Nach 2 Tagen intensivem Sportklettern waren Körper und Geist müde. Während der Rest der Familie sich für Ausschlafen und die Badeanstalt entschieden hatte, wollte ich zur Erholung nochmals eine Skitour angehen. Natürlich würde sich das nicht ohne frühes Aufstehen realisieren lassen, das ist um diese Jahreszeit einfach Alpinistenschicksal. Die Wetterlage präsentierte sich am Pfingstmontag ähnlich wie zuletzt am Tag der Arbeit. In Graubünden Sonnenschein, in den Zentralalpen deutlich weniger. Somit suchten wir eine ähnliche Region aus wie dannzumals. Losgehen sollte es im Dischma, dem gegenüber dem Sertig um eins weiter nördlich gelegenen Seitental bei Davos.
Sicht vom Gletschboden (weniger Minuten hinter Dürrboden) auf das Gletschtälli und die Grialetsch-Kette. |
Nachdem die Tour nur rund 1200hm aufweist und zudem weitgehend in den Expositionen zwischen West und Nord verläuft, konnte auf's ganz frühe Aufstehen verzichtet werden. Ein Aufbruch um 7.00 Uhr vom Dürrboden schien uns zweckmässig. Schliesslich ging's auch ganz perfekt auf so. Beim Ausgangspunkt selber hatte der Schnee schon dem Grün Platz gemacht. Es war aber offensichtlich, dass man nach nur wenigen Minuten Fussmarsch bereits auf die Ski würde steigen können, optimal also. Der Piz Grialetsch wird vom Dürrboden normalerweise entweder über den Scalettapass oder die Grialetschhütte bestiegen, so ist's auch in der Skitourenkarte eingezeichnet. Wir hatten indes eine bessere Option im Kopf, welche in der Literatur nicht beschrieben wird - direkt durch die Nordflanke zum Gipfel.
Blick von ca. 2450m auf den Talschluss mit unserer Route zu Grialetsch Pitschen (3026m) und Piz Grialetsch (3131m). |
Nachdem wir vom Dürrboden ca. 10 Minuten über den bereits aperen Wanderweg zum Gletschboden gelaufen waren, stiegen wir auf die Ski. Über gewellten Sommerschnee ging's hinauf ins Gletschtälli. Die Oberfläche war nur mit einer dünnen Kruste gefroren. Es herrschte zwar blauer Himmel, aber die Abstrahlung in der Nacht war nicht perfekt gewesen und die Temperaturen waren schon seit einer Weile (für die Jahreszeit zu) hoch. Nichtsdestotrotz war der Aufstieg bequem und wir gelangten zügig in den Kessel unter dem Scalettagletscher. Dort steilt sich das Terrain merklich auf. Über einen ersten, 35-40 Grad steilen Hang geht's obsi zum Punkt, wo man sich zu entscheiden hat. Nämlich, wie man von hier zum namenlosen Gletscherlein direkt nördlich vom Gipfel des Piz Grialetsch kommt. Es bieten sich 3 Optionen an, wir wählten schliesslich das mittlere Couloir. Von weitem sieht dieses unmöglich aus, von nahe schien es uns am günstigsten. Es war gerade so gut 45 Grad steil, ein kurzer Bootpack war die Methode der Wahl.
Der erste Teil der Tour ist gemütlich und wenig steil, im zweiten Teil geht's dann stotzig zur Sache! |
Oben auf dem flachen Firnfeld angekommen, entschieden wir uns noch dem Piz Grialetsch Pitschen (P.3026 auf der LK) einen Besuch abzustatten. Die Schartenhöhe beträgt gerade 30m. Kein mega stolzer Gipfel, doch aus dem Dischma gibt er echt etwas her, zudem kostete er uns nur wenige Minuten des Umwegs. Danach ging's weiter zum ca. 100hm hohen Nordwändli des Piz Grialetsch. Auch hier mussten die Ski nochmals auf den Rücken geschnallt werden. Wir hielten uns an die am wenigsten steile Partie ganz links, hier zeigte der Neigungsmesser 47-48 Grad an. In wenigen Schritten erreichten wir über den Ostgrat den Gipfel, es war inzwischen 9.30 Uhr, d.h. wir hatten rund 2:30 Stunden für den Aufstieg gebraucht. In der Südflanke waren etliche Alpinisten auf verschiedenen Routen unterwegs. Es ging bei allen nur langsam vorwärts, das Gelände schien von oben gesehen nicht so trivial. Vermutlich war unsere Route nicht nur direkter, sondern sie vermittelt sogar den alpinistisch einfacheren Zugang zum Gipfel.
Zwei Tourengänger im Aufstieg durch die Grialetsch Südflanke (Normalweg). Unsere Spur am Grat gut sichtbar. |
Nach einer gütlichen Rast konnten wir die Ski direkt auf dem Gipfel anschnallen und direkt ins Nordwändli hinunterstechen. Auf dieser Linie war die Steilheit noch ein wenig mehr, d.h. rund 50 Grad über knapp 100hm. Dank dem auslaufenden Gelände und perfekten Bedingungen mit einer leichten Pulverauflage war's ein Riesengenuss, echt genial! Auch auf dem namenlosen Gletscher konnte man famos cruisen, der Schnee war hier glatt wie ein Teppich. Weiter ging's durch unser Aufstiegscouloir hinunter. Hier war die Schneedecke ein bisschen ruppiger, aber für Couloirverhältnisse durchaus ganz ordentlich. In den Hängen unmittelbar darunter war dann der Deckel noch nicht ganz aufgeweicht aber auch nicht mehr einwandfrei tragend. Da musste man etwas sorgfältiger agieren, mit entsprechender Technik war's aber auch gut fahrbar. Wenig später gelangten wir auf die flacheren Hänge unterhalb. Hier hatte die Sonne schon mehr ihre Wirkung entfalten können. In sulzigem, aber kompakten Sommerschnee ging's beschwingt in Richtung Dürrboden. Auf einer Schneezunge links vom Bach konnte man noch bis 3 Minuten vor den Parkplatz fahren, ideal! Zum Zmittag war ich bereits wieder daheim, so konnte ich die Familie in die Badi begleiten. Immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn man frühmorgens noch Skifahren und nachmittags ins Freibad kann!
Hammermässige Abfahrt bei perfektem Schnee direkt vom Gipfel des Piz Grialetsch, die Flanke ist hier gegen 50 Grad steil. |
Auf dem namenlosen Gletscher direkt nördlich vom Piz Grialetsch, super Cruising-Gelände. Hinten die Gipfelflanke. |
Facts
Piz Grialetsch (3131m) ab Dürrboden, direkt durch die Nordflanke.
1200hm, ca. 2.5-3.0h Aufstieg, Ski-Schwierigkeit bei Abfahrt vom Gipfel ca. S+/SS-
Material: alpine Ausrüstung (Steigeisen, Leichtpickel) mitführen, wir haben sie nicht benötigt.
Karte mit unserer Route zum Piz Grialetsch. Quelle: map.geo.admin.ch |
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