei in schönem Fels, wobei es beim Riesenslalom um die Bohrhaken die Ideallinie zu erwischen gilt. Die Crux wartet dann an einem steilen Aufschwung gegen das Ende hin. Sieht etwas einschüchternd aus, klettert sich auch nicht ganz trivial, hier stecken die Bohrhaken aber wirklich eng, nur im Ausstieg muss man etwas "gehen".
Soeben wurde der Steilaufschwung mit der Crux von L2 (6b) gemeistert. |
L3, 40m, 6a: Diese Länge ist sicher nicht die beste der Route, aber trotzdem nett. Schöner, einfacher und etwas weit abgesicherter Beginn, dann eine etwas komische Linie welche kurz an die Verschneidung rechts aussen geht, diese aber auch schon bald wieder zu Gunsten von schöner Wasserrillenkletterei links in der Wand verlässt.
Kurz an die nicht ganz so solide Verschneidung in L3 (6a), sonst aber meist schöne Wandkletterei. |
L4, 40m, 6b: Der Auftakt sieht steil und einschüchternd aus und der erste BH steckt in bedenklicher Ferne. Etwas rechtsrum gibt's aber einen gut gangbaren Weg, so passt's schon. Danach unter einer schräg aufwärts führenden Verschneidung entlang anhaltend in prima Wendenfels. Wo diese ausläuft wartet die beinahe schon knifflige 6b-Passage, super! Für die letzten Meter zum Stand ist dann ein Cam durchaus noch dienlich.
Viel Betrieb an dem Tag auf der Wendenalp, das heftige Gewitter am Vorabend hatte niemand auf der Rechnung. |
L5, 45m, 6a: Unsere Topos aus diversen Editionen des Schweiz Extrem zeigen etwas rechts um die Ecke schon bald wieder einen Stand, der aber vor Ort nicht existierte. Aber egal, er ist auch nicht nötig, die Längen lassen sich gut verbinden, hilfreich ist aber Halbseiltechnik und gutes Verlängern der Sicherungen. Die Kletterei durch die kompakte Wand mit distant steckenden BH sieht kühn aus, löst sich aber immer gut auf und übersteigt den Grad 6a tatsächlich nicht, das hätte man von unten kaum geglaubt - super Sache!
Fantastische Wendenkletterei am Ende von L5 (6a), der Fels vorzüglich. |
L6, 25m, 6c+: Ich behalte gleich die Führung für die gemäss den Topos nominelle Cruxlänge der Route. Hier muss man zuerst einmal einen Schnall haben, wo es überhaupt durchgeht. Der erste BH steckt nämlich ziemlich im Schilf, gut verlängern und untenrum nach rechts klettern macht es deutlich einfacher. Die Crux besteht aus einer kurzen, feinen und technischen Stelle, nachher an traumhaften Wendenrillen noch etwas dranbleiben und schon bald nehmen die Schwierigkeiten ab. Der Stand auf einem Band, in einer beinahe etwas gerölligen Zone.
Technisch Durchmoven in der Crux von L6 (6c+) - ging mir aber recht leicht von der Hand. |
L7, 30m, 6c: Die athletischste Länge der Route. Der Steilriegel sieht auf den ersten Blick ziemlich abweisend aus und anderswo wäre solchermassen geschichtetes Gestein vermutlich auch brüchig. Nicht so hier - alles hält und dann sind es erst noch vorwiegend Henkel! Die Crux etwas sloprig über die Dachkante hinweg.
Steil und athletisch geht's in L7 (6c) zu Werke, allerdings meist an guten Henkeln. |
L8, 45m, 7a: Bis an diese Stelle ist die Route echt vorzüglich und auch genüsslich. Doch hier wird es einerseits deutlich schwieriger wie zuvor, andererseits stimmen die Topos auch überhaupt nicht mit der Situation vor Ort überein, was es auch nicht unbedingt angenehmer machte. Als erstes folgt eine harte, kleingriffig-plattige Passage in schon fast etwas glattem Fels. Im Topo stand 6c, wir fanden es (und sind damit nicht die einzigen...) selbst für 7a schwierig, für den Fall der Fälle steckt aber der BH günstig. Danach nach Topo eigentlich Stand an einer SU, aber die ist so dünn und in unbequemer Position, so dass einzig Weiterklettern vernünftig erscheint. Plattig, anhaltend und schwer geht's an kleinen, teils etwas fragil wirkenden Schüpplein dahin, auch der Seilzug beginnt mit der Zeit hinderlich zu werden. Nach 45m findet sich rechts aussen ein Stand in einer Nische. Hier gab's eine SU und einen Bolzen ohne Plättli - um diesen Umstand wissend, hatten wir eines mitgeführt und den Stand wieder benutzbar gemacht.
Im Vordergrund die glatte Crux von L8 (7a) - irgendwie ungriffig alles und die Wasserrillen stumpf. |
L9, 15m, 6a: Nun sind es nur noch ca. 15m hinauf aufs grosse Schuttband, auf welchem die modernen Routen alle enden. Nun nochmals prima griffige Kletterei in schönem Wendenfels.
Nachstieg auf der grossen und schweren Platte im oberen Teil von L8 (7a). Der Wendennebel kam auch noch kurz vorbei. |
Etwas nach 16.30 Uhr und damit nach über 7 Stunden Kletterei haben wir das Routenende erreicht. Wir queren ungefähr 20m nach links (d.h. Westen), um den Stand der Abseilpiste zu erreichen. Dort treffen wir unmittelbar vor einer Seilschaft aus dem Sonnenkönig ein. Wir wollen nicht länger warten und nehmen den gewährten Vortritt an - klar, hinterher zu gehen wäre wegen allenfalls fallenden Steinen besser, doch zuerst abzuseilen bringt auch einen Benefit... wie wir bald merken. Beim etwa vierten Abseiler lässt sich das Seilende nicht abziehen, egal wie sehr wir uns Mühe geben. Knoten war sicher keiner im Seil, was ist denn da los?!? Die nachfolgende Seilschaft löst uns nach etwas Wartezeit dann das Seil. Das freie Ende wurde (wohl durch den schnellen Seildurchlauf) herumgewirbelt und verknotete sich am Stand selbständig.
Wäre nicht die andere Seilschaft nachgekommen, so wären wir an dieser Stelle definitiv in der Falle gesessen - im Bereich der Abseilpiste verläuft keine Route, d.h. weder hinaufklettern oder Abseilen mit einem 50m-Strang wären Optionen gewesen. Das wäre definitiv ein Fall für den Helikopter gewesen! Es sei an dieser Stelle übrigens erwähnt, dass ich inzwischen zwei weitere Fälle hatte, wo sich das Seilende beim Durchlaufen selbst verknotete (siehe z.B. hier). Dort liess sich die Situation mit einem Wiederaufstieg klären - das Fazit aus dieser Geschichte ist klar: wenn irgendwie möglich, so seilt man besser über (s)eine Route als eine routenunabhängige Abseilpiste ab. Wenn etwas schief läuft, so ist man auf einer Abseiltrecke ohne Zwischenhaken einfach rasch einmal total aufgeschmissen!
Facts
Pfaffenhuet - Passion 7a (6b obl.) - 9 SL, 330m - Kaspar Ochsner 1992 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-2, Keile nicht zwingend nötig
Sehr schöne Steilplatten-Kletterei in gutem, rauem Wendenkalk, gehört insgesamt zu den zugänglicheren Routen an den Wendenstöcken. Athletische Stellen gibt es auch ein paar, aber doch seltener wie in vielen anderen Routen am Massiv und als in den Pfaffenhuet-Routen weiter rechts. Auch wenn häufig deutlich über die Sicherungen hinaus gestiegen werden muss und im leichteren Gelände teils grössere Abstände warten, darf man die Route als vernünftig oder gut abgesichert bezeichnen. Mit einem Satz von kleinen bis mittleren Cams kann man punktuell gut ergänzen, die Schlüsselstellen sind sowieso gut gebohrt und wie eigentlich immer bei Ochsner-Routen kann man sich darauf verlassen, dass die Haken am richtigen Ort stecken und dass man nach einem Runout nicht vor dem nächsten Klipp nicht noch irgendwelche Harakiri-Moves zum Anklettern des nächsten Bolts ausführen muss.
Topo
Wie bereits erwähnt, die kommerziell erhältlichen Topos stimmten nicht mit den Verhältnissen vor Ort überein. Daher habe ich unmittelbar nach der Begehung selber ein Topo mit korrekten Standplätzen und vernünftiger Aufteilung der Seillängen gezeichnet.
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