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Dienstag, 29. Oktober 2013

Salbit - Ruska (6b+)

Für womöglich eines der letzten schönen Herbstweekends hatte ich mich mit Christoph verabredet. Nach einem fast abstinenten Klettersommer war er zwar noch nicht in Topform, aber dennoch motiviert für eine lange und grosszügige, wenn auch nicht allzu schwere Route. Locker 20 interessante Ziele umfasste die Shortlist, die Wahl fiel schliesslich auf den Salbit. Das war durchaus logisch, denn erstens ist das sowieso immer eine gute Wahl, zweitens kann man mit Christoph den nicht ganz kurzen Zustieg effizient erledigen und drittens ist es einfach toll, Ende Oktober noch auf fast 3000m Höhe zu klettern und dabei das im Sommer vielbesuchte Salbit-Massiv (fast) komplett für sich alleine zu haben.

Morgenstund hat Gold im Mund... Zügiger Aufstieg zur Salbithütte und weiter Richtung Südgrattürme.
Gemäss wohlüberlegter Zeitplanung gingen wir von einem 12 Stunden-Auto-zu-Auto-Tag aus. Um gegen hinten etwas Reserve zu haben, hiess das früh Aufstehen, und Aufbruch im Göschener Tal um 6.40 Uhr. Mit wohldosiertem Material auf dem Rücken (genau das, was es braucht, aber nichts zuviel) stiegen wir in zügigem Tempo via Regliberg zur verwaisten Salbithütte hoch. Wir stoppten nur kurz die Zwischenzeit auf 1:10 Stunden, zogen in einem 'Schnuuz' weiter und strebten den Südgrattürmen entgegen. Nach kurzer Topo-Konsultation war der Einstieg der Ruska auf einer gemütlichen Granit-Terrasse identifiziert, welchen wir nach gerade 2:00 Stunden Gehzeit (für gut 1300hm) erreichten. Erwähnt sei auch, dass die Richtzeit gemäss den Kletterführern 4:00 Stunden beträgt, so dass man normalerweise kaum auf die Idee kommt, die Tour aus dem Tal anzugehen.

Übersicht über die von uns gekletterte Route (rot=Ruska, orange=Südgrat, gelb=Abseilen über Salbitissima/Niedermann)
Nun war erst einmal das Frühstück fällig. Während frühmorgens die ersten Sonnenstrahlen den Salbit golden erleuchteten, waren indessen dichte Schleierwolken hereingezogen. Wir stellten uns die Frage, wie genussvoll denn die angedachte Kletterei wohl werden würde. Die Temperaturen waren zwar nicht gerade frostig, vorsichtshalber montierten wir aber doch einmal alle mitgebrachten Kleider. Zum Glück dauerte es nur kurze Zeit, bis die Sonne zurückkam und wir uns wieder davon entledigen konnten. Um 9.15 Uhr fiel schliesslich der Startschuss, und ich brach in die erste Seillänge auf.

Super schöne Granitterrasse am Einstieg, hier lässt's sich's bequem rasten.
SL 1, 30m, 5c: Zügig absolvierbares Aufwärmprogramm, schwierig ist eigentlich nur der erste Schritt in einen geneigten Riss hinein. Danach folgt gemütliche Kletterei diagonal nach rechts hoch bis zum bequemen Stand auf einem Graspodest.

SL 2, 50m, 6b: Formidable Kletterei entlang einem System von Schuppen, der Fels perfekt. Wenn man sich dann fragt, ob es das nun schon gewesen sei mit der 6b, so wartet etwas unscheinbar der Ausstieg aus einer Verschneidung in eine flachere Zone. Reibung, Spreizen, Ganzkörpereinsatz, ... Lösungsansätze gibt es hier sicher viele, nix wird ganz einfach sein. Zuletzt dann einfacher zum Stand.

Entlang einem sehr schönen System von Rissen und Schuppen in SL 2 (6b).
SL 3, 40m, 6a+: Schöne Seillänge, welche nach gemässigtem Start mit ein paar feinen Moves zu einem kleinen Dächlein hin aufwartet. Dieses stellt die Crux dar, etwas links halten hilft. Danach ist das Gelände ziemlich plattig, zuletzt mit einem längeren Abstand zum Stand hin.

SL 4, 30m, 6a+: Cooler Challenge, ein Test für den Haftreibungskoeffizienten! Nach einem einfacheren Auftakt geht es bald los, mit beinahe griffloser Reibungskletterei. Die Absicherung ist gut, trotzdem muss man zwischen den Haken ein paar Mal gescheit hinstehen, sonst wird das nix. Im Vergleich mit den anderen Längen der Tour könnte man hier wohl auch 6b geben, es ist sicher die anspruchsvollste Plattenstelle.

Christoph schleicht der Plattenkante entlang in SL 4 (6a+).
Zwischenstück, ca. 50m, Gehgelände: Problemloser Abschnitt, welcher den unteren mit dem oberen Wandteil verbindet. Man kann hier gut rasch das Seil aufnehmen und gemeinsam steigen. Im Frühjahr können allenfalls Schneereste am Wandfuss des oberen Teils ein Hindernis darstellen. Auch bei unserer spätherbstlichen Begehung war noch etwas vom Oktoberschnee übriggeblieben. Zwar liess sich der obere Wandfuss gut erreichen, nasse Finken und kalte Füsse gab es trotzdem.

Am Einstieg zum oberen Wandteil, dem Risssystem ob dem Kletterer geht's entlang.
SL 5, 45m, 6a+: Prima Risskletterei, die sich als eher schwieriger und anhaltender entpuppt als man vom Einstieg aus meinen könnte. Die anzuwendenden Techniken sind ziemlich abwechslungsreich, auf einem längeren Teilstück hilft dann aber nix anderes als ein kräftiger Piaz. Die Absicherung mit 6 BH ist vernünftig, man legt dazwischen aber jeweils gerne noch 1-2 zusätzliche Sicherungen.

Zwischendurch mal kräftig piazen... so bewältigt man SL 5 (6a+).
SL 6, 35m, 5c: Interessante Länge mit Wand- und Reibungskletterei. Nach dem zweiten BH ist die Rissspur zwingend nach rechts zu verlassen, geradeaus wird's gemüsig und schwer. Aber keine Angst, es kommen dann schon wieder BH. Als Bewertung fände ich hier 5c+ sicher passender.

SL 7, 25m, 5c+: Das am wenigsten attraktive Teilstück der Tour führt zwar meist über schönen und eher einfachen Fels, die Wandzone ist aber ziemlich geneigt und etwas grasdurchsetzt. Auch sehr direkt über die Haken geklettert warten hier keine besonderen Schwierigkeiten, 5c reicht als Bewertung sicher locker aus.

Das ist bereits der Auftakt in SL 8 (6a+). Solche breite Risse können mühsam zu klettern sein - der hier ist es nicht.
SL 8, 40m, 6a+: Nun geht's wieder in super Fels und eindrücklichem Gelände weiter. Ob dem breiten Piazriss schwant einem bereits Böses, die Kletterei entpuppt sich dann dank der griffigen Schuppe und einige Tritten als erstaunlich gängig. Die Schwierigkeiten beginnen denn auch erst gegen Ende der Seillänge hin, wo man in feiner Wandkletterei an kleinen Grifflein und auf Reibung in die Höhe tanzt - gut abgesichert aber ziemlich zwingend.

Weiter oben in SL 8 (6a+) wartet dann feine Wandkletterei mit einem kleinen Runout.
SL 9, 50m, 6b: Einfach eine Hammer-Granitseillänge! Vom Stand weg Go-Go-Gadget-o-Arm nach rechts in den Riss, und diesem griffig folgen bis unters Dächlein. Dieses zu unterqueren und zu übersteigen ist die Crux, was ich jetzt für 6b eher gutmütig fand. Doch damit nicht genug, über viele Meter geht es hier noch den griffigen Schuppen entlang weiter, einfach ein Traum.

Christoph gerade in der Crux von SL 9 (6b). Einfache eine geniale Traumseillänge.
SL 10, 35m, 6b+: Tolles Schlussbouquet über den nun bereits recht schmalen Südgrat. Etwas rechtshaltend haben die Erstbegeher eine eigenständige Linie gefunden. Mal etwas Reibung, dann und wann ein Riss oder ein Aufschwung mit griffiger Schuppe, der absolute Klettergenuss! Statt den Irniger-Stand am eigentlichen Routenende zu verwenden, kann man übrigens auch noch (schöne!) 10m weiterklettern und Stand am Muniring auf dem Gipfel des Turms machen.

Die letzte Seillänge (SL 10, 6b+) in atemberaubender Position auf dem Südgrat und genial schön.
Um 13.20 Uhr hatten wir das Ende der Ruska erreicht und mit 4:00 Stunden Kletterei unsere Marschtabelle um einiges unterboten. Das war jetzt wirklich ganz toll: erwartungsgemäss konnte ich alles problemlos klettern, die Absicherung war gut und die Route immer interessant mit vielen schönen Kletterstellen. Da wir noch Zeit hatten, lag auch der Weiterweg über den Südgrat noch gut drin. Diesen Klassiker hatte ich noch nie begangen, und wenn man vom Ende der Ruska über die folgenden 2 Türme weitersteigt, so nimmt man die Crux und weitere sehr schöne Meter mit. Und ob man vom Ende der Ruska zurück über die Route abseilt, oder vom Gipfel des Plattenturms über Salbitissima/Niedermann, oder gar vom Zwillingsturm über den Berner Blitz macht effektiv keinen grossen (Zeit-)Unterschied.

Vom Ende der Ruska kann man gut noch ein Stück über den Südgrat weiterklettern. Christoph macht sich auf in die Crux.
SL 11, 50m, 6a: Der Turm mit der Südgrat-Crux sieht attraktiv und auch gar nicht so einfach aus. Gut, die Schwierigkeiten liegen ja eher im Plaisir-Bereich, und so hatten wir im Vorfeld über die Möglichkeit einer Solo-Begehung des Grates sinniert. Aber ich muss sagen, dafür muss man doch etwas auf dem Kasten haben und mentale Stärke zeigen. Die Schlüsselstelle ist ja doch gehörig exponiert, ziemlich glatt und der Piaz unangenehm ausdrehend. Aber gut, im neusten Plaisir Selection ist das frei auch mit 6a bewertet, was durchaus hinkommen könnte.

Das sind gerade die schwersten Moves am Salbit-Südgrat (6a frei, auch A0 möglich). 
SL 12-14, 100m, 4c: Nun sind es nominell noch 3-4 Seillängen bis auf den Plattenturm. Die Schwierigkeiten liegen meist im vierten und kurz im unteren fünften Grad, so zogen wir das gleich am langen Seil durch. Ist aber kein mühsamer Rampf und Pflichtaufgabe, sondern wunderschönes Moven, ein toller Abschluss. Hier und da mag ich (ohne Topo) nicht den einfachsten Weg erwischt haben, vor allem zuletzt zum Gipfel des Plattenturms, wo ich eine ziemlich steile, nicht ganz einfache Linie entlang einiger Schuppen (nicht alle davon fest) durch die NW-Wand gewählt habe, was aber doch auch gut ging.

Büroarbeit ist auch wichtig - hier nun bereits beim Abseilen über die Salbitissima.
Um 14.20 Uhr waren wir schliesslich beide oben auf dem Plattenturm. Nordseitig abseilend könnte man hier den Grat weiter über den Zwillingsturm und die Gipfelwand verfolgen. Ja nach Lust und Laune stünden hier nochmals einige schöne Seillänge bis zum Grad 6a+ zur Verfügung. Wir indessen hatten kein Schuhwerk für einen Fussabstieg dabei und folgten unserem Plan, über die SE-Wand abzuseilen. Dabei zieht man erst 4 Abseiler über die steile zweite Episode der Salbitissima (sieht super aus, ist aber mit bisher 7 Begehungen in 7 Jahren nicht überfrequentiert - dafür werde ich sicher hierher zurückkommen!). Vom Anfang der Salbitissima ist es dann ein 35m-Abseiler zu einem Muniring der Niedermann/Anderrüthi. Über grasdurchsetztes Gelände und schliesslich unter dem Klemmblock durch erreicht man mit weiteren 4 Manövern den Anfang der Route, der insgesamt 10. Abseiler bringt einen dann über Randkluft und ewigen Schnee hinweg retour zur Einstiegsterrasse der Ruska.

Originelle Abseil-Passage in der Niedermann unter dem riesigen Klemmblock durch. Die Route selbst, naja...
Glatt und ohne Verhänger war die Abseilerei verlaufen, ca. 1.5 Stunden sind dafür zu veranschlagen. Bei einem Vesper sortierten wir unser Material und machten uns auf den Weg ins Tal. War es am morgen noch zu dämmerig, um die Gegend in der vollen Farbenpracht zu bestaunen, so konnten wir uns nun an den immergrünen Tannen, den goldgelben Lärchen und roten Heidelbeerbüschen ergötzen. Die goldenen Oktobertage sind halt einfach die schönste Jahreszeit in den Bergen, das zudem dann auch fast menschenleer ist. Den einen oder anderen Stopp für Heidelbeeren à discretion liessen wir uns nicht nehmen. Trotzdem ging es zügig talwärts, nach 1:30 Stunden Abstieg schloss sich der Kreis um 17.40 Uhr im Göschener Tal.

Nach der Kletterei wartet noch ein langer Abstieg ins Tal, die schönen Herbstfarben und die vielen Beeren versüssen die Pflicht.
Facts

Salbit - Ruska 6b+ (6a+ obl.) - 10 SL, 380m - B. & K. Müller, D. Arnold 2004 - ****; xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-2, Keile nicht nötig

Sehr schöne Kletterei, eher eine leichtere Sportklettertour als Plaisir. Die Route ist abwechslungsreich, von Reibung über Wandkletterei zu einer guten Portion an Rissen und Schuppen ist alles dabei. Der Fels ist dabei ein perfekter Granit. Vielleicht ist die Tour nicht ganz so stimmungsvoll wie die Routen am Turm 2 des Westgrats, dennoch darf man sie zu den besten Wandklettereien am Salbit zählen. Die Absicherung mit überlegt platzierten BH ist prima ausgefallen. Überall wo zur Sicherung oder Wegweisung nötig steckt immer ein Silberling. Dazwischen kann man hier und da noch mit einem Satz Friends ergänzen, wer den Grad gut drauf hat, muss aber nicht allzu viel legen. Einige plattige Passagen wollen auch zwingend geklettert werden, so dass durchaus ein gewisses Kletterkönnen vonnöten ist, um zum Ausstieg zu kommen.

Topo

Die Skizze aus dem empfehlenswerten Führer 'Salbit Erleben' kann auf salbit.ch runtergeladen werden: klick!

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Zuestoll - Millenium (7b)

Dieses Jahr war ich schon einige Male am Zuestoll auf Besuch, zuerst in der Solitaire, und zuletzt in der Quiero Thierry. Eigentlich bevorzuge ich die Abwechslung und liebe die Vielfalt der verschiedenen Massive, so dass ich mir gerne etwas Zeit lasse, bevor ich wieder ans selbe Ort zurückkehre. Doch die Möglichkeit, mit der anspruchsvollen Millenium die schwerste und eine der letzten mir unbekannten Routen am Zuestoll zu klettern, war dann doch zu verlockend. Auf ein neues ging es also auf ins Toggenburg.

Blick vom Rüggli in Richtung Palisnideri, der Schnee im Aufstieg war kaum hinderlich.
Obwohl vom ersten Oktoberschnee noch Resten vorhanden waren, zogen wir den kürzeren Zustieg von Norden vor. Es war etwas unklar, wie hinderlich die weissen Flecken noch wären, doch schliesslich liess sich alles auch gut in leichtem Schuhwerk passieren. In gemütlichem Tempo erreichten wir um etwa 10.00 Uhr den Einstiegspfeiler. Bereits waren einige Seilschaften am Werke und weitere waren im Anmarsch. So hielten wir uns nicht lange auf, kletterten den bestens bekannten Vorbaupfeiler, die für den Grad knifflige 6a-Länge der Alten Süd, um dann mit einer weiteren 4c-Traverse in Lotterfels den Start der eigentlichen Millenium zu erreichen.

SL 1, 6b+, 50m: Schöne, aber anspruchsvolle Steilplattenkletterei. Die erste Hälfte ist gut abgesichert, dann folgt eine etwas 'spooky' Passage an einem Dach, welches ziemlich hohl tönt. Die Steine bleiben zum Glück alle an Ort (und die sich guten Mutes in Schusslinie aufhaltende Seilschaft unbehelligt...). Die obere Hälfte der Seillänge weist dann zünftige Abstände auf und die Bolts wollen alle sehr ehrlich angeklettert sein (xx).

Auf geht's. SL 1 (6b+) von Millenium gibt gleich den Tarif durch. Sie ist anspruchsvoll und recht weit gesichert.
SL 2, 6b, 30m: Durchschnittliche Seillänge mit athletischem Start zu einer schönen Tropflochpassage, gefolgt von einem etwas splittrigen Aufschwung und einer 15m-Schrofenpassage zum Stand unter dem markanten Dach. Während der Start tiptop gesichert ist, sind dann auf der einfacheren zweiten Hälfte der Länge keine Sicherungen mehr vorhanden.

Schrofenpassage zum Ende von SL 2 (6b). Zum Glück ist der Fels meist solide hier.
SL 3, 7a, 45m: Absolut geniale, steile Wandkletterei in super Fels. Nach dem recht gutmütigen Dach zu Beginn warten erst griffige Schuppen und Querleisten, bevor dann gegen Ende hin noch anspruchsvolles Tropflochgelände wartet. Die für den Grad nicht überaus harte Crux ist obligatorisch zu meistern, etwa 1-2m links auf gleicher Höhe des Bolts, mit zünftigem Runout danach.

Das Dach zu Beginn von SL 3 (7a) ist cool, lässt sich aber gut überwinden. Die Crux folgt erst viel später in dieser Länge.
SL 4, 6c, 35m: Schöne Seillänge mit einer kurzen Problemzone: der etwas splittrige Wulst vor dem zweiten Bolt ist jetzt nicht das Gelbe vom Ei, zumal der sehr hoch steckende Haken mühsam anzuklettern und einzuhängen ist. Nach dem dritten Bolt dann mal scharf rechts abbiegen, einem Riss folgen (Camalot 1), zuletzt dann noch eine ziemliche Psychostelle mit ein paar gewagten Bewegungen 3m über der letzten Sicherung.

Unterwegs in SL 4 (6c). Wäre da nicht dieser etwas splittrige, unfreundlich geboltete Wulst im Weg...
SL 5, 6c+, 40m: Toller Start mit sehr schöner, nicht allzu schwerer Wandkletterei zum Dacherl hoch. Dieses bietet die Crux, welche sich gewusst wie ziemlich flott überwinden lässt. Nach einer einfacheren, plattigen Zone folgt ein kurzes Intermezzo mit leicht splittrigem Fels. Sicher sinnvoll, dass hier noch ein zusätzlicher Bolt platziert wurde, welcher diese nochmals knifflige Stelle besser absichert.

Suuuper Kletterei zum Start von SL 5 (6c+). Das Dacherl mit der Crux ist bereits in Sicht.
SL 6, 7b/+, 30m: Sehr fordernde Seillänge in gutem, aber nicht besonders kletterfreundlichem Fels. Der Start entlang des Risses klettert sich markant weniger einfach, wie man von unten denken würde. Richtig schwer ist's dann erst danach, eine griff- und trittarme Passage mit wenigen Rauhigkeiten stellt sich in den Weg und will in einer Linksschleife obligatorisch geklettert werden. Zuletzt dann ein Riss (Camalot 0.75-1) und ein Runout zum Stand, unerwartet rechts halten hilft...

Dani punktet SL 6/7 (beide 7b) in einer einzigen 50m-Länge. Saubere Sache, das Verbinden aber mässig empfehlenswert.
SL 7, 7b/+, 20m: Extrem technische Seillänge an gutem, scharfem Fels. Mit an Zauberei grenzenden Moves gewinnt man eine kleine, scharfe Untergriffschuppe. Dann noch zwei-, dreimal kräftig und trittlos an scharfen Kratzern dranbleiben, schliesslich kommt dann die Rettung in Form eines Henkels. Mit ein paar einfacheren Moves über die Garschella-Formation erreicht man die Kante und das Ende der Route.

Die harte und fordernde Route hat etwas Zeit gekostet, so dass wir erst um etwa 15.45 Uhr nach total rund 5.5 Stunden Kletterei oben sind. Den Fussabstieg haben wir ob dem verschneiten Nordrücken verworfen, er wäre gut möglich gewesen. Um zu unserem Material auf dem Einstiegspfeiler zurückzukehren könnte man auch gut über die Tour abseilen. Wir machen uns aber auf den Weg zum Gipfel. Die herbstliche Stimmung geniessend warten wir auf das Damen-Team aus der Alten Süd, und seilen dann mit den 60m-Seilen in 5 Manövern zügig über die Solitaire ab. Einige Besucher hat sie schon empfangen dürfen - leider hat sich der Bleistift aus der Wandbuch-Dose verabschiedet, so dass das Journal wohl nicht ganz à jour ist. Wer eine Begehung der Route plant, der möge doch einen Stift deponieren, herzlichen Dank!

Abseilen über Solitaire, das geht super! Im Vordergrund SL 7 (6b), oben im Steilgelände dann SL 8 (6c).
Facts

Zuestoll - Millenium 7b/+ (7a obl.) - 10 SL, 340m - Maag/Locher/Neeser 1998-2001 - ****; xx-xxx
Material: 10 Express, Camalots 0.5-1 (evtl. 2)

Anspruchsvolle alpine Sportklettertour in meistens sehr gutem, senkrechtem und mit Tropflöchern garniertem Fels. Zwei, drei etwas splittrige Intermezzi und eine 15m-Schrofenpassage mindern den Genuss kaum. Die Absicherung kann als knapp genügend bezeichnet werden. Wirklich heikle und gefährliche Stellen sind wohl rar, dafür sind immer wieder technisch fordernde Stellen zwingend und einiges über dem Haken zu meistern.

Herbststimmung an den Churfirsten, einfach eine geniale Sache!
Wissenswertes

Bis auf die letzten beiden Längen konnte ich alles gut klettern und würde die vorgeschlagene Bewertung unterstützen - ausser in der Startlänge, die man wohl auch als 6c werten könnte. Die beiden Cruxlängen (ein Zwischenstand wurde eingerichtet und wird sinnvollerweise genutzt, ansonsten Seilzug und technisch heikle Kletterei ohne jede Sichtverbindung, abgeschnittene Kommunikation mit dem Nachsteiger, etc.) fand ich hingegen sehr hart. In der ersten der beiden konnte ich nach etlichen Stürzen die auch für den Zweiten voll obligatorisch zu kletternde Passage meistern. Ob dem Bogen, den man an jener Stelle klettern muss, kann leider Seilzug von oben keine Unterstützung leisten, sie hindert nur. In der zweiten Schlüsselpassage fand ich auf die Schnelle keine für mich kletterbare Lösung.

Freeclimbing oder nicht, das ist hier die Frage. In SL 3 (7a) ist es noch gelungen...
Um die obigen Angaben etwas in Relation setzen zu können: am Tag darauf war ich auf der Galerie und konnte dort Routen in den Graden 6c+/7a/7b+/6c/7b+ im (teilweise Alzheimer-)Onsight klettern. Das ging mir doch um Welten einfacher von der Hand, trotz grundsätzlich nicht unähnlicher Art der Tropflochkletterei. Somit würde ich schliessen, dass man den Millenium-Längen jetzt locker auch 7b+ geben kann. Erwähnt sei aber auch, dass der Erstbegeher sogar nur 7a+ propagiert hat, und mein Seilpartner, welcher die Millenium rotpunkt geklettert hat, den Grad von 7b für durchaus passend hält. Man bilde sich sein eigenes Urteil! Noch ein PS: im Wandbuch habe ich seit der ersten Komplettbegehung am 22.7.2001 bis dato nur gerade 9 Wiederholungen gezählt.

Datum der Fertigstellung der Route und (für meinen Geschmack zu tiefer) Bewertungsvorschlag des Erstbegehers.
Mich hat es verblüfft, dass wir in der Millenium an mehreren abgeschlagenen Dübeln und leeren Bohrlöchern vorbeigeklettert sind. Oft an entscheidenden Stellen, wo eine zusätzliche Sicherung jetzt ziemlich angenehm gewesen wäre. Oder dann ist zB auch beim gemäss Topo fünften BH in SL 2, welcher einst in der Schrofenzone noch für etwas zusätzliche Sicherheit gesorgt hat, nur noch der abgebrochene Dübel vorhanden. Waren da Vandalen am Werk? Wohl kaum. Oder hat man irgendwann nach dem Einrichten die Absicherung wieder etwas ausgedünnt und alles nicht 'zwingend nötige' wieder abgeschlagen?!? Wurden in den leeren Bohrlöchern gar etwa 'removable bolts' eingesetzt?!? Das wissen die Götter, wir auf jeden Fall haben uns gewundert.


Nähere Informationen zu den Routen am Zuestoll inklusive einem Topo findet man im Schweiz Extrem Ost. Auch auf megusta.ch, der Seite von Thomas Wälti, gibt es etliche Topos zum Download. Ich habe mir erlaubt, sein Topo zur Millenium noch mit den letzten 2 Seillängen zu ergänzen. Hier kann man es als PDF downloaden

Dienstag, 15. Oktober 2013

Poncione di Cassina Baggio - Herbstwind (6a+)

Die Kinder waren mit den Grosseltern in den Ferien, so blieb Kathrin und mir Zeit vor dem angesagten, ersten Wintereinbruch nochmals eine MSL-Tour zu klettern. Einen Strich durch die Rechnung machte uns dabei der Hochnebel. Angesagt war eine maximale Obergrenze von 1800-2400m, in Realität zeigten dann nur gerade die Webcams auf dem Titlis (3020m) und dem Schilthorn (2970m) den gewünschten Sonnenschein. Weil auch die Sidelenhütte (2700m) Nebel meldete, verzichteten wir auf den geplanten Ausflug an den Furkapass und suchten stattdessen das Bedrettotal auf.

Der Poncione di Cassina Baggio im Bedrettotal. Sehr schöne Gegend, insbesondere im Herbst!
Dort zeigte sich nämlich auf den Webcams strahlender Sonnenschein. In der Tat war dieser dann auch anzutreffen, doch was man am Computer nicht oder nur unzureichend mitbekommt war die Tatsache, dass es einerseits im engen, schattigen Gebirgstal ganz schön frostig war, und andererseits die Nebelschwaden mit aller Macht von Norden her drückten. Einmal in All'Acqua fragten wir uns inständig, wie der Kampf von Sonne gegen Nebel wohl ausgehen würde. Schliesslich entschieden wir uns gegen die Klettereien am Poncione di Ruino, weil höher gelegen, mit weiterem Zustieg und höheren Schwierigkeiten. Oder ganz einfach: es war uns nicht danach zumute, die Saison zähneklappernd mit einem Gewürge abzuschliessen.

Nahaufnahme der Wand mit Routenlinie. Der Start der Route kann vom Wandfuss auch direkt erreicht werden (SL 0, ca. 5b).
Und vor allem stand mit der etwas tiefer gelegenen und schön besonnten Südwand des Poncione di Cassina Baggio ein Ziel bereit, an welchem wir den erhofften Klettergenuss mit grösserer Sicherheit würden antreffen können. Im Juli 1997 hatte ich diese das letzte und bisher einzige Mal besucht, um 'dr grüen Nils' zu klettern, da war ein Besuch doch irgendwie mal wieder fällig. Von der Kurve bei P.2099 bei der Alpe di Cruina an der Nufenenstrasse starteten wir den Zustieg. Entgegen den Angaben in der Literatur waren wir bereits nach 45 Minuten am Einstieg. Ein Teil dieser Ersparnis liegt sicher daran, dass von Manio di Sopra P.2116 erst noch etwas dem Weg entlang Richtung Lago delle Pigne stiegen, und dann  weglos direkt gegen die Wand traversierten. Untenrum dem Piansecco-Hüttenweg entlang und der Wegspur folgend zur Wand hoch ist umwegig und dauert spürbar länger, wie wir beim Rückweg feststellen mussten. Um 12.15 Uhr waren wir bereit und packten die Sache an.

Teil 1: Die ersten vier Seillängen der Route bieten noch nicht den riesen Plaisirspass. Die Wand ist hier noch stark gegliedert und auch nicht sonderlich steil. Die Route sucht sich einige schwierigere Kletterpassagen, die man auch durch leichtes, aber unschönes Gelände hätte umgehen können.

Kathrin folgt in SL 3 (5b). Der untere Wandteil ist plattig, gegliedert und etwas unhomogen, d.h. noch nicht sehr überzeugend.
Weil die Route ziemlich unlogisch erst etwa 50m über dem Wandfuss beginnt und rechtsrum über Geröll und leichte Bänder erreicht werden kann, klettere ich eine SL 0 (5b) direkt hinauf: es steckt kein Material, es ist kniffliger wie erwartet, doch an idealer Stelle konnte ich zum Glück 2x einen Cam legen. In SL 1 (6a+) geht es dann über eine Platte hoch, bevor man durch steileren Fels mit Aufschwüngen nach rechts quert und zuletzt mit reichlich Seilzug mehr oder weniger geradeaus zum nicht von weitem sichtbaren Stand klettert. Die SL 2/3 (3b/5b) kletterten wir am laufenden Seil, bis auf einen schönen Granitrücken bieten sie weitgehend einfaches Gelände. Dieser erste Routenabschnitt endet mit SL 4 (6a), welche eine etwas gesuchte Linie über ziemlich glatte Platten aufweist. Erst noch gut abgesichert, weist sie nachher einen 15m-Runout über eine Platte auf. Leider steckt der folgende Bolt 2m zu hoch, weswegen man hier bei den nicht ganz einfachen Plattenmoves besser keinen Fehler macht.

Teil 2: In diesem Abschnitt wird die Kletterei schon etwas steiler und interessanter. Sie ist immer noch von eher plattiger Natur, hie und da eine Rissspur und da und dort eine griffige Schuppe helfen, um an Höhe zu gewinnen. Von der Absicherung her gibt es auch hier immer noch den einen oder anderen weiten Abstand.

Das wäre dann SL 5 (5c) im mittleren Wandteil. Die ist schon deutlich hübscher und bietet griffige Kletterei an Schuppen.
In SL 5 (5b) klettert man über eine Platte rechtshaltend hoch, um danach in nicht ganz offensichtlicher Linie noch weiter nach rechts zu halten, und am Schluss zurück nach links zu steigen. In SL 6 (5c) ist die Kletterei weitgehend einfach, ein Aufschwung am Schluss bildet die Crux. In SL 7 (5c+) bestehen die Hauptschwierigkeiten in einer Plattenquerung zu Beginn, und einem rechtsherum gekletterten Pfeilerlein am Schluss. Die schöne und herausfordernd aussehend SL 8 (6a) klettert sich in einer Rechtsschleife dann doch erstaunlich einfach, nur eine kurze, etwas knifflige Risscrux stellt sich in den Weg.

Sieht toll aus, klettert sich auch gut: SL 6 (5c+).
Teil 3: Nun ist man endlich beim steilen Teil der Wand angelangt, den man schon lange erwartet hat. Die Route windet sich geschickt durch die steilen Zonen, die Hauptschwierigkeiten sind so nicht sehr anhaltend, sondern beschränken sich auf einige Aufschwünge, wo der Fels meist verschwenderisch mit griffigen Schuppen ausgestattet ist. Hier ist die Absicherung nun etwas besser ausgefallen und die Kletterei am interessantesten.

Das ist der Blick auf den lange ersehnten Teil 3. Im Vordergrund aber auch noch SL 8 (6a).
In SL 9 (6a) überwindet man die überhängende Wandzone mit Hilfe einer Art Rampe. An deren Ende wartet eine kurze, athletische Crux, die man dank nahe steckenden Haken auch A0 bewältigen können dürfte. Auch in SL 10 (6a+) geht es weiter mit der typischen Kletterei: einfachere plattige Moves und dazwischen athletische Aufschwünge. Die eigentliche Crux ist kurz, sie erfordert ziemlich zwingend einen Rissklemmer. In SL 11 (5c+) geht es wie gehabt weiter, die Schlüsselstelle an einem kurzen Aufschwung. Zuletzt dann übrigens ohne Sicherung etwa 20m über gebändertes Gelände diagonal nach rechts hoch. Das Finale mit SL 12 (5c+) bietet erst gemütliche Piazkletterei und eine finale Crux an einer steilen Pfeilerkante. Vorsicht, die angeklebte Schuppe rechts nur behutsam belasten, das Sika hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen!

Ausstieg aus SL 9 (6a). Ist mal ein bisschen schwerer, ist es zum nächsten Henkel nie weit...
Kurz nach 17.00 Uhr hatten wir nach etwas weniger als 5 Stunden Kletterei den Ausstieg erreicht und konnten uns ins Gamellen-Wandbuch eintragen. Die Sonne hatte tatsächlich den ganzen Tag gewärmt und die Temperaturen sehr angenehm gewesen. Nun aber schien die Kaltluft aus dem Norden den Kampf langsam aber sicher zu gewinnen, eine Nebelschlange zog vom Passo di Manio herunter und wir machten uns umgehend ans Abseilen. Weil doch 10 lange Abseiler zu bewältigen sind und das plattige Gelände im unteren Teil dabei etwas Seilpflege braucht, nahm dies doch fast Fünfviertelstunden in Anspruch. Nach 18.30 Uhr brachen wir vom Wandfuss auf, mit dem Umweg untenrum wurde es beinahe halb Acht, bis wir retour beim Auto waren. Die Dämmerung war bereits eingebrochen und sogar etwas Nieselregen hatte nun eingesetzt, irgendwie rundete das den schönen Tag aber auf die richtige Weise ab, d.h. es liess uns den Sonnenschein und die milden Temperaturen tagsüber umso mehr schätzen.

On Top. Unser Eintrag war womöglich bereits der letzte im Jahr 2013?
Facts

Poncione di Cassina Baggio - Herbstwind 6a+ (6a obl.) - 12 SL, 450m - Baumeler/Salvini 1992 - ***; xx-xxx
Material: 10 Express, Camalots 0.3-2, evtl. ein paar kleine Klemmkeile

Nette Plaisirkletterei durch die sonnendurchflutete Südwand am Nufenenpass. Der untere Wandteil ist dabei noch nicht sonderlich überzeugend und bietet neben einfachem Gelände einige etwas gesucht schwere Stellen. Nach einem anregenden Mittelteil bieten dann die Schlusslängen tolle, griffig-steile Granitkletterei. Eine Grundabsicherung mit einer Mischung von Bohr- und Normalhaken ist vorhanden und fällt an den schwersten Stellen im Stil von 'Plaisir gut' aus. In einfacherem Gelände warten aber auch teils weite Abstände, die oft nicht entschärft werden können und sicheres Klettern sowie etwas Spürsinn für die richtige Linie erfordern.

Das Bedretto ist auch ein Skitourenparadies. Hier der Poncione Cavagnolo, den ich auch schon besucht habe.

Wissenswertes

Die Route wird in der Literatur als eine der schönsten Routen der Zone hoch gelobt. Sie findet im Schnitt etwa 20 Wiederholer pro Saison, welche sich zum grössten Teil auch begeistert im Wandbuch äussern. Mein persönliches Fazit fällt jedoch nicht ganz so euphorisch aus. Ich würde dem unteren Wandteil nur gerade ** geben, oben sind es dann ***. Wenn ich mit einigen anderen Granittouren ähnlicher Länge und Schwierigkeit vergleiche, dann stufe ich Routen wie die Niedermann-Anderrüthi am Gross Bielenhorn, das Pissoir du Diable an der Teufelstalwand, die Genius am Dome de Slot, die Motörhead am Eldorado oder die Guy-Anne am Envers des Aiguilles doch alle als um Klassen besser, interessanter und herausfordender ein. Womöglich liegt's ja dran, dass ich nicht zur Hauptzielgruppe dieser Plaisirtour gehöre. Für die Fans dieser Art von Kletterei noch ein Routentipp von ähnlichem Zuschnitt: probiere einmal die RoRu am Chli Bielenhorn! Ihr hatte ich zusammen mit Evi eine der ersten Wiederholungen abringen können, sie bietet bei etwas besserer Absicherung minimal höhere Schwierigkeiten, der Anspruch dürfte in etwa gleich sein.

Die Route hat eine vernünftige Grundabsicherung mit einer Mischung von Bohr- und Normalhaken. Ursprünglich wurden verzinkte Spits gesetzt, an welchen der Zahn der Zeit teilweise bereits ziemlich genagt hat. Im August 2013 wurde die Route teilsaniert: eine gewisse Zahl an alten Bolts wurde ersetzt, wieder andere verblieben aber auch. Der Charakter der Route dürfte durch die Teilsanierung hingegen kaum verändert worden sein. Insgesamt finde ich, dass die schweren Stellen (vor allem im oberen Routenteil) vernünftig behakt sind und als etwa 'Plaisir gut' (d.h. xxx) zu bezeichnen sein dürften. Im einfacheren Gelände hat es aber auch einige weite Abstände, die oft nicht mit mobilen Sicherungen entschärft werden können und sicheres Klettern erfordern. Dort würde ich nur 'Plaisir soso' (d.h. xx) veranschlagen. Zu erwähnen ist auch, dass es hier und da durchaus etwas Spürsinn braucht, um der richtigen Linie zu folgen.

Unglaublich, am Wandfuss fanden wir 5 Schuhe (davon 1 Paar) und auch sonst eine Menge Müll. Soweit es ging wurde aufgeräumt...
Topos zur Route befinden sich im SAC-Kletterführer Ticino e Moesano, im Schweiz Plaisir Süd und Topoguide Band 1. Mir persönlich gefällt dabei jenes im Plaisir Süd am besten, d.h. es gibt den Routenverlauf am besten wieder. Mit etwas Spürsinn für die Linie kommt man auch mit den anderen Topos gut zurecht.

Samstag, 5. Oktober 2013

Zuestoll - Quiero Thierry (7b)

Schon seit Jahren war sie auf meiner Projektliste, die Quiero Thierry. Nachdem ich nun meine Solitaire hatte abschliessen können und sich Dani (der Erstbegeher der hier beschriebenen Route) die erste Wiederholung gesichert hatte, war die Reihe an mir. Ob dem angesagten Regen-Weekend fanden Hans und ich die Gelegenheit, ein kurzes Wetterfenster zu nützen. Voller Zuversicht brachen wir auf, trotz einer kompletten Begehung kehrten wir etwas ernüchtert über unsere Fähigkeiten zurück. Hier kommt die Story, die erklärt warum das so war...

Herbststimmung an den Churfirsten. Trotzdem oder eben gerade deswegen war es ein voll gediegenes Tägli...
Wie üblich starteten wir eine Zuestoll-Tour beim Stall auf Langlitten P.1579. Am schnellsten ist es sicher, wenn man sich gleich hier komplett aufschirrt. In 20 Minuten erreicht man nämlich das Rüggli, wo man bei geplantem Fussabstieg seinen Rucksack sowieso zurücklassen müsste. Nach 45 Minuten sind wir in der Palisnideri, in weiteren 10 Minuten am Einstieg. Wir beobachten noch einige Basejumper, die sich am Hinterrugg in die Tiefe stürzen und klettern um 10.00 Uhr los. Die Zuestoll-Wand haben wir an diesem Tag komplett für uns alleine, prima!

SL 00, 40m, 3a: der übliche, bestens bekannte Vorbau, wie für (fast) alle anderen Zuestoll-Routen auch.

SL 0, 55m, 6a+: vom Vorbau steigt man nach links und folgt für eine Seillänge der Alten Süd. Die Schlüsselstelle ist gar nicht so einfach, da muss man bereits ein erstes Mal sauber antreten. Danis Topo empfiehlt, den Stand der Alten Süd auszulassen und gleich weiter nach links an den Stand von Millenium zu klettern. So mache ich das, allerdings würde ich wegen Seilzug und der Tatsache, dass 50m-Seile zu kurz sind, das nächste Mal sicher den Stand der alten Süd benutzen und diese Teilstrecke in zwei aufteilen.

Rasenmäher mitnehmen könnte nicht schaden. Hans folgt in SL 0, 6a+.
SL 1, 35m, 6c+: nun geht es noch mehr, d.h. eine weitere, komplette Seillänge nach links. Der Beginn dieser Länge ist noch eher rustikal, d.h. mässiger Fels, dafür auch nicht schwer. Nach dem zweiten BH geht's dann aber los. Der Fels ist kompakt, gespickt mit genau den kleinen Grifflein und Trittlein die es braucht. Sehr homogene Schwierigkeiten warten, die Absicherung ist für Vor- und Nachsteiger gut, es ist eine Superlänge! Der Anspruch ist für Vor- und Nachsteiger wohl etwa gleich: an entscheidender Stelle eher am Anfang geht's etwas runter, was den Vorsteiger durch den Seilzug bevorteilt, am Schluss dann ist's wohl für den Vorsteiger wegen sich negativ auswirkendem Seilzug etwas fordernder.

Im grossen Quergang, erst geht's etwas runter, am Schluss dann wieder rauf: SL 1, 6c+.
SL 2, 30m, 6c: vom luftigen und ausgesetzten, aber eher unbequemen Stand klettert man den ersten BH an und dann wartet gleich eine psychische Crux. Sehr feingriffig und -trittig will die folgende Stelle obligatorisch überlistet werden, der Pendler beim nicht unwahrscheinlichen Sturz betrifft die Sicherungsperson wohl mit. Ich traue mich nicht und schicke Hans vor, der die Stelle in kühner Manier am Limit packt, Chapeau! Ein klarer Fall von 6c obligatorisch, psychisch anspruchsvoll obendrein - für mein Dafürhalten sogar auch klettertechnisch schwerer wie der Quergang. Danach geht's erst etwas einfacher dahin, bevor man nach dem dritten BH vor der Frage steht: links in der kompakten Wand klettern, oder rechts, im etwas unsicher-grasigen Fels, dafür deutlich einfacher? Zum nächsten BH sind es nämlich etwa 7-8m Distanz, und so wählen wir den rechten, einfacheren Weg. Wie ich jetzt im Nachhinein weiss, wäre die Idee hier aber links in der Wand zu klettern was "nicht schwierig" sei. Doch damit nicht genug, nach Einhängen des nächsten BH wartet dann nochmals eine obligatorische Stelle, immerhin noch relativ nahe beim Haken. Danach geht's dann etwas einfacher aber anhaltend weiter, zum letzten, ziemlich unangenehm anzukletternden BH sind's nochmals 5m... ab da zum Stand ist's dann aber Formsache.

Tütato, Runauto! SL 2 (6c) ist psychisch ziemlich fordernd. Der Abstand vom letzten BH zum Stand ist übrigens kurz und easy...
SL 3, 30m, 6b: eine tolle, athletische Seillänge mit mehreren Aufschwüngen, insgesamt deutlich einfacher wie die beiden zuvor. Die Absicherung kann man als gut bezeichnen, zuletzt muss allerdings zwingend ein Camalot 2 unter der Untergriffschuppe platziert werden und dann erst kommt die Crux. Direkt geklettert ist der letzte Aufschwung nicht ohne, vor allem auch weil oberhalb zwar erst noch einige mässige Aufleger warten, dann aber auf dem Band nur noch Gras und etwas Lotterfels, woran man sich Aufrichten müsste. Ich fand schliesslich 3m rechts eine bessere Möglichkeit. Und Achtung, auf dem Band dann deutlich nach links zum Stand queren, nicht in der Neuen Süd (die hier denselben Bohrhakentyp aufweist) hochklettern.

Schöne, athletische und gut gesicherte Kletterei in SL 3 (6b).
SL 4, 30m, 6b+: super Seillänge mit bester Felsqualität. Vom Stand weg in Wandkletterei hoch, bis man sich der Linie der Neuen Süd nähert. Ich wähle dort den einfachsten Weg etwas rechtsrum, gedacht sei's in ganz direkter Linie über die Bolts, vermutlich wartet dort auch die klettertechnisch schwerste Stelle. Zuletzt dann über den schönen Pfeiler hoch, die Absicherung ist prima und so macht es mir richtig Spass. Für meinen Geschmack war das die einfachste und problemloseste Seillänge bisher, und sie sollte es bis zum Ende der Tour auch bleiben.

Erneut eine Superlänge durch das graue Meer: SL 4 (6b+).
SL 5, 30m, 6b+: steil geht's gleich hoch, die gemäss Topo "dröhnende Schuppe" ist halb so wild und macht uns keinen Kummer. Nach diesem griffigen, prima gesicherten Auftakt wird das Gelände mehr und mehr plattig, die Kletterei nicht mehr so schön und die Abstände immer weiter. An einer Stelle müssen auch 5m über dem BH noch unangenehme 6b-Hinsteh-Moves gezogen werden, psychisch sehr anspruchsvoll und bei Nichtbeherrschen mit einem sehr unangenehmen Sturz verbunden. Womöglich könnte man links in die einfachere Grasrinne auskneifen, um die Stelle zu meistern. Im Vergleich zum Rest der Tour wurde hier ein BH zu wenig gesetzt, finde ich.

Das Ende von SL 5 (6b+) ist eher etwas rustikal. Der Anfang schön, und in der Mitte wartete ein ziemlicher Runout.
SL 6, 40m, 7b: im ersten Viertel sehr schöne Plattenkletterei mit noch gemässigten Schwierigkeiten. Im nächsten Abschnitt wechselt es dann zu steiler Tropflochkletterei à la Schweizereck. Wirklich schön, für 6c+ allerdings nicht gerade billig, die Absicherung prima. Ich komme bis dort, wo die Originalroute links abzweigt und sich ein Zwischenstand befindet. Der Übergang in die Direktvariante beinhaltet ein paar zwingende Züge in splittrigem Fels und an zweifelhaften Schuppen. Wohl nicht so schwer, aber unangenehm. Hans übernimmt ab hier und müht sich technisch über die eigentliche Crux hoch. Hier stecken die Bolts nahe, so dass die Schwierigkeiten nicht obligatorisch sind. Erst zum Schluss warten nochmals ein paar Freikletterzüge, die aber gut gehen. Nach der kurzen Splitterzone in Mitte der Seillänge ist der Fels danach wieder besser, wenn auch nicht restlos überzeugend oder gar wirklich schön.

Start in die Cruxlänge (7b). Hat rein optisch etwas von der Blauen Lagune, die Route geht auch wirklich durch den blauen Streifen.
SL 7, 20m, 6a: eigentlich eine kurze und wie man vom Grad her meinen könnte problemlose Überführungs-Seillänge. Als ich dann bei der Crux allerdings 3x ansetzen muss, um die heikle Stelle zu überwinden verliere ich ziemlich endgültig das Vertrauen in die Route und meine Fähigkeiten am heutigen Tag. Allerdings muss man auch sagen, dass die Absicherung mit bloss einem einzigen BH doch ziemlich spärlich ausgefallen ist, und die Sache wegen dem lottrig-grasigen Fels durchaus gewisse Ansprüche stellt.

SL 8, 40m, 7a+: nachdem wir uns ins Wandbuch hatten eintragen können wollten wir uns nicht lumpen lassen und auch noch diese letzte Seillänge bezwingen. Wer es einfacher haben möchte, könnte auf dem Band auch nach rechts queren und den Ausstieg der Neuen Süd wählen. Anyway, ich packe es an, der erste BH will angeklettert werden - es ist nicht schwer, aber brüchig. Danach ist der Fels aber super und es geht volle Kanne los, die Crux wartet: erst hat es noch einige Leisten, dann nur noch schlechte Seitgriffe und das Hauptproblem ist, die Füsse über das kleine Dächlein zu stellen. Wir haben beide keinen Plan, wie man die Stelle freiklettern könnte und scheitern deutlich. Danach bleibt es vorerst noch anhaltend, mit der inzwischen bewährten Taktik "Hängen und Würgen" und dank zwei vom Erstbegeher angebrachten Zusatzbolts geht's gerade. Bis zum vorvorletzten BH geht das so weiter, dann bremst mich eine weitere Psycho-Stelle (ca. 7-8m Hakenabstand, bei anhaltender, heikler und fusstechnischer 6bc-Kletterei) zusammen mit einer gehörigen Portion Seilzug aus. Also ist wieder mal ein Zwischenstand fällig, Hans kommt nach und zittert sich über den Psycho-Abschnitt zum nächsten Bolt, bald danach erreicht er den Ausstieg.

Doch noch am Top angekommen. Die Inversionslage über dem Seeztal hervorragend sichtbar.
Sauberem Teamwork sei Dank schaffen wir es also doch noch nach oben. Inzwischen ist schon 17.30 Uhr vorbei, wir haben also gegen 8 Stunden gebraucht. Kein Wunder bei einer solchen Kampfbegehung. An Style und Souveränität hat es heute ganz eindeutig gefehlt aber was soll's, die Route ist vom ersten bis zum letzten Meter begangen, und das ist es erst einmal was zählt. Wir gehen zum Gipfel, melden unsere verspätete Heimkehr und halten uns dann nicht lange auf. Zügigen Schrittes steigen wir über den Nordrücken ab und sind bald retour im Langlitten.

Facts

Zuestoll - Quiero Thierry 7b (6c obl.) - 10 SL, 340m - Dani Benz et al. 2003-2006 - ****; xxx
Material: 12 Express, Camalot 2

Alpine Sportklettertour durch den linken Teil der Zuestoll-Südwand, welcher mit einem langen, eindrücklichen Einstiegsquergang erreicht wird. Die Route bietet viele Seillängen in schönem grau-rauem Fels mit prima Reibung. Ein paar brüchig-grasige Stellen hat es wohl, sie beschränken sich jedoch auf ein Minimum. Die Absicherung fällt meist gut aus, gerade im plattigen 6bc-Gelände gibt es aber auch einige wenige, fordernde Stellen, die Kühnheit, Fusstechnik und eine robuste Psyche fordern.

Wissenswertes

Die Route wurde bisher nicht oft begangen. Seit der ersten Rotpunktbegehung der heutigen Route mit der direkten Crux gab es genau 4 Begehungen, wovon 2 noch auf den Erstbegeher fallen. Somit können wir uns also als dritte Wiederholer der Tour rühmen. Spannend zu wissen wäre natürlich noch, wie viele Anwärter in den psychisch fordernden Plattenstellen abgeblitzt sind.

Die Route ist ähnlich schön wie die anderen reinen Sportkletter-Routen am Zuestoll und man kann die 4* sicher vergeben. Für mich persönlich kommt sie punkto Schönheit dennoch einen Tick nach Touren wie Zauberspiegel, Chico Mendez und Solitaire. Andererseits ist sie aber sicher schöner wie Patriot, und deutlich besser wie Allerheiligen und Baustop, bzw. die Alte und Neue Südroute und erst recht als Tippel Tappel. Kleine Abstriche in Sachen Schönheit gibt es wegen ein paar wenigen Stellen, die nicht Premium-Fels aufweisen. Während dies in einigen leichteren Abschnitten nicht gross stört, ist in der Quiero Thierry leider auch die Cruxlänge davon etwas betroffen.

Wie bereits erwähnt ist die Route solide abgesichert. Der Cruxlänge, der wirklich schwere Teil der letzten Länge und der Einstiegsquergang verdienen sogar xxxx. Den Rest würde ich zumeist als solides xxx einstufen, leider aber gibt es ein paar Stellen, die aus diesem Raster fallen. Die zweite, der obere Teil der fünften und der Schluss der letzten Länge sind eher nur xx, und dies bei anhaltenden Schwierigkeiten bis zum Grad 6c. Wer das im plattig-diffizilen Hinstehgelände nicht auch 2-3m über dem letzten Haken noch draufhat, wird unter Umständen Mühe habe, die Tour überhaupt hochzukommen.

An Material sind nur 12 Express und ein Camalot 2 nötig. Das im Topo angegebene Placement am Ende von SL 3 ist ziemlich unverzichtbar und jenes am Ende von SL 8 auch sehr praktisch. Ansonsten kann man Friends und Keile aber so gut wie gar nicht einsetzen, insbesondere die Runouts im Plattengelände lassen sich auch mit einem grösseren Rack nicht entschärfen. Dieses kann also für diese Tour getrost zu Hause bleiben.

Nochmals eine Impression aus dem Einstiegs-Quergang (SL 1, 6c+), eine der besten Seillängen der Route!
Fazit

Mir persönlich hat die Tour nicht so grossen Spass bereitet. Der Hauptgrund liegt darin, dass ich gar nie in einen rechten Kletterflow gekommen bin. Die Ursache ist darin zu suchen, dass ich den Anforderungen am Tag x schlicht und einfach nicht genügend gewachsen war, vor allem jenen in psychischer Hinsicht. Mehr und mehr hat mir dann auch das Vertrauen in mich selbst, die Route, den Fels und die Absicherung gefehlt, und beim Start in jede Seillänge war im Hinterkopf schon der Gedanke präsent, an welcher Stelle ich wohl nun wieder scheitern werde. Tja, da habe ich einfach einen richtig schlechten Tag erwischt. Gut MSL zu klettern erfordert eben doch auch ein gewisses Training, und auf diese Weise war ich nun doch schon etliche Wochen nicht mehr unterwegs. Folgendes will ich aber trotzdem noch loswerden: obwohl ich die angegebenen Schwierigkeiten nicht für falsch halte, ist die Route trotz gemäss Topo ähnlichen Anforderungen wie die auf diesem Blog kürzlich beschriebene Via Priz in den Dolomiten eine ganz andere Schuhnummer - irgendwie etwa 2 Grössen mehr.

Topo und Summary

Das aktuellste Topo der Route kann man hier downloaden. Achtung, im Internet geistern auch noch einige ältere Versionen herum, wo ein paar Details nicht mehr ganz korrekt sind. Aufhören will ich hier mit einer Kurzbeschreibung aller Seillängen - vielleicht ist das nach dem langen Geschreibsel zuvor mehr als nötig.

SL 00, 3a: easy Vorbaupfeiler, grasig und Lotterfels
SL 0, 6a+: besser in zwei Längen teilen, erste Hälfte ok, zweite grasig und Lotterfels
SL 1, 6c+: super Quergang, für Vor- und Nachsteiger gut gesichert und ähnlich schwer
SL 2, 6c: schöne Kletterei, super Fels. Weitere Abstände, psychisch anspruchsvoll
SL 3, 6b: athletische Kletterei, gut gesichert. Crux am selber zu sichernden Wulst
SL 4, 6b+: sehr schöne Kletterei in grauem Topfels, gut gesichert und ohne Runouts
SL 5, 6b+: erst steil, griffig und gut gesichert, dann plattig mit einem massiven Runout
SL 6, 7b: erste Hälfte 6c+/7a in prima Fels, dann schwer & splittrig aber gut gesichert
SL 7, 6a: Übergangslänge mit einem schweren Zug, mässiger Fels, eher spärlich gesichert
SL 8, 7a+: meist super Fels, erst hart & gut gesichert, oben nur noch ca. 6c aber psychisch

So, nun gehet und wiederholet! Die Route lohnt ganz sicher einen Besuch!