Irgendwie, so scheint es mir, bleiben mir auf diesem Blog vor allem Klettertouren aus der Mont-Blanc-Region nachzutragen. Woran das wohl liegt? Sicherlich nicht daran, dass diese unlohnend oder nicht genügend inspirierend für einen Beitrag gewesen wären. Wohl eher, dass dafür eine stabile Schönwetterperiode notwendig ist, sich die Abwesenheit von Familie und Arbeit wegen der längeren Anreise auf mehrere Tage ausdehnt und es deshalb in den Tagen danach meist anderes zu tun gibt, als einen Blog zu tippen. Aber kommt Zeit, kommt Gelegenheit und daher hier meine Erinnerungen an einen Weekend-Trip mit Jonas im 2013.
Der Petit Clocher mit Routenverlauf noch weit weg, gesehen vom Ausgangspunkt bei der Prise d'Eau. |
Um an eine Tagestour zu denken, liegt der Petit Clocher du Portalet im Val Ferret, d.h. ganz im Südwesten des Kantons Wallis, doch etwas zu weit weg von Zürich. Klar, nichts ist unmöglich, aber da müsste man schon hart im Nehmen sein, vor allem wenn es um die Fahrerei geht. So machen wir uns am Samstag gemütlich auf den Weg und legen einen Stopp an den Gastlosen ein, wo wir uns auf deren NW-Seite der Kletterei widmen. Das lohnt sich sowohl fürs harte Sportklettern wie auch für ein paar MSL-Routen. Wir entschieden uns für die beiden nahe beeinander liegenden Magirus (5 SL, 7a) und die Audrey Daniel Gedenkführe (3 SL, 6b+), worüber ich in diesem Beitrag schon einmal ein paar Worte verloren hatten. Nach diesem bereits genussreichen Tag machten wir uns auf, um in Martigny in einem Hotel zu nächtigen, von wo wir am nächsten Tag zum Petit Clocher starteten.
Die Fahrt führt bei Orsières ins Val Ferret, wo man in Praz-de-Fort gegen das Tal des Saleinagletschers abzweigt. Eine steile und enge Bergstrasse führt hinauf zur Wasserfassung auf 1540m, bis hierher kann man fahren. An schönen Weekends stehen oben meist viele Fahrzeuge, und man darf seine Kreativität beim Bestimmen eines Parkplatzes zeigen - natürlich so, dass niemand behindert wird und alle wieder ins Tal kommen. Von da nimmt man den Weg zur Orny-Hütte, welcher bald in grossen Kehren den steilen Hang hinaufführt. Im Aufstieg verliessen wir diesen bereits in der Kehre bei P. 2194, wobei der Challenge alsbald im überqueren der drei Gletscherbäche liegt. Frühmorgens oder generell bei Niedrigwasser mag dies möglich sein, je nachdem werden diese aber zur unüberwindbaren Herausforderung! Im Abstieg sind wir dann weiter oben hinübergequert und trafen den Weg auf 2420m, was sicherlich auch im Aufstieg die bessere Alternative darstellt.
Die sonnige E-Wand, rechts die schattige N-Wand, gepunktet der exponierte Zustieg am Sockel. Unsere Route ist links um die Ecke, nicht sichtbar.
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Der letzte Teil des Aufstiegs wird dann ziemlich alpin. Die letzte Moräne, welche es zu queren gilt, bevor man an den solideren Nordwand-Sockel des Clochers gelangt, ist steil und instabil. Ein Fixseil vermittelte damals etwas Sicherheit, ebenso waren selbst Mitte Juli noch Querungen von verschneiten Couloirs zu meistern, wo ein Ausrutscher verheerende Konsequenzen gehabt hätte. Dank bereits vorhandenen Tritten genügte ein Leichtpickel, bei sehr ungünstigen Verhältnissen kann man aber ohne Bergschuhe und Steigeisen im dümmsten Fall auch anbrennen. Danach quert man quasi ein halbes Mal am Sockel um den Clocher herum von der Nord- auf die Südseite. Die Exposition nimmt dabei stetig zu, und es sind auch einige Kletterpassagen zu meistern. Teilweise sind Ketten vorhanden und nötigenfalls stecken Haken zur Sicherung, ein seilfreies Gehen ist aber bei entsprechenden Können gut zu verantworten. Den Weg in dieser Querung zu beschreiben ist sehr schwierig, allerdings leitet einen das Gelände gut und es hat Wegspuren, die Passage dünkte mich nicht sonderlich schwer zu finden. Nachdem wir um etwa 7.00 Uhr auf den 1100hm-Zustieg bei der Wasserfassung gestartet waren, ging es um rund 9.30 Uhr mit der Kletterei los.
L1, 5c+: Der Einstieg befindet sich wenige Meter links der Südostkante. Zuerst einfach an einem System von Schuppen empor (BH), danach deutlich nach rechts queren (BH) und die cleane Verschneidung benützen, um auf einem Absatz zu Stand an einem Felszacken zu kommen, bevor es in der nächsten Sequenz Ernst gilt.
Gut einprägen dieses Bild! Hier geht's los, Jonas klettert in L1. Der Einstieg ist sonst nicht näher bezeichnet. |
L2, 6a+: Lange, eindrückliche und anspruchsvolle Superlänge entlang der grossen Verschneidung. Vereinzelt stecken ein paar Bohrhaken, dazwischen legt man gerne selber noch etwas hinzu. Vor allem das Ende um die Nase herum ist dann aber zwingend und ohne eine gewisse Entschlossenheit und Vorwärtsstrategie geht's nicht.
Eine Seilschaft im unmittelbar benachbarten SE-Pfeiler, auch eine schöne Route. |
L3, 6c: Teilweise knifflige Traverse nach links hinauf, die Füsse müssen plattig antreten und die Hände benützen die Untergriffschuppen. Diese Passage ist gut mit (älteren) BH abgesichert. Man erreicht schliesslich ein Risssystem, das tolle Kletterei bei recht anhaltenden Schwierigkeiten (ca. 6a+) bietet, wobei die letzten 20m komplett selber abgesichert werden müssen.
L4, 6c: Den Pfeiler hinauf, etwas nach rechts und dann zur Schlüsselstelle in plattiger Wandkletterei, welche gut mit BH abgesichert ist. Diese Passage ist womöglich etwas grössenabhängig, mir bereitete sie jedenfalls keine grossen Schwierigkeiten.
Jonas folgt in L4 (6c), die Schwierigkeiten liegen hier in der Wand- und Plattenkletterei. |
L5, 6b: Kurze, aber coole Seillänge, welche von einem Grasband weg einen steilen Wandaufschwung recht athletisch entlang einer Rissverschneidung bezwingt. Es stecken hier zwei BH, damit man sicher nichts aufs Band hinunterplumpst, legt man vielleicht gescheiter noch etwas hinzu.
Jonas am Moven in der schönen, steilen Rissverschneidung von L5 (6b). |
L6, 6c: Der Auftakt entlang einer seichten Verschneidung mit einem ziemlich geschlossenen Riss im Grund ist zwar auch "nur" mit 6c bewertet wie L3 & L4. Während ich letztere beide problemlos klettern konnte, stellten sich mir hier aber doch ein paar Fragezeichen. Es muss sehr plattig angetreten werden und Griffe sind nahezu inexistent. Nötigenfalls kommt man mit den nahe steckenden BH aber gut A0 durch. Danach wird's dann etwas einfacher, die Verschneidung mit dem Grasriss im Grund am Ende empfand ich als etwas unangenehm.
Das Finish von L6 (6c) ist nicht mehr so schwer, die weit abgesicherte Grasverschneidung für den Vorsteiger aber nicht unbedenklich. |
L7, 5c: Easy peasy, könnte man meinen... die kaminartige Passage klettert sich aber deutlich schwieriger, wie man erst meinen könnte. Vor allem scheint's tatsächlich keine elegante Möglichkeit zu geben, um man kommt nicht um die Schrubberei herum, schwer für den Grad und auch recht zwingend. Das Finale dem Grat entlang zum Gipfel dann aber schliesslich deutlich einfacher.
Rustikaler Abschluss zu Beginn von L7 (5c), ohne Einklemmen geht's irgendwie nicht. |
Um etwa 13.45 Uhr waren wir nach 4:15 Stunden Kletterei am Gipfel und konnten an diesem wunderschönen Sommertag einen grandiosen Blick auf die umliegende Bergwelt geniessen. Ja, hier oben könnte man eine ganze Weile sitzen bleiben. Der weite Heimweg mahnte aber doch irgendwann zum Aufbruch. Er beginnt mit einem Abseilen über die Route, wobei 5 Manöver nötig sind. L5 & L6 sowie L1 & L2 lassen sich mit 2x50m-Seilen verbinden. Danach gilt es wieder konzentriert die exponierte Sockelwand abzuklettern, erst nach der Passage der Couloirs und der Moräne kann man schliesslich etwas entspannen. Nach der weglosen Querung zurück zum Orny-Hüttenweg ging's dann rassig auf dem Bergweg gen Tal, wo wir um etwa 16.00 Uhr eintrafen. "Granitklettern par Excellence" hatte ich im Kurzbeitrag unmittelbar nach der Tour geschrieben, das sehe ich auch aus heutiger Sicht noch genauso!
Facts
Petit Clocher du Portalet - Le Chic, le Chèque et le Choc 6c (6b obl.) - 7 SL, 250m - C. & Y. Remy 1986 - ****; xxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, 1 Set Keile, 1 Set Camalots 0.3-3, evtl. Leichtpickel für Zustieg
Sehr schöne Granitkletterei, meist an Verschneidungen mit ein paar plattigen Wandkletter-Einlagen dazwischen. Die Felsqualität ist durchgehend gut, der Fels weist aber relativ wenig Struktur auf und ist einfach nicht ganz so schön wie in den besten Chamonix-Routen. Hin und wieder spriesst auch etwas Gras aus den Rissen. Weiter ist das Verhältnis von Routenlänge zu Zustieg auch etwas knapp. Das ist Jammern auf hohem Niveau, für volle 5 Sterne reicht es aber nach meinem Empfinden nicht ganz. In der Route stecken regelmässig Bohrhaken, die 6c-Passagen sind gut abgesichert. In den Rissen lassen sich öfters zusätzliche Sicherungen anbringen, einige Passagen sind sogar zwingend selber abzusichern, was mit je einem Set Keile und Cams aber gut möglich ist. Die Route liegt sehr sonnig und hat für ihre hochalpine Lage ein grosses Begehungsfenster. Im Frühjahr und Herbst können aber Schneereste und Vereisung am Sockel der Nordwand Probleme bieten. In Sachen Topo empfiehlt sich der Topoguide Band III, man kann die Seiten zum Petit Clocher hier auch als Einzelstücke erwerben. Ansonsten kenne ich effektiv kein Topo, das diese Bezeichnung wirklich verdient.
Hei danke für einen wiedermal spannend zu lesenden Tourenbericht!
AntwortenLöschenWie schaffst du's dich auch noch nach gut 3 Jahren so genau an eine Kletterei zu erinnern? Kommen die Erinnerungen automatisch wieder wenn du dir die Fotos nochmals anschaust oder machst dir Notizen gleich nach den Touren? Das hab ich mich schon öfters gefragt - mein Erinnerungsvermögen hapert da schon eher :P
Ich denke mal, generell gutes Erinnerungsvermögen (für solche Dinge), ein paar Notizen jeweils gleich nach der Tour als Gedankenstütze und natürlich die Fotos machen es aus.
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