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Mittwoch, 25. September 2019

Paroi des Militaires - Tomahawk (7a+)

Heute soll es für einmal ein ganz spezielles Programm geben: die Kinder wollen chillen und nicht klettern, die zustiegshandicapierte Mama dafür auf MSL. Das tönt wie ein kaum zu realisierender Wunsch. Doch siehe da, im Vallée Étroite bei Bardonecchia gibt's die Paroi des Militaires, wo nicht nur 1985 die ersten Kletterwettkämpfe in Mitteleuropa überhaupt (damals noch Outdoor!) durchgeführt wurden, sondern wo auch mit nur (ja, wirklich!) 10 Sekunden Zustieg  auf lohnende und schattige MSL gestartet werden kann.

Ambiente im Vallée Étroite an der Paroi des Militaires. Da man (zu) nahe hinfahren kann, gibt's von der Wand kein Foto.
Von Briançon ist's doch noch etwas Kurverei über den Col de l'Echelle, bis man da ist. Doch es ist eine sehr schöne Gegend, wo wir bisher noch nie waren. Kurzum, es lohnt sich! Über den Zustieg gibt's nichts zu schreiben. Obwohl ich es im Vorfeld und auf der Anfahrt kaum geglaubt hätte, aber man kann tatsächlich bis an den Einstieg fahren, die Strasse führt unmittelbar an der Wand vorbei, das Ambiente hier im Bergtal ist aber trotzdem ganz in Ordnung. Da etwas kürzer und einfacher, entscheiden wir uns für die Tomahawk (7SL, 160m, 7a+) und lassen den Albatros als Projekt für ein nächstes Mal. Die Kinder konnten sich unterdessen in Sicht- und Rufweite auf den Wiesen und am Bach unterhalb der Wand verweilen. Anders als eigentlich aufgrund der Angaben in der Literatur erwartet (Expo NE, schattige Lage) ist die hoch stehende Hochsommersonne auch um 12.00 Uhr noch präsent, als wir starten. Sie wird es auch noch eine ganze Weile sein (bis ca. 13.30 Uhr) was aber nicht stört: es geht ein frischer Wind, ins Schwitzen kommen wir heute nicht. Der Start befindet sich übrigens unmittelbar rechts der aufgeschichteten Steine an/in der Wand, die Aufschrift ist kaum mehr lesbar.

L1, 6a: Wird oft auch als Baseclimb gemacht und verläuft in schön kantigem Fels mit positiven Griffen. Die Bolts mit den kleinen Cassin-Laschen sind nicht immer einfach zu erkennen, v.a. im Gegenlicht der Sonne.

L2, 6b+: Wer etwa gedacht hat, dass es im selben Stil weitergeht, hat sich ziemlich getäuscht, so ging es jedenfalls mir. Die Felsstruktur wechselt plötzlich, alles ist abschüssig und auch etwas glatt und man hat vorwiegend Seit- und Untergriffe zu nutzen - durchaus knifflig!

Schöne Kletterei in kompaktem Fels wartet in L2 (6b+). Der Schlüssel liegt in der Fusstechnik.
L3, 6c+: Der Beginn verläuft hier 2m rechts einer schauderlich brüchig aussehenden Kaminverschneidung. Volker von Topoguide ist offenbar diese geklettert und hat die herausfordernd aussehende Platte daneben rechts liegen lassen. Ich entscheide mich doch lieber für die Platte: rechts gibt's ein paar gute Seitgriffe und mit 2-3x gut auf die Füsse stehen ist die Sache geritzt. Nachher überquert man eine Art brüchiges Couloir nach links, bezwingt die folgende, steil-griffige Wand und klettert an schönen Rissen zum Stand.

L4, 7a+: Die Steilplatte gleich nach dem Stand hat es in sich, das zeigt schon die enge Absicherung. Der Fels ist hier zum Glück schön rau und hat prima Reibung. Um durchzukommen, muss man schon kurzfristig mal richtig gescheit auf die Füsse stehen, mir gelingt es aber tadellos und ich kann diese Stelle wie den ganzen Rest der Route onsight klettern. Der Rest der Seillänge kommt dann etwas griffiger im 6b-Bereich daher.

Im ersten Teil von L4 (7a+) wartet die Crux an einer Steilplatte, dann wird es wieder griffiger.
L5, 6b: Steil und griffig an rauem Fels geht's bei luftiger Exposition in die Höhe und auf die Kanzel rechts oben, super Position. Eine wirklich spektakuläre Seillänge!

L6, 6a+: Die Wand legt sich wieder ein wenig zurück, die Griffigkeit bleibt erhalten. Eigentlich sind es noch 2 Seillängen, die sich aber prima verbinden lassen.

Um ca. 14:45 Uhr ist nach 2:45h Kletterei das Top erreicht und da es keinen Fussabstieg gibt, seilen wir unverzüglich in einer Viertelstunde ab. Während wir beim Aufbruch noch ganz alleine an der Wand waren, kam nach und nach ein substanzieller Teil der italienischen Bevölkerung an die Paroi des Militaires, um sich den Baseclimbs zu widmen. Schon als wir noch im Aufstieg waren, war das nicht ganz unbedenklich, ist der Fels doch nicht zu 100% ausgeräumt und die Wahrscheinlichkeit eine Bombe zu droppen durchaus vorhanden. Das konnten wir mit etwas Umsicht vermeiden, aber beim Abseilen nun, insbesondere beim Seil Abziehen, ist es einfach eine Lotterie. Auf unsere Rufe reagieren die Leute nicht und unsere Kinder sind noch zu wenig gut in fremdländischer Verständigung, als dass sie die Leute warnen könnten. Eine unangenehme Situation, schliesslich will man ja niemanden erschlagen oder verletzen, aber noch stundenlang in der Wand zu warten ist auch keine Option. Schliesslich schaffen wir es, dass nicht viel mehr als 2-3 Steinchen beim Seilabziehen runterfallen. Sie treffen zum Glück niemanden, die Leute die sich hier ohne Helm tummeln, scheint's auch nicht zu stören. Wir machen uns aus dem Staub, sammeln die Kids ein und tuckern die wenigen Kilometer bis zur ersten italienischen Bar, um einen echten Cappuccino und Gelati zu geniessen. Gleich 2km unterhalb des E-Werks wird man beim Golfplatz fündig, der Umweg bei einer Rückkehr nach Briancon ist minimal :-)

Facts

Paroi des Militaires - Tomahawk 7a+ (6b obl) - 6 SL, 160m - ??? - ***;xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Keile/Friends nicht nötig bzw. einsetzbar

MSL-Klettern mit minimalem Zustieg, hier ist es möglich! Obwohl in einem schönen Bergtal gelegen, vermittelt die Route auf diese Art eher etwas den Eindruck von Sportkletter-Seillängen am Stück anstatt von echtem MSL-Ambiente. Die Kletterei ist jedoch abwechslungsreich, jede Seillänge hat ihren eigenen Charakter - manchmal ist's griffig, die schwierigsten Stellen erfordern jedoch eher gute Fusstechnik auf abschüssigen Steilplatten. Der Fels ist meist gut, ein paar Passagen muss man jedoch als leicht brüchig bezeichnen. Kein grösseres Problem als Begeher, für die sich am Wandfuss tummelnden Leute jedoch trotzdem potenziell problematisch. Die Absicherung ist durchgehend sehr gut und klettergartenmässig, man kann voll angreifen und ausser 12 Exen gehört kein weiterer "Ballast" an den Gurt. Nähere Infos und ein Topo finden sich im Topoguide oder in den lokalen Führern Haut Val Durance oder Oisans Sauvage Oisans Nouveau.

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