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Freitag, 1. November 2024

Brisi - Donnerwetter (6b, 7 SL, Erstbegehung)

Der Brisi mit seiner wuchtig-breiten, steil-imposanten Südwand sieht aus der Ferne wie der perfekte Kletterspielplatz aus. Doch leider ist das Gestein dort wechselhaft, die wenigen modernen Routen verlangen einen Mix aus harter Sportkletterei und anspruchsvollem Alpingelände. Gemütlicher geht es auf der Westseite zu und her: mit der von Thomas Wälti erschlossenen Luky & Sina gibt es seit längerer Zeit eine Genusstour. Sie zeichnet sich durch soliden, kletterfreundlichen Fels, gute Absicherung und problemlosen Zugang aus, bietet aber doch ein eindrucksvolles und aussichtsreiches Gesamterlebnis. Im Sommer 2024 hat die Luky & Sina nun eine Nachbarroute erhalten, auf welche dieselben Attribute zutreffen. Hier der Bericht zur Erschliessung mit allen nötigen Infos über Zustieg, Kletterei, Material und dem Topo.

Blick von der Lücke zwischen Frümsel und Brisi auf die Westwand mit der Route Donnerwetter.

Erschliessung

Die Geschichte dieser Route beginnt mit meiner Sommerskitour auf den Brisi im Mai 2024. Nach der ersten Abfahrt gönnte ich mir noch einen Abstecher durchs Frümseltal in die Lücke zwischen Frümsel und Brisi. Dort deponierte ich meine Bretter und stieg hinauf zum Einstieg der Luky & Sina, welche ich dereinst mit Kathrin und Manuela im 2009 geklettert hatte. Weil sowohl der Grasboden nach der ersten wie auch nach der zweiten Seillänge zu Fuss zugänglich sind, konnte fast die gesamte Route bzw. das Felspotenzial daneben aus nächster Nähe inspiziert werden. Es kribbelte heftig in den Fingern und am liebsten hätte ich die Moves gleich freesolo in den Skischuhen ausprobiert. Die Vernunft (zum Umdrehen bevor der Point of no Return überschritten war 😂) war zum Glück gross genug, aber das Projekt mit einer Route durch die Brisi Westwand war lanciert. Mit Guido war auch bald ein Partner für das Vorhaben gefunden. So sassen wir in den Startlöchern und prüften täglich unsere Möglichkeiten. Doch im Vorsommer 2024 war der Brisi, wenn nicht Regenschauer eine Tour vereitelten, fast permanent in dicke Quellwolken gehüllt. Am 28. Juni 2024 sollte es dann klappen, die Prognose klang endlich einmal gut genug. Doch es war wieder nichts, ein isoliertes, nächtliches Gewitter lud über den Churfirsten viel Feuchtigkeit ab und wir mussten zum Bockmattli umdisponieren. Dort gelang uns an diesem Tag die Erstbegehung der Kairos, was natürlich ein absolut ebenbürtiges Programm war.

Auf geht's zum Brisi, wie immer per Bike - lange mussten wir auf diesen Moment warten!

Das Brisiprojekt war mit der Kairos natürlich nicht hinfällig geworden. Die Chance kam schliesslich zum Ende der Sommerferien. Am 15. August 2024 fuhren wir (wie immer) mit den Bikes von Unterwasser zur Alp Torloch und mühten uns mit sehr schwerem Gepäck zur Brisi Westwand. Meine Abschätzungen hatten ergeben, dass für dieses Projekt wohl ziemlich genau gleich viele Haken wie in der Kairos zu setzen wären. Somit lag eine 1-Tages-Erstbegehung im Bereich der Möglichkeiten. Auf jeden Fall wollten wir eine solche anstreben und sie sollte nicht an einem Detail scheitern. Voll beladen mit Material, Motivation und Power stiegen wir ein. Auf einen heftigen Bremser trafen wir jedoch bereits in der zweiten Seillänge. Ich leistete einen Verhauer von 4 Bohrhaken, den ich wieder abbauen musste. Unverhältnismässig schwierig war das in freier Kletterei, was viele Wiederholer nur zu einem Umweg über eine Schuppe gelockt hätte, von welcher man besser die Finger lässt. Das Malheur liess sich zum Glück mit einer neuen Routenführung in der oberen Hälfte des zweiten Abschnitts korrigieren. Dass dies an den Zeitreserven genagt hatte, wog weniger schwer wie die Hypothek von vier vergeudeten Bolts, die uns möglicherweise später fehlen und an der Komplettierung der Route hindern würden.

Der Startschuss ist gesetzt! Beim Bohren der dritten Zwischensicherung in L1 (5c+).

Es galt jedoch kein Trübsal zu blasen, sondern sich in die Komplettierung des Projekts zu engagieren. Nach einer Grasbandquerung nahmen wir die dritte Klettersequenz in Angriff. Steil war es da, die anhaltende 45m-Seillänge im Grad 6b forderte 10 Bohrhaken, entsprechend auch Zeit und Kraft. Sämtliche im Voraus fragliche Passagen lösten sich aber gut auf, das war die Hauptsache. Eine Verschneidung mit erstaunlich kniffliger Ausstiegspassage brachte uns schliesslich als fünfte Seillänge auf das oberste Grasband, mit freiem Blick auf den letzten Felsriegel. Diesen hatte ich bei meiner Reko anlässlich der Skitour nicht inspizieren können. Auf den Fotos von früher meinte ich zwar, eine Linie zu erkennen. Doch deren Steilheit und Details zur Felsqualität liessen sich auf den Pixeln am Bildschirm nur summarisch bewerten. Sprich es war unklar, bei welchen Schwierigkeiten es ging und wie lohnend es wäre. Das Schicksal war uns aber gnädig bestimmt: an einem scharf geschnittenen, griffigen Riss liess sich das steile Gelände wie gewünscht im 6b-Bereich bewältigen. Mit ein paar kraftraubenden Bohrmanövern gelangte ich zur finalen, genial zu kletternden Schuppe, setzte den allerletzten Bolt den wir mitführten und gelangte so zum Top. Wie gut, dass wir da, den finalen Stand der Luky & Sina nutzen konnten, sonst wäre unsere Route an diesem Tag nicht vollendet worden. Das war eine Punktlandung im wahrsten Sinne des Wortes gewesen, die mit einer genialen Abendstimmung am Top versüsst wurde. 

Besser kann es fast nicht aufgehen! Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir das Top der Route, die Erstbegehung in einem einzigen Tag war geschafft. Und es ging bis auf das letzte Stück ganz genau auf mit den Bohrhaken, am Ende waren alle aufgebraucht - ohne dass ich auf Kompromisse und Sparerei setzen musste.

Noch ausstehend war damit nur die Krönung des Projekts durch eine Begehung mit leichtem Gepäck und Rotpunktambitionen. Erneut vereitelte instabiles Wetter die Pläne, erste Schneefälle ermöglichten sogar schon eine Voralpen-Skitour im September. Nach den Herbstferien hielt dann aber doch der gewünschte goldene Oktober seinen Einzug, so dass wir am 27. Oktober 2024 zur Tat schreiten konnten. Die erwünschte Rotpunktbegehung gelang ohne Schwierigkeiten, aber mit viel Freude. Wir genossen einen fantastischen Herbsttag bei bestem Wetter mit genussvoller Kletterei. Gold wert war auch die Erkenntnis, dass Route und ihre Moves sich noch besser anfühlten, als wir dies vom Tag der Erstbegehung in Erinnerung hatten. Das war ein tolles Projekt, vielen herzlichen Dank Guido für deine Mithilfe und Mitarbeit!

Bei erneut fantastischem Ambiente kurz vor dem Top in L7 (6b) - danke Guido!

Zustieg

Autofahrer erreichen von Unterwasser über die taxpflichtige Strasse (13 CHF/Tag, Taxautomat für Münzen, Twint oder Parkingpay-App vor Unterqueren der Iltiosbahn) die Selamatt und stationieren ihr Gefährt in der Gegend von P.1561 bei den Ställen vom Thurtalerstofel (Kartenlink, bitte den Alpbetrieb nicht behindern!). Dann auf markiertem Wanderweg via Brisizimmer und P.1798 am Fuss des Brisirückens ins Frümseltal zur Lücke P.2044. Nun der Krete ostwärts folgend hinauf, eine erste Gruppe von Felstürmen wird links umgangen. Man erreicht so den markanten Schacht am Grat. Im Sattel oberhalb von diesem findet man den Einstieg  (2 BH, Markierung "Luky & Sina"). Koordinaten CH LV95: 2'739'085, 1'223'995, Höhe 2110m, Kartenlink. Gehzeit ab P.1561 ca. 60-75 Minuten.

Hier im Sattel über dem markanten Schacht (durchgehendes Loch auf die Südseite!) starten Luky & Sina sowie auch unser Donnerwetter. Hier der Rückblick auf L1 (5c+) und Guido, der mich im Vorstieg sichert.

Mit dem Bike kann man bis Brisizimmer fahren, oder alternativ auch zur Alp Torloch (dorthin anscheinend Fahrverbot für Autos, v.a. gibt es keine Parkplätze). Die Alp Torloch als Ausgangspunkt macht jedoch nur dann Sinn, wenn man den Westabstieg vom Brisi (siehe unten) wählt. Beim Abstieg über den Brisi-Nordrücken ist ein Bikedepot bei Brisizimmer insgesamt vorteilhafter und schneller. Die Querung von Torloch zum markierten Wanderweg im Frümseltal kann auf der falschen Fährte durch Kraut, Stauden und mühsame Karren beschwerlich sein. Insidertipp: es gibt eine zurückhaltend mit pinken Punkten markierte Ideallinie (Startpunkt ostseitig, Startpunkt westseitig).

Bikedepot bei Brisizimmer, hinten nicht nur der Säntis, sondern mit Wildhauser Schafbergwand und Moor zwei Top-Klettergebiete in Sichtweite.

Routenbeschreibung

Donnerwetter 6b (6a obl) - 7 SL, 230m - Marcel Dettling & Guido Arnold 2024
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, evtl. Cam 0.4

L1, 25m, 5c+, 3 BH: Vom Stand im Sattel ob dem Schacht startet Luky & Sina nach rechts, Donnerwetter steigt in die kompakte Platte etwas links oben ein. Die kurze Wandstufe beschäftigt einen vermutlich länger, wie man zuerst meint. Es ist doch recht steil, man muss sauber antreten und die positiven Crimps identifzieren, an welchen man sich festhalten kann. Nach 10m steigt man schon auf das Grasband aus und traversiert auf diesem 15m horizontal hinüber zum gemeinsamen Stand mit Luky & Sina. Dieser Abschnitt kann auch problemlos linksherum umgangen werden.

Guido im Exit von L1 (5c+), wo noch eine Grasbandquerung wartet. Zwei weitere Fotos von dieser Seillänge findet man weiter oben im Bericht in den Rubriken Erschliessung und Zustieg. Hinten der Frümsel.

L2, 35m, 6a+, 8 BH: Hier geht Luky & Sina mehr oder weniger direkt über dem Stand weiter, während Donnerwetter ein paar Meter links startet. Zur optimalen Sicherung des Vorsteigers sollte man sich vielleicht nicht gerade mit der kürzesten Selbstsicherungsschlinge am Stand fixieren (auf dem breiten und wenig steilen Grasband ist überhaupt keine Sicherung nötig). Es folgt ein prima Start über kompakte Steilplatten mit Seit- und Untergriffschlitzen, toll! Bald einmal lässt es etwas nach, mit genussvollen Moves im Fünfergelände kommt man zum Top dieser Wand.

Tolle Kletterei an Unter- und Seitgriffen in L2 (6a+).

L3, 40m, T4,  0 BH: Erst über das problemlos begehbare Grasband horizontal hinüber zu einem Block mit SU-Schlinge. Die letzten Meter sind dann etwas gerölliger und werden leicht absteigend begangen. Die Bohrhaken drüben an der Wand für die Fortsetzung der nächsten Seillänge sind gut sichtbar. Am Stand/Einstieg steckt nur ein einzelner Haken. Da es sich hier um kein Absturzgelände handelt, scheint das so vertretbar. Wer unbedingt einen zweiten Sicherungspunkt will, kann in einem Querschlitz den Camalot 0.4 legen.

Im Vordergrund die SU-Schlinge und der letzte Teil von L3, dort wo Guido steht führt L4 weiter.

L4, 40m, 6b, 10 BH: Steil geht's los, dank den griffigen Schuppen erst links in der Wand. Auf ein paar Metern Höhe ist es dann kommoder, die Verschneidung rechts in die Sequenz einzubauen. Griffig und etwas weniger steil geht es nach deren Ende weiter. Der nächste Programmpunkt bzw. die Crux besteht aus einem kniffligen Mantle über einen Wulst (etwas rechtsrum angehen, direkt über den Haken ist das taff!). Nachher folgt wieder schön griffiges Steilgelände im Bereich von 5c+/6a zu einem luftigen Stand hinauf.

Marcel hat die griffigen Schuppen am Start von L4 (6b) schon genutzt und spreizt nun an die Verschneidung.

L5, 35m, 5c+, 4 BH: Grob in der Verschneidung geht's weiter. Vorderhand genussreicher und auch nicht schwieriger, wenn man links in der Seitenwand klettert, das ist die Ideallinie. Vorbei geht's an einem witzigen Klemmblock, an welchem wir wie verrückt gerüttelt haben. Er liess sich nicht bewegen, man nutze ihn trotzdem mit Bedacht (oder gar nicht, geht auch ohne wesentlich höhere Schwierigkeiten). Am kniffligsten ist dann der Ausstieg aus der Verschneidung, der sich aber doch auch gut wegstehen lässt. Weiter geht's dann in gestuftem Grasgelände, wo man zur Sicherung (falls es einem nötig erscheint) nochmals den Cam 0.4 unterbringt. Der Stand kommt erst oben auf der wenig steilen Wiese an einem Felsblock (einfach zu finden).

Marcel unterwegs in der Verschneidung von L5 (5c+) bei der Rotpunktbegehung.

L6, 30m, T3,  0 BH: Aufstieg über die Grasflanke zur nächsten und letzten Wand. Der Einstieg befindet sich bei einer kleinen Höhle, die Bohrhaken sind ca. 3m rechts einer markanten Verschneidung gut sichtbar. Am Boden der kleinen Höhle befindet sich in ein paar Steine eingebettet das Honigglas mit dem Wandbuch, wo man gerne seinen Eintrag machen darf. Da es sich nicht um Absturzgelände handelt, steckt auch hier am Stand/Einstieg nur ein einzelner Bohrhaken, mehr braucht es nicht. Ein zweiter Sicherungspunkt könnte mit dem Cam 0.4 im Riss gelegt werden.

Wie cool, dass auch diese Grasbandlänge ohne Kletterschwierigkeiten spektakulär aussieht!

L7, 30m, 6b,  8 BH: So richtig steil und kräftig geht's hier los, dank dem griffigen Riss mit seiner scharfen Kante und ein paar Tritten steigen die Schwierigkeiten doch nicht übermässig an. Es gilt die Übersicht zu behalten, bis das Terrain nach ca. 10m etwas einfacher wird. Gerade hinauf kommt man zur markanten Riesenschuppe. Eine grandiose Turnerei in bestem Fels an dieser bringt einen hinauf zum Top, ein paar einfache Moves führen rechtshaltend zum letzten Stand, welcher gemeinsam mit Luky & Sina ist.

Marcel unterwegs am steilen, ja bisweilen leicht überhängenden Riss in L7 (6b). Die Seillänge führt in gerader Linie über dem Kletterer weiter. Oben am Horizont erkennt man direkt über dem Helm auch noch die massive Schuppe, an welcher man im zweiten Teil der Seillänge in die Höhe turnt.

Abstieg

Am einfachsten in knapp 10 Minuten vom Ausstieg weiter dem Westgrat bzw. der Gipfelkrete entlang (Gehgelände, T3) zum Kreuz am höchsten Punkt vom Brisi und von dort den markierten Wanderweg über den Nordrücken zum Abstieg nutzen, was einen in total ca. 60 Minuten retour zum P.1561 an der Selamattstrasse bringt. 

Guido auf dem Weg zum Brisigipfel, welcher der Gipfelkrete entlang führt. Was für eine Gegend!

Alternativ kann auch der Westabstieg verwendet werden, welcher Absteigen und Abseilen kombiniert. Zuerst vom Top (in Wandansicht) rechts der letzten Seillänge durch eine T4-Rinne absteigen, dann am Fuss des Felsriegels (am Start von L7 vorbei) zur Abseilstelle am Fuss der markanten Pfeilers queren. 3x Abseilen à jeweils 20-24m bringt einen auf die Wiese auf Höhe Start von L4. Von dort steigt man zu Fuss im Schrofengelände (T4/T5) ab, die ersten drei Seillängen der Route (im Abstiegssinn) rechts umgehend. Ungefähr auf Höhe des Einstiegs quert man hinüber zum Schacht bzw. der Krete, steigt ab zu P.2044 und gelangt über die markierten Wege durchs Frümseltal retour zu seinem Ausgangspunkt. Der Zeitbedarf dürfte so bei 60-90 Minuten liegen, je nachdem wohin man muss/will.

Büroarbeit auf dem Brisi 😀

Abseilen/Rückzug

Die Route Donnerwetter ist nicht zum Abseilen eingerichtet! Nach L1 und L2/L3 kann man über die Bänder nordwärts ausqueren und absteigen, nach L4 lässt es sich zu deren Start abseilen und dasselbe tun. Hat man L5 bewältigt, so kann L7 durch die T4-Rinne rechts umgangen und der Gipfel erreicht werden. Oder man quert von da über die Wiese zur der beim Abstieg erwähnten Abseilmöglichkeit.

Wie bekannt mag es der Mann im Bild gar nicht, eine MSL nicht bis zu ihrem Ende zu klettern 😉

Material, Absicherung, Topo & Hinweise

Die Route ist durchgehend mit soliden, rostfreien Bohrhaken auf Stufe xxxx bzw. Plaisir gut+ eingerichtet und klassifiziert unseres Erachtens als Genusstour auf gehobenem Niveau. Ein gewisser Anspruch ist im Vorstieg dennoch präsent. Die Haken wurden zur Sicherung und zur Vermeidung von gefährlichen Stürzen platziert und nicht, um sich an jeder Stelle nach Belieben daran hochziehen zu können. So ist der Grad 5c+ ganz sicher, vermutlich sogar 6a obligatorisch zu meistern. Im vierten und unteren fünften Grad muss man auch einmal ein paar Meter über die Haken steigen, für Churfirstenverhältnisse gut abgesichert ist das Terrain auch dort. Mobile Sicherungen sind nach Meinung des Autors nicht zwingend anzubringen, gewisse Möglichkeiten findet man hier und da. Am ehesten nützlich (aber auch verzichtbar) ist der Camalot 0.4, um im Stehgelände am Anfang von L4 und L7 einen zweiten Sicherungspunkt zu schaffen und im grasigen Kraxelgelände am Ende von L5 noch eine Zusatzsicherung zu haben. Hinweis: auf den Seillängen ist der Fels generell solide, rau, griffig und genussvoll zu beklettern. Bei den Ausstiegen auf Bänder und in gestuftes Gelände ist jedoch eine gewisse Wachsamkeit auf loses Gestein durchaus empfehlenswert. Für Kletterer mit etwas alpiner Erfahrung ist das aber problemlos zu meistern. So bleibt mir nur noch, viel Spass bei einer Wiederholung der Route zu wünschen und auf den PDF-Download für das unten abgebildete Topo hinzuweisen.

Das Topo zur Route, gibt es auch zum Download als PDF.

Dienstag, 8. Oktober 2024

Churfirsten / Roskirche - Sinnfrage (7a, 3 SL, Erstbegehung)

"Die Sinnfrage kann man immer stellen, vor allem natürlich beim Klettern", an diesen früheren Ausspruch von Daniel kann ich mich noch gut erinnern. Und nun hat die Sinnfrage also sogar ihre zugehörige Route erhalten. Selbstverständlich kann man die Sinnfrage bei dieser Neutour stellen: es ist weder die längste, die schwierigste noch die schönste Route der Welt. Aber es hat Spass gemacht sie zu entdecken und zu realisieren, was für uns genug der Sinnhaftigkeit ist. Wobei an genau diese Stelle auch ein Disclaimer gehört. Ausgecheckt und eingebohrt wurde die hier beschriebene Route von Daniel Benz, ich war "nur" bei der ersten RP-Begehung mit dabei. Somit der Bericht über die neuste und vorerst letzte Neutour, welche am 90m hohen, freistehenden Turm der Roskirche durch die schattige Nordwand verläuft.

Spannende Perspektive! Daniel turnt in L1 (7a) der Sinnfrage.

Erschliessung

Hier kann ich mich für einmal sehr kurz halten: Daniel hat die Sinnfrage 4 Tage nach dem Einbohren vom Massnahmenpaket im Alleingang am oben fixierten Seil eingerichtet. Dieser Stil war hier die Methode der Wahl, weil es die Linie geschickt durch die verbleibenden Filetstücke der Wand zu legen galt. Nochmals 3 Tage später waren wir dann auf der Rotpunkt-Mission unterwegs, wo wir Massnahmenpaket, dessen Trad-Variante und die Sinnfrage befreiten. Meinerseits konnte ich dabei die zweite Länge vorsteigen und so tatsächlich die formell erste (Vorstiegs-)Begehung von diesem Abschnitt notieren. Vielen Dank Daniel! Es ist auch der Grund, warum die Sinnfrage hier als Erstbegehung präsentiert wird, auch wenn mein Beitrag zu ihrer Entstehung limitiert war, bzw. ich nichts zur Pflanzung der Hardware beigetragen habe.

Dieses Foto gehört quasi noch zur Erschliessung. Nach der RP-Begehung vom Massnahmenpaket sind wir von der Abseilpiste hinüber gequert zur Sinnfrage, um dort im Abseilen noch die Kette mit der fixen Exe in der Crux zu platzieren. Dies war nötig, weil der BH an dieser Stelle aufgrund der Felsqualität (zu) hoch platziert werden musste, so dass er (ohne die Fixexe) aus der Kletterstellung nicht vernünftig bzw. nur sehr umständlich zu klippen ist.

Zugang

Für den Weg zum Depot an der NW-Ecke der Roskirche wiederhole ich hier exakt meine Zeilen aus dem Beitrag zum Massnahmenpaket. Wer sie von dort noch auswendig rezitieren kann, braucht sie nicht nochmals zu lesen.

  1. Für uns die schnellste und bequemste Variante, ein idealer E-Bike-Usecase: von Walenstadt bzw. vom Hasebärg (ca. 560m) an der Lüsisstrasse mit dem Stromrad steil aufwärts, dann auf 1100m noch steiler auf den Tschinglaweg abzweigen und diesem via Vorder Büls bis zum P.1544 (ca. 9km, 1100hm). Von dort auf dem blau-weiss-blau markierten Wanderweg über die Schwarzen Platten (T4) zum Chammsässli und weiter hinauf zum Valsloch. Nach der Engstelle an dessen Eingang noch ein paar Kehren (ca. 50hm) aufsteigen, bevor man horizontal zur gut sichtbaren Roskirche quert (zu Beginn weglos, dann schwache Pfadspuren, T4+). Ein gutes und bequemes Depot befindet sich gleich am Punkt, wo man die Roskirche erreicht. Zeitbedarf ab Walenstadt: ca. 40-45 Minuten per Bike plus 30-35 Minuten zu Fuss, d.h. 1:15h ab Walenstadt.
  2. Wer von Süden kommt und über kein E-Bike verfügt, der fährt wohl mit dem PW aufs Lüsis. Dort gibt es nur eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Auf Anfrage kann man (wenn Platz vorhanden) beim Gasthaus abstellen (15 CHF/Tag). Frei parkieren ist nur beim abseitig gelegenen P.1327 erlaubt, was sowohl die Anfahrt wie auch den Zustieg verlängert. Dann auf markierten Wanderwegen Richtung Tschingla, vorteilhaft über den Chalberhalden Highway zum Chammsässli und dann wie unter 1) beschrieben zur Roskirche. Zeitbedarf ab Walenstadt ca. 20-25 Minuten per PW und ~90 Minuten zu Fuss, total gegen 2:00h ab Walenstadt.
  3. Am wenigsten Zustiegs-Höhenmeter sind involviert, falls man die Bahn auf den Chäserrugg nutzt (Betriebszeiten beachten, mit Stand 2024 kostet das 62 CHF retour pro Person, bzw. 31 CHF mit Halbtax). Vom Chäserrugg auf dem Valslochweg absteigen und auf ca. 1950m (d.h. höher als wenn man von unten kommt) nach links zur Felswand hinüberqueren, an deren Fuss ein Wildpfad zur Roskirche führt. Auf dem Retourweg sind dann ~350hm im Aufstieg zu bewältigen. Zeitbedarf aus dem Tal in Unterwasser muss man selber berechnen... Diese Variante bietet sich vor allem dann an, wenn man von Norden durch das Toggenburg anreist.
Hier geht's los - wenn denn die Aufschrift noch lesbar ist.

Routenbeschreibung

Roskirche - Sinnfrage 7a (6b+ obl.) - 3 SL, 80m - Daniel Benz, Marcel Dettling 2024
Material: 1x50m-Seil, 10 Express, Camalot 2, Helm

L1, 35m, 7a: Vom Depot an der NW-Ecke der Roskirche steigt man die Rinne zum Nordsattel ein Stück weit hinauf. Der Einstieg ist angeschrieben und durch die rostfreien Bohrhaken gut erkennbar. Vom Boden einzig an der Roskirchenwand startend würde gleich ein heftiger Einstiegsboulder warten. Die Methode der Wahl ist jedoch ein Überfall von einer Terrasse auf der Gegenseite, so kriegt man einen vernünftigen Griff in die Hand und kann abheben. Die markante Crux wartet dann etwas vor Hälfte der Seillänge bei der Fixexe. Mit einem kleingriffig-technischen Boulder will eine 3m hohe, ziemlich blanke Wandzone erobert werden. Diese ist prima gesichert (A0 möglich, die Länge geht auch als 6c 1pa), denn es folgt gleich nachher ein BH, welcher von unten in der Kletterstellung nicht sichtbar ist. Damit ist aber nicht fertig, in athletisch-griffiger Kletterei geht's richtig cool entlang von Rissspuren athletisch in die Höhe, zuletzt klettert man dann noch fotogen die Hangeltraverse der klassischen Nordroute retour nach links zum Stand.

Hier hat man die Hauptschwierigkeiten in L1 (7a) geschafft, auch wenn man sich in der finalen Linkstraverse durchaus nochmals festhalten muss. Hinten übrigens gut erkennbar die Wegspur im Valsloch, von welcher man weglos über die im Bild sichtbaren Grashänge zum Fuss der Roskirche quert.

L2, 30m, 6b: Steil und griffig geht's hier gleich vom Stand weg bei guter Absicherung in die Höhe. Man bedient sich hier an sehr schönem, wasserzerfressenem Fels. Mit etwas Reserven auf den geforderten Grad geht das in einer vergnüglichen Turnerei mühelos in die Höhe. In etwa mittig der Seillänge wurde zwecks von einem exzellenten Placement für einen Camalot 2 auf einen BH verzichtet. Wiederum, wer die Reserven hat, kann sich da aber sogar auch einen Runout zum nächsten Silberling zutrauen. Das Finish dann wieder etwas technischer, auch da super schöner, vom Wasser ziselierter Fels.

In L2 (6b) ist es sowohl auf- wie auch abwärts schwierig, gute Fotos zu machen.

L3, 15m, 6a+: Der Stand auf dem bequemen Band befindet sich auf dem Verlauf der Lucky Bernd. Dessen Haken befinden sich denn auch gerade voraus in der Nordwand. Klettert man diese Passage, so beläuft sich die Schwierigkeit auf 6a. Zur Sinnfrage gehört aber eigentlich die NE-Kante linkerhand. Hier steckte schon altes Material, welches zur Variante Müller-Wetli gehört. Dieser Abschnitt wurde mit rostfreien BH saniert. Die Kante ist steiler und kniffliger, wie man auf den ersten Blick denken könnte! Zuletzt dann noch nach links über den Spalt hinweg zum Gipfelstand beim Wandbuch.

Kurz aber kräftig klettert man an der Kante von L3 (6a+).

Abstieg

Auch hier werden die bereits beim Massnahmenpaket getippten Zeilen rezykliert. Am Gipfelstand geht's los, es werden jedoch andere Stationen wie im Aufstieg genutzt. Das Abseilen über die Standplätze der Sinnfrage ist nicht vorgesehen. Man kann diese jedoch für einen Rückzug nutzen, bzw. man befindet sich an den Standplätzen sowieso stets in unmittelbarer Nähe zur offiziellen Abseilroute, so dass man einfach dahin wechseln kann. Normal seilt man zuerst 15m auf der Nordostseite zu einem Bödeli ab. Man geht ca. 5-10m nach Osten zu Stand im Spalt, von wo man 25m auf das geräumige Velobödeli abseilt. Von diesem quert man über ein ca. 60cm breites Band für 15m in die Nordwand hinein zu einem weiteren Abseilstand. Über eine 25m-Strecke erreicht man den Sattel im Norden der Roskirche, von wo man zu Fuss zum Einstieg bzw. Depot absteigt. 

Auf der zweiten Etappe der Abseilpiste, welche entlang vom Ostkamin führt. In der Wand rechts mit dem knapp sichtbaren Surfverbot verläuft die Ostroute (6c). Und im kompakt-steilen Stück Fels links vom Seilverlauf befindet sich die Cruxlänge (8b+) vom Hauch der Vergänglichkeit, welche Daniel ebenfalls im Sommer 2024 (von unten!) eingerichtet und gepunktet hat.

Planungsinfo & Topo

Die Route ist mit rostfreien Bohrhaken bestens auf Stufe xxxx abgesichert. Ein wenig Engagement ist in L1 nötig und in L2 muss 1x ein Cam gelegt werden, damit man dort im 6a-Terrain nicht einen doppelten BH-Abstand vergegenwärtigen muss. Aber auch hier gilt: alles im grünen Bereich! Im Beitrag zum Massnahmenpaket wurde noch nicht erwähnt, dass es sich an der Roskirche durchaus gut beim sonnig-warmem Wetter klettern lässt. Mit Wildfang (7a+), Lucky Bernd (7a) und Sinnfrage (7a) stehen drei Touren im 7a/7a+-Bereich zur Verfügung, welche vorwiegend schattig in der Nordwand verlaufen. Zudem bleiben auch das Massnahmenpaket (7a+) sowie der Schattenbachfäger (6b) bis am frühen Nachmittag im Schatten. Und wenn dort die Sonne scheint, findet man dafür auf der Ostseite Schatten. Natürlich kann man es auch andersrum machen und mehr von der Wärme des Himmelsgestirns zu profitieren. In der zentralen Nordwand (Lucky Bernd, Sinnfrage) findet man allerdings kaum je so viel Sonne, dass Griffelzitter-Temperaturen auf wohlige Wärme angehoben würden. Das hervorragende PDF-Topo mit allen 2024er-News von Daniel sei auch hier verlinkt, ebenso der Hinweis auf den SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Thomas Wälti. Das Foto mit dem Routenverlauf muss hingegen leider ausbleiben - auf die Nordwand der Roskirche gibt es keine freie Perspektive.

Einen Blick auf den Turm der Roskirche soll es aber doch nochmals geben! Beim Zustieg anzupeilen ist der linke Fuss der Roskirche. Die Sinnfrage verläuft auf der Rückseite in der Nordwand, der Einstieg befindet sich ca. 10-15m vom Fuss entfernt in der Schlucht.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Churfirsten / Roskirche - Massnahmenpaket (7a+, 3 SL, Erstbegehung)

Die Roskirche ist ein schlanker, rund 90m hoher Felsturm, der sich im Valsloch in der Südflanke vom Chäserrugg befindet. Selbst der Normalweg auf diesen Gipfel fordert den fünften Grad, somit ist es ein eindrückliches Erlebnis, diese Nadel zu besteigen und auch die Umgebung lohnt einen Besuch ganz sicher. Noch dazu gibt es eine erstaunliche Vielfalt von kurzen MSL-Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden, sowohl in sonniger wie auch in schattiger Exposition. Im Sommer 2024 wurde das Angebot durch Neutouren und Sanierungen sogar noch markant erweitert. Dieser Beitrag schildert die News und präsentiert im Detail das Massnahmenpaket (7a+, 3 SL) welches dem alpin orientierten Sportkletterer eine schöne und steile Möglichkeit auf der Westseite bietet.

Blick auf die Roskirche von Süden. Das Massnahmenpaket verläuft auf der linken Seite, ungefähr dort wo der Wechsel von Licht zu Schatten ist. Ein Foto aus einer anderen, noch etwas besseren Perspektive mit dem Routenverlauf findet man weiter unten im Beitrag.

Erschliessung

Die Idee zum Massnahmenpaket stammt nicht vom Autor, sondern von Daniel Benz. Er war schon früh in seiner Kletterkarriere an der Roskirche aktiv und hat in den 2000er-Jahren die beiden Neutouren Lucky Bernd (7a) und Schattenbachfäger (6b) erschlossen. Im 2024 kamen dann neu die High-End-Route Hauch der Vergänglichkeit (8b+) und die von Dominic Eggenberger (mit Support von Daniel) eingerichtete und gepunktete Wildfang (7a+) hinzu. Nun lud mich Daniel zu einem Besuch an der Roskirche ein, wir könnten da eine Neutour einrichten. So etwas tönt natürlich wie Musik in meinen Ohren und sofort sagte ich zu.

Marcel späht am Einstieg danach, wo es langgehen soll. An der Kante im Bild, das ist die Lösung.

Am (Nachmit)tag der Erstbegehung war es sehr heiss und der Zustieg mit dem Bohrmaterial war trotz aller Optimierung anstrengend. Als erste Massnahme musste ich mich nach der Ankunft am Fuss der Roskirche umgehend im Schatten abkühlen. Das gelang am Eingang der Rinne zum Nordsattel problemlos. So konnte ich auch noch der Mutmassung von Daniel lauschen, dass ich nach den Erstbesteigern von 1941 wohl die erste Person wäre, welche das Top der Roskirche zuerst über eine Neutour erreicht. Diesen Sachverhalt kann ich nicht abschliessend verifizieren, dass ich zuvor nie an dieser Nadel geklettert war, trifft hingegen uneingeschränkt zu.

Los geht's gleich steil! Daniel bohrt den ersten Zwischenhaken in L1 (6c).

Also legten wir los, Daniel - Marcel - Daniel so ergab sich die Aufteilung der Seillängen. Zählt man die Zahl der platzierten Bohrhaken, dann ist die Aufteilung mit 15:10 nicht im Verhältnis 2:1, sondern bei 1.5:1. Natürlich sind diese Rechnereien absolut nur Spielerei: ich freute mich sehr, dabei sein zu können und die tolle mittlere Seillänge inkl. ein paar spannenden Cliff-Placements einbohren zu können. Aufregend war es und ich hatte sehr Freude daran, wie gut es mir gelungen war. Pünktlich zum Sonnenuntergang waren wir auf dem Gipfel und konnten den Tag mit frohem Herzen beschliessen.

Auf den letzten Metern zum Gipfel in L3 (7a+).

Eine Woche später waren wir für das Rotpunkt-Business wieder vor Ort. Im Gegensatz zum letzten Mal sollte es dieses Mal eine Vormittags- und nicht eine Abendtour sein. Frühmorgens bei angenehm kühler Witterung und mit leichtem Gepäck fühlte sich der Zustieg gleich deutlich gemütlicher an. Wir entschieden uns schliesslich, das Punkten im Reverse Mode anzugehen. Sprich, man steigt diejenigen Seillängen vor, welche man nicht eingebohrt hat. Das erhöht die Spannung, so kann einem der Kletterpartner dann gleich berichten, ob man einen "Seich" zusammengebohrt hat und gleichzeitig würde auch dieses Mal die Aufteilung wieder 2:1 oder 15:10 lauten, einfach andersrum. Jedenfalls, die Rp-Begehung gelang auf den ersten beiden Seillängen mühelos. In der Cruxlänge hatte ich wohl eine Beta für die zwei schwierigsten Moves parat, doch es auf der kurzen Rési-Passage danach auch heimzunehmen war dann doch noch recht spannend - da musste ich durchaus Vollgas geben.

Auftakt zur RP-Begehung von L3 (7a+). Diese führt über die graue Wandpartie oberhalb der linken Hand des Kletterers. Ebenfalls gut sichtbar ist die Tradvariante, die wenig links davon am (in voller Auflösung) gut sichtbaren Riss direkt über das aus dieser Perspektive horizontal scheinende Dach führt.

Damit waren wir fast, aber noch nicht ganz fertig: als Variante zur dritten Seillänge gibt's ein massives, von einem gut fingerdicken Splitter Crack durchzogenes Dach. Dieses hatten wir initial verworfen, weil der Weg durch die Wand daneben einfacher und schöner schien (ersteres trifft sicher zu, zweiteres ist hingegen eine Frage der persönlichen Vorlieben). So seilten wir vom Gipfel in den grossen Spalt ab, gingen bzw. kraxelten durch den Kamin zurück auf die Westseite (konkret zum letzten Standplatz der Westroute) und nahmen die Trad-Variante dann in Angriff. Daniel zögerte kurz und platzierte (fast) seine ganze Familie an Klemmgeräten - die Sache ist eben schon noch committing! Dann aber zog er es so durch, wie man es von ihm kennt und diese coole, naturgegebene Linie war zur neuen Seillänge geworden. Wir schlagen dafür eine Bewertung von 7b vor. Damit war an diesem Tag noch nicht ganz fertig, denn wir hatten auch noch die Erstbegehung der Sinnfrage (7a, 3 SL) auf dem Plan. Doch davon berichtet dann mein nächster Blog...

Jetzt gilt's ernst! Der Boulder beim Ausstieg aus dem Dach ist die Crux der Trad-Variante (7b).

Zustieg

Es gibt mehrere Varianten, um zur Roskirche zu kommen.

  1. Für uns die schnellste und bequemste Variante, ein idealer E-Bike-Usecase: von Walenstadt bzw. vom Hasebärg (ca. 560m) an der Lüsisstrasse mit dem Stromrad steil aufwärts, dann auf 1100m noch steiler auf den Tschinglaweg abzweigen und diesem via Vorder Büls bis zum P.1544 (ca. 9km, 1100hm). Von dort auf dem blau-weiss-blau markierten Wanderweg über die Schwarzen Platten (T4) zum Chammsässli und weiter hinauf zum Valsloch. Nach der Engstelle an dessen Eingang noch ein paar Kehren (ca. 50hm) aufsteigen, bevor man horizontal zur gut sichtbaren Roskirche quert (zu Beginn weglos, dann schwache Pfadspuren, T4+). Ein gutes und bequemes Depot befindet sich gleich am Punkt, wo man die Roskirche erreicht. Der Einstieg befindet sich 10-15m unterhalb bei einem bequemen Podest (BH mit Austrialpin-Lasche und falls noch lesbar Farbanschrift "M.N.P" vorhanden). Zeitbedarf ab Walenstadt: ca. 40-45 Minuten per Bike plus 30-35 Minuten zu Fuss, d.h. 1:15h ab Walenstadt.
  2. Wer von Süden kommt und über kein E-Bike verfügt, der fährt wohl mit dem PW aufs Lüsis. Dort gibt es nur eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Auf Anfrage kann man (wenn Platz vorhanden) beim Gasthaus abstellen (15 CHF/Tag). Frei parkieren ist nur beim abseitig gelegenen P.1327 erlaubt, was sowohl die Anfahrt wie auch den Zustieg verlängert. Dann auf markierten Wanderwegen Richtung Tschingla, vorteilhaft über den Chalberhalden Highway zum Chammsässli und dann wie unter 1) beschrieben zur Roskirche. Zeitbedarf ab Walenstadt ca. 20-25 Minuten per PW und ~90 Minuten zu Fuss, total gegen 2:00h ab Walenstadt.
  3. Am wenigsten Zustiegs-Höhenmeter sind involviert, falls man die Bahn auf den Chäserrugg nutzt (Betriebszeiten beachten, mit Stand 2024 kostet das 62 CHF retour pro Person, bzw. 31 CHF mit Halbtax). Vom Chäserrugg auf dem Valslochweg absteigen und auf ca. 1950m (d.h. höher als wenn man von unten kommt) nach links zur Felswand hinüberqueren, an deren Fuss ein Wildpfad zur Roskirche führt. Auf dem Retourweg sind dann ~350hm im Aufstieg zu bewältigen. Zeitbedarf aus dem Tal in Unterwasser muss man selber berechnen... Diese Variante bietet sich vor allem dann an, wenn man von Norden durch das Toggenburg anreist.
Der Zustieg an die Roskirche ist nicht eben kurz. Aber es lohnt sich 😀

Routenbeschreibung

Roskirche - Massnahmenpaket 7a+ (6c obl.) - 3 SL, 100m - D. Benz, M. Dettling 2024
Material: 1x50m-Seil, 9 Express, Helm

L1, 30m, 6c: Los geht's mit ein paar gemässigten Moves an einem kurzen Vorbau, dann folgt aber gleich ein steiler Wulst, wo es kräftig zupacken heisst! Es lässt nicht gleich nach und mit dem Ausstieg in etwas flacheres Gelände wartet eine knifflige Stelle. Rechterhand setzt da eine Rissverschneidung an, welche in die Sequenz eingebaut gehört, auch das ist nicht trivial. Später etabliert man sich dann wirklich an diesem Riss, er ist aber breit und nicht so griffig. So wird man weiterhin gefordert, erst am Ende lässt es dann etwas nach.

Daniel folgt im oberen Teil von L1 (6c), das Bild aufgenommen bei der RP-Begehung.

L2, 35m, 6c: Unsere Route nutzt hier die Wandpartie gleich rechts vom Kamin der Westroute. Während die Kante noch dazu gehört, ist der Kamin und die linke Seitenwand gemäss unserer Interpretation zwecks Eigenständigkeit und Homogenität der Schwierigkeiten nicht Teil der Route. Aber Definitionen beim Klettern sind eh fragwürdig, auf MSL erst recht. So mache jeder, was er will. Auf den ersten Metern ist der Fels nicht super top, aber ok. Spätestens ab dem dritten BH spielt sich der Verlauf unweigerlich rechts in der Wand ab, das Gestein nun prima. Griffig biegt man um die Ecke und an eine steile Wandpartie heran. In bestem, wasserzerfressenem Fels mit Leisten und Löchern wartet die Crux, bevor rissige Strukturen beim Ausstieg ins flachere Gelände helfen, wo der Stand kommt.

Marcel unterwegs mit der Bohrmaschine am Gurt in L2 (6c).

L3, 35m, 7a+: Über eine schöne, raue und strukturierte Platte erreicht man "the meat of the pitch", eine überhängende Wandpartie mit der Crux. Erst noch griffig, heisst es dann erst kleine, scharfe Kratzer zu zwicken, die Füsse raufzubringen und dann mit etwas Rési an sloprigen Strukturen den Rettungsanker in Form von henkligem Griffmaterial zu erreichen. Wer sich am mitten in der Cruxzone befindlichen BH bedient, dort rastet und ihn zur Fortbewegung nutzt, kommt auch mit 6c 1pa durch, wodurch die Anforderungen der Route schön homogenisiert werden. Von den zuvor erwähnten Henkeln erreicht man eine Kante, an welcher man aufwärts steigt. Im oberen Teil ist rückseitig noch ein BH der Westroute klippbar. Man kommt so zum höchsten Punkt der Roskirche, geht dort einige Schritte horizontal nach Osten und steigt dann über eine Stufe ab zu Stand und Gipfelbuch.

Für Action Fotos aus L3 (7a+) siehe oben. Hier am Gipfel bei der Erstbegehung im letzten Teil von L3.

Abstieg

Vom Gipfelstand muss abgeseilt werden. Zuerst 15m auf der Nordostseite zu einem Bödeli. Man geht ca. 5-10m nach Osten zu Stand im Spalt, von wo man 25m auf das geräumige Velobödeli abseilt. Von diesem quert man über ein ca. 60cm breites Band für 15m in die Nordwand hinein zu einem weiteren Abseilstand. Über eine 25m-Strecke erreicht man den Sattel im Norden der Roskirche, von wo man zu Fuss zum Depot absteigt. Ins Tal zurück geht's dann gleichermassen wie beim Aufstieg. Zum Abseilen ist das Massnahmenpaket nicht eingerichtet. Vom Gipfelstand ist es auch nicht (vernünftig) möglich, über den Aufstiegsweg zurück zu seilen. Falls man von Stand 1 oder Stand 2 einen Rückzug machen muss, so ist das an sich problemlos - dafür eingerichtet sind die Standplätze jedoch derzeit nicht.

Time to go home! Abgeseilt wird über die Nord- und Ostseite der Roskirche.

Material, Absicherung & Topo

Die Route ist mit rostfreien Bohrhaken prima auf Stufe xxxx abgesichert. Hier und da muss man sich schon ein wenig engagieren, aber es gibt keine langen Runouts oder schwierige, psychisch anspruchsvolle Stellen fernab der letzten Sicherung. Ganz vereinzelt könnte man sicher noch einen Cam legen, nötig ist dies aber nicht und die Geräte können gut am Einstieg oder (je nachdem, was man sonst noch klettern will an der Roskirche) daheim bleiben. Ein super PDF-Topo mit allen Updates von der Roskirche gibt's zwar nicht aus der Feder, aber vom Computer von Daniel - Grundlage dafür waren die exzellenten Informationen im SAC-Führer St. Galler Oberland von Thomas Wälti. Vielen herzlichen Dank Daniel und Thomas für die saubere Arbeit, die keine Fragen mehr offen lässt! Wie beschliessen den Beitrag mit dem Foto der Wand mit dem Routenverlauf - so hat auch Marcel noch etwas zur Dokumentation der Linie beigetragen 😊 Viel Spass an der Roskirche wünscht euch das Erschliesserteam!

Die Westseite der Roskirche mit dem Verlauf von unserer Route Massnahmenpaket (3 SL, 7a+).

Freitag, 7. Juni 2024

Schibenstoll - Party 1142 (7a)

Erst kürzlich war mein Seilpartner in die Schweiz übersiedelt. Als bekennender MSL-Fan sei es ihm bisher schwer gefallen, Seilpartner für anspruchsvolle Unternehmen in den Bergen zu finden. Zwar seien alle Bouldergyms und die überhängenden Klettergebiete sehr gut besucht. Aber mit Zustieg, technisch-plattiger Kletterei und den Unabwägbarkeiten einer MSL-Tour wolle sich fast niemand herumschlagen. Somit wartete er noch auf seine Première nach der Züglete, wobei das instabile Frühlingswetter im 2024 natürlich das seinige dazutat. Jedenfalls konnte ich seinen Feststellungen nur zustimmen. Zu den erwähnten Punkten kommt bei mir kommt noch hinzu, dass nach langer "Karriere" bereits (fast) alle gängig-bekannten und im Topo mit 5* dekorierten Touren gemacht sind. Und Leute für neu erschlossene, obskure und/oder schwierige Routen zu finden, ist dann gleich nochmals schwieriger. Kurzum, die Party 1142 gleich als die erste MSL-Adresse in der Schweiz anzusteuern ist sicherlich etwas unorthodox - aber unter den gegebenen Voraussetzungen hat die Wahl eben doch ihre Logik.

Nein, so winterlich hat es an unserem Tourentag natürlich nicht ausgesehen. Der Nachteil am Churfirsten-Zustieg von Norden ist ganz klar, dass man Wand und Route nie übersichtlich zu Gesicht bekommt. Aus diesem Grund musste ich mir hier auch mit einem Foto von countryboy @ hikr.org behelfen, um den ungefähren Routenverlauf der Party 1142 am Schibenstoll Westgipfel einzuzeichnen.

Der beste Ausgangspunkt zur Tour befindet sich hier auf der Selamatt (Kartenlink) in der Kurve vor P.1536 bei Schribersboden, wo sich einige wenige Parkplätze befinden. Die Zufahrt dahin kostet 13 CHF an Taxe, bezahlbar an einem Automaten mittels Münzen oder Twint. Alternativ (und insgesamt etwas schneller) von Unterwasser per E-Bike, mit welchem man noch hinauf bis ins Rügglizimmer (P.1648) fahren kann. Von da geht es nur noch zu Fuss weiter, unsere Tour startet um 8.45 Uhr. Wir folgen dem Wanderweg bis zur Verzweigung Zuestoll/Schibenstoll, wobei wir schon die ersten Schneefelder begehen müssen - keine Überraschung für mich, es ist ja erst 6 Tage her, seit ich am Brisi noch auf Skitour war. Sie sind jedoch kompakt und auch in Zustiegsschuhen easy begehbar. Solange noch Schnee liegt, gilt es jedoch Acht zu geben auf einige heimtückische Karstlöcher, die sich in unmittelbarer Nähe der Wegspur befinden. Auf ca. 1765m nehmen wir dann den direkten Weg ins Kar zur Stollenfurggel und gehen meist über den gut begehbaren Schnee, das apere Gelände zu suchen wäre aufwändiger und zeitraubender. 

Lieber ein Foto vom Klettern wie vom Wandern... das ist der Start in L3 (6c+). Ich komme nicht umhin, den sich hier amateurhaft hinter dem Seil befindlichen Fuss zu kommentieren. Vor dem Klipp des zweiten BH war die Positionierung richtig, unmittelbar danach (als geknipst wurde) nicht mehr. Das wurde natürlich vor dem Weiterklettern bereinigt, so zu stürzen wäre unangenehm. Aber besser noch hätte ich den Haxen schon vor dem Foto umplatziert 😎

In der Stollenfurggel eröffnet sich der wunderbare Tiefblick auf den Walensee. Und es wird sich uns präsentieren, wie gut wir in den Schnüerliweg einsteigen können. Früh in der Saison kann es wegen Wechtenbildung in allen Churfirstensätteln schwierig sein, von der schneebedeckten Nordseite auf die apere Südseite zu wechseln. Meine Ferndiagnose anlässlich einer Bouldersession im Murgtal hatte zwar ergeben, dass es problemlos sein müsste. Aber aus 7.5km Distanz sieht man nicht alles restlos genau... doch hier lag ich richtig, es war kein Problem. Ich war sehr gespannt auf diesen Abschnitt des in letzter Zeit stark gehypten Schnüerliwegs (zuvor kannte ich nur den östlichen Teil vom Valsloch bis zum Einstieg der Rauchpause). Doch während es global gesehen schon eine recht aussergewöhnliche Passage ist, war ich schlussendlich fast ein wenig enttäuscht: die Querung von der Palisnideri zu den Einstiegen am Zuestoll ist doch wesentlich spektakulärer und exponierter. Zum Einstieg muss dann noch ein ordentliches Stück (ca. 200m) unter der Wand in problemlosen Gehgelände gequert werden. Die Fixschlinge am Einstieg der Westgipfel Südwand weist einen dann unmissverständlich darauf hin, dass man sich am richtigen Ort befindet. Wir bereiteten uns vor, ich startete schliesslich um 9.45 Uhr mit der Kletterei.

Die schmalste Passage am Schnüerliweg - nicht ganz so spektakulär wie der Zustieg am Zuestoll.

L1, 25m, 6a+: Die ersten Moves haben es gerade in sich, danach folgt schöne, etwas einfachere Kletterei in gutem, plattigem Fels. Zuletzt dann nochmals etwas steiler nach rechts hinaus. Ein freundlicher und gut abgesicherter Auftakt.

Am Ende von L1 (6a+) wartet nochmals eine etwas steilere Passage.

L2, 20m, 6c: Gleich die Passage aus dem Stand raus ist wegen Trittarmut fordernd, bevor es etwas einfacher zu einem kleinen Dächli mit nachfolgender Rippe geht. Weite Züge zwischen recht guten Schuppen stehen da auf dem Programm, wobei die Füsse ausgewählt auf abschüssigen-rauen Reibungstritten platziert werden müssen. 

Das im Text zu L2 (6c) erwähnte Dächli dürfte hier erkennbar sein.

L3, 20m, 6c+: Kurz nach links und dann geht's gleich los mit einer Passage, wo entschlossen an kleinen (und teils fragil wirkenden) Schüpplein gezogen werden muss. Eindrücklich und anhaltend geht's durch die geschlossene Wand weiter, wobei sich dem Kennerauge immer ein Weg eröffnet und alles gut aufgeht. Das gilt auch für die Linkstraverse am Ende der Seillänge - choose your way wisely!

Hervorragende, senkrecht-technische Wandkletterei in L3 (6c+).

L4, 25m, 7a: Erneut gibt's einen fulminanten Auftakt gleich mit der Crux. Mein Kletterpartner hat die mit komplett anderer Beta gelöst wie ich. Er probierte erst meine Idee und taxierte sie als 'unmöglich', mir ging's aber mit seinem Ansatz genau gleich... jedenfalls, ich kam gut durch und fand diesen Abschnitt nicht spürbar schwieriger wie die Cruxen L3 oder L5. Bald ist die Sache hier gegessen, die oberen drei Viertel sind deutlich einfacher: erst griffige Wand, dann an oder schöner neben der Verschneidung.

Da ist der gute Griff am Ende der Cruxsequenz von L4 (7a) in der Hand und es kann entspannt werden.

L5, 35m, 6c: Zu Beginn eine stark grasig-schrofige Passage, zum Glück ist der Fels fest. Es folgt ein erster Riegel in sehr schönem Fels, der sich tiptop auflöst. Am zweiten Riegel heisst es dann mehr zupacken: der präsentiert die Crux: sich abschüssig-seitgriffig delikat positionieren und kurz zum Rettungsgriff zaubern heisst da das Motto. Geholfen hat dabei ein Mikroschüpplein - ja es ist dort geblieben, aber ob es dies für immer tut?!? Zuletzt einfacher zum Stand, Achtung auf den (offensichtlichen) losen Block.

Das Finish von L5 (6c) ist gemütlich, die Crux hingegen knifflig-bouldrig-kurz und tricky.

L6, 35m, 6c+: Im Schrofengelände hinauf zu einer superschönen Wand, die attraktiv aussieht aber taffe Moves vermuten lässt. Diese findet man jedoch vor allem am Einstieg, wo es an Slopern in einer Traverse über ein Dächlein hinweg geht. Wichtig: den zweiten BH nach Klipp des dritten wieder aushängen oder stark verlängern, sonst bezahlt man sicher mit viel Seilzug. Die Wand oberhalb klettert sich dann dank super strukturiertem Fels genialst und viel einfacher wie gedacht.

Nach schrofigem Auftakt bietet L8 (6c+) kompakte Wandkletterei in superschönem Fels.

L7, 35m, 5c+: Der Auftakt in diesen Abschnitt ist komplizierter, wie man für den Grad vermuten könnte. In einem 'S' liegt die Lösung, nachher geht's auf der Rampe in schönem, griffigem Fels gemütlich nach rechts. Wir haben uns gefragt, warum vom Erschliesser nicht eine schwierigere Linie gerade hoch in de visu schönem, forderndem Terrain gewählt wurde... unsere Antwort dazu: so käme man nicht zum Gipfel und die Route wäre 1 SL weniger lang.

Gemütliche Kletterei in schönem Fels über die Rampe, durch welche L7 und L8 führen.

L8, 40m, 6a: Auf der Rampe geht's weiter, die Kletterei noch immer schön, aber ohne die ganz speziellen Momente. Im zweiten Teil kommt man dann zu einem schrofigen Kessel unter dem Gipfelaufbau. Hier wurde die Route rechts in den Fels gelegt - das ist v.a. zu Beginn sicher angenehmer so, vor dem Ende ist der Fels dann aber eher chossy und erfordert einige Vorsicht. Wir fanden diese Länge insgesamt einfacher wie L7.

L9, 25m, 6b: Das etwas gesuchte Schlussbouquet am Gipfelaufbau bietet nochmals schöne Moves. Über Stufen hinweg zu einer Traverse, wo der Exit in einfaches Gelände die Crux darstellt. Diese ging allerdings 'gäbig' von der Hand, sprich eher einfacher wie 6b. Der letzte Teil zum Top ist dann zwar klettertechnisch geschenkt, der lose Fels erfordert aber gehörige Aufmerksamkeit.

Bernat entsteigt der Crux von L9 (6b). Zum Schluss dann alpines Gelände, das Umsicht erheischt.

Um 13.45 Uhr hatten wir es nach 4:00h Kletterei geschafft. Meinem Kletterpartner war eine einwandfreie Onsight/Flash-Begehung gelungen - bravo, welch ein Einstand ins Schweizer MSL-Klettern! Mit einer einwandfreien Begehung kann ich mich nur fast (bzw. eben nicht) rühmen: leider musste ich zu Beginn von L3 einen Sturz wegen Griffausbruch verzeichnen. Ich nutzte das offensichtlichste, positive Feature da, im Glauben dass dies bereits bei Erschliessung und Erstbegehung getestet worden sei. Doch entweder lag ich damit falsch oder habe zu viel Kraft eingesetzt... jedenfalls war ich zurück auf Höhe Stand, bin gleich wieder los und durchgestiegen. Bei der entsprechenden Stelle muss nun eine andere, kleinere Struktur genutzt werden, die aber vorhanden ist. Rein in Bezug auf's Festhalten ist vielleicht einen Tick schwieriger geworden, dafür ist der Onsight-Durchstieg aber vielleicht auch einfacher, weil ich eine "Falle" aus der Route entfernt habe 😊 Anyway, bis auf dieses kurze Missgeschick darf auch ich mir einen Durchstieg notieren. 

Top am Schibenstoll Westgipfel (P.2196), ein exklusiver, nur selten besuchter Ort.

Wir machten den kurzen Weg hinüber zum Steinmann auf dem Schibenstoll Westgipfel (P.2196), den ich zuvor noch nie erreicht hatte und der auch nur sehr selten bestiegen wird. Es gibt nämlich keinen wirklich einfachen Weg dahin und die Kletterrouten sind alle nur spärlich frequentiert. Das zeigt sich durch die Tatsache, dass immer noch das erste Gipfelbuch von 1968 in der Schatulle versteckt ist. Es war sehr spannend darin zu lesen, bitte dieses jedoch sehr sorgsam behandeln!!! Ein Kurzfazit: ab 1968 und in den 1970ern gab es regen Verkehr der lokalen und regionalen Szene in den damals relativ frisch erschlossenen, klassischen Routen. Mit dem Aufkommen der Sportkletterei verebbte dies, so herrscht zwischen 1985 und 1992 eine Lücke. Wohl nur dank der guten Dokumentation in den Churfirstenführern von Thomas Wälti (1995 und 2023) gibt es in der neueren Zeit überhaupt noch Besuch. Doch auch dieser ist nicht üppig. Es wird spannend zu sehen sein, ob die Party 1142 nun mehr Begeher an den Schibenstoll Westgipfel lockt. Laut dem Gipfelbuch war unsere Begehung jedoch die erste Wiederholung der Route.

Man vergleiche zu p.11 im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von 2023 😀. Also von den 1142 Türmen im Elbsandstein bin ich weit, weit weg. Im besten Fall sind es 11 oder noch ein paar mehr, sicher aber keine 42. Sprich, ich war anno 2009 mal dort unterwegs. Leider die Fotos (Speicherkarte) verloren und daher nie "etwas daraus gemacht", was die Erinnerungen hat verblassen lassen... Dafür komme ich langsam in die Nähe von 1142 gekletterten MSL-Routen, das ist ja doch auch etwas 🤓 und erst noch mit dem Vorteil, dass man damit nicht fertig ist, sondern die Geschichte noch weitergeht. Allerdings gibt's halt auch keine Party...

Für den Abstieg gibt es unterschiedliche Optionen: 1) hinüber zum Hauptgipel (alpines Gelände, T6) und Fussabstieg über den Wanderweg, 2) Abstieg mit 3x Abseilen über den Westkamin oder 3) Abseilen über die Route. Das ist laut Topo nicht vorgesehen, aber wir hatten trotzdem beschlossen, auf diese Lösung zu setzen (da nordseitig teils noch Schnee vorhanden und man sonst das ganze Material mitführen muss, da man nicht mehr am Einstieg vorbeikommt). Das Abseilen ging gut und zügig in 4 Manövern à 60m. Wobei zwei, drei Dinge zu erwähnen sind: a) die Standplätze sind nur rudimentär mit Schlingen, jedoch ohne Abseilring/Karabiner ausgerüstet, b) v.a. in den flacheren Passagen besteht ein substanzielles Verhängerrisiko an Schuppen und Zacken mit rauem Fels und c) ist die Steinschlaggefahr beim Seilabziehen bestimmt nicht null. Das konnten wir aber alles managen und bald am Einstieg vespern, bevor wir über den Schnüerliweg rausquerten, dann auf dem Schnee zügig das Stollental runterrutschten und zurück zum Ausgangspunkt gelangten. Das war eine tolle Auftakttour mit Bernat gewesen, es mögen hoffentlich noch viele weitere folgen!

Zügiger Abstieg durchs Stollental (steilste Passage 40 Grad, heikel bei Hartschnee!)

Facts

Churfirsten / Schibenstoll - Party 1142 7a (6b+ obl.) - 9 SL, 260m - Th. Wälti 2022 - ***;xxxx
Material: Ja nach Abstieg 1x50m bis 2x60m, 10 Express, Cams 0.2-1

Die erste moderne Route am Schibenstoll Westgipfel bietet über weite Strecken schöne Kletterei in gutem Fels. In den schwierigen Abschnitten dominiert senkrechtes, technisch anspruchsvolles und bewegungsintensives Gelände, welches gute Lesefähigkeiten und Fusstechnik erfordert. Wegen der Art der Kletterei und auch weil die oft kleinen Strukturen mit Verstand behandelt werden wollen, scheint mir die Route eher für in diesem Gelände versierte Leute prädestiniert. In einfachen Abschnitten trifft man auch auf etwas Gras und weniger soliden Fels. Diesem Klartext zum Trotz sei erwähnt, dass die Route für erfahrene MSL-Kletterer wirklich ein absolut lohnendes Unternehmen ist, das vielleicht nicht ganz, aber doch fast an die Routen in der Zuestoll Südwand herankommt. Die Absicherung mit rostfreien Bolts ist an den Schlüsselstellen prima (Niveau xxxx) und es gibt keine zwingend schwierigen Passagen weitab der letzten Sicherung. Im einfacheren Gelände (bis 6a) wurde deutlich spärlicher gebohrt, da heisst es oft mehrere Meter zu steigen, bis wieder geklippt werden kann. Aber alles in vernünftigem Rahmen, denke Niveau xxx wird auch da erreicht. Da und dort lässt sich noch mobiles Gear platzieren. Allzu zwingend ist dies nicht und es lassen sich so auch nicht alle der längeren Hakenabstände entschärfen. Wir haben total ca. 5x einen (jeweils eher mässig zwingenden) Cam gelegt, die mitgeführten Klemmkeile haben wir nie benutzt. Ein Topo und weitere Infos findet man im hervorragenden SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Erschliesser Thomas Wälti himself.