Von unserem Ausflug nach Pontresina und der Begehung des Couloirs hatte ich im letzten Beitrag schon erzählt. Hier folgt nun der Bericht zum Klassiker der Region, dem Pontresinafall. Nach geruhsamer Nacht und ausgiebigem Frühstück sollte es losgehen. Angesagt waren hohe einstellige Positivtemperaturen und praller Sonnenschein. Nicht unbedingt die idealen Voraussetzungen für einen südexponierten Eisfall. Wie wir uns aber vor Ort überzeugen konnten, brachte die Nacht Werte unter dem Gefrierpunkt und gute Abstrahlung, so dass mit geeignetem Timing eine Begehung bei einwandfreien und sicheren Verhältnissen möglich war.
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Topo von PeterK, zu finden auf Summitpost. Wir sind exakt die rote Linie geklettert. |
Gleich hinter dem Hotel Palü gibt es einen erneut kostenpflichtigen (1 CHF/Stunde) Parkplatz, welcher den idealen Ausgangspunkt darstellt. Wir indessen mussten gar nicht ins Automobil steigen und konnten direkt vom Zmorgetisch aus aufbrechen. Der Zustieg vollzieht sich erst (im Aufstiegssinn) rechts des Baches, dann im Bachbett selbst. Wir drückten etwas aufs Tempo und waren nach rund 20 Minuten Anmarsch, bereits voll ausgerüstet, um 8.20 parat zum Losklettern.
Pontresinafall,
Cascata di Pontresina oder
Cascata Seiler (III, WI3, 380m)
SL 1, 50m: Die ersten 30m stellen mit einer Steilheit von 70-75 Grad gleich eine der Schlüsselstellen dar. Wir kletterten ziemlich zentral, ganz links aussen war noch mächtig das Wasser unter nur dünnem Eis am rauschen. Der BH-Stand befindet sich am Felsriegel rechts.
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Kathrin folgt in SL 1, hier bereits kurz vor dem Stand. |
SL 2, 50m: Erst in noch etwas steilerem Gelände (50 Grad) um die Felsecke herum, dann rechtshaltend in einfacherem und flacherem, teilweise verschneitem Gelände zum Fuss der nächsten Stufe, wo sich an den Felsen ein BH-Stand befindet.
SL 3, 60m: Die Cruxlänge führt über eine längere Stufe hinweg, die etwa 75 Grad steil ist und sehr schöne Kletterei bietet. Diese Passage ist der Sonne am stärksten ausgesetzt und empfängt die ersten Strahlen bereits um etwa 9.30 Uhr. Deshalb kann Tauwetter dem Eis hier den Garaus machen. Gleich oberhalb der Stufe sollte rechts in den Felsen ein BH-Zwischenstand sein, den ich nicht gefunden habe. So sind wir kurz gemeinsam gestiegen, bis ich den nächsten, bequemen BH-Stand in der geschützten Nische erreicht hatte.
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Blick auf SL 3, die Crux der Tour. Sie empfängt gerade die ersten Sonnenstrahlen. |
SL 4, 40m: Vom Nischenstand der Felswand entlang, dann über eine kurze steilere Stufe hinweg, die ungefähr 70 Grad erreicht. Danach geneigteres Gelände, den Stand findet man zuletzt auf der rechten Seite. Da noch nicht so viel Eis vorhanden war, erforderte dessen Erreichen für einmal sogar 2-3 Drytooling-Züge.
SL 5, 50m: Erst coole Kletterei über einige Stufen hinweg, bis sich das Gelände (bei nicht allzu viel Eis) zu einer Rinne verengt. Diese wird überwunden, bis dahin 60-65 Grad. Zuletzt in einfacheren Gelände weiter, der BH-Stand befindet sich wieder rechts an den Felsen. Hier enden die BH und auch die Beschreibung des Fall im Hot-Ice-Führer, oben ist man allerdings noch lange nicht.
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Yours truly in Aktion, gerade die coole Rinne in SL 5 anpackend. |
SL 6, 60m: Zuerst einfache, aber genüssliche Eiskletterei, 50-55 Grad steil, zu einer kurzen, 5m hohen Stufe, die so 75-80 Grad erreicht. Dank perfektem Sorbet-Eis war auch diese völlig problemlos zu überwinden. Danach wieder flacheres Gelände, nach 60m machte ich Stand an Eisschrauben.
SL 7, 60m: Nochmals eine coole Ausstiegslänge mit gemütlichem Start. Den steileren Aufschwung (70 Grad) kann man direkt anpacken, oder etwas links umgehen und dann nahe bei den Felsen hoch, das ist wohl etwa ähnlich schwer. Zuletzt wieder etwas einfacher 60-65 Grad zum Ausstieg, wo man an Felsen oder Blöcken Stand macht.
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Die 7. und letzte SL bietet nochmals schöne, homogene Genuss-Eiskletterei. |
Wenn man vom Ausstieg den Wasserlauf nach links verlässt, etwa 20hm aufsteigt und 100m nach links quert, so trifft man alsbald auf den auch im Winter zumeist gespurten Röntgenweg, der einen in rund 40 Minuten bequem nach Pontresina zurückführt. Ein Abseilen vom Top macht wirklich höchstens dann Sinn, wenn für den Abstieg keine Spur vorhanden ist und tiefer Schnee liegt. Muss man tatsächlich Abseilen, so wählt man zuoberst einen Baum und schraubt 1x eine Sanduhr, um zu den obersten BH zu gelangen. Sollte wegen plötzlichem Wärmeeinbruch, Eisschlag o.ä. ein Rückzug neben dem Fall nötig sein, so gelangt man auch neben dem Fall über die Felsen, an Bäumen abseilend, objektiv sicher wieder nach unten.
Um etwa 11.45 Uhr hatten wir nach rund 3.5 Stunden Kletterei das Top erreicht. Die Bedingungen waren wirklich sehr angenehm gewesen: ohne Frieren und Kuhnagel lief das alles ab, eine leichte Softshell war mehr als ausreichend, an den Ständen konnte man ohne Handschuhe hantieren und genoss das Streiflicht der Sonne. Das Eis selbst ist am Vormittag der Sonne aber noch nicht stark ausgesetzt. Es war einfach perfekt, der Pickel sass zumeist beim ersten Schlag bombenfest und die Schrauben zogen super. Im Hauptwasserlauf floss unter dem Eis noch einiges an Wasser. Das dürfte wohl stets der Fall sein, bei sehr viel Eis merkt man es einfach weniger. Zumeist klettert man aber abseits dieser unterspülten Stellen, so dass ich mir deswegen überhaupt keine Sorgen machte.
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Weil es so schön war, nochmals dieses Bild: die Aussicht zum Piz Palü aus der Tour ist einfach grandios! |
Am Ausstieg genossen wir unter den Bäumen sogar noch eine Weile das perfekte Ambiente, den Sonnenschein und die milden Temperaturen. Insbesondere am Piz Palü, der mit einer dicken Lenticularis-Wolke geschmückt war, konnte ich mich kaum sattsehen. Unsere Eistouren waren einfach perfekt gewesen, in weniger als 24 Stunden hatten wir fast 700 perfekte Genuss-Eismeter zügig geklettert und sauber durchgezogen. Auf diese Art und Weise könnten wir auch alpinere Projekte wie z.B. den bestens sichtbaren Spinaspfeiler am Palü gut zusammen anpacken. Ich fragte mich noch, wie da wohl die Verhältnisse wären und malte mir die Sache aus. Tatsächlich konnte ich am Folgetag zuhause auf dem Internet (
1,
2) lesen, dass 2 Seilschaften bei anscheinend passablen Bedingungen unterwegs waren. Tja, dafür werden wir den Weg ins Engadin bestimmt wieder antreten, wenn auch bei einer anderen Gelegenheit!
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Eine zuverlässige und begeisterte Seilpartnerin ist einfach Gold wert! Das orange Gebäude unten unser Logis, das Hotel Palü. |
Facts
Pontresinafall - III WI3 - Kletterlänge 380m, Höhendifferenz 240m (1940-2180m), Exposition SW
Dieser Eisfall-Überklassiker verdient seine Reputation wirklich. Sämtliche 7 Seillängen bieten prima Genuss-Eiskletterei mit vielen interessanten Stellen. Die Schwierigkeiten sind im sehr überschaubaren Bereich, bei guten Verhältnissen markiert das wohl das untere Ende von WI3. Die ersten 5 SL sind mit BH-Ständen ausgerüstet. Diese sind bequem und ermöglichen einen raschen Rückzug, wirklich nötig wären sie allerdings nicht. Vom letzten BH-Stand bis zum Top warten weitere 120 Eismeter mit ähnlichem Charakter und ähnlichen Schwierigkeiten wie zuvor. Ein Umdrehen und Abseilen beim letzten Stand macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Hätte man das Matterhorn bestiegen, wenn man bei der Schulter umkehren würde? Ich meine nein, und ähnlich verhält es sich mit dieser Route.
Der Materialbedarf beim Eisklettern ist natürlich immer sehr individuell. Ich habe in keiner Seillänge mehr als 5 Schrauben gebraucht. Allerdings sollte man jedoch vielleicht doch die eine oder andere Schraube als Reserve mitführen, bei sehr viel Eis oder massig Schnee können die BH auch versteckt sein, so dass man die Stände selber im Eis einrichten muss. Während 60m-Seile durchaus dienlich sind, geht es auch mit 50m, wenn man 3x, jeweils relativ einfachen Stellen, einige Meter gemeinsam steigt.
Sehr gute
Infos zum Pontresinafall findet man auch auf
summitpost.com