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Montag, 30. November 2020

Gabchopf - Diä Gääch (6c)

Der Gabchopf ist eine auffällige Felsformation hoch über dem Urnerboden. Er befindet sich noch unterhalb vom Zingelfad, also etwas unterhalb der eigentlichen Jegerstöck. Der Zustieg dahin fordert rund 600hm und bietet ausser weglosem Gelände noch keine grossen Schwierigkeiten, die Routen weisen maximal 150m Länge auf, sind gut abgesichert und wurden in den 2000er-Jahren saniert. Alles in allem heisst das, hier gibt's die Jegerstöck Experience in der Light-Version. Keine Abstriche muss man hingegen bei der Felsqualität machen, die ist nämlich weitgehend exzellent, ja die Routen sind hier eigentlich sogar homogener gut wie in der oberen Etage. Nachdem auch am letzten Novemberwochenende nochmals bestes Bergwetter herrschen sollte, entschieden wir uns für 'Diä Gääch', eine Route die man ja nur schon dem Namen wegen einmal geklettert haben muss. Ob sie wohl ihrem Namen gerecht würde?!? Rein von der Papierform her, mit 5 SL bis maximal 6a+, durfte man das durchaus in Zweifel ziehen...

Oh ja! Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und Schnee am Urnerboden (Eis hat es im Moment übrigens  trotzdem keines, ist wohl zu trocken), Sonne und sichtbare Wärme an den Jegerstöcken. Dort hinauf wollen wir also so rasch wie möglich!

Eben früh waren wir nicht unterwegs, um 11.00 Uhr starteten wir beim Hotel Tell auf dem Urnerboden. Aber der Skisprung-Trainingstag startete halt nicht früher - Family Business, wer kennt es nicht. Anyway, so mussten wir halt ein wenig schneller laufen. Das klappte bis nach Zingel (ca. 1750m) prima, die letzten 200hm über weglose Wiesen und Geröll brauchten dann noch etwas mehr Zeit und auch Kraft. Nach einer guten Stunde schirrten wir uns am Sockel vom Gabchopf auf. Die letzten Meter zur Wand hinauf sind dann recht steil, die Querung zum Einstieg von 'Diä Gääch' ist dann zusätzlich noch ziemlich exponiert, da liegt kein Ausrutscher mehr drin (ca. T5). Um 12.30 Uhr ging's mit der Kletterei los - ob all diesen Zeiten könnte man meinen, wir seien im Stress gewesen. Das stimmt aber absolut nicht, wir waren guten Mutes, dass das Timing sich locker ausgehen würde, dazu ganz alleine am Berg, bei goldenem Herbstlicht und perfekten Temperaturen - was will man noch mehr!

Bottom-Up-Sicht auf den Gabchopf mit dem Routenverlauf, durch die Perspektive ziemlich verzerrt. Es wäre gut, einmal mit dem Gleitschirm ein adäquates Wandfoto zu knipsen. Hmm, da hätte ich eigentlich die Gelegenheit dazu gehabt, als ich nach der Rapunzel am Rot Nossen oder der Venus am Läckistock zu Tale geschwebt bin.

L1, 40m, 6b (offiziell 6a+): Der Start noch eher von plattiger Natur in prima Fels, bevor man in einer kleinen Verschneidung auf etwas unzuverlässigeres Gestein trifft. Das ist aber nur ein kurzes Intermezzo, denn sobald geht es tatsächlich rechts in die irre steile Wand hinaus. Beste, wasserzerfressene Leistenkletterei folgt und zehrt an den Kräften, erst für die letzten 10m legt sich die Neigung wieder auf die günstige Seite der Senkrechten zurück. Diese Seillänge ist sicherlich jenseits von nur 'hart' für 6a+, sondern eher im Bereich 6b/+ einzustufen. Die Absicherung ist tadellos, um alle Bolts zu klippen sind 14 Express nötig (und nicht bloss 12 wie in den Topos angegeben).

Nach einer steilen Wand folgt in L1 (6b) noch eine sehr schöne Abschlussplatte.

L2, 30m, 6a+ (offiziell 5c+): Hier wartet eine super Platte, doch schon die ersten Moves aus dem Stand sprengen wie vermutet den Rahmen einer 5c+ deutlich. Auch nachher geht's anhaltend dahin. Super Kletterei, bester Fels, direkt über die Haken spielt sich diese Seillänge im Bereich 6a+/6b ab. Vielleicht ginge es etwas linksrum im weniger kompakten Gelände ringer, was aber freilich keinen Sinn macht. Auch hinauf zum Stand muss man sich nochmals richtig festhalten.

Super Kletterei auch in L2 (6a+). Vermutlich wäre es in deren Mittelteil einfacher, links im grasdurchsetzten Gelände zu klettern. Viel schöner, aber auch schwieriger ist es, konsequent rechts im kompakten Fels zu bleiben. Zum Glück wurden anlässlich der Sanierung die Haken so platziert, dass dies auch einwandfrei möglich ist! 

L3, 20m, 6c (offiziell 6a): Wow, was für eine richtig coole Seillänge. Senkrechte bis leicht überhängende Kletterei an scharfen Tropflöchern führt unter das markante Dach hinauf. Diverse bouldrige Moves sind echt fordernd und die richtige Sequenz will auch erst einmal gefunden werden. Wir konnten das alle 3 mit etwas unterschiedlichen Lösungen flashen. Nach aller Dafürhalten geht diese Sequenz sicher nicht unter 6b+/6c daher! Unter dem Dach quert man dann an einer Hangelschuppe sehr luftig zum exponierten Stand hinüber. Immerhin, dieser Abschnitt ist einfach und darum sowohl im Vor- wie im Nachstieg trotz dem etwas längeren Hakenabstand unbedenklich. Anlass zu Diskussionen hat hingegen die Hangelschuppe selbst geführt. Ich habe von anderen Kletterern gehört, welche diese als unsicher taxiert haben. Natürlich habe ich mich ihr nicht einfach blindlings anvertraut, sondern zuerst angeklopft. Dieses wirklich grosse Stück Fels (ca. 5m breit, 3m hoch, oben 40cm dick) dröhnt tatsächlich etwas. Ich fand es aber unbedenklich und bin mit absolut gutem Gefühl daran geklettert. Wie solide diese Schuppe wirklich ist, bleibt aber natürlich offen... wie immer in den Bergen, man vertraue auf seine eigene Meinung!  

Da fühlt sich jemand zuhause in der vertikalen Welt!

Kathrin hangelt am Corpus Delicti in L3 (6c).

L4, 35m, 6c (offiziell 6a+): Lange Seillänge mit etwas inhomogenen Schwierigkeiten. Der sehr eng gesicherte Wulst gleich zum Auftakt lässt knifflige Moves vermuten. Und ja, während es erst noch geht, konnte ich mich schliesslich nur mit der Brute-Force-Brechstange retten, sprich mit zwei Moves, die eher in eine 7a+ als in eine 6a+ gehören. Aber naja, vielleicht habe ich es schlecht erwischt, doch auch dieser Abschnitt dürfte kaum einfacher als 6b+/6c zu haben sein. Schliesslich folgt gemässigteres Gelände, das einen in die grosse Verschneidung führt. Diese klettert sich dann wie eine ganz brave 6a+, nur beim luftig-athletischen Finish muss man sich nochmals gut festhalten, um das Wandbuch zu erreichen.

Auch zum Schluss von L4 (6c) folgt nochmals eine coole Hangel-Passage.

Wir blättern mit Interesse im Büchlein. In den ersten Jahren nach der Erstbegehung im 1989 gab es einen richtigen Ansturm von lokal kundigen Glarner und Urner Kletterern. Scheinbar wurde dieser Schatz gehütet, denn auswärtige Begehungen gab es damals keine. Die traten erst später auf den Plan, vorerst als einzelne Ausreisser, später dann mit der Publikation im GLclimbs etwas häufiger. Inzwischen hat die Route in den 31 Jahren ihres Bestehens gute 100 Begehungen auf dem Buckel, trotz der Sanierung hat die Frequenz in den letzten Jahren eher abgenommen. Vielleicht mag ihr ja dieser positive Bericht ein neues Leben einhauchen?!? Einzig sicher ist: das Wandbuch ist voll, wir trugen uns auf dem letzten freien Platz der Umschlagrückseite ein. Es mögen die nächsten Besucher ein neues Exemplar mitbringen, Format maximal A6.

Das wär's doch noch, ein Wandbuch wo jeder ein Selfie einkleben muss/darf/kann ;-)

L5, 30m, 6a (offiziell 5c+): Nun denn, vor lauter Geschichte dürfen wir die letzte Seillänge nicht vergessen. Man biegt rechts um die Ecke in etwas ghüdriges Gelände, über welches man ungesichert ebenfalls auf den Gipfel steigen könnte (expo, heikel!). Doch die Route überquert nach dem zweiten BH die Kante nach links auf die Abschlussplatte, die nochmals interessante Moves in etwas glattem, abwärtsgeschichtetem Fels bereithält. Auch hier, für 5c+ ist das kein Geschenk, doch für einmal ist die Bewertung nicht ganz so weit von der Realität entfernt wie in den unteren Seillängen.

Frau Dettling junior auf der Abschlussplatte (L5, 6a), just mit den letzten Sonnenstrahlen.

Mit den letzten Sonnenstrahlen sind wir etwas nach 15.30 Uhr alle auf dem Gipfel, das macht gerade rund 3:00 Stunden an sehr genussvoller und interessanter Kletterei. Wären die Tage ein wenig länger (oder wäre man tageszeitlich früher unterwegs), so liesse sich gut noch eine zweite Route am Gabchopf anhängen, oder wie ich es auch schon gemacht habe, zum Rot Nossen hinaufsteigen und dort noch eine Route angreifen (ca. 15 Minuten, T5). Für uns heisst es hingegen Abseilen. Dafür sind 4 Manöver fällig, den Station nach L3 kann/muss man auslassen, allerdings muss jener von L2 angependelt werden - die Wand ist überhängend und der Stand ist etwas seitlich versetzt. Immerhin ist so auch auf dem Rückweg für etwas Spannung gesorgt. Am Einstieg trödeln wir nicht mehr lange, packen unsere Sachen und machen uns auf die Suche nach dem feinkörnigen Geröll, über welches wir möglichst bequem auf die Alp Zingel abfahren können. Das gelingt ganz ordentlich. Nun heisst es noch zum Urnerboden absteigen, ein toller Vollmondaufgang sorgt für geniale Bergstimmung. Ein paar Minuten nach 17.00 Uhr sind wir retour beim Hotel Tell, das Timing ging also perfekt auf, ohne dass wir die Stirnlampe hätten zücken müssen. Bald auf dem Heimweg tauchen wir in die Dunkelheit und eine dicke Nebelsuppe. Die Erinnerungen an diesen goldigen Spätherbsttag sind so aber nur umso mehr wert!

Der Geröllhaldensprint sollte doch eigentlich olympische Disziplin werden ;-)

Facts

Gabchopf - Dia Gääch 6c (6a+ obl) - 5 SL,  150m - Furter/Vogel 1989 - ***;xxxx

Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Schöne, steile und eindrückliche Kletterei, die ihrem Namen absolut gerecht wird. Allerdings sollte man sich hier wie aufgrund der offiziellen Topos zu vermuten auf eine gemütliche Plaisirroute einstellen, sondern auf alpines Sportklettern. Dieses kriegt man in meist bestem Fels geboten, die für den Klausenpass üblichen Ausreisser mit minderer Felsqualität beziehen sich auf wenige Meter. Seit der Sanierung in den 2000er-Jahren ist die Route fair und solide abgesichert. Einziger Wermutstropfen: die inzwischen verpönten, originalen Sondi-Ringhaken der Erstbegeher wurden alle belassen, somit klettert man die schwierigsten Moves an den schlechtesten Bolts. Passt aber dank der üppigen Absicherung schon. Alles in allem dank der sonnigen Lage auf ca. 1950m ein tolles Ziel für sehr früh oder sehr spät in der Saison. Ein schematisches Topo und Infos zu weiteren Routen am Berg findet man im SAC-Kletterführer Glarnerland.

2 Kommentare:

  1. Hoi Marcel
    Als 1994 der Führer "Schweiz extrem Kalk" erschien, machten wir uns als regelmässige Klausenkletterer schon bald zu diesem Fels auf (Gebiet Nr.50) und erlebten dort ebenfalls knallharte Kletterei in allerbestem Fels. Nur dachten wir halt eher, dass dies unserer Schwäche geschuldet sei und weniger eine knüppelharte Bewertung;-)
    Gemäss meinem Eintrag im Führer kletterten wir den "Grenzwolf" und den "Hanäschrei". Und wenn ich heute die dort eingetragene Absicherung der Routen anschaue bekomme ich gerade Gänsehaut! Und das galt dannzumals ja bereits als gut abgesichert, zumindest für Klausenverhältnisse...
    Muss mir den Gabchopf wieder einmal zum Ziel nehmen!
    Mit besten Grüssen aus dem verschneiten Baselbiet
    Patrik

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    1. Hoi Patrik,

      Ja die Zeiten ändern sich... und heute schiebt man(n) es auf die Bewertung und nicht die Schwäche ;-)

      Nach deinen Zeilen habe ich ebenfalls wieder einmal den 1994er-Extrem konsultiert. Diä Gääch ist da ja tatsächlich auch schon drin. Schwerste Stelle zu Beginn von L4 (was ich auch als schwierigste Einzelstelle wahrgenommen habe) mit 7-/7 bewertet, unter dem Strich also damals schon immerhin 6b.

      Hanäschrei habe ich auch einmal geklettert - fand ich gut, vielleicht einen Tick weniger schön als Diä Gääch. Auf dem Topo ja ähnlich bewertet - sicher auch kein Geschenk für die angegebenen Grade, aber längst nicht so extrem wie Diä Gääch.

      Auch den Tüüfflüüger bin ich einmal geklettert. Sehr schön von der Felsqualität und der Kletterei her. Da fand ich die angegebenen Bewertungen (die auf dem Papier ebenso +/- vergleichbar sind) deutlich gutmütiger.

      Erwähnt sei, dass meine Besuche am Gabchopf in Abständen von jeweils 5-6 Jahren waren, in dieser Zeit verschieben sich die Erinnerungen manchmal in die eine oder andere Richtung.

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