Nachdem wir mit den Kindern neben der Route Balu (siehe vorheriger Beitrag) noch einige weitere Plattensektoren kennengelernt hatten, wollten wir zum Abschluss der Setesdaltage ein weiteres, für uns herausforderndes MSL-Projekt angehen. Die Wahl viel dabei erneut auf den Loefjell, er ist in dieser Hinsicht die beste Wand in der Region. Von den älteren Routen mit ihren schlechten Haken und den ungesicherten einfachen Plattenlängen mit Totalschadenpotenzial wollten wir uns fernhalten. Somit wählten wir die mit Höchsnote dekorierte Magic Wall, eine Kreation von Hans Weninger aus dem Jahr 2011.
Der Loefjell mit seiner 350m hohen Plattenwand und der Route Magic Wall, die etwa 60m links von Oh Happy Day verläuft. |
Im Führer ist die Route als Freikletterprojekt mit mutmasslichem Grad von 7a+ aufgeführt. Das liegt ja durchaus in meiner Kragenweite, also rechnete ich mir Chancen aus, hier den Rotpnktgorilla geben zu können. Die Anfahrt und der Ausgangspunkt waren identisch zu jenem der Oh Happy Day, der Zustieg war kurz und erforderte nur einen kurzen Farndickicht-Bushwhack, in wenigen Minuten war er erledigt. Wie letztes Mal am Loefjell mussten auch für die Magic Wall nur Exen aber kein Trad Gear montiert werden. Um 13.00 Uhr konnte es losgehen.
L1, 60m, 3a: Weitgehend problemlose Plattenkletterei, mit 4 BH auch genügend abgesichert. Der grösste Challenge sind die ersten, mit feuchtem Moos bewachsenen Meter, dort besteht Schleudergefahr.
L2, 60m, 5b: Schöne Plaisirlänge mit einem kurzen Dach/Aufschwung und vielen griffigen Quarzadern. Die Absicherung mit 6 BH ist gut und die Seillänge deutlich weniger anspruchsvoll wie zB die 5a der Oh Happy Day.
Wieder einmal auf dem glatten Parkett unterwegs, hier in L2 (5b). |
L3, 60m, 4c: Fantastische Länge mit grandioser Felsstruktur. Der Fels ist sauber und die quarzigen Adern erinnern schon beinahe an den Snake Dike am Half Dome im Yosemite Valley. Definitiv die schönste aller Loefjell-Seillängen, die wir geklettert sind. Mit 7 BH schon fast plaisirmässig eingebohrt!
Auf dem Foto kommt's nicht ganz zur Geltung, das ist die grandiose L3 (4c). |
L4, 45m, 7a+ (?): Nun folgt die Loefjell-Steilzone und das Business geht los. Die ersten 30m dieser Seillänge gehen dabei mit Schwierigkeiten um 6b erstaunlich einfach und gutgriffig über die Bühne. Nach dieser schönen Kletterei wartet ein bouldriger Wulst (Mikroleisten, trittarm, Füsse hochbringen ist das Problem) als erste Crux. Der Onsight misslingt, klettern kann ich diese Stelle. Muss ich nochmals runter für einen zweiten Versuch? Nein, denn nach einem fakultativen Zwischenstand folgt noch eine arschglatte Plattenzone, die mit 3 nahe steckenden BH fast nur A0 zu machen ist. Meine Freikletterversuche scheitern, an entscheidender Stelle bricht auch prompt noch das einzige, winzig dünne Mikrokratzer-Schüppchen weg. Ob es jetzt noch geht? Womöglich schon, für mich aber nicht, schon gar nicht als 7a+. Insgesamt muss man diese 10m lange, schwere Passage leider als Schönheitsfehler einer ansonsten tollen Plaisirroute werten.
L5, 30m, 6b: Die vorangehenden Länge war die erste und einzige in Skandinavien gewesen, der ich keinen Onsight abringen konnte. Krass vor allem, wie das gleich am Selbstvertrauen nagt! In der 6b, die schöne, plattige Wandkletterei bietet, stelle ich prompt etwas an. Auch wenn man 2-3x etwas geschickt hinstehen muss, so fand ich diese Länge doch spürbar einfacher wie L8 (6a) von Oh Happy Day.
Eine der Schlüsselstellen von L5 (6b), und der Seilpartner ist mit Fotografieren anstatt Seil einziehen beschäftigt... |
L6, 50m, 5c+: Sehr schöne Seillänge mit teilweise super Quarzstruktur, vor allem der Quergang am Schluss zum Stand hin ist herausragend. Da die Schwierigkeiten weder besonders hoch noch anhaltend sind, fällt auch die Absicherung trotz nur 6 BH hier gut aus.
Wieder ein Tanz auf den Quarzadern, hier aber bei plaisirmässigen Schwierigkeiten. Geniale Kletterstelle am Ende von L6 (5c+). |
L7, 55m, 5c: Die Länge geht auf 2 Teilstücken voll durch die Botanik (Wacholderbüsche), was jedoch problemloser wie befürchtet vonstatten geht. Man passe auf, dass man die nicht so gut sichtbaren BH findet. Crux auf Reibung ganz am Schluss, für den Grad eher schwierig.
Unten die beiden Gras/Buschinseln, die in L7 (5c) zu durchqueren sind. Im Vordergrund die Reibungscrux der Länge. |
L8, 40m, 4c: Gemütliche letzte Seillänge zum Top, ohne besondere Schwierigkeiten und Features.
Am Top angekommen, das Ambiente mit den Skiliftschneisen im Hintergrund ist hier leider nicht erste Sahne. |
Um 16.30 Uhr waren wir nach 3.5 Stunden lässiger und unterhaltsamer Kletterei am Top angekommen. Einige Zeit hatte ich verwendet, um die noch nicht befreite Cruxlänge nach einer machbaren Lösung abzutasten, dies leider erfolglos. Aber so erstaunlich ist das nicht, es handelt sich um Reibungs- und Mikrogriffkletterei an der Grenze des Machbaren und da bin ich jetzt auch nicht unbedingt derjenige, der die Limite nach oben verschiebt. Das tat unserer Zufriedenheit jedoch keinen Abbruch. Der beständige Wind liess uns mit dem Gedanken spielen, den Fussabstieg zu wählen. Ohne Schuhwerk schien uns das dann doch zu beschwerlich, und wir nahmen die Abseilfahrt in Angriff. Die beiden schwersten Seillängen lassen sich mit bis zum letzten Zentimeter ausgenützten 60m-Seilen gerade in einmal überwinden, so waren wir nach 7 Manövern bald wieder am Einstieg. Bis auf einige weitere Plattenklettereien mit den Kindern waren unsere Setesdal-Abenteuer damit vorbei, und der Blick nach vorne gerichtet auf die Weiterreise an Norwegens Westküste.
Auf der Abseilfahrt über die Magic Wall. Die teilweise sehr schöne Felsstruktur lässt sich auf diesem Bild gut erahnen. |
Loefjell - Magic Wall 7a+ (6a+ obl.) - 8 SL, 400m - Hans Weninger et al. 2011 - ****;xxx-xxxx
Material: 2x60m-Seile, 14 Express, Keile/Friends nicht einsetzbar
Vergnügliche und insgesamt auch gutmütige Route mit abschnittweise sehr schönen, quarzigen Felsstrukturen. In Wandmitte wartet eine 10-15m lange Passage, die in freier Kletterei äusserst schwierig und auch etwas unangenehm zu bezwingen ist. Sie lässt sich jedoch problemlos A0 machen. Dies muss man als kleinen Schönheitsfehler einer ansonsten tollen Route bezeichnen, die ausser in dieser Passage den Plaisirbereich kaum verlässt. Die Absicherung in den einfacheren Plattenlängen ist (fürs Gebiet) vergleichsweise sehr gut ausgefallen. Angstschweiss und Panik weit oberhalb vom letzten Bohrhaken wird hier nicht auftreten (xxx). Die schweren Kletterstellen sind alle sehr gut abgesichert (xxxx oder sogar mehr).
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Hallo Marcel,
AntwortenLöschenwie schon so oft durften wir auch bei der Magic Wall und dem Sunset Boulevard wieder extrem von deinen Berichten, vor allem von den „Facts“, profitieren. Speziell hier, wo man die Mentalität der Erstbegeher/Führerautoren und den Zustand und Art der Routen vorerst überhaupt nicht kennt und generell wenig Information vorhanden ist, hilft eine „objektive“ Einschätzung sehr.
Gerade in die Magic Wall wären wir evtl. mit der ausschließlichen Information aus dem Setesdalführer (8+, Platten) entweder überhaupt nicht eingestiegen oder hätten den Gurt statt mit Expressen und Trittschlingen mit großen Friends vollgehängt.
So konnten wir die wenigen Schönwettertage in unserem Norwegenurlaub optimal mit großartigen Touren füllen!
Danke, LG, und weiter so!
Markus
Hallo Markus,
LöschenFreut mich zu hören! Ich habe euren Norwegen-Urlaub auf dem Blog verfolgt und dabei gesehen, dass ihr teilweise ein wenig auf unsere Spuren gewandelt seid. Wie mir rückblickend scheint, hatten wir damals doch reichlich Glück mit dem Wetter (auch wenn der Sommer das Jahr bevor unserer Reise noch viel besser war).
Lieber Gruss, Marcel