Der Pfaffenhuet ist mit Sicherheit der beliebteste Sektor an den Wendenstöcken. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Routen an diesem Berg meist nicht ganz so verzweifelt schwer und generell auch einen Tick besser abgesichert sind als an den umliegenden Felsen. Seit dem Jahr 2010 ist dies jedoch auch nur noch die halbe Wahrheit. Dann beendete das bekannte Duo Ruhstaller/Rathmayr die Arbeit an ihrem Pfaffenhuet-Testpiece mit den Namen Transocean. Mit 7b+ liegen die Maximalschwierigkeiten deutlich über jenen der Nebenrouten und an sich vernünftige BH-Absicherung ist oft reichlich sportlich und zwingend ausgefallen. Trotzdem oder gerade deswegen wollten Dani und ich hier einen Versuch starten, die auf dem Papier ähnlich deklarierte Deep Blue Sea von demselben Team hatte uns ja auch restlos überzeugt.
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Morgenstund hat Gold im Mund! Der Sektor Pfaffenhuet etwas links der Bildmitte. |
Klettern an den Wendenstöcken bedeutet unweigerlich früh aufstehen, um 4.30 Uhr schrillte der Wecker dieses Mal. Der Nachteil an der frühen Anfahrt ist eindeutig, dass man auf der Fahrt leider noch keinen Kaffee auftreiben kann. Nun denn, wir würden schon noch wach werden! An den Wenden war nicht viel los, nur gerade eine weitere Seilschaft folgte uns und wollte in die Patent Ochsner einsteigen. Das lokalisieren des Startpunktes war für mich nicht weiter schwierig, hatte ich doch an diesem Massiv schon die meisten anderen Routen kennengelernt. Mittig am Pfaffenhuet, etwa 20m links des markanten Patent Ochsner Chübeldeckels geht es los. Um 8.45 Uhr war schliesslich alles hergerichtet. Ich überliess Dani gerne den Vortritt, denn Gerüchte über die herbe Natur der ersten Seillänge waren schon bis an mein Ohr gedrungen.
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Wendenböckli am Einstieg, gemäss dem Experten ca. 1.5 Jahre alt :-) |
L1, 45m, 6c: Der Auftakt über ein löchriges Dächlein ist noch trivial. Danach muss man etwas aufpassen, vor dem zweiten Haken keinen Grounder zu fabrizieren. Die Kletterei ist aber noch nicht allzu schwer, legen hingegen naja, geht nicht so gut. Danach will dann an schönem, etwas abschüssig strukturiertem Fels schon bald plattig fein angetreten werden, sorgfältig Moven hilft. Nach zwei neuerlich weiten Abständen folgt dann die Crux nach dem fünften BH. Richtig schwere Plattenmoves, etwas unangenehm an Untergriffen und zwingend zwischen den Haken, auch wenn die Absicherung hier ok ist. Von der Bewertung her könnte man hier auch gut ein + draufpacken, mindestens sogar, finde ich.
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Jetzt geht's loooos! Dani unterwegs in L1 (6c), eben ist der zweite BH erreicht und die Grounder-Gefahr gebannt. |
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Sehr schöne Kletterei am Ende von L1 (6c), die für den Grad jetzt wirklich alles andere als einfach ist. |
L2, 35m, 6a+: Zuerst sehr schöne Plattenkletterei, die gut abgesichert ist, für den angegebenen Grad jedoch auch nicht gerade als einfach zu betiteln ist. Links um die Ecke kommt man dann in einfacheres Gelände, wo man problemlos an Höhe gewinnt. Ungefähr 15-20m über der letzten Sicherung kommt dann nochmals eine etwas schwerere Stelle. Kurz bevor mir die grauen Haare zu wachsen begannen, erblickte ich dann doch noch den BH, der hier ideal steckt. Tipp: nach dem zweiten BH ziemlich deutlich nach links halten und der natürlichen, einfachsten Linie folgen.
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Prima Auftakt in L2 (6a+), diese Platten hier sind allerdings auch nicht einfach blosses Gehgelände. |
L3, 35m, 6b+: Vom Stand weg nach rechts und in nicht ganz so kompaktem Gelände aufwärts an eine Verschneidung. Dort über einen Wulst hinweg und schliesslich nach rechts raus in die Wand mit schönem, rauhem Fels. An zwei Nischen vorbei geht es bei eher distanter Absicherung, dafür sind die Schwierigkeiten überschaubar. Wenn die erste Länge tatsächlich 6c ist, so würde ich hier im Vergleich dazu nur für 6a oder 6a+ plädieren. Aber wahrscheinlich ist es stimmiger, L1 etwas aufzuwerten ;-) Die im Topo verzeichnete letzte Zwischensicherung (SU-Schlinge) existiert nicht, man wird die Sanduhr etwas links aber schon aufspüren und auch das Fädeln bereitet keine Probleme.
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Startsequenz in L3 (6b+), ein solcher Seilverlauf macht doch immer wieder Freude ;-) |
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Obenraus in L3 (6b+) dann gute Kletterei bei weiten Hakenabständen, aber das Gelände ist leicht verdaulich. |
L4, 15m, 7b: Nun gilt es gemäss Topo definitiv ernst. Eine steile, fast dachartige Zone will hier gemeistert sein. Der Beginn fällt dabei noch nicht durch ausserordentliche Felsqualität auf, die grossen Schüsseln und rausstehenden Zacken sind etwas fragil. Geht aber schon, und die BH stecken auch vernünftig. Die Crux dann zwingend vom zweiten zum dritten BH: erst Leisten riegeln, dann dynamisch an ein Loch (ooohhh, welche Enttäuschung, es ist sloprig schlecht). Doch nur dranbleiben, noch zwei drei Züge weiter und man ist gerettet. Der Ausstieg an der fantastisch rauhen Struktur dann genial. Hier gelang mir sogar ein Flash im Nachstieg.
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In L4 (7b) geht es über eine dachartige Zone hinweg, zu Beginn nicht gerade das Oberbijou. Der Hexer hat's schon gemeistert! |
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Das Ende von L4 (7b) dann genial an der ultrarauhen, kleingriffigen Struktur. |
L5, 30m, 7b+: Geniale und anhaltende Seillänge! Vom Stand weg in einem Linksbogen los, der Start ist scheint's etwas grossenabhängig - ich tat mich jedenfalls wesentlich leichter wie mein Seilpartner. Danach dann weiter an feinen Querschlitzen, diagonalen Untergriffen für links und kleinen, scharfen Rauhigkeiten, die brutal Haut fressen. Die grösste Herausforderung liegt im Behalten der Übersicht und der Ausdauer. Den Chalkspuren meines Vorsteigers folgend komme ich mit (nur) einem einzigen Bloc durch, daher sicher keine unmögliche 7b+. Das Special Feature dieser Länge kommt aber dann am Ende: über eine mit winzigen Rauhigkeiten gespickte Platte im 7a-Bereich will ein Runout von 6-7m zum Stand gemeistert werden - extreme Kopfsache, ja gar Wahnsinn! Der letzte geklinkte BH ist (günstig oder ungünstig, wie man es nimmt ;-)) links von einer Kante und nicht sichtbar platziert, was die psychischen Anforderungen noch erhöht - die Seile verschwinden nämlich einfach im Leeren.
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Definitiv die markanteste und psychisch anspruchsvollste Stelle, der ca. 7a-Runout über die senkrechte Platte am Ende von L5 (7b+). |
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Auch im Nachstieg ist eine gewisse Anspannung nicht zu verneinen, Griff- und Trittgrösse sind überdies gut erkennbar. |
L6, 25m, 7a+: Gut gesicherte Wandkletterei an feinen Strukturen und ziemlich scharfen Schüppchen, optimaler Fels wartet hier. Fand ich ziemlich biestig, kam mir im Vergleich zu den beiden Längen davor hart für den Grad vor. Die Hauptschwierigkeit besteht in einer mittigen Querung nach links. Doch wo setzt man diese an? Mein Partner querte etwa 2m höher als ich, doch waren wir beide nicht restlos von unserer gewählten Lösung überzeugt. Anyway, wer das gemeistert hat, darf bis zum Stand hin noch ordentlich Dauerpower beweisen.
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Steile Wandkletterei in L6 (7a+). Dass es hier keine grossen Griffe und Tritte gibt, wird anhand dem Foto offensichtlich... |
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...kleine, scharfe und feste Strukturen gibt es aber zuhauf und wenn man entsprechend zukrallt, dann geht es schon. |
L7, 45m, 6c: Lange, lässige und athletische Abschlusslänge an meist guten Suppenschüsseln, d.h. rund-sloprigen Löchern, die bisweilen etwas staubig sind. Die Absicherung hier nicht gerade eng, aber insgesamt doch ok. Für den Nachsteiger ist's hier für einmal auch nicht so viel gemütlicher, nach Aushängen des ersten BH will nämlich die Crux geklettert sein und wer das nicht packt, vollführt einen doch ziemlich ordentlichen Pendler nach links. Bezüglich der Schwierigkeiten ist's irgendwie deutlich einfacher wie L1, aber auch schwerer wie L3 - was immer das jetzt auf der Skala genau heisst.
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Steiles und athletisches Abschlussbouquet in L7 (6c), kommt auf dem Foto leider nicht so zur Geltung. |
Um 13.45 Uhr erreichen wir das Routenende auf dem ersten, schmalen Ringband. In gerader Linie könnte man hier nun noch vier weitere Seillängen im 6a-6b Bereich aufs grosse Querband anhängen. Mir sind diese schon von 3 früheren Begehungen bekannt - durchaus interessant, aber nicht allererste Sahne. Weil für den Nachmittag einige Schauer angesagt sowie Gewitter möglich sind, und wir nicht so genau wissen, wie es sich weiterentwickelt, treten wir den Weg in die Tiefe an. In vier gestreckten Abseilern und der Ausleihe eines Standes aus der Voie de Frère sind wir bald wieder am Einstieg. Da scheint dann doch noch die Sonne und weil noch etwas Zeit bleibt, packen wir noch einen 3-SL-Baseclimb weiter links an. Dieser entpuppt sich als genau die richtige Herausforderung zu diesem Zeitpunkt. Rund zwei Stunden später treten wir dann doch den Abstieg ins Tal an und kurven retour über den Susten nach Hause. Danke vielmal Dani für die kompetente Führung der schweren Längen in dieser sehr interessanten und herausfordernden Route - es war mir ein grosses Vergnügen, mit dabei sein zu können.
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Weiter links in der Gory noch ein bisschen vom tollen Fels genossen. |
Facts
Pfaffenhuet - Transocean 7b+ (7a+ obl.) - 6 SL, 230m - Ruhstaller/Rathmayr 2010 - ****; xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, evtl. Camalots 0.5-1
Schöne, schwere und oft kratzige Kletterei zentral an der Südwand des Pfaffenhuet. Von psychsich herausfordender Plattenkletterei über Crimperei an kleinen, rauhen Strukturen zu athletisch-grossgriffigen Zonen wird ein bisschen alles geboten. Die Felsqualität ist praktisch durchgehend gut, ja teilweise sogar fantastisch. Zwei, drei etwas weniger schöne oder staubige Stellen sollen hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, was sich mit weiteren Begehungen sicher noch verbessern wird. Die Absicherung kann man als vernünftig bezeichnen. Wirklich gefährlich ist es nirgendwo und an den schweren Stellen sind die Abstände nie extrem weit. Dennoch sind viele schwere Passagen absolut zwingend zu meistern, was der Sache doch einen reichlich sportlichen Anstrich gibt. Der obligatorische Grad von 7a+ passt und spricht alleine schon Bände. Klemmgeräte und -keile können eigentlich kaum wirkungsvoll eingesetzt werden, meines Erachtens kann man diese auch gleich daheim lassen. Besondere Würdigung verdient der Runout am Ende von L5, die 6-7 zwingenden Meter über die feinstrukturierte Platte im 7a-Bereich wird zumindest der Vorsteiger nicht so rasch vergessen, egal ob der Abflug passiert oder nicht...
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Weitere Träume... Excalibur, Dom und Areus in der Spätnachmittagssonne. |
Topo
Hier gibt's das hervorragende Topo der Erstbegeher. Besten Dank Reto und Bernd!
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