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Dienstag, 10. Mai 2022

Fontainebleau - Cul de Chien

Ob wir den Sektor Cul de Chien besuchen sollten, wurde kontrovers diskutiert. Überlaufen, zu heiss/sonnig und keine guten Circuits waren die Argumente dagegen. Dafür sprach vor allem der landschaftliche Reiz. Die Sandebene, rund um welche die Blöcke angeordnet sind, ist für mitteleuropäische Verhältnisse wirklich sehr aussergewöhnlich. Persönlich war ich frei von Emotionen in Sachen Gebietswahl, bzw. ich war mir sicher, überall interessante Herausforderungen zu finden. So zogen wir dann tatsächlich Richtung Cul de Chien. Fazit: klar war da Betrieb, aber überfrequentiert waren die Boulder nicht. Tatsächlich liegen die Blöcke etwas sonniger als anderswo, dafür ist's relativ gut belüftet, sprich als heisser als anderswo empfand ich es nicht unbedingt. Und dass es keine gute Circuits gibt ist definitiv falsch, bzw. eine veraltete Info. Orange, Blau und Rot sind tiptop, frisch markiert und perfekt zu begehen!

Das sieht fast schon wie eine Wüstenexpedition aus! Les sables de cul de chien, vraiment extraordinaire!

Dies ist der letzte Beitrag zu unserem Fontainebleau-Trip. Er deckt auch gleich noch zwei weitere Bouldertage ab, welche hier Unterschlupf finden sollen. Am Tag zuvor waren wir am Rocher St-Germain aktiv. Ein sehr schönes, in etwas dichterem (Nadel)wald gelegenes Gebiet mit Circuits in allen Schwierigkeiten. Mein Versuch, den kompletten roten Parcours zu ziehen, endete nach gut der Hälfte der Boulder. Irgendwann waren der Saft und vor allem die Haut schlicht und einfach durch. Auch wenn ich mir diverse Aufgaben mit Sitzstarts schwieriger als nötig gemacht hatte und wir bereits vom fünften Bouldertag in Folge sprechen - einen kompletten roten Parcours einwandfrei zu ziehen ist einfach eine harte Nuss. Nachdem ich alleine unterwegs war, gibt es von diesem Tag keine Fotos und damit auch keinen Blog. Am Cul de Chien startete ich wieder auf der blauen Piste. Der grössere Teil unserer Gruppe fokussierte auf den orangen Circuit, nur die beiden U14-Mädels starteten mit mir. Während sie es eher gemütlich und ohne die Ambition auf eine Komplettbegehung nahmen, erhöhte ich irgendwann die Kadenz.

Auf dem obigen Foto bouldert Seraina in #2 (Le Liseré, 4A+), einem gemütlichen Aufwärmproblem. Das erste Mal ernst gilt es bei #4 (La Dignité, 5A, mit optionalem Sitzstart schwieriger), wo die Athletik getestet wird und man kräftig Hooken muss. Bei #7 (La Coque, 4A, siehe Foto unterhalb von Larina) ging der Flash vor die Hunde. Wobei auch hier wieder einmal gilt: aufgrund der Markierung am Fels gingen wir davon aus, nicht links an der Ecke klettern zu dürfen, wie es die Topos zeigen...

Gefallen hat mir auch #9 (La Bottine, 4C) mit Gegendruck-Kletterei an Untergriffschuppen, was sich schon fast granitig-alpin angefühlt hat. Einen weiteren Test der eher alpinen Skills findet man gleich nebenan mit der #9b (La Médiane, 4C, siehe Foto unterhalb), einem Fingers to Thin Hands Jam Crack - einfach nicht mit "Betrugstechniken" à la Layback auskneifen. Das Argument "ihr wollt doch auch einmal in Meiringen am Weltcup mitmachen" überzeugte schliesslich auch die beiden Girls, den Riss in Jamtechnik zu probieren.

Während die Girls danach erst einmal Mittagspause einlegten, machte ich mich alleine auf den Weiterweg. Der beinhaltete mit #15 (La Téméraire, 5A) ein kräftiges Athletikproblem, sofern man direkt klettert und nicht linksherum auskneift - wie so oft stellt(e) sich auch hier die Frage, was denn im Sinne des Erfinders ist und was nicht. 

Bei #17 (La Camée, 4B) fragte ich 'random bypassers' nach einem Foto - gar nicht mal schlecht geworden :-)

In Erinnerung geblieben ist mir auch #20 (Le Kyste, 4C) mit seinem knifflig-kraftraubenden Sloper-Mantle-Exit ein typisches Bleau-Problem. Am Block von #24 (Les Précieuses, 3A) fand ich die Normalvariante banal und wenig inspirierend. Deutlich fordernder, cooler und mit einer Art 'Klangloch' richtig aussergewöhnlich ist die Bis-Variante gleich daneben (#24b, Le Turpide, ca. 4B). Mit etwas Kraft gut bedient ist man auch bei #28 (Le Baraqué, 4C) mit grossen, sloprigen Löchern.

Auf diesem Abschnitt des Parcours befindet man sich übrigens im lichten Wald, ein ganzes Stück von der Sandebene entfernt. Hier hinten war es komplett ruhig und es waren keine anderen Boulderer unterwegs. Nach ein paar einfacheren Bouldern um den hinteren Wendepunkt findet man mit #34 (Le Barbot, 4A, mit Sitzstart deutlich besser & schwieriger) ein richtig geiles Power-Problem für die hoffentlich wieder zurückgekehrten Kräfte. Auch #35 (La Poulette, 4B) mit Sitzstart zu Untergriff und einem Heelhook-Aufrichter machte richtig Spass.

Nachdem ich wie erwähnt am Vortag den wesentlichen Teil meiner Haut am roten Circuit am Rocher St-Germain gelassen hatte, konnte ich nur mit Tapes klettern. Ideal ist das überhaupt nicht, doch für einen blauen Circuit war es in Ordnung. Und sowieso war ich ab diesem Punkt auf der Zielgerade. Wie die obigen Fotos zeigen, war ich alleine und ohne Matte unterwegs. Das ging prima, nur #41 (L'Angle Solide, 4B, mit Sitzstart schwieriger) war als knifflige Kante zwischen den Blöcken drin mit suboptimalem Sturzgelände nicht ganz ohne. Bei #44 (La Traversée du Temps, 4A+) darf man kurz vor Schluss nochmals seine Jam-Technik zum Einsatz bringen, bald darauf hatte ich die 46 Boulder (plus ein paar Varianten und einige rote Probleme am Weg) in einer guten Zeit komplettiert. 

Da alle noch beschäftigt waren, blieb mir genügend Zeit, am grossen Boulderjam beim berühmten 'Toit du Cul de Chien' mitzumachen. Die Linie durchs Dach ist ein grosser 7A-Klassiker, der schon 1977 geklettert werden konnte. Der blieb für mich aber auf der Projektliste... das gechippte 2-Finger-Loch in der Crux im Dach ist definitiv nicht ein Griff nach meinem Gusto, erst recht nicht in solchem Steilgelände und nach 6 Tagen Vollgas-Bouldern. Immerhin konnte auf einigen etwas einfacheren Problemen nebenan der Flow im raschen Durchsteigen wieder aufgebaut werden. 

Citron Vert (6A, die rote #7) - da muss man sich schon gut festhalten!

Am folgenden Tag blieb mit Zeltabbau und der langen Heimreise dann nicht mehr so viel Zeit für Aktivität an den Blöcken. Für einen Besuch in den Gorges d'Apremont und dem Schmöckern einiger interessanter Probleme rund um den Lagerplatz reichte es noch. Tja, es gibt noch so viel zu tun und zu entdecken... Wir müssen wieder zurück nach Bleau, und dies nicht erst nach weiteren 30 Jahren.

Facts & Links

Der Sektor Cul de Chien ist landschaftlich einzigartig mit seiner Sandebene. Viele einfachere Boulder oder Kids-Parcours gibt's hier nicht, aber in dem mittleren Schwierigkeiten (orange, blau, rot) findet man sehr gut markierte Circuits. Und natürlich fehlen schwierige Einzelboulder bis 8B ebenso wenig. Am meisten Betrieb herrscht um den zentralen Platz beim Toit du Cul de Chien. Die Circuits sind etwas weitläufig und führen auch in bewaldetes Gelände weiter nordöstlich, wo man mehr Einsamkeit geniesst. Das Absprunggelände ist meist perfekt und sandig.

Topo, Liste und Fotos von boolder.com

PDF-Topo bei cosiroc.fr

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