Schwülheisses Wetter mit einer Warnung für unwetterartige Gewitter war angesagt, das machte die Planung für einen MSL-Ausflug alles andere als einfach. Es scheint etwas exotisch, sein Glück bei einer solchen Prognose in den abgelegenen NW-Wänden der Kreuzberge zu suchen. Doch einerseits vermuteten wir, dass der Föhn im Alpstein noch etwas länger für trockene Verhältnisse sorgen würde, andererseits gaben die moderaten Routenlängen inklusive rascher Rückzugsmöglichkeit zur nahen Roslenalp die nötige Sicherheitsreserve um bei solchen Bedingungen zu klettern. So machten wir uns also auf den langen Zustieg, um mit der NW-Wand am 3. Kreuzberg einen mir bisher unbekannten Sektor zu erkunden.
Ja, sie haben schon Schwung, die Kreuzberge - Sicht von oberhalb der Saxer Lücke |
Ja, der Weg bis zum Einstieg ist nicht eben kurz. Vom üblichen Ausgangspunkt Nasseel (814m) oberhalb von Sax sind es rund 1100hm bis man in die Kletterfinken schlüpft, happig für Routenlängen im Bereich von 4-5 Seillängen. Weniger anstrengend aber für Fitte im Gesamtkontext kaum viel schneller wird die Sache mit Nutzung der Stauberenbahn. Für 18 CHF gondelten wir mit dieser 1200hm hinauf, um dann mit etwas Auf und Ab (netto +350hm) in rund 1:15 Stunden trotzdem ordentlich verschwitzt den Einstieg zu erreichen. Es sein an dieser Stelle erwähnt, dass man auf dem Rückweg ab Nasseel zur Talstation der Stauberenbahn nochmals ~45 Minuten marschiert, d.h. die 650 eingesparten Aufstiegs-Höhenmeter erfordern also nicht nur finanziellen Einsatz, sondern auch Laufbereitschaft auf dem Heimweg. Übrigens, um dem Routennamen Referenz zu erweisen: für (e-)Bike-Nutzer wäre der Weg von Wildhaus per Zweirad zur Alp Tesel und dann zu Fuss via Mutschensattel eine prüfenswerte Alternative. Steht man einmal im Kar der Roslenalp, so führt ein gut erkennbarer und auf der Landeskarte verzeichneter Pfad in Richtung der Scharte K3/4. An offensichtlicher Stelle quert man auf dem Band unter der Wand auf Wegspuren nach links (NE) hinaus. Mittig wartet eine kurze, etwas exponierte Kletterstelle und zum Schluss muss man noch über ein paar Schrofen linksherum den eigentlichen Einstieg erkraxeln, dann kann es losgehen.
Fokus auf die Nordwand am 3. Kreuzberg mit den beiden von uns gekletterten Routen. |
L1, 35m, 6a: Gleich zum Auftakt wartet eine zackige, kompakte Wandstelle, für die Erstbegeher im 1969 sicher eine kühne Sache! Mit einer Linksschleife gewinnt man eine diagonal nach rechts ansteigende Rampe, welche dann einfachere, wenn auch nicht total triviale Kletterei bietet - immer noch schön, wenn auch nicht ganz perfekter Fels.
L2, 40m, 6c+: Nach kurzem Vorgeplänkel kommt man zum Boulderproblem mit der Crux. Der Fels erscheint hier auf den ersten Blick etwas splittrig und a priori hatte ich etwas Bedenken, ob die teils kleinen Schüpplein und Crimps standhalten würden. Doch dank der guten Absicherung kann man beherzt angreifen - mir ging es gut auf, mit einigen kleingriffig-athletischen Zügen war die Stelle rasch erledigt, wobei es jedoch sicherlich auch nicht einfacher wie die angegebene 6c+ ist. Alternativ geht's mit Hakenhilfe leichter, wobei mindestens eine Trittschlinge und dann 1-2 freie Züge für den nächsten Klipp nötig sein dürften (?!?). Die folgende Verschneidung bietet dann lässige, steile Turnerei - der vermeintlich teils lottrige Fels ist gut versintert und damit fest - die 5c aus dem Topo fand ich allerdings deutlich zu tief, 6a+ muss man da bestimmt noch bieten!
Die unteren Längen sind nicht sehr fotogen, hier entsteigt Viktor gerade L2 (6c+). |
L3, 35m, 4a: Hat eher den Charakter von einem Überführungsstück über die etwas grasige Rampe und bietet keine Schwierigkeiten - mal abgesehen davon, dass Teile in der Mitte wohl lange nass bleiben, der Struktur sei Dank aber wohl auch dann unschwierig bleiben. Man kommt dann nach 25-30m zuerst am Stand der 'Blatta' vorbei - ich würde beim nächsten Mal diese, bequemere Station nutzen. Der eigentliche Velo-Stand kommt erst 5m später am Ansatz der Verschneidung. Wir nahmen diesen, da wir ungünstigen Seilverlauf vom unteren Stand fürchteten - aber das ist höchstwahrscheinlich unbegründet.
L4, 35m, 6a: Die Signature-Pitch der Route zum Velo hinauf! Die Route führt nicht wie man für einen Klassiker erwarten könnte durch die Verschneidung, sondern rechts davon durch die steile Wand, wo Risse und Schuppen stets gute Griffmöglichkeiten bieten - kühn, elegant und wirklich sehr schöne, athletische Kletterei in luftiger Position. Wegen flüchtigem Blick aufs Topo war ich in Erwartung einer (weiteren) 6c+ losgestiegen... alles löste sich gut auf und echt schwierig schien es nirgends. Schliesslich entpuppte sich dieser Grad aber als Verwechslung, 6a wird dieser Länge offiziell attestiert. Das ist dann etwas gar tief, wir denken dass 6a+ oder 6b eine adäquatere Beschreibung wäre, so steht's dann (vermutlich) zukünftig auch im Alpsteinführer. Am Ende geht's dann rechts am mittlerweile definitiv schrottreifen Velo vorbei zum Stand auf dem Pfeilerkopf.
Die Seillänge am Velo vorbei ist definitiv ein Highlight, nicht nur wegen dem Gerät (L4, 6a). |
L5, 20m, 4b: Kurz und ohne besondere Schwierigkeiten die Verschneidung hinauf, um das schrofige bzw. grasige Gelände der Gipfelabdachung zu erreichen. Der Stand befindet sich erst ein Stück weiter oben, er besteht auch nur aus 1 nicht besonders auffälligen BH - man wird ihn aber schon finden.
Vom Stand nach L5 sind es noch rund 40hm über gut seilfrei begehbares Gras zum geräumigen Gipfel. Diesen wollten wir uns nicht entgehen lassen, bzw. gehört der Weg zum Gipfel eigentlich zum obligatorischen Programm. Vom Stand 5 gibt es nämlich keine Abseilmöglichkeit mehr, d.h. ein Fussabstieg ist mehr oder weniger zwingend. Trotzdem kann ich über diesen nichts schreiben... wir hatten nämlich keine Schuhe dabei, wollten noch in der Blatta (4 SL, 7a) klettern und seilten daher über jene ab. Deren Ende ist aber nur umständlich mit etwas heikler Abkletterei zu erreichen. Ging schon, einmal da ist man mit 3 Manövern zügig wieder am Einstieg... und kann testen, ob in seinen Reifen mehr als nur heisse Luft ist. Mehr dazu aber dann im nächsten Beitrag.
Facts
3. Kreuzberg - Velo 6c+ (6a A1 obl.) - 5 SL, 165m - Bösch/Scherrer 1969 (saniert 1993) - **;xxx
Material: 40m-Seil, 12 Express, evtl. Cams 0.3-1 & kleines Keilset
Klassische Route mit für die Zeit mutig-moderner Linienführung und lässiger Kletterei in an den schwierigen Stellen schönem Fels. Eine Verbindungsstücke sind etwas grasig und auch nicht bombenfest, passt aber schon. Die Route ist (insbesondere für den weiten Zustieg) eher kurz, aber der zügige, problemlose Fussabstieg führt wieder zurück zum Einstiegsband. So kann man ohne weiteres eine zweite Route anhängen, wobei mehrere attraktive Optionen bestehen. Eine solide Grundabsicherung mit BH ist im Velo vorhanden, hier und da findet man auch noch einen Schlaghaken - wer die Schwierigkeiten an den steilen Stellen im Griff hat und sich im alpin-einfacheren Gelände auch mal einen Runout zutraut, kommt auch ohne mobile Sicherungen durch - Cams & Keile legen ist aber möglich. Ein schematisches Topo zur Route findet man im SAC-Kletterführer Alpstein. Planungstipp: die Wand ist im Sommer bis ca. 14 Uhr im Schatten.
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