Petrus kann es ja doch noch - nach langem Darben aufgrund von regnerischem Wetter hält endlich der Sommer (zumindest für 3 Tage) Einzug und eine MSL-Tour liegt drin. Die Frage ist bloss welche, denn aufgrund von beruflichen Verpflichtungen können wir einzig den ersten Tag dieser Schönwetterphase nutzen. Da gilt es, ein Ziel zu wählen, wo wir nicht durch die verbleibende Restfeuchte ausgebremst werden. Da der Wetterbericht im Vorfeld (unberechtigerweise) trotzdem von Schauern und Gewittern faselt, sind ein früher Start und geeignete Tourenauswahl auch aus diesem Aspekt unverzichtbar. Nachdem wir so ziemlich alle Optionen in der Schweiz durchgekaut haben, entscheiden wir uns schliesslich goldrichtig für eine Tour am Signal.
An diesem Junitag gab's nach langem Regenwetter einfach nur Sonne satt. Immer wieder erstaunlich, diese schnellen Wetterwechsel. |
Dort, wo auf den Webcams am Vorabend etwas erkennbar ist, sowie auch auf der Anfahrt ins Berner Oberland sehen wir vor allem eines: vor Nässe total schwarze und unbekletterbare Felsen. Doch wir bleiben guten Mutes. Wenn man vor der Tour nach dem zu wählenden Abzweiger Richtung Allenschwendi und Burgalp noch ein kurzes Stück ins Urbachtal hinein fährt, so hat man freien Blick auf die Wände am Signal. Wie erhofft und kalkuliert präsentiert sich die Lage rosig: die Wand ist zwar noch von einigen Wasserstreifen durchzogen, aber bis wir den langen Zustieg erledigt haben, sollte die hier ideal auftreffende Morgensonne der Nässe den Garaus gemacht haben. So packen wir unsere Säcke und machen uns wenig nach 7.00 Uhr auf den Marsch. Für mich ist es nach Wurzelbrut (6c+) und Häxering (6c+) der dritte Besuch im Gebiet (siehe meine Fels-Seite für einen Kurzbericht zu diesen Touren), so sind mir Weg und Steg bereits bekannt.
Schon auf dem Zustieg hat man eine super Aussicht, hier z.B. die obere Burgalp (Mad) mit den Wenden. |
Bis zur unteren Burgalp führt ein guter Weg, hinauf zur oberen Burgalp (Mad) ist dann schon ein minimaler Spürsinn vonnöten. Das Gelände ist teils etwas verkrautet, die Wegspuren nicht eindeutig bzw. mehrfach vorhanden und nicht überall sichtbar. Bis zur oberen Burgalp hat es ob der Wärme schon reichlich Durst gegeben, hier können wir unsere Flaschen nochmals füllen. Ich bin bei solchen Quellen im Bereich wo noch Alpwirtschaft betrieben wird immer etwas skeptisch in Bezug auf die Qualität, allerdings war das Wasser hier bekömmlich. Nun gilt es, die Querung zum Signal aufzugreifen. Ich habe bisher immer den unteren Wildheuerweg gewählt, er ist direkter und problemlos begehbar. Die in der Literatur als heikel angegebene Querung um eine Felsnase herum ist wohl exponiert, aber nicht schwierig - kein Problem also. Grosso Modo steigt man von der oberen Burgalp linkshaltend bis unter die Felsbarriere auf, quert dann nach links und um die exponierte Nase herum. Dann in Grobrichtung der gut sichtbaren (und einzigen) Tanne in Richtung der Signalwände aufsteigen. Es sind hier durchgehend Wegspuren vorhanden, das Gelände leitet einen gut und die Schwierigkeiten übersteigen ein T4+ nicht - weniger ernsthaft wie die Wenden-Zustiege also, obwohl auch hier ein Ausrutscher an manchen Stellen das Ende wäre (Vorsicht bei Schneeresten und Nässe!).
Auf dem unteren Wildheuerweg (Sieht man ihn? Er ist abgebildet!) kurz vor dem exponierten Felseck. |
Wie vermutet, sind nach den 1.5 Stunden Zustieg die meisten Wasserstreifen bereits verbrutzelt. Wir nehmen einen ganz genauen Augenschein. Der zeigt, dass im Optimist (7a+) eine mutmasslich nicht ganz so schnell abtrocknende Verschneidung geklettert werden muss, in der vor der Sonne noch geschützten Einstiegsverschneidung vom Sternwächter (6b+) sifft es auch etwas, bei der Berghäx (7a) stört evtl. ein Wasserstreifen im Bereich der ersten Längen, doch in der Tronco sieht's eigentlich perfekt aus. Umso besser, damit ist die Tourenwahl erledigt, sowieso hatten wir diese Route zuoberst auf der Liste gehabt. Auf die Begehung der anderen freue ich mich heute schon, wenn man unbedingt gewollt hätte, wären sie wohl an dem Tag auch machbar gewesen. Noch als Zusatz: zu den Touren links am Mittaghiri hätte der Zustieg noch über steile Schneemassen (die auf glatten Felsplatten liegen) geführt. Das wäre ohne alpine Ausrüstung nicht möglich gewesen und sowieso heikel wegen potenziellen Schneerutschen. Mit dem Studieren aller Routenverläufe und dem Frühstück hatten wir uns noch etwas Zeit gelassen, es gab auch keinen Grund zur Eile. Die Bedingungen waren formidabel, mehr als kurze Hosen und T-Shirt war an Kleidung nicht nötig. Um 9.15 Uhr stiegen wir schliesslich ein. Der Einstieg ist übrigens mit einem einzelnen BH und mittels eingemeisselter Aufschrift "TRONCO" bezeichnet.
Im Bild die markante (und einzige) Tanne, kurz unterhalb der Wände vom Signal (oder genauer P.2210). |
L1, 30m, 6a+: Schöne Kletterei über eine Steilplatte. Nach einfachem Auftakt findet man anfänglich immer wieder griffige Schuppen, die ein genüssliches Höhersteigen erlauben. Eine Querung nach links und das Erklimmen einer steileren Passage kurz vor Schluss erfordern dann aber sorgfältiges Planen der Moves - hier sollte man meines Erachtens eher mit 6b bewerten.
Jonas in der Cruxzone der steilplattigen L1 (offiziell 6a+, aber eher mit 6b zu bewerten). |
L2, 25m, 7b+: Coole, steile, athletische Seillänge mit einer Bouldercrux zu Beginn und anhaltender Ausdauerkletterei danach. Die Schlüsselstelle folgt gleich vom Stand weg an scharfen Mikro-Crimps bei mässigem Trittangebot. Ziemlich einfach zu lesen, aber hier muss man subito von null auf hundert beschleunigen - die Einstiegslänge ist leider kein adäquater Aufwärmer für die hier gestellten Anforderungen. Ansonsten geht's mit 2 p.a., danach klettert man noch eine geniale, überhängende 7a-Pumpe an guten Griffen.
Wenig repräsentatives Bild von L2 (7b+), nur gerade die letzten Meter sind plattig & technisch. |
L3, 30m, 6a+: Plattige Kletterei, der Auftakt ein bisschen weiter gesichert, v.a. beim Anklettern des zweiten Bohrhakens an den seichten 2-Finger-Löchern keinen Fehler machen. Danach ein kurzes "tratto alpinistico" durch den Graskamin links, am Ende dann nochmals schöne und eng abgesicherte Plattenkletterei, wo sauber angetreten werden will.
Schöne, plattige Kletterei mit kurzem Gras-Intermezzo links in L3 (6a+). |
L4, 30m, 6b+: Sehr schöne Seillänge, die erst über Steilplatten mit erstaunlicher Struktur führt. Hier kann man sich erstaunlich einfach in die Höhe bewegen, immer wieder bieten mehr gegen die Horizontale geneigte Strukturen gute Reibungstritte an. Das Finish dieser Länge dann an einem Wandl mit steilen und seichten Wasserrillen, die gepiazt werden wollen. Der Hakenabstand ist nicht so weit, aber die diffizile Kletterei ist recht ernsthaft und bietet das Potenzial für einen unangenehmen Abgang. Vermutlich die Vorstiegscrux der Route. Am Schluss dann noch ein ziemlicher Runout in einfachem, grasigen Gelände zum Stand - ja nicht stürzen hier!
L4 (6b+) mit dem grasigen Finish ist von oben leider nicht fotogen, also geniessen wir nochmals die Aussicht zum Susten. |
L5, 35m, 6b: Eine weitere, sehr schöne Plattenseillänge! Der Auftakt genial, genussreich und noch nicht so schwer. Griffe und Tritte sind an der richtigen Stelle, die Moves fliessen dahin wie unsere Schoggi an der warmen Junisonne. Nach zwei Dritteln dann die deutliche Crux - Füsse auf prekäre Reibung, für die Hände hat's nur die üblichen Sloper. Ist allerdings ziemlich rasch vorbei, das Finish dann wieder sehr schön und gemütlicher.
Prima Plattenkletterei in L6 (6b), meist gemütlich und immer schön aufgehend, die Crux kurz und ein bizzli glatt. |
L6, 25m, 6b+: Weniger attraktive Überführungslänge, hier konnte ich die Bewertung mit 6b+ nicht nachvollziehen, 6a oder 6a+ hätte sicherlich auch gereicht. Erst relativ steil einer Verschneidung mit kleinem Überhang nach, dann das Türmli hinauf und links durch einen angedeuteten Kamin. Hier würde man rechts der Haken sicher höhere Schwierigkeiten finden, aber das wäre dann doch ziemlich unlogisch und vermeidbar.
L7, 20m, 6a+: Ein weiteres Teilstück, das etwas den Charakter von Überführungslänge hat. Ein steiler Riss zieht hier in die Höhe und bietet griffige, recht gute Kletterei. Der Ausstieg über ein Bäuchlein hinauf dann ziemlich sec, hier muss man 2-3 kleine aber gute Leisten durchriegeln. Klar schwerer wie 6a+, eher 6b oder gar 6b+. Ich vermute, dass im Original- und allen folgenden Topos die Grade von L6 und L7 vertauscht wurden. Hier zu Beginn wegen dem Band darunter noch 1-2 Cams zu legen wäre auch nicht verkehrt, selbst wenn's ohne geht (solange man nicht runterfällt...).
Unerwartet und tückisch kommt die Crux in L7 (6a+ in den Topos, aber eher schwerer). Jonas am Durchriegeln. |
L8, 30m, 6c: Prima, eng abgesicherte Seillänge mit bouldrigem Auftakt vom Band weg, der sich als einfacher entpuppt als gedacht und noch keine Schwierigkeit darstellt. Der nächste Abschnitt ist geprägt von einer steilen, athletischen Zone, die auf den ersten Blick total griffarm aussieht. Es hat aber versteckte Henkel - wenn sie denn noch dort sind, für die Ewigkeit sind diese Griffe nämlich nicht alle gemacht... Danach kann man nochmals etwas ruhen und es folgt die Crux in senkrechtem, technisch sehr anspruchsvollem Gelände. Leider stecken die Haken hier nicht auf der 6c-Lösung, direkt über die Bolts ist es viel schwerer (~7b). Allzu viel will ich an dieser Stelle nicht verraten, vielleicht nur eines: ja, man kann dort durchklettern, wo es am einfachsten geht, der nächste Haken lässt sich dann unerwartet doch klippen... Achtung, den Stand nicht verpassen, die Haken sind nicht verbunden und der eine ist etwas um die Ecke versteckt. Wobei, wenn man einfach die 14 empfohlenen Exen dabei hat, dann kommt er dann, wenn nix mehr am Gurt baumelt... Insgesamt irgendwie deutlich anspruchsvoller wie die mit 6b+ bewerteten Seillängen, an diesen gemessen passt der Grad nicht so ganz.
Im oberen Teil von L8 (6c) wartet technisch anspruchsvolle Kletterei an Slopern in exzellentem, senkrechtem Fels. |
L9, 15m, 6b+: Sehr schöner Abschnitt, der auf den ersten Blick sowohl schwierig als auch gesucht aussieht. Die Kletterei entpuppt sich dann aber als echt genial, hier hat die Natur an der genau richtigen Stelle mit ein paar überraschenden Löchern und Leisten für das komfortable Hochkommen des Kletterers gesorgt. Kurze Hakenabstände und die Bewertung ist auch sehr grosszügig, 6a+ oder 6b hätte wohl auch gereicht.
L9 (6b+) ist eine super Seillänge, viel weniger schwierig als es zuerst aussieht. |
L10, 35m, 6a: Kurze, einfache Traverse nach rechts und dann an einem steilen Pfeiler an vielen Henkeln sehr griffig aufwärts. Die Kletterei ist wirklich cool und genussreich, der Fels neigt etwas zum splittrig sein (passt aber schon). Den ersten (Abseil-)Stand an der Kante besser überklettern und noch durchs Gemüse aufwärts zu Stand an BH und SU weiter oben am Beginn der nächsten Wand.
Fotogene Kletterei am steilen, sehr griffigen Pfeiler in L10 (6a) - super Sache! |
L11, 20m, 6b+: Coole Seillänge, erst ein bisschen durch die steile Platte moven, was gut geht. Dann ein, zwei Rissklemmer und der Wechsel an die rechte, steile und athletische Wand. Sieht auf den ersten Blick sackschwer und ein bisschen splittrig aus. Die guten Griffe sind aber da (und bleiben es hoffentlich auch...), mit etwas Entschlossenheit ist man bald am nächsten Stand.
Einfach nicht zögern und die weiten Moves im steilen Gelände durchziehen heisst es am Ende von L11 (6b+). |
L12, 25m, 6a: Zum Top ist es nicht mehr weit, aber es wartet nochmals eine Prüfung in Form von Wasserrillen-Kletterei. Diese sind hier tief eingeschnitten und schön griffig, so dass die Moves tatsächlich nicht allzu schwer sind. Es stecken allerdings nur noch 2 BH auf dieser Länge, aufpassen dass das Blut nicht zu fest in Wallung gerät!
Genialer Wasserrillenfels wartet auf einen in der letzten L12 (6a). |
Um 14.30 Uhr sind wir nach 5:15 Stunden Kletterei am Topo angelangt. Vom letzten Stand sind es nur 3-4 einfache Meter zum Grat hinauf, wo man sich bequem hinsetzen kann und eine schöne Aussicht auf den Brünig, Meiringen und das Gadmertal geniesst. Anders als zuerst in den Wetterberichten angekündigt, präsentierte sich der Tag sehr stabil. Quellwolken waren rar und die Gefahr von einem Gewitter inexistent. Ja selbst an den Wendenstöcken blieb der berüchtigte Nebel aus - natürlich hätten wir diesen heiligen Gral des alpinen Sportkletterns gerne besucht. Ob's wirklich eine gute Idee gewesen wäre, bleibt aber offen, denn oben in den Wänden schien doch noch eine grosse Menge an Schnee zu lagern (Gefahr von Schmelzwasser und Steinschlag!).
Den tollen Tiefblick ins Urbachtal hat man den ganzen Tag. Wie erwähnt, ist die Route im Rückblick mässig fotogen... |
Aber es gab sowieso nichts zu verzagen, die Tronco hatte uns grosses Vergnügen bereitet und unsere Erwartungen an einen tollen MSL-Klettertag voll erfüllt. So machten wir uns nach einer Weile ans Abseilen. Dieses vollzieht sich über die Route, ein paar Stände können ob der recht kurzen Seillängen auch mit 2x50m-Seilen übersprungen werden. Für uns waren schliesslich 7 Manöver an den Ständen 12/10/9/6/5/4/2 notwendig. Nach einer guten halben Stunde waren wir wieder am Wandfuss, wo wir als erstes den Schatten aufsuchten - das war jetzt nämlich doch eine gehörige Portion an Sonne gewesen, vor allem für so Bürolisten-Bleichgesichter und Schattenwand-Sportkletterer wie mich. Zuletzt noch der Abstieg ins Tal - für den ersten Teil gilt es, die Konzentration aufrecht zu erhalten. Auch wenn nicht schwierig, so liegt ein Misstritt nicht drin. Zwischen der oberen und unteren Burgalp werden wir dann etwas lästig von den zahlreichen Geissen bedrängt und über den Haufen gerannt. Zum Glück ist der Spuk bei den unteren Hütten vorbei, und ein Schwatz mit dem Hirt, der hier oben seit 32 Jahren amtiert, seine über 20 Geissen von Hand melkt und täglich die Milch verkäst bietet ein willkommene Abwechslung und sehr interessante Einblicke in das Leben von einem Menschen, das einen ganz anderen Fokus hat wie das unsrige.
Facts
Signal - Tronco 7b+ (6b obl.) - 12 SL, 320m - Kaspar Ochsner 2001 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, evtl. Camalots 0.4-1
Schöne Route mit abwechslungsreicher Kletterei. Oft Steilplatten, einige Teilstücke an Wasserrillen und Löchern, die beiden schwersten Längen sind steil und athletisch. Die Absicherung mit BH ist gut und freundlich, es gibt nur wenige längere Abstände in einfachem Gelände. Dort könnte man auch noch das eine oder andere Klemmgerät platzieren, wir empfanden es nicht als unbedingt nötig. Die Felsqualität auf den Platten ist meist hervorragend mit besten Reibungswerten. Einige kurze Abschnitte sind etwas grasig oder weisen leicht mindere Felsqualität auf, das stört jedoch kaum. Was der Route etwas fehlt ist der Charakter einer grossen, natürlichen Linie, teilweise ist der Verlauf zu Gunsten von homogenen Schwierigkeiten, gutem Fels und interessanten Kletterstellen etwas gesucht. Insgesamt aber solide drei Schönheitssterne, für die schöne Umgebung, das tolle Erlebnis und das geniale Wetter gebe ich für mich persönlich gerne einen vierten hinzu.
Topo
Ein Topo und weitere Informationen findet man im Schweiz Extrem West, oder auch im frei zugänglichen Artikel in der SAC-Zeitschrift "Die Alpen", Ausgabe Juni 2015 ab S.53. An dieser Stelle die wichtigsten beiden Seiten:
Zugang zum Signal und allgemeine Infos aus SAC "Die Alpen" 6/2015. |
Topos der beliebtesten Routen am Signal aus SAC "Die Alpen" 6/2015. |