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Sonntag, 4. Juli 2021

3. Kreuzberg - Blatta (7a)

Über unsere Motivation, bei gewittrigem Wetter in der NW-Wand des 3. Kreuzbergs zwei kürzere MSL-Routen zu klettern hatte ich ja bereits in meinem Beitrag über Velo (5 SL, 6c+) geschrieben. Nun waren wir also vor Ort und bei ebendieser zweiten Route handelt es sich um die Blatta. Das mir bekannte Erschliessertrio hat in der Ostschweiz zwar nicht allzu viele Routen hinterlassen, aber alle davon zeichnen sich durch Anspruch und Qualität aus. Grund genug, diese abgelegene Wand zu besuchen und, da das Wetter noch zu halten schien, alles daran zu setzen um mit reiner Punktebuchhaltung das Top zu erreichen.

Roslenalp, prominent sichtbar die Nordwand von K4, jene vom K3 mit der Route links ausserhalb des Bildes.

Für die Infos zum weiten Zustieg verweise ich an dieser Stelle nochmals auf den Beitrag zu Velo (6c+), wo unsere Wahl und einige Optionen präsentiert werden. Der Einstieg befindet sich weit links auf dem Grasband, mit meinem Wandbild oder dem SAC-Führer dürfte er aufzufinden sein. Sonderlich auffällig ist er jedoch nicht, aber markiert durch einen rostfreien BH mit einer (zum Zeitpunkt unserer Begehung) verrotteten, farblich dem Fels angeglichenen Schlinge.

Die NW-Wand am K3 mit dem Verlauf von Velo (5 SL, 6c+) und Blatta (4 SL, 7a).

L1, 30m, 6a+: Belanglose Auftaktlänge, welche nicht sonderlich schön und etwas heikel ist. Konkret wartet die Crux gleich auf den ersten Metern am dortigen BH vorbei. Nachher wird das Gelände sofort einfacher, etwas grasig mit vielen dumpf tönenden Schuppen. Das Problem besteht vor allem darin, dass erst kurz vor Ende der Länge nochmals ein BH folgt. Um mobil zu sichern sind die Möglichkeiten nicht berauschend. Natürlich hat mein Vorsteiger hier auch drei, vier Gerätschaften versorgt, doch in Retrospekt muss ich sagen, dass ich keines dieser Placements überzeugend fand. Das spürte ich schon, als ich ihn am Stand unten im Vorstieg sicherte... ein Sturz könnte hier aus 10-25m Höhe zum Aufschlag auf das schrofige, mit scharfkantigen Steinen gespickte Einstiegsband führen. Was das bedeutet muss ich nicht weiter ausführen. Immer beklemmend, in einer solchen Situation das Seil zu halten... Alternativ könnte man von links her ungesichert über die Schrofenrampe zum ersten Stand klettern oder L1 von Velo machen und kurz abseilen.

L2, 25m, 7a: Nun geht's zur Sache, ab hier trifft man bis zum Ausstieg durchgehend auf besten, kompakten Fels. Schon am Einstiegswändchen an zwei Bolts vorbei muss man sich festhalten und erhält einen Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Vorerst kriegt man jedoch eine griffige Schuppe in die Hände, entlang welcher man mit einem Runout 'the meat of the pitch' erreicht. In senkrechter Wandkletterei nutzt man viele kleine, teils fragil aussehende Schüpplein, welche in alle Richtungen zeigen (Crimps, Seit- und Untergriffe). Erst einmal gilt es Mut zu fassen, auch wirklich volle Pulle an diesen Strukturen zu ziehen und zweitens muss man sich sauber positionieren und den Füssen auf den oft nur vage angedeuteten Tritten vertrauen. Immerhin ist die Absicherung hier klettergartenmässig ausgefallen. So konnte ich den aufkeimenden Pump knapp im Zaum halten (man steigt halt quasi unaufgewärmt in diese Ballerlänge!) und durchsteigen. Nach unserem Empfinden ist dies die einfachste der drei wesentlichen Blatta-Längen und der Grad von 7a passt.

Technische Wandkletterei in sehr kompaktem Fels in L2 (7a) - geilo!

L3, 35m, 7a: Verdoneske Old-School-Kletterei erster Güte! Im ersten Bolt hing eine lange, halb zerfetzte Schlinge. Ich entschied mich schliesslich, diese sanft zu nutzen, um einen Preklipp des Bolts zu machen, als Verlängerung hätte sie definitiv nicht mehr getaugt. Die Distanz ist hier zwar nicht weit, aber die trittarme Kletterei wo man an kleinen, scharfen Slots auf Gegendruck geht ist taff und die Position unangenehm, was zu einem ungeschmeidigen Abgang in den Stand führen könnte. Bis man den dritten BH geklippt hat, geht's anhaltend fordernd und (finger)kräftig mit Stehproblemen weiter. Es folgt ein Mantle, dann steht man sicher und entspannt, die letzte Sicherung gerade unter den Füssen. Doch nun kann man leider nicht klippen, sondern muss erst ein fusstechnisch heikles Bewegungsproblem lösen, dann scharf-klein-fragile Schüpplein fassen, nochmals umpositionieren und sehr wacklig einhängen. Wenn man einmal weiss wie (und dass) es geht und dabei nicht abschmiert ist es schon OK, aber hier sind harte, eher unangenehme Stürze programmiert. Eine zwingende Hartmacher-Passage... die vermeidbar wäre. Nicht nur wäre der BH 75cm tiefer für den Wiederholer viel angenehmer, er wäre auch einfacher zu bohren gewesen und im Gesamtkontext irgendwie sinnvoller. Nach dem Klipp dieses vierten Bolts wird es nämlich subito markant einfacher, man klettert grossgriffig über eine geneigte Wandzone. Das Finish dann nochmals richtig cool, steil und gutgriffig aus einem Winkel hinaus und schliesslich zum Stand auf dem Querband. Zur Bewertung meinen wir, dass dieser Abschnitt bestimmt einen ganzen Buchstabengrad härter wie L2 ist - ergo 7b. Ich musste doch lange bouldern, um eine Sequenz zu finden, die komplett aufging und konnte schliesslich im dritten Go (Nachstieg) haarscharf passieren.

Keine Fotos der oberen Längen gemacht - darum hier nochmals K3 und K4 von der Roslenalp.

L4, 35m, 6c+: "Hier sieht's wieder etwas gutmütiger aus", meinte mein Kletterpartner. Das wurde natürlich gestützt durch die tiefere Bewertung laut Topo, welche auch nur dem Beginn 6c+ attestiert und die oberen zwei Drittel als 6b einstuft. Alles weit gefehlt, wie man bald einmal merkt! Zwar ist es hier tatsächlich ein paar Grad weniger steil, dafür ist der Fels mehr geschlossen, abschüssiger und glatter. Mit abgefahrenen, komplexen Bewegungen sorgt man für Fortschritt und dies nur unter Nutzung von Tritten wo man denkt "hält eh nicht" - supercool aber! Bald einmal wartet man sehnsüchtig auf die im Topo versprochene Erleichterung. Aber die kommt so nicht - die obere Hälfte ist zwar tatsächlich nicht mehr ganz so taff, es bleibt aber anhaltend und weit oben, mit der Wandkante des Ausstiegs schon nahe, wartet nochmals eine richtig knifflige Stelle, die dem unteren Teil in nichts nachsteht - zwischen den Haken notabene und gemäss der böse verbogenen Öse am BH hat die schon manch einen Aspiranten abgeschüttelt (zu dieser Stelle würde ich sagen, wenn "6b", dann Fb 6B bloc). So ist man dann richtig froh, wenig später endlich den Standbolt klippen zu können - auch wenn das heisst, aus unbequemer Position nachsichern zu müssen. Meinerseits konnte ich die Länge im Nachstieg am äussersten Limit flashen. Schwieriger wie L2, einfacher wie L4 lautete unser Fazit, somit also im Bereich 7a/+ bei technisch fordernder Kletterei.

Gipfelfoto mit Sicht nach Süden, am Horizont links die Churfirsten sichtbar.

Vom Routenende könnte man mit ein paar Kletterzügen (nicht ganz unheikel) das Grasband oberhalb erreichen, zum Gipfel aufsteigen und zu Fuss absteigen. Hätten wir vielleicht gemacht, wenn wir nicht schon zuvor oben gewesen wären. Der bequemere und schnellere Weg zurück ist aber das Abseilen, was mit 3 Manövern (4-3-2-Boden) zügig vonstatten geht. Langsam begannen nun auch dunkle Wolken aufzuziehen, es war schon 17.45 Uhr abends, somit hiess es ab Richtung Tal. Wir hatten gewerweisst, ob wir zurück zur Stauberenbahn gehen sollten oder gleich per Pedes zurück zum Automobil und entschieden schliesslich für letzteres. Über die immer steiler werdende Schneezunge (Vorsicht!) ging's unter dem K1 hinab, mit ein paar ehrfürchtigen Blicken hinauf zu den cleanen Trad-Rissen von Bärengraben, Hexuality und Hans im Glück. Sie riefen uns zu, dass sie uns testen möchten und wir für sie auf jeden Fall zurückkommen müssten... jaja, wir haben's gehört und die verlockenden Rufe sind definitiv in den Gehirnwindungen abgespeichert. Durch wüste Blacken- und Brennnesselfelder ging's zur Unteralp - Kunststück, hier werden Hunderte von Schafen gesömmert, das ökologische Gleichgewicht scheint arg in Schieflage. 1000 Höhenmeter vernichtend erreichten wir in 1:00h ab Einstieg den Parkplatz Nasseel. Da auf's Polster zu sitzen wäre bequem gewesen, doch wir mussten noch rüber zur Stauberenbahn und für unsere morgendliche Gondelei büssen. Eine ziemliche Hatscherei (-300hm, ~3.5km) mit ein paar kurzen, giftigen Gegensteigungen, die weitere 45 Minuten kostete. Dann endlich hatten wir es geschafft und konnten arg müde einsteigen. Wenig später prasselte auf der Fahrt heftiger Gewitterregen auf die Scheibe - unser Plan war perfekt aufgegangen!

Facts

3. Kreuzberg - Blatta 7b (6c+/7a obl.) - 4 SL, 125m - D. & L. Dürr, Chr. Looser 1998 - ***;xxx
Material: 2x50m oder 1x70m Seil, 10 Express, für L1 Cams 0.3-1 (auch der Cam 3 hätte gepasst)

Kurze, aber auf den 3 wesentlichen Seillängen anhaltende, vertikale Old-School-Wandkletterei an sehr schönem, wasserzerfressen-scharfem Fels mit Schüpplein, Seit- und Untergriffen und Stehproblemen. Das Verhältnis von Zustieg zur Routenlänge scheint in Schieflage. Doch einerseits kann man in der Umgebung weitere Routen in ähnlicher Länge klettern (den siebten Franzosengrad findet man jedoch nur in der nahen Nordwand von K4, die anderen Routen am K3 sind einfacher), andererseits lohnt es sich auch sehr, die Tour im Sportklettermodus mit Rotpunkt-Ambitionen anzugehen - was dann auf dem Niveau des Autors durchaus ein tagesfüllendes Unternehmen (oder mehr) werden kann. Die originalen Bewertungen laut Alpsteinführer sind hart und teilweise irreführend, bzw. innerhalb der Route nicht konsistent. Es ist natürlich immer die Frage, woran eine Bewertung geeicht wird. Doch wenn hier maximal 7a gilt, so wäre die Aufteilung 6a+, 6c, 7a, 6c+ in etwa richtig. Zusammen mit einer anderen Seilschaft, welche die Tour in jüngerer Zeit gepunktet hat, erachten wir 6a+, 7a, 7b, 7a/+ als repräsentativer im Schweizer MSL-Durchschnitt, auch das mag Kletterern, welche sich solche (fuss)technische Kletterei nicht gewohnt sind, noch zäh vorkommen. Im Dialog mit den Erschliessern war der Konsens aber, auch in der zukünftigen Ausgabe des Alpsteinführers bei der Originalbewertung zu bleiben, womit ich gut leben kann. Zur Absicherung: für L1 unbedingt mobiles Material mitführen - vieles bringt man unter (Keile, kleine & grosse Cams), nichts ist Bomber Gear. Danach braucht man nix mehr, L2-L4 sind mit Inoxbolts gut und fast sportklettermässig abgesichert. "Gut" heisst, dass die Abstände mit dem Zollstock betrachtet nie weit sind und es nirgendwo gefährlich oder heikel wäre. Nur "fast sportklettermässig" ist es, weil die Erstbegeher ihre Bolts nicht jeweils da setzten, wo es aus Wiederholer-Sicht am angenehmsten wäre, sondern oft mit Einsatz noch ein paar Züge weiterstiegen, bis eine Sicherung unverzichtbar war (ein Routencharakterzug, den ich schon bei der Begehung vom Moorphium vermerkt hatte). Das ergibt ein paar zwingende Stellen und einen fordernden Charakter, man kann sich hier also effizient für höhere Vorhaben vorbereiten. Ein schematisches Topo und weitere Infos zu den anderen Routen in der Wand findet man im SAC-Kletterführer Alpstein.

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