Eisklettern mit Jonas war auf dem Programm. Die Wärmeperiode Mitte Woche machte uns aber einen Strich durch die Rechnung. Sprich, das Eis in tiefen und mittleren Lagen war in schlechtem Zustand oder gleich gänzlich inexistent. Zusätzlich war auch noch ein Hudelwetter der grausigsten Sorte, mit Schneefall, Sturm und Lawinengefahr angesagt, so dass ein Ausflug ins Gelände abseits vom Schuss wenig ratsam schien. Der sichere Wert in diesem Fall ist der Urnerboden. Viele Routen dort sind sowieso Mixed, und dank der Absicherung mit Bohrhaken auch bei wenig oder schlechtem Eis noch kletterbar.
Gewisse Zweifel hatten wir bezüglich der Anfahrt. Bei grossen Neuschneemengen und Lawinengefahr wird die Strasse oft geschlossen. Und selbst wenn sie noch geöffnet sein sollte, so ist wegen der Steilheit ein Erfolg nicht garantiert. Doch gerade so knapp schafften wir es (ohne Ketten), und flugs waren wir unter den Einstiegen im Sektor Pinocchio. Zum Aufwärmen begannen wir mit Papi ist der Beste (WI3-, 20m). Die Bewertung kann ich aktuell nicht unterstützen. Oben war relativ wenig Eis, auch die unteren 6-7m sind beinahe senkrecht, also ingesamt wohl mindestens WI3+.
Ein Paar am Einstieg der Rampe. Die filigrane Eisstruktur ganz rechts der beiden ist Piccolo. |
Als nächste Linie packten wir dann (ohne Blick ins Topo) die Piccolo (WI5-, 25m, 5 BH) an. Zum Klettern hat es genügend Eis, zum Sichern hingegen nicht. Kein Problem, stecken doch 4 BH bis zum Stand nach rund 10-12m. Aber echt geniale Kletterei mit filigraner Säule, mit den Füssen im Fels, super! Da ebenfalls Mixed, würde ich als aktuelle Bewertung etwa M5 vorschlagen. Den Stand auf 12m überkletterten wir übrigens, um noch den Rest von Husky (WI4) anzuhängen. Hier sind noch 1-2 Schrauben nötig, das Eis ist aber dünn. Zum Umlenken hat es einen bequemen BH-Stand.
Als nächstes stand der Ultraklassiker Pinocchio (M5+, 20m, 1 BH) auf dem Programm. Gemäss Gebietskenner Jonas hat dieser aktuell eher wenig Eis und ist etwas anspruchsvoller als sonst. Trotzdem fand ich die Bewertung +/- passend. Der Einstieg im Eis ist gemütlich, dann streckt man sich zum Klippen eines BH und klettert die Crux: zwei, drei Hooks, dann an die Glasur und gleich durchziehen, bis man wieder im Eis steht und eine Schraube setzen kann. Zuletzt dann nach rechts hoch auf einer gut vereisten Rampe zur Umlenkung an BH.
Das (linke) Seil hängt im Pinocchio. Die Crux das Stück im Fels. |
Nachdem uns bisher alle Routen rotpunkt gelungen waren, konnten wir nochmals eins drauflegen. Wir packten die gewagte The Virgins Suicide an. Im Topo lese ich M5 und 20m Länge. Aber sie war sicher mindestens gleich schwer wie der Pinocchio, meiner Meinung nach sogar noch ein Zacken härter, so dass M6 jetzt durchaus vernünftig wäre. Zum Einsteigen benützt man nochmals das Eis von Papi ist der Beste (Sicherung an 2 BH links). Mit ein paar zwingenden Hooks im Fels erreicht man den 3. BH und quert nach links an einen steilen Vorhang, an welchem man sich etablieren muss, dann hochsteigt und am Schluss über Torf zur BH-Umlenkung aussteigt - absolut geniale Sache!
Einstieg in die Milchstrasse: in der Rinne rechts bleiben, dann ans Vorhängli hoch. |
Nachdem wir beide auch The Virgins Suicide sauber durchstiegen, konnten wir ja noch etwas schwereres anpacken :-) Los ging es in die Milchstrasse (M7-, 20m). Die ersten Meter im Eis sind recht easy. Dafür hat es dort in diesem Couloir zwei Wasserrillen im Eis, eine Erinnerung an das Tauwetter nur 3 Tage zuvor! Danach dann, einige Vorhänge und filigranere Strukturen ausnützend mit den Füssen im Fels an den finalen Überhang hoch. Dieser ist wirklich sehr athletisch: sauber im Fels hooken, die dünne Glasur vorsichtig behandeln und die Füsse hochbringen. Trotz 2 BH erfordert das durchaus etwas Psyche, insbesondere am Ausstieg, wo man über dem Bolt, mit den Füssen im Leeren in den Torf hacken muss - konnte ich zwar auch vorsteigen, zum rotpunkt fehlte mir aber Mut und Entschlossenheit - eigentlich würde ich das aber schon können...
Der sehr athletische Teil oben in der Milchstrasse. Crux ist es, die Füsse auf den Vorhang zu bringen. |
Zum Abschluss gönnten wir uns mit dem Volxlauf (M6, 15m) einen weiteren Klassiker. Erst etwas Eis, dann sehr athletisches, überhängendes Tooling. Da die Eisglasur rechts fast vollständig fehlte, war ziemlich diffiziles Antreten auf dem Fels gefragt. Im Führer steht etwas von "krass ausgekratzten Tritten". Na ja, so bequem wie in einer 5er-Route in der Kletterhalle steht man jedenfalls nicht... Anyway, auch diese Route gelingt uns. Doch langsam sind wir ausgepowert und ein etwas feuchtes Fröstelgefühl stellt sich ein. Ab zu Kaffee und Kuchen ins Gasthaus, und durch einen veritablen Schneesturm mit 10m Sichtweite retour per Automobil in die Zivilisation. Das war ein super Tägli, merci Jonas!
Jonas meistert den Volxlauf souverän. |
Top-Mixedgebiet mit Klettergartencharakter. Von der Anfänger-Eislinie bis zum cleanen M9-Testpiece gibt es hier für alle etwas. Die Mixed-Linien in den mittleren Schwierigkeitsgraden sind zumeist gut abgesichert, verlaufen in gutem Kalk und suchen weitherum ihresgleichen. Das Gebiet ist objektiv sicher und durch die Nähe zum Gasthaus lässt es sich hier bei allen Wetterbedingungen klettern - im Januar und Februar hat es auch meistens genügend Eis. Ein gutes Topo findet sich im Führer Hot Ice, Band Ost von Urs Odermatt.
Verhältnisse
Am Samstag 2.2.13 waren die Zeichen der vergangenen Wärmeperiode zwar noch sichtbar. Da es aber wieder kalt geworden war, liess sich das vorhandene Eis gut und sicher beklettern. Die schwereren Eisklassiker (Eiserner Vorhang, Gully, Verschneidung) waren nicht oder nur erschwert und nicht mit Genuss kletterbar. Einfacheres Eis im Bereich der Rampe war gut machbar, die von uns gekletterten Mixed-Routen waren prima. Wie gut die schweren Mixed-Sachen (M7 und höher) gehen, vermag ich nicht zu beurteilen.
Verhältnisse
Am Samstag 2.2.13 waren die Zeichen der vergangenen Wärmeperiode zwar noch sichtbar. Da es aber wieder kalt geworden war, liess sich das vorhandene Eis gut und sicher beklettern. Die schwereren Eisklassiker (Eiserner Vorhang, Gully, Verschneidung) waren nicht oder nur erschwert und nicht mit Genuss kletterbar. Einfacheres Eis im Bereich der Rampe war gut machbar, die von uns gekletterten Mixed-Routen waren prima. Wie gut die schweren Mixed-Sachen (M7 und höher) gehen, vermag ich nicht zu beurteilen.
Vielen Dank für den Bericht! Ich teile übrigens auch deine Einschätzung, was die Schwierigkeiten angeht. "Papi ist der Beste" ist definitiv mehr als Wi3-, und "The virgins suicide" ist auch kaum einfacher als z.B. der Volxlauf, der ja bei M6- einchecken soll.
AntwortenLöschenLG, Jonas