Für ein weiteres Mal hatten uns die Wetterfrösche nichts erfreuliches zu berichten. Ja, es blieb sogar unklar, ob, wann und wo die Sonne scheinen oder es regnen würde, ja gar Blitz und Donner wurden als mögliches Szenario genannt. Also wollten wir es wieder einmal am Chli Glatten versuchen. Dank dem kurzen Zustieg und der moderaten Routenlänge ist hier ein Rückzug im schlimmsten Fall rasch bewerkstelligt. Dennoch bieten die steilen Routen richtiges Alpinkletter-Feeling, und dieses wollten wir auf keinen Fall missen. Unsere Wahl fiel schliesslich auf die 5-SL-Route Open Air (7a+). Nachdem wir von rechts her an den Drahtseilen auf den Vorbau gestiegen waren, konnten wir um 8.20 Uhr zeitig loslegen.
Open Air (7a+)
L1, 30m, 5c: Die Einstieglänge ist noch etwas nass, doch in wahrer Alpinistenmanier meint Jonas "kein Problem". Ist es dann auch nicht, dank der guten Absicherung und den moderaten Schwierigkeiten stören auch die noch etwas klammen Hände nicht allzu sehr. Die Kletterei schon steil, der Fels eher von alpiner Durchschnittsqualität, einige lose Steine liegen auch herum.
Sicht auf L1, 5c. Die Route führt danach links am steilen Pfeiler hoch, in der grossen Verschneidung ist der historische Klausenweg. |
L2, 20m, 6c+: Nun muss das Aufwärmen bereits erledigt sein. Diese an sich recht kurze Länge hängt etwa 4m über und bietet Henkelspass par excellence. Die Absicherung ist vorzüglich, nur das Anklettern des zweiten BH muss man sich etwas verdienen. Erst arbeitet man sich irgendwie mit den Seitgriffen der Kante links und denjenigen im Riss rechts in die Höhe. Kurz vor dem Stand spitzt sich die Sache zu, und an einigen flachen Leisten wird geprüft, ob noch Saft in den Armen ist.
Sehr steile Kletterei, die gleich mehrere Meter überhängt, trifft man in L2, 6c+. |
L3, 25m, 6c+: Vom Hängestand aus geht es im selben Stil weiter. Ziemlich überhängende Wandkletterei an flachen Leisten und dem einen oder anderen Seitgriff bei bester Absicherung. Knifflig ist dann der Übergang in die senkrechte Zone danach. Hat man diese griffarme Passage gemeistert, warten zwei längere Runouts zum Stand hin. Es ist einfacher dort, einfach schön cool bleiben und den Pump sauber aus den Armen schütteln.
L4, 45m, 6c: Absolut geniale Seillänge, die nicht mehr ganz so steil ist und nach einem leicht überhängenden Wändchen zu Beginn eher technische Kletterei bietet. Der Fels ist rauh und strukturiert, bis auf die hier viel bessere Absicherung wähnt man sich wie an den Wendenstöcken! Es ist vielleicht nicht die spektakulärste, aber sicher doch die schönste Länge der Tour!
Auf sehr schönen, wasserzerfressenen Fels trifft man in L4 und der ersten Hälfte von L5 (7a+), wo Jonas hier klettert. |
L5, 30m, 7a+: Bald nach dem Stand folgt die erste Crux, wo man wiederum die seitgriffige Kante links geschickt einbauen muss und schliesslich komplett aufgespannt einen ziemlich weiten Dyno macht, zack! Danach wird mal links abgebogen und einfacher hochgestiegen, um nach einer bereits kräftigen Traverse nach rechts den Abschlussüberhang anzupacken. Dieser hängt nochmals etwa 3m über und ist sausteil. Der Klötzlifels mit seinen flachen Leisten scheint hier nur mässig solide. Da aber von dern Erstbegehern geputzt wurde, kann man vermutlich an ziemlich allem ziehen, was den Händen und Füssen Widerstand bietet. Irgendwie schlägt dieser Fels aber (mir) doch leicht auf die Psyche, jedenfalls war ich um die hier mehr als gute Absicherung froh.
Der extrem steile Abschlussüberhang in L5 (7a+) hat es echt nochmals in sich! |
Um 11.20 Uhr erreichten wir nach 3 Stunden Kletterei das Top. Das war jetzt echt eine coole und wirklich spektakulär athletische Route! Der Weg retour an den Einstieg ist rasch erledigt. Praktisch freihängend geht es die obersten zwei Seillängen nach unten. Von dort gelangt man mit 2x60m-Seilen bereits und wiederum komplett freihängend an den Einstieg. Mit 50er-Seilen muss hingegen noch der Stand nach L2 angependelt werden, um dort das Seil nochmals einzufädeln.
Halloween (6c+)
Weil das Wetter noch zu halten schien, unsere Kräfte noch nicht komplett erschöpft waren und der Hunger nach Fels noch nicht gestillt, wollten wir in eine weitere Route einsteigen. Um im Stil noch etwas Abwechslung zu haben, fiel unsere Wahl auf die in der Plattenwand etwa 60m weiter rechts gelegene Halloween (6c+). Betrachtet man das Topo im Extrem Ost, so werden Open Air und Halloween in Bezug auf Absicherung und Schönheit gleich bewertet (welch ein Witz!). So gingen wir davon aus, dass wir diese auf dem Papier doch markant leichtere Route zügig würden abspulen können. Wir sollten jedoch eines Besseren belehrt werden.
L1, 40m, 6a+: Ich steige die ersten Meter hinauf, und schon beim Blick nach oben fällt mir auf, dass hier nix mit "Klink & Climb" sein wird. Jonas reicht mir Keile und Friends, die wir in der Open Air nicht mitgeführt hatten. In schöner Wandkletterei, sich an eine Verschneidung haltend, führt diese erste Seillänge nach einem etwas grasig-lottrigen 10m-Vorbau in die Höhe. Es ist schon recht fordernd, mit ein paar gelegten Cams ist die Absicherung aber passabel.
Noch schöne Kletterei in L1 (6c+) von Halloween. |
L2, 48m, 6b+: Jonas ist dran mit der zweiten Länge. Schon vom Stand aus sieht die etwas einschüchternd aus. Der Fels ist schwarz, staubig und teils auch etwas splittrig. Schon die Passage über die ersten zwei Bolts gleich ob dem Stand ist nicht trivial und etwas heikel. Danach folgt eine überhängende Zone, wo die ca. 6-7m zum nächsten Bohri geklettert sein wollen. Ich übernehme, und kann den Runout meistern, wer's nicht packt, kann sich auf einen 10-15m-Segler am Stand vorbei einstellen. Auf den nächsten, einfachen Metern stecken die Haken dann wieder in Abständen von 2-3m, welch ein Hohn! Später muss dann hingegen ein Wulst wieder 5m über dem letzten Bolt geklettert werden, bevor noch die Crux an einer abwärtsgeschichteten, staubigen und unangenehm zu kletternden Platte folgt. Sie ist hart für 6b+, voll obligatorisch aber ok gesichert, mit dem BH bei den Füssen.
Das ist noch längst nicht der schlechteste Bolt, der in der Halloween steckt. |
L3, 35m, 6c+: Meine psychischen Kräfte sind etwas erschöpft, so lasse ich gerne mal Jonas vor. Der Beginn von L3 ist noch nicht so schwer, und auch vernünftig eingebohrt. Dann wird es steil und saumässig staubig. Nach der Crux um den Bolt herum folgt wiederum ein 6m-Abstand im überhängenden Gelände. Ich gehe ran, ok die Henkel sind da, aber stürzen sollte man trotzdem nicht. Weiter geht es mit technisch anspruchsvoller, senkrechter Kletterei an abschüssigem, staubigem Fels. Zuletzt kommt dann zum Stand hin ein 8m-Runout über eine staubige und teils mit roten Algen bewachsene Platte, anhaltend schwer. Ein weiter Sturz droht und dort wo man hinfällt warten labile Gesteinsmassen auf ihren Absturz - Hilfe und nein danke!
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Die letzte Länge bleibt uns verwehrt, das Wetter hat zugezogen und Regen liegt in der Luft. Leider steckt an den Halloween-Ständen kein Material, so dass wir auf die Direkte Plattenwand links daneben wechseln müssen. Bald hat uns Terra Firma wieder und läck, da wurden unsere Erwartungen wirklich total enttäuscht. Zudem ist auch die Absicherung teils fragwürdig, mit heiklen Runouts in schwerem Gelände, und dann wieder zahlreicheren Bolts wo man durchmarschiert. Item, ab ins Tal. Während wir es erst noch gemütlich nehmen, treiben uns erste Regentropfen schliesslich doch zur Eile an. Der Schauer gewinnt an Intensität, doch bald darauf sind wir am Auto, und können dem Treiben den Scheibenwischer betätigend locker entgegensehen.
Facts
Chli Glatten - Open Air 7a+ (6b obl.) - 5 SL, 150m - Gisler/Müller 2004 - ***; xxxx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, Keile/Friends nicht nötig und einsetzbar
Interessante und schöne Route rechts am Flachen Pfeiler, die für bei relativ moderaten Schwierigkeiten sehr steile und athletische Kletterei bietet. Dass man in diesem Grad auf gleich mehrere Meter überhängende Seillängen trifft, ist ja doch eher selten. Die Felsqualität in diesen Steilzonen ist ok, jedoch nicht überragend. Die Erstbegeher haben jedoch loses Material gut ausgeräumt und einige hervorstehende Zacken anzementiert, daher kann man hier dennoch sorgenlos moven. Die Absicherung mit vielen BH ist über weite Strecken hervorragend ausgefallen und bewegt sich meist auf Niveau xxxxx. Nur an wenigen Stellen (Anfang L2, Ende L3, Mitte L5) sind die Abstände dann auch einmal etwas weiter, und die Haken müssen teils deutlich überstiegen werden.
Chli Glatten - Halloween 6c+ (6b+ obl.) - 4 SL, 160m - Raillard et al. 1995, Gisler/Müller 2005 - **; xx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, Camalots 0.3-2
Für mich eine total enttäuschende Kletterei, unter den mir ca. 15 bekannten Routen am Chli Glatten die schlechteste und kein empfehlenswertes Ziel am Klausenpass. Klar, stellenweise ist auch hier die Kletterei recht schön, öfters ist der Fels aber sehr staubig und manchmal auch etwas brüchig. Die Absicherung ist eher schlecht. Es stecken zwar regelmässig Bohrhaken, doch gerade an den schweren Stellen sind die Abstände manchmal weit (teils xx), während an einfacheren Stellen dann wieder mehr steckt (bis zu xxxx). Insgesamt einfach unlogisch, und stellenweise auch mit Potential für nicht ungefährliche Stürze. Hinzu kommt, dass die Bohris teils schon arg verrostet sind. Das verzinkte Material ist für diese häufig mit aus einer Vegetationszone kommendem Wasser überronnene Wand einfach nicht geeignet. Ich denke, diese Route wird in den nächsten Jahren weiter vergammeln und vermutlich vergessen gehen.
Ein sehr gutes Topo mit den beiden Routen und weiteren in diesem Sektor gibt es als PDF.
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