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Mittwoch, 2. Juli 2025

Kreuzberg IV - Graue Eminenz (8a)

In den Nordwänden der Kreuzberge war ich bisher nur ein einziges Mal geklettert. Dieses Kalkriff über dem Rheintal ist ziemlich abgelegen und nur mit einem längeren Zustieg erreichbar. Gleichzeitig sind die Routen nur ein paar wenige Seillängen kurz, womit man ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag diagnostizieren kann. Trotzdem, um an heissen Tagen im kühlen Schatten zu klettern bietet sich diese Wände an. Zudem hatten wir erfahren, dass vor kurzem Tobias Bitschnau und Florian G. der hier beschriebenen Graue Eminenz in einen Team-RP den ersten Durchstieg abgeluchst und eine Aufwertung auf 8a vorgeschlagen hatten. Da wollten wir gleich nachsehen, was es damit auf sich hatte.

Die Nordwände der Kreuzberge IV und V, markiert Start- und Endpunkt von Graue Eminenz (8a).

Für den Zustieg gibt es je nach Ausgangspunkt mehrere Optionen, es sind jedoch alle aufwändig. Ab Nasseel oberhalb von Sax im Rheintal sind 1100hm fällig. Diese kann man mit der Stauberenbahn in etwa halbieren, der Zeitaufwand ist jedoch kaum kleiner. Wir hingegen setzten auf die E-Bike-Variante ab Wildhaus. Man kann dazu Faulheit monieren, doch kurz und bequem ist auch sie nicht, der Zeitaufwand ab dem Parkplatz ist ähnlich wie aus dem Rheintal. Für mich persönlich besticht sie dadurch, dass sie (pro Weg 35km bzw. 25min) Autofahrt einspart und damit die effizienteste und auch ökologischste Variante ist, um an den Kreuzbergen zu klettern. So machten wir uns um 7.20 Uhr in Wildhaus auf den Weg und deponierten das Zweirad um 7.50 Uhr auf ~1500m etwas hinter der Teselalp.

Unterwegs von Wildhaus zum Mutschensattel, welcher sich in Verlängerung der Strasse befindet.

Nun ging es zu Fuss weiter Richtung Mutschensattel. Nicht gerade ein kurzer Marsch, aber irgendwie doch angenehmer wie der Höhenmeter-Fresser aus dem Rheintal, zudem morgens auch noch angenehm im Schatten. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass auf der NE-Seite des Sattels früh in der Saison gerne noch ein steiles Schneefeld lungert, welches ohne alpine Ausrüstung heikel zu begehen sein kann. Im schneearmen und heissen Vorsommer 2025 war Ende Juni nur noch ein letzter Rest vorhanden, welcher umgangen werden konnte. Dann heisst es vom Sattel P.2069 etwas abzusteigen, man kann jedoch auf ca. 1940m die Höhe halten und auf Wegspuren bzw. Wildwechseln unter die Nordwand der Kreuzberge traversieren. Um 9.15 Uhr und damit 1:55h nach Aufbruch hatten wir den Einstieg aufgespürt, welcher schon im steilen Gelände liegt, angekraxelt werden muss und durch einen einzelnen BH mit silbriger Fixé-Lasche identifiziert ist. Nach einer Pause starteten wir ca. eine halbe Stunde später mit der Kletterei.

Am Mutschensattel, mit dem Rest vom (u.U. heiklen) Schneefeld. Die Wolken verzogen sich bald...

L1, 35m, 7b: Los geht's noch moderat schwierig an etwas dumpf tönendem Fels zum hoch steckenden, ersten BH. Danach heisst es dann gleich subito, parat zu sein. Mit einem dynamischen Startmove zündet man das Feuerwerk, etabliert sich an einer Seitgriffschuppe und powert durch einen erneuten, dynamisch-weiten Move. An einer trickreichen kleinen Rampe lässt sich dann ein schöner Pump aufbauen, der in der finalen, leistenlastigen Rechtsquerung hinderlich sein könnte. Dann endlich kommen Henkel und damit ein Ausstieg in weniger schönes Gelände mit etwas unsicherem Fels, in welchem man die letzten 12m zum Stand bewältigt. Doof, dass da nicht noch ein BH steckt: der Vorsteiger wäre im Falle des Falles sicher mindestens spitalreif, im Nachstieg droht ein übler Pendler. Anyway, das ist alles hypothetisch, Daniel kletterte die Länge onsight und ich konnte sie, nachdem die Rakete für den Startdyno im zweiten Versuch zündete, auch durchsteigen. Trotzdem, die von Tobias vorgeschlagene 7b (Alpsteinführer bisher: 7a) passt und ist sicherlich nicht übertrieben. Zu erwähnen ist auch, dass wir die nur halbfett eingetragene (Original-)Option über den letzten Haken wählten. Linksrum über Hägar auszukneifen wäre da oben evtl. etwas einfacher, jedoch ändert es kaum etwas an der Schwierigkeit der Länge. V.a. aber bringt es einen in eine unvorteilhafte Position für den Weg zum Stand, insbesondere im Nachstieg geht es dann sicherlich in Richtung "echt gefährlich".

Vom toll zu kletternden Teil von L1 (7b) haben wir leider kein Foto. Die letzten 12m im durchzogenen Gelände machen dann nicht mehr gleich viel Freude, v.a. sind sie auch unzureichend abgesichert. Es gibt keine BH mehr und zuverlässige natürliche Möglichkeiten haben wir nicht gefunden.

L2, 25m, 7c+: Diese Seillänge ist ein absoluter Knaller, mitten durch die kompakte Wand, welche man von unten durchaus als unkletterbar taxieren könnte. Doch es geht, die Erstbegeher haben hier den richtigen Riecher (oder Glück...) gehabt. Der Fels ist zwar nur knapp strukturiert, durchgehend säumen aber kleine Leisten den Weg. Und das zum Glück in einer Verteilung, welche ein sehr homogenes Ausdauerproblem ohne verzweifelt schwierige Einzelstelle kreiert. Saubere Fussarbeit und ein gutes Bewegungsrepertoire gehören ebenfalls zu den Anforderungen, welche hier nötig sind. Ich werde Zeuge, wie Daniel wieder einmal sein überragendes Können demonstriert und diesen Abschnitt onsight zieht. Was für eine Leistung, absolut der Hammer! Nicht nur braucht es dazu die nötige Physis und die Skills. Auch mental ist es eine Challenge: es heisst, über eine lange Zeit am Limit dranzubleiben, echte Erholungspausen gibt es unterwegs keine. Meinereiner benötigte ich einige von diesen: mit ca. 5 Rastern im Seil konnte ich die Seillänge in überlappenden Einheiten ebenfalls durchziehen. Die 7c+ schätzen wir als passend ein. Die Absicherung hier ist übrigens gut, die Sache ist aber anhaltend schwierig und es gilt harte Moves auch zwischen den Bolts zu ziehen.

It's hard but a lot of fun (L2, 7c+)!

L3, 15m, 7c/+: Sehr kurz, aber gar nicht schnurz... die Wand legt sich ganz leicht zurück, wird aber gleichzeitig auch etwas strukturärmer. Sprich, die "guten" (d.h. kleinen, aber hin und wieder doch etwas positiven) Leisten von vorher fehlend weitgehend und es geht mehr in Richtung Zauberei an mickrigen Kratzern und Slopern. Somit war es leider bald vorbei mit der Onsight-Begehung und es dauerte eine geraume Weile, bis eine tragfähige Lösung für diesen Abschnitt ermittelt war. Immerhin gelang dies an beiden Seilenden. Wobei wir den Beweis für das Zusammenhängen dieser komplizierten Abfolge schuldig blieben. Möglich scheint es jedoch schon, mittig im schwersten Teil gibt's auch noch einen guten Griff, wo man sich etwas sammeln kann. Trotzdem, mich dünkte diese Länge kaum einfacher wie die benachbarten beiden. Apropos: wer sich nach dem unbequemen Stand nach L2 auf eine bessere Station freut, wird leider enttäuscht. Getoppt wird das Ganze nur vom nochmals unbequemeren Stand nach L4, aber dazu kommen wir ja erst.

Harte Moves an sehr kleinen Griffe in technisch forderndem Gelände (L3, 7c/+).

L4, 35m, 8a: Der Alpsteinführer rapportiert hier eine lapidare 7b, wobei dies wohl eher die obligatorisch zwischen den Haken zu kletternde Schwierigkeit bezeichnet, welche die Erstbegeher im Rahmen der Erschliessung wahrgenommen hatten. In Tat und Wahrheit gibt's von BH #2 zu #3 eine heftige (aber halt nicht zwingend vollständig freizukletternde) Crux von soso Seit-/Untergriff über eine übel schmierige (weiss-flechtige) Sloperleiste an ein kleines Schüppli, dessen pflegliche Behandlung anzuraten scheint. Während Daniel hier den Schlüssel fand (nicht im onsight jedoch), konnte ich diesen Move nicht ausführen: mit den tieferen Tritten fehlte mir die Reichweite, mit den höheren drückte ich mich aus der Sloperleiste und mit Antreten im Nichts dazwischen war dieser Griff einfach zu schlecht, um haltbar zu sein. Als nächsten Programmpunkt erreicht man eine Rissspur, wo man zwar leichter für Fortschritt sorgt (ca. 7a/+), einfach ist es jedoch aufgrund der etwas mehlig-schmierigen Griffe auch nicht wirklich (zudem 1x Cam 0.4 oder 0.5 sehr hilfreich). Irgendwann ist dann aber fertig Riss und es folgen nochmals zähe Wand- bzw. Plattenmoves in sehr knapp und abschüssig strukturiertem Fels. Daniel meinte, dies könne evtl. schon nur 7b sein. Mir hingegen kam dieser Teil schwieriger vor, sprich nochmals in ähnlichem Rahmen wie in L2 und L3. Jedenfalls: eine 7b ist diese Länge sicher nicht, wir stimmen mit Tobias' Vorschlag von 8a überein.

Geschenkt gibt es da gar nix: Marcel in der anhaltenden L4 (8a).

L5, 25m, 6c: Auf dem Topo sieht's eher so aus, als ob die Route nach L4 enden würde. Im Gelände hingegen weniger. Denn der Stand befindet sich effektiv direkt im Verlauf der letzten Seillänge (6c+) von Hägar und auch weiter unten wie in der Literatur verzeichnet. De fakto klettert man hier noch gute 25m und damit fast die ganze Hägar-Länge. Evtl. käme die Crux dort gleich zu Beginn, denn die 6c+ scheint mir eher etwas hoch. Was aber nicht heisst, dass es geschenkt wäre. Ein paar fordernde Moves warten durchaus, aber die Griffe sind nun schon etwas grösser ausgefallen. Am Ende sitzt übrigens nicht mehr jeder Griff bombenfest (passt aber schon) und man hat die Wahl, zwischen einem erneut unbequemen Stand in der Wand, oder einem Ausstieg auf den Felskopf, wo man 3m weiter oben auf zwei Longlife-BH einer klassischen Route stösst.

Wenn man zum Vorgipfel aussteigt, gibt's dafür keine Fotos von L5 (6c)...

Wir nutzten gerne die letztere Option, welche in ein paar weiteren Metern in seilfreiem Kraxelgelände auch noch den Besuch des Vorgipfels erlaubt, so dass eine Rundumsicht in alle Richtungen genossen werden kann. Um 15.20 Uhr waren wir da, hatten somit also 5:30h für die fünf nicht einmal überaus langen Seillängen gebraucht. Schliesslich galt es aber, viele harte Moves zu dechiffrieren und wir waren im Sportklettermodus unterwegs. Während Daniel ein "all free" gelang, blieb mir dieser eine Move in der 8a verwehrt. Trotzdem, das war eine sehr zufriedenstellende Sache und es hatte enormen Spass gemacht, bei angenehmen Bedingungen in dieser Wand zu fighten und zu puzzeln. 

Blick vom Top Richtung Norden, d.h. zur Roslenalp und zum Kreuzberg III.

Für den Weg zurück wäre ein Fussabstieg optional möglich. In Kletterfinken jedoch nicht, so stiegen wir vom Vorgipfel zum Stand zurück, seilten die 3-4m über die Kante zu jenem nach L5 ab. Dann geht's zurück zu jenem nach L4, von wo man dann in zwei voll ausgereizten 50m-Strecken (via Stand 2) gerade wieder zum Einstieg kommt. Dort packten wir zusammen, liefen wieder unter den Kreuzberg-Nordwänden durch und stiegen retour zum Mutschensattel. Daniel schritt zügig seiner daheim wartenden Familie entgegen, ich konnte mir etwas mehr Zeit nehmen und die Abendstimmung in der schönen Umgebung aufsaugen. Spät wurde es auch bei mir nicht, zum Znacht und zum Verfolgen der Seminfinals vom Weltcup in Innsbruck war ich daheim - sehr zufrieden übrigens mit der Zustiegsoption ab Wildhaus, in Kombination mit dem E-Bike ist das für mich die Optimalroute an die Kreuzberge.

Am Mutschensattel, voraus der Weg zurück zum Ausgangspunkt Wildhaus.

Facts

4. Kreuzberg - Graue Eminenz 8a (7b obl.) - 5 SL, 135m - Good/Weber/Wohlwend 1996 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seil, 14 Express, Cam 0.5

Ein richtig cooler, schattig gelegener Alpinsportkletterhammer! Absolut herausragend ist die Kletterei in der anhaltend-ausdauernd-homogenen L2, ebenfalls sehr gefallen haben mir die Moves in L1. Danach ist der Fels etwas abschüssiger strukturiert, die Kletterei wird dementsprechend mehr tüftelig und bouldrig. Auch das ist lohnend, ich fand es aber nicht mehr ganz so cool. Abgerundet wird das Ganze mit einer einfacheren letzten Länge plus Gipfelerlebnis. Somit mein Fazit: für diejenigen die es drauf haben, lohnt sich der weite Weg dahin auf jeden Fall. Sonst gäbe es mehr oder weniger dasselbe unmittelbar daneben auch zu (mutmasslich) leicht günstigerem Tarif in Hägar (7b+). Die Route(n, gilt wohl ähnlich für Hägar) sind sehr gut mit BH abgesichert. Jedoch ist die Kletterei anhaltend schwierig und es gilt doch manchen, fordernden Move zwischen den Sicherungen zu absolvieren. Etwas Argwohn erwecket die Tatsache, dass die verzinkten Bolts mit den rostfreien Laschen aufgrund der galvanischen Korrosion nicht mehr taufrisch aussehen (Stand 2025), zudem sind das (deutlich einfachere, aber vom Fels her nicht 100%ige, 6b max) Start- und Schlussstück in L1 leider boltlos geblieben. Das Topo findet man im SAC-Kletterführer Alpstein. Gegen die bei der ersten RP-Begehung vorgeschlagenen Bewertungen von 7b, 7c+, 7c, 8a gibt es von unserer Seite absolut keinen Grund zur Opposition, sie passen sicher besser wie dir originalen Vorschläge.

Freitag, 2. Mai 2025

Schattenwand - Chupferhode (6b)

Daheimbleiben an Ostern? Das hatten wir in der Vergangenheit nur gezwungenermassen im Pandemiejahr 2020 gemacht, sonst waren wir immer irgendwo unterwegs. Anders im 2025: mit der Selektion für die internationalen Boulderwettkämpfe ging Larina die Verpflichtung ein, voll aufs (Indoor-)Bouldern zu setzen und für die demnächst bevorstehenden Events zu trainieren. Das geht prima von daheim aus und rein wettertechnisch gab die Ostschweiz auch das her, was für des Vaters Outdoor-Zeitvertrieb nötig war. So blicke ich trotz Daheimbleiben auf sehr gelungene Ostern 2025 zurück. Zwei Vollgas-Indoor-Sessions mit Larina, einen 8a-Send am Fels und ein Bike & Climb Ropesolo-Tüürli, über welches an dieser Stelle berichtet wird.

Blick auf die Schattenwand. In deren linkem, etwas grasigem Teil befinden sich einige einfachere MSL in den Graden 5b/5c. Auf der kompakten Platte rechts aussen gibt's einige weitere Möglichkeiten. Dort bewegen sich die Schwierigkeitsgrade meist im Bereich von 6b bis 7a. 

Nun ja, Larina nahm sich den Rat der Trainer zu Herzen, jeweils kurzfristig am Morgen zu entscheiden, ob ein weiteres Training oder ein Ruhetag angesagt wäre. Für diesen Tag fiel die Entscheidung auf Restday, und so durfte ich mich nach einem Outdoor-Alternativprogramm besinnen. Der Situation entsprechend konnte/wollte ich nicht gar nicht so viel klettern. Aber nur Biken oder Laufen war mir dann doch ein bisschen zu wenig Salz in der Suppe. So entschied ich mich, zur von mir noch nie besuchten Schattenwand zu radeln und dort eine (oder mehrere) der kurzen, bestens abgesicherten MSL-Routen zu klettern. So kurzfristig und an Ostern einen Kletterpartner aufzutreiben war natürlich illusorisch, somit war ein Ropesolo die Methode der Wahl. Das ist aber eine Konzession, welche ich gerne zu Gunsten von Larinas flexibler und optimaler Trainingsgestaltung eingehe.

Unterwegs auf den Trails der Neuenalp. Gerade voraus Wisswand (wo ich im 2024 im Rahmen einer weiteren Bike & Climb Ropesolo-Tour unterwegs war), im Bildzentrum der Rotsteinpass und rechts der Wildhauser Schafberg.

Es ist schon fantastisch, welche Möglichkeiten wir in der Schweiz und ihrem dicht ausgebauten Flurtrassen- und Wegnetz haben. So konnte ich im Nesslau starten und komplett abseits vom Verkehr via Steinerberg - Neuenalp - Passhöhe P.1404 zum Gräppelensee und schliesslich steil hinauf zum Bikedepot beim Rietgarten P.1584 gelangen. Von da ist es nur eine kurze Traverse hinüber zur Alp Mutteli, von wo man mit 70hm und ein paar wenigen Minuten Aufstieg an die Schattenwand gelangt. Ein bisschen erstaunt war ich, dass zwei Seilschaften im linken Teil der Wand aktiv waren. Das erklärt sich aber bestimmt dadurch, dass diese im Plaisir Ost als ideale MSL-Einsteigertouren beschrieben sind.

Haha, auf wessen Gefahr denn sonst?

Im rechten Teil der Wand mit den schwierigeren Routen war hingegen niemand aktiv. Ich wollte den optischen Eindruck entscheiden lassen, wo ich einsteigen würde. Die attraktivsten Linien schienen mir jene der zuerst erschlossenen Agaraturm (6c+ A0) und Chupferhode (6b) zu sein. Schliesslich gab ich der letzteren mit ihrer sehr attraktiven Doppel-Wasserrille in L1 und einem superkompakten Plattenschild in L2 den Vorzug. Um 14.20 Uhr hatte ich alles parat und stieg ein.

Immer noch von der Biketour auf der Anreise, hier am Gräppelensee.

L1, 35m, 6a: Los geht's gemässigt über einige Stufen hinweg zur schon erwähnten Doppel-Wasserrille. An dieser geht's dann gleich heftig zur Sache. Heieiei, für eine 5c+ (SAC-Führer Alpstein) bzw. 6a (Plaisir Ost) ist das ganz schön schwierig. Ich konnte die Länge zwar onsighten, aber das fühlte sich für mich eher wie eine taffe 6b an. Und es ist auch noch zu erwähnen, dass ich nur den ersten Abschnitt (wo dies zwingend ist) rein an den Rillen kletterte. Nachher kann man sich einiger Griffe in den Rissen rechterhand bedienen. Auch in meinem Nachstieg war es jenseits von meinem Können, diese komplett zu ignorieren. Vielleicht ginge es mit Oldschool-Kletterfinken besser, welche sich ideal in den Rillen verklemmen lassen?!? Meine Treter sind sicher nicht erste Wahl für derlei Kapriolen.

Rückblick auf die tolle Wasserrille in L1 (6a hard). Nur den Abschnitt über die ersten drei BH muss man zwingend an der Rille klettern, dies ist die Crux. Bei den drei letzten Bolts bis zur Position des Fotografen wird es etwas steiler - da habe ich es nur mit den beiden Rillen nicht geschafft, sondern musste in die grasigen Risse (von hier aus gesehen) links greifen. Was natürlich vollkommen legitim ist, nur wäre es ohne noch schöner.

L2, 35m, 6b: Puh, nochmals schwieriger bewertet, das konnte ja heiter werden. Dieser kompakte Steilplatten-Schild à la Rätikon ist sicherlich das absolute Highlight der Route. Über eine längere Strecke ist die Kletterei anhaltend und es gilt, sauber auf der gefinkelten Wand anzutreten und kleine Kratzer und grössere Sloper zur Stabilisierung zu nutzen. Angst und Bange muss einem dabei aber nicht werden, die Absicherung ist in diesem Abschnitt hallenmässig und fast übertrieben gut - es stecken ca. 16 BH auf dieser Länge. Im oberen Drittel lassen die Schwierigkeiten dann etwas nach, die Kletterei bleibt aber bis zum Schluss sehr attraktiv.

Rückblick auf den Crux-Teil von L2 (6b), anhaltende Steilplatte mit seichten Wasserrillen, super!!!

L3, 30m, 6a: Die letzte Seillänge wartet nochmals mit schöner Kletterei auf, ist aber in ihrem Anspruch deutlich tiefer als die beiden vorangehenden. Als die Crux empfand ich eine Passage in der Mitte über einen kleinen Wulst hinweg. Zuletzt endet die Route ziemlich abrupt bei einem unbequemen Stand, bevor das Gelände oberhalb schrofig wird.

Griffstrukturen in L3 (6a) - fantastisch!

In der Gegend von 16.10 Uhr und damit nach etwas weniger als 2 Stunden Kletterei hatte ich das volle Ropesolo-Programm (Vorstieg, Abseilen, Nachstieg) erledigt und die Route onsight geklettert. Für den Weg zurück an den Einstieg sind 3 Abseilmanöver à 30m auszuführen. Ich hatte korrekt spekuliert, das von mir mitgeführte 60m-Seil war gerade genügend lang. Aber Achtung, wer es mir gleichtut: es reicht jeweils nur knapp. Weil die Wand inzwischen ihrem Namen gerecht im Schatten lag, ein lästig-kühler Föhnwind aufgekommen war und die Zeit auch schon fortgeschritten war, entschied ich mich gegen eine zweite Route. Ich war gut auf meine Kosten gekommen und das gemeinsame Abendessen daheim war die attraktivere Wahl. Somit retour zum Bike, auf dem Heimweg verzichtete ich auf Umwege über Trails und fuhr möglichst direkt (via Laui - Unterwasser) ins Tal - eine nur kleine Klettertour war es, aber doch ein absolut gelungener und spassiger Ausflug!

Glücklich darüber, diesen Ausflug in einer solch schönen Ausflug genossen haben zu können 🥰

Facts

Schattenwand - Chupferhode 6b (5c+ obl.) - 3 SL, 100m - Ott/Wiesmann 1988, saniert 2007 - ***;xxxxx
Material: 1x60m-Seil, 14 Express

Kurze, aber sehr schöne MSL-Route in vorzüglichem Schrattenkalk à la Rätikon. Die Kletterei an Wasserrillen und über Steilplatten begeistert absolut. Seit der Sanierung im Jahr 2007 ist die Absicherung mit vielen rostfreien Bohrhaken fast übertrieben gut. Weitestgehend kann man die Schwierigkeiten A0 bewältigen, wer es also einmal probieren will, hat hier die Chance. Um die Route dann aber freizuklettern, muss man hingegen im plattig-technischen 6b-Gelände schon einigermassen versiert sein. Gleich nebenan gibt's noch weitere Möglichkeiten für attraktive 3-SL-Routen, so ergibt sich falls gewünscht ein voller MSL-Tag. Details zum Gebiet und den Routen findet man im Plaisir Ost oder im SAC-Kletterführer Alpstein.

Mittwoch, 21. August 2024

Wisswand - Johannes Nänny (6b)

Das Weekend zu Beginn der Schulsommerferien war für den Support von Larina am European Youth Cup (EYC) in Dornbirn reserviert. Leider reichte es ihr nicht in den Final und somit hatte ich am Sonntag kurzfristig einen freien Tag. Nach Trainings- und Bouldersessions an den Tagen zuvor mussten es keine harten Moves sein und während ein reines Kardiotraining natürlich eine Option dargestellt hätte, so schien die Vertikale und vor allem das Entdecken eines bisher noch nie besuchten Klettergebiets die attraktivere Option. Somit fiel der Entscheid auf die Wisswand am Lisengrat beim Säntis. Die dortigen Routen schienen genau die richtige Länge und Schwierigkeit für ein Rope Solo zu haben, zudem sind sie auch gut mit Bohrhaken abgesichert. Und nicht zuletzt liess sich alles in eine schöne Bike, Hike & Climb-Rundtour packen, ein ideales Programm also.

Der Standardzugang vollzieht sich ab dem Säntis, von wo man in ca. 25 Minuten zum Top der Wisswand absteigt und dann abseilend auf das Mittelband gelangt. Die meisten Routen starten dort, am Wandsockel gibt es nur drei ältere Linien, die man von oben kommend für gewöhnlich auslässt. Mir war vor allem nicht danach, mich in den Touristenrummel zu stürzen und das Portemonnaie zu zücken. Darüber hinaus ist es ja auch angenehmer, eine Wand von unten anzugehen und komplett zu durchsteigen. Allerdings: der Zustieg vom Parkplatz Laui/Thurwies ist kolossal weit. Doch ob er im Gesamtkontext von mir daheim bis zum Schnüren der Kletterfinken am Wandfuss wirklich länger dauert, da bin ich dann aber doch nicht so sicher. Jedenfalls, ich startete in Alt St. Johann (wo es Gratis-Parkplätze gibt) mit dem Bike.

Schon näher, aber immer noch läuft man ein gutes Stück, bis man den Fels erreicht.

Auf guter und geteerter Strasse erreicht man P.1262, wo eine Fahrverbotstafel steht. Auch heisst es nachher wegen der heftigen Steigung stark in die Pedale zu treten, fahrbar ist es jedoch bis zu den Alphütten bei P.1519. Da ist man der Wand zwar schon deutlich näher gerückt, noch immer sind es jedoch rund 700hm zum Einstieg. Auf ca. 1890m verliess ich den Wanderweg zum Rotsteinpass und stieg erst über Gras, dann über Geröll und schliesslich Altschnee gegen den Wandfuss. Dass dieser kragenmässig mit einem Schneefeld garniert war, hatte ich bereits aus dem Tal gesehen. Da nicht mehr allzu üppig und dank den hohen Temperaturen kalkulierte ich damit, dass es auch mit den Turnschuhen ginge. Dem war dann so, aber man sei gewarnt: das Gelände ist steil, wenn's noch viel Schnee hat oder dieser hart ist, könnte der Weg dahin ohne alpine Ausrüstung vergebens gewesen sein.

Panorama vom Einstieg, der markante Gipfel in Bildmitte ist der Wildhauser Schafberg.

Grundsätzlich war mein Plan, in die Grosse Verschneidung einzusteigen. Geworden ist es schliesslich aber die Route Mittlerer Riss. Das lag an drei Prachtsexemplaren von Steinböcken, welche links am Schnee faulenzten und mein vorrangiges Projekt belagerten. Meine Überlegung war, dass mich auch der mittlere Riss hinauf auf's Band bringen würde. So konnte ich einen respektvollen Abstand zu den Tieren wahren und störte sie nicht. Um 13.50 Uhr hatte ich schliesslich alles parat und startete mit der Kletterei.

Hier geht's los, hier der Blick auf die schönen Wasserrillen am Anfang von Mittlerer Riss (L1, 4b).

L1, 30m, 4b: Erst eine schöne Wasserrille mit super Fels und guter Absicherung. Danach linkerhand in eine einfache, gschüderige Rinne, wo es auch keine fixe Absicherung mehr gibt. Im Nachstieg am freien Seil konnte ich diesen Teil links über die kompakte Platte klettern, was den oberen Teil deutlich spannender macht.

L2, 50m, 5a: Im unteren Teil zwar solider, plattiger Fels, aber man klettert hier mehr vom einen zum nächsten grasigen Riss. Es folgt dann ein weiter Abstand (das Maillon im Haken markiert ihn). Der Fels ist nicht top und der nächste Bolt schon im steilen Terrain muss eher engagiert angeklettert werden. Der Steilaufschwung dann ganz ordentlich, für eine 5a aber ziemlich fordernd, fand ich.

Mit einer schrofigen Verbindungslänge (3a) gelangt man auf's Mittelband, wo man gerade hinauf die eigentliche Fortsetzung von Mittlerer Riss findet, oder aber auch in eine der anderen Routen wechseln kann. So weit so gut, doch ich stieg über die Kante auf das grasige Band und genau vor meiner Nase waren zwei weitere Prachtsexemplare von Steinböcken 😳 Damit hatte ich, inmitten einer Kletterroute, nun wirklich nicht gerechnet. Etwas anderes als Stehenbleiben konnte ich im Moment kaum tun, zum Glück blieben auch die Böcke cool. Sie entfernten sich, langsam und scheinbar widerwillig nach links, so dass ich als erstbeste Lösung den Stand von Delila gerade oberhalb anpeilen konnte. Beim Ablassen um unten das Seil zu lösen hatte ich dann bemerkt, dass sich weiter rechts auf dem Band nochmals mindestens ein Exemplar befand. Doch mir blieb wegen dem fixierten Seil keine Wahl, als ab- und wieder aufzusteigen - mit ziemlich mulmigen Gefühl, denn auf diesem schmalen und steilen Rasenband mit den Tieren, denen man als Mensch bei einer Konfrontation in jeder Hinsicht unterlegen wäre. Um möglichst rasch wieder in steiles, bockfreies Gelände zu kommen, spielte ich mit dem Gedanken, gleich über Delila (4 SL, 6c) weiterzugehen. Nach einem Moment der Kontemplation schien es mir aber doch die bessere Lösung, zur Johannes Nänny zu wechseln. Das erforderte ein kurzes Abseilmanöver von 5m und eine Linkstraverse von 20m (die Böcke hatten sich inzwischen noch weiter entfernt).

Schau genau... vermutlich dachte er genau wie ich "mir wäre es lieber, du wärst nicht hier". Der Start zur Johannes Nänny ist noch links vom Bock (der später Leine gezogen hat), links der dunklen Höhle beim markanten gelben Ausbruch wenig links der Bildmitte.

L1, 15m, 6a: Nicht geklettert, da sie noch eine Etage tiefer startet und man von meinen Standpunkt dahin hätte abseilen müssen. Sicher ist es jedoch nur eine kurze Stufe von wenigen Metern im Fels.

L2, 30m, 6a+: Startet gleich beim markanten, gelben Ausbruch, welcher sich erst nach der Erschliessung ereignet hat (die Route wurde danach restauriert). Der Start vom Boden weg im wenig strukturierten Ausbruchsfels mit einem Boulderzug gar nicht mal so einfach und auch nachher am Wulst heisst es für 6a+ noch 1x gehörig zupacken. Oben dann einfacher und auch wenn man mehr rechts in der Rinne klettert wie links im kompakten Gelände durchaus noch spannend.

L3, 25m, 6a: Eine super Seillänge, klar die schönste der Route! Erst elegant mit zwei Seitschuppen, dann eine kräftig-steile Zone und auch der steilplattige, strukturierte Ausstieg ist cool. Nur die 6a-Lösung habe ich weder beim ersten noch beim zweiten Go gefunden. Obwohl 2x mit anderem Ansatz versucht, bin ich die drei schwierigsten Züge schlussendlich im Vor- und Nachstieg exakt gleich geklettert. Nach meinem Dafürhalten eher 6b, jedenfalls klar die schwierigste Länge der Johannes Nänny.

Des Rope Soloisten Geistesblitz: "mach doch mal ein Foto vom Klettern". Hier sieht man das Finish von L3 (6a), in direkter Verlängerung des Seils geht's dann in L4 (6b) an der Ecke vom Dach über den Wulst, was die nominelle Crux der Route darstellt.

L4, 25m, 6b: Das konnte ja heiter werden, nochmals einen Buchstabengrad schwieriger! Nach kurzem Vorgeplänkel geht's an einem Wulst mit Seitgriffschuppen zur Sache. Allzu viel Struktur und gute Tritte gibt's da nicht, doch für extremen Hau-Ruck scheint die filigrane Schuppe nicht gemacht (Gefahr von einem Ausbruch). Überlegen ist hier sicher besser als Kraftmeiern, ich fand eine super Lösung, so ging's elegant und easy - nach meinem Gusto einfacher wie L2 und L3. Nachher ist dann schon bald fertig. Umso mehr, wenn man fälschlicherweise den offensichtlichen Stand links von Masoala nimmt. Die J.N. geht ziemlich unscheinbar rechts noch über 2 BH griffig weiter auf eine Art Turm rechts.

L5, 25m, 4a: Auch hier heisst es das Topo genau zu beachten, wenn man auf der J.N. bleiben will. Diese führt mit nur 2 BH rechts einer Verschneidung hinauf, die offensichtliche (und schönere) Linie rechts in der Platte ist dann schon die 4c der Shanty. Da besser abgesichert und attraktiver habe ich jener mit Absicht den Vorzug gegeben - schöne, gemässigte Plattenkletterei bis zum Top.

Blick vom Top zum Säntis (alternativer Zugang). Früh in der Saison hat's auch da Altschnee.

Um ca. 17.15 Uhr nach knapp 3:30h in der Wand hatte ich das Programm (was für einen Rope-Soloisten immer 2x rauf und 1x runter heisst) absolviert, das Seil aufgeschossen und das Gipfelselfie geknipst. Ich hatte die Route onsighten können: das ist in dem Grad natürlich keine Weltklasseleistung, aber im Ropo Solo muss man es doch erst einmal schaffen - ich war jedenfalls sehr zufrieden. Nun hiess es noch, wieder ins Tal zu kommen: zu Fuss via Rotsteinpass zum Bike, hiess das in meinem Fall. Der beste Abstieg von der Wisswand zum Lisengratweg ist nicht so ganz offensichtlich - ich ging gleich ostwärts. Geht, aber erfordert am Ende zwingend verschärfte Abkraxelei. Mit etwas Auf und Ab dann im Trailrunning-Style zum Rotsteinpass mit Gasthaus, welches/n ich jedoch links liegen liess. Ich gab den Fersen weiter die Sporen und auch auf dem Bike liess ich es gerne rauschen. Denn inzwischen hatte ich die Kunde erhalten, dass die SAC-Selektionäre ihren Entscheid getroffen hatten. Die verhiess, dass Larina nicht am kommenden EYC in Zilina würde teilnehmen können. Somit konnten wir schon am nächsten Tag in die Sommerferien reisen und dafür galt es ja noch das ganze Material zu packen. Unvermeidlich wurde das zu einer Nightsession - aber natürlich war's das mir lieber so, als auf diesen Ausflug an den Fels verzichtet zu haben. Die Füsse stillhalten konnte ich ja dann am nächsten Tag auf der Fahrt in die Hautes-Alpes... 😁🤗

Vom Lisengrat gesehen ist die Wisswand ein richtig stolzer Zahn!

Facts

Wisswand - Johannes Nänny 6b (6a obl) - 5 SL, 120m (+100m vom Wandfuss) - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

In der Johannes Nänny wartet auf den drei zentralen Längen sehr schöne Kletterei in solidem, strukturiertem und rauem Kalk. Die Absicherung mit rostfreien Bohrhaken ist tadellos - prima gebohrt, aber nicht übertrieben. Auf mobile Gerätschaften kann man m.E. gut verzichten. Zusammen mit der wenig besuchten, (mir) unbekannten Gegend und einem schönen Panorama ein richtig cooler Ausflug. Nachteilig zu erwähnen ist die limitierte Routenlänge (v.a. im Vergleich zur Erreichbarkeit). Man kann aber gut eine zweite (oder dritte, vierte, ...) Route klettern, um auf die gewünschte Anzahl SL zu kommen. Abseilend steht man jeweils zügig wieder am Start. Oder alternativ vom Wandfuss starten. Die sanierten, alten Routen im unteren Teil sind aber einfacher und bieten nicht denselben Klettergenuss. Im Mittleren Riss kann das Mitführen von einem Set Cams lange Abstände in einfach-alpinem Gelände entschärfen. Topos zu den Routen bzw. zum Gebiet finden sich im SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng.

Mittwoch, 15. Mai 2024

Hundstein - Buuchfrei (6c)

Buuchfrei, das hört sich nach einem Thema für Teenage Girls an. Ist es aber nicht, denn die meisten weiblichen Geschöpfe dieser Altersstufe würden sich mit der hier beschriebenen Route ganz bestimmt keinen Gefallen tun. Viel mehr spricht sie vermutlich ältere Herren an. Ob das mit den genannten Kleidungsstücken nicht eigentlich genauso der Fall ist, ist eine Frage, wo man auf dieser Tour ganz bestimmt die Gelegenheit zur Erörterung findet. Denn wenn man die Route mit einem Attribut beschreiben müsste, so wäre dieses mit Sicherheit "lang". Mit 25 Seillängen an Kletterei und einem selbst bei flottem Marschtempo gegen zweistündigen Zustieg kann man sich auf eine 16+ Stunden Tour gefasst machen. Aber wenn man so etwas gerne macht, dann lohnt es sich sehr, das sei ganz klar bemerkt!

Blick von der Bollenwees auf den Fählensee und den Hundstein, mit dem Verlauf der Monster-Klettertour Buuchfrei (25 SL, 6c) im Profil. Kleiner Spoiler: man beachte die Schneefelder rechts vom Gipfel. Die sollten im Lauf unserer Tour noch eine Rolle spielen...

Die Tour startet beim Parkplatz Pfannenstil hinter Brülisau (Taxe 5 CHF/Tag, bezahlbar per Münzen oder mit Twint). Wer das straffe Programm nicht in einem Tag absolvieren möchte, findet diverse Möglichkeiten zur Unterkunft. Das Gasthaus Bollenwees (mit Hotelkomfort) oder die urige Variante im Matrazenlager der Fählenalp (derzeit noch nicht geöffnet) bieten sich am meisten an. Bis zur Bollenwees sind es rund 5km und netto 600hm auf einer breiten Fahrstrasse: erst steil hinauf durchs Brüeltobel, dann mit Höhenvernichtung am Sämtisersee vorbei und bei wechselnder Steigung zum Fählensee. Selbst wenn man sich hart ranhält, muss man gegen 1.5h kalkulieren. 

Fast schon wie ein Gemälde, diese Morgenstimmung am Fählensee: fantastisch!

Von der Bollenwees sind es dann nochmals rund 20 Minuten flach dem See entlang zur Fählenalp bzw. eine halbe Stunde zum Einstieg. Nur für marschtüchtige Kletterer also, das kann man mit Sicherheit sagen. Um 7.45 Uhr stiegen wir in die Route ein, wer also Reverse Engineering betreibt um die Aufstehzeit zu ermitteln, wird möglicherweise gleich vom Grauen gepackt. Die ist etwa dann, wenn die bösen Buuchfrei-Girls vom Ausgang heimkommen 😁 Als weitere Unannehmlichkeit (zumindest für jemanden wie mich, der zu 95% entweder sportklettert oder bouldert) lastet dann mit Cams, Schuhen und ausreichend Getränken/Verpflegung für einen solch langen Tag so viel Gepäck an Gurt und Schultern, wie es höchstens fürs Training, nicht aber zum freien Moven willkommen ist. Naja, man wächst hoffentlich an seinen Aufgaben...

Sicht von der Fählenalp auf die Riesenwand am Hundstein mit dem ungefähren Verlauf von Buuchfrei. Gewisse Teile (im Mittelteil der Route) sind verdeckt und nicht einsehbar. Ebenso führt der Quergang im Gipfelbereich so weit nach links, dass man eine weitere, von diesem Punkt noch gar nicht einsehbare Wand erreicht. Kurzum, die Route ist lang! Die Sonne bescheint den Einstieg um diese Jahreszeit (Mitte Mai) schon sehr früh (ab ca. 6.30 Uhr). Im Herbst hingegen könnte das erst viel später der Fall sein (not sure though!).

L1, 35m, 6b+: Fulminanter Auftakt, steil-athletisch an Unter- und Seitgriffen bei nicht so üppigem Trittangebot, das kann gleich heftig in die noch nicht zum Einsatz gekommenen Arme fahren! In der zweiten Hälfte dann Kletterei an distant verteilten, guten Griffen auf der gutmütigeren Seite der Senkrechten mit einer plattigen Challenge kurz vor Schluss.

In L1 (6b+) kommt man zügig auf Betriebstemperatur!

L2, 50m, 5c+: Erst weit in grasigem T6-Gelände ohne wirklich gute Sicherungsmöglichkeiten hinauf zum Pfeiler, welcher dann in schönem Fels und guter Kletterei erklommen wird. Möglichst direkt an dessen Kante zu bleiben bietet die attraktivsten Moves. Auf der Suche nach dem einfachsten Weg pendelt man mehr hin und her.

Pfeilerkletterei in L2 (5c+).

L3, 30m, 6a: Es geht noch kurz am Pfeiler weiter, bevor dieser markant einfacher wird und sich zurücklegt heisst es etwas unlogisch und nicht gut sichtbar nach links abzweigen. Man wird dafür mit prima Fels und guten Moves entschädigt. Die Crux mit einem Strecker zu gutem Griff gar nicht mal so einfach.

L4, 40m, 5c: Eine wenig begeisternde Länge, bei der Stufe zu Beginn ist der Fels nicht so top und die Kletterei etwas murksig. Hier aber dafür recht gut gesichert. Dann der Ausstieg auf ein grasiges Band und über dieses hinauf zu Stand.

L5, 45m, 6a: Super Seillänge über eine plattige Rampe mit hervorragendem Fels à la Rätikon, teils mit seichten Wasserrillen versehen. Die Sicherungsabstände sind weit (5 BH plus 1 SU) und erfordern einige Unerschrockenheit. Immerhin stecken die Bolts genau dort, wo es ohne Sicherung dann echt unangenehm zu werden begänne.

Hat ein paar Grasbüschel, aber trotzdem super Kletterei in prima Fels: L5 (6a).

L6, 45m, 5b: Dito wie L5. Einfach ein bisschen einfacher, dafür nur noch 4 BH. Mega cool, hier einfach auf direkter Linie in diesem Premium-Fels zu moven. Macht man aber vermutlich nur im Nachstieg so (und geht super!). Der (=mein) Vorsteiger mäandriert da gerne deutlich mehr, um nicht so kompromisslos über die Platten zu müssen und vielleicht irgendwo noch ein Klemmgerät platzieren zu können.

Tolle Kletterei, weiträumig gesichert in L6 (5b).

L7, 30m, 6a: Durchzogener Beginn (Achtung, grosse lose Schuppe direkt auf der Linie, linksrum umgehbar). Zum Ende eine cooler Boulder mit feiner Wandstelle. Jedoch eher 6A bloc als 6a Route und zwar mit 2 BH gesichert - wer stürzt, den pfeffert es vermutlich trotzdem unangenehm ins flache Gelände. Vielleicht war's auch nur das, was mein Schwierigkeitsempfinden so hochgetrieben hat?!?

L8, 40m, 6a: Sehr schöner Auftakt an super Wasserrillen, wobei der erste BH eher hoch steckt und einen doch noch zupfigen Boulder über dem Grasband erfordert (es wird nicht von der Mitnahme eines Crashpads abgeraten 😁). Die zweite Wandstufe ist dann ok aber kein Highlight, der zweite Teil der Seillänge besteht aus einer einfachen Graswanderung.

Fantastische Rillen am Anfang von L8 (6a).

L9, 40m, 6b: Eine Wandstufe mit lässiger Kletterei. Lange geht's gut, aber die 6b wird wohl kommen. Nach den Erfahrungen von L7 mache ich mich auf etwas gefasst - tatsächlich ist es ein zwar kurzer, aber heftig technischer Plattenboulder. Ich würde sagen voll zwingend - aber gut gesichert, da kann man voll riskieren.

Zuerst geht L9 (6b) gut, die 6b-Stelle kommt im kompakten Wandstück rechts oben im Bild.

L10, 30m, T4: Einfache, horizontale Querung auf Grasband nach links.

L11, 40m, 5c: Erneut schöne Wasserrillen zum Auftakt, dann genussreiche, plattige Wandkletterei. Man muss sich aber sicher sein was man tut, 4 BH auf diese Kletterstrecke sind keine üppige Absicherung. Geht aber schon, die Kletterei ist gut kontrollierbar und man bringt auch noch die eine oder andere mobile Sicherung unter. 

In L11 (5c): Grasbüschel hat's mehr wie Bohrhaken. Trotzdem, prima Kletterei.

L12, 40m, 5c+: Ähnlicher Charakter wie L11. Schön kompakter Fels, weite Abstände (auch hier stecken nur 4 BH). Schlussendlich löst sich doch alles recht gut auf, wobei mich die Bolts in diesem Abschnitt nicht ganz so perfekt platziert dünkten (Seilzug und man klettert irgendwie komisch darum herum).

Kompakte Plattenkletterei mit weiten Hakenabständen auch in L12 (5c+).

L13, 45m, T5: Grasiger Abschnitt, steiler als in L10, aber immer noch unproblematisch in den Kletterfinken zu machen. Gleich links runter dürfte einfacher sein, wie erst dem Sporn zu folgen und erst oben zu traversieren. 

Damit war der erste Routenteil abgeschlossen. Es war schon 13.15 Uhr, somit hatte dieser Abschnitt doch 5:30h gebraucht und damit viel länger wie gedacht. Eine mögliche Erklärung ist unsere Ineffizienz, andererseits sind es doch 500 Klettermeter da rauf. Auch wenn es sich meist um Fünfer- oder unteres Sechsergelände handelt, so kann man doch nicht einfach so hochspulen. Dafür ist die Absicherung zu spärlich, d.h. man muss sich oft weit über dem letzten Bolt im plattigen Gelände sorgfältig bewegen und/oder nach mobilen Absicherungsmöglichkeiten suchen. Aber item: während Viktor dafür plädierte, dass wir nun über die Cassiopeia (8 SL, 7b max, 7a+ obl) weitergehen sollten, fand ich das keine gute Idee. Nach kurzer Nacht, weitem Zustieg, schon etlichen Stunden Kletterei in den Knochen und mit dem ganzen Geraffel an Gurt/Rücken schien es mir wenig plausibel, die gleich mehreren harten Seillängen mit laut Beschreibung anspruchsvoller Absicherung noch souverän zu klettern, bzw. einfach so rasch wegzuspitzen. Das Unternehmen Cassiopeia hätte wohl mindestens den Zeitplan gesprengt, die Vermutung dass es zum völligen Waterloo geworden wäre, lässt sich auch nicht von der Hand weisen. Somit lautete die Devise also, die Buuchfrei sauber onsight zum Top zu bringen: auch das war noch Aufgabe genug...

Marcel am Start vom oberen Teil von Buuchfrei und La Mushkila, ebenso der Start der Abseilpiste über den Wandsockel. Für Felix 😉, sonstige Anwärter und damit ich es selbst nicht vergesse: beim blauen Fass kann man wohl ganz leidlich biwakieren. Relativ schmal aber ebener Platz.

L14, 40m, 6a+: Sorry, not sorry: eine grauenhafte Seillänge! Ich will niemanden abschrecken, aber gerade die erste Hälfte nach rechts raus in die Nische ist ein furchtbarer Bruch. Der zweite Teil, der gerade hinauf führt, ist dann nicht mehr ganz so schlimm - dafür steiler und schwieriger, so dass man halt an teils dubiosem Material richtig ziehen muss, und nicht mehr einfach mit Stützen und Schieben durchkommt. Es stecken BH, die fachmännisch platziert wurden. Sprich im besten verfügbaren Fels, hohl dröhnen tut allerdings auch der. Wird aber im Falle des Falles schon halten... Die Seillänge ist nur etwas für Leute, die sich in solchem Gelände zu bewegen wissen. Allem übel zum Trotz: wir konnten die Länge beide ohne Sturz, Griff- oder Trittausbruch bewältigen, es geht also schon. Und sie ist die Eintrittskarte für den fantastischen oberen Teil - es lohnt sich, durchzubeissen. Im Wissen drum was folgt, würde ich sie auch nochmals klettern. Sonst alternativ 2 SL über die Muskhila (7b+, 7a) wobei das Gelände zu Beginn de visu nicht erbaulicher aussieht.

Sieht supercool aus, zum Klettern aber... abschreckend (L14, 6a+).

L15, 30m, 6c: Mit einer splittrigen Querung nach links hinaus erreicht man guten Fels. Leisten und scharfes, wasserzerfressenes Material wartet. Super Kletterei mit guter Absicherung im schwierigsten Abschnitt, oben raus bei nachlassenden Schwierigkeiten (6a+/6b) heisst es dann mutig weit über die Bolts zu steigen - Wendenvibes kommen auf! Aber die Griffe sind da (und werden es auch bleiben 😁).

Auf der Suche nach gutem Fels - jetzt kommt er dann gleich (L15, 6c).

L16, 30m, 6b: Gerade voraus ginge es im superkompakten Fels in eine 7b der Mushkila. So gesehen kann man froh sein, dass Buuchfrei einen kleinen Umweg rechtsrum macht. Dort ist kurzzeitig nochmals etwas Lottergelände angesagt - nicht so schlimm allerdings. Nach dem ersten Drittel dann prima Fels mit steiler, athletischer und harter 6b-Kletterei. Knapp mit BH gesichert - wer die Reserven hat, steigt da einfach drüber. Wer sie nicht hat, beginnt vermutlich mit Cams hier und da zu fummeln, was den Akku dann noch schneller leersaugt - choose wisely! Das Finale dann wieder mehr technisch nach rechts hoch.

L17, 20m, 6b: Tolle Seillänge in steilem Gelände mit prima Fels, welche einer Reihe von mehreren Löchern und Nischen folgt. Hier ist die Absicherung mit BH im Vergleich zu den Längen davor und danach nach meinem Empfinden um einiges grosszügiger ausgefallen, somit ein vergleichsweise leichtverdauliches Teilstück.

Sieht nicht so berauschend aus, ist aber eine tolle Seillänge (L17, 6b).

L18, 40m, 6a+: Ein mega Killerviech von einer Seillänge, absolut genial mit Premium-Fels und Kletterei. Nur bei der Bewertung kann es sich bloss um einen Scherz handeln. Rein von der Qualität her passt dieser Abschnitt problemlos an die Wendenstöcke - nur die Bewertung würde selbst die dortigen Massstäbe sprengen (und es gilt ja gemeinhin das Motto "man spasse nie mit einer Wenden-6a+ !!!"). Die 6 BH sind (bei anhaltenden Schwierigkeiten) gut platziert, dazwischen wartet einiges an Raum für die freie Kletterei. Nach unserer Einschätzung sicher 6b+ (und zwar im Bewertungskontext von Buuchfrei, in Kalymnos wohl eher 7a+).

Moooonster-Pitch L18 (laut Topo 6a+, man stelle sich besser auf 6b+/6c ein).

L19, 45m, 4b: Jetzt heisst es queren. Eine solch lange Traverse im Grad 4b mit nur 3 BH lässt unterschwellig meist Gehgelände vermuten. Das manifestierte sich so ganz und gar nicht. Es muss geklettert werden und zwar richtig. Der Fels ist super, die Sicherungsabstände sind weeeeiiiiit. Ob nur das Angesicht eines Wahnsinnspendlers ins Leere die empfundene Schwierigkeit auf 5bc (oder sowas) hochgetrieben hat?!?

L20, 45m, 5b: Weiter geht's mit Quergang - super Fels mit extrascharfen Wasserrillen, sehr eindrücklich. Hier stecken 4 BH, zwei, drei mobile Sicherungen bringt man unter. Aber nicht nach Belieben und was ein Pendelsturz in diesem ultrarauen, scharfkantigen Fels bedeuten würde - man will es sich nicht ausmalen. Für die Person am hinteren Seilende trotzdem etwas angenehmer wie die 4b, da es hier schon wieder etwas mehr hinauf und nicht nur horizontal geht.

Da legt die Route dann eben mal 150m Quergang hin. Hier schon L21 (5c+).

L21, 50m, 5c+: Noch mehr Quergang, wobei es hier v.a. am Ende definitiv schon mehr hoch als hinüber geht. Man befindet sich hier nicht mehr direkt in der Tropfzone unter dem oberen Bauch, weshalb der Fels nicht mehr ganz so gut, ja am Ende schon wieder etwas durchzogen ist. Mit immerhin 7 BH etwas freundlicher geboltet als die beiden vorangehenden und gefühlt nicht wirklich schwieriger?!?

L22, 45m, 6c: Gespannt waren wir, was uns hier als Schlussbouquet präsentiert wird. Es ist eine geniale Seillänge mit betont senkrechter Kletterei in perfektem Fels, gespickt mit kleinen Schuppen, die als Untergriffe, Seitgriffe und lochartige Leisten daherkommen. Im steilen Teil gut eingebohrt, aber doch recht zwingend. Und wo sich das Gelände dann zurücklegt, heisst es im steilplattigen Gelände beherzt voranzuschreiten. 

Das Foto wird der Güte der Kletterei nicht ganz gerecht: grandioses Schlussbouquet in L22 (6c).

L23, 20m, 5a: Das Dächli gleich oberhalb vom Stand ist die Crux. Direkt, rechtsrum oder deutlich einfacher linksrum, make your choice. Danach folgt schrofiges Gelände zu Stand an einem Einzelbolt.

L24, 50m, 6a: Laut Topo quert die Route nun noch für zwei Seillängen etwas gesucht nach links rauf Richtung Gipfel. Der logische und schnellere Weg führt direkt hoch zum Grat. Den wählen wir, denn es schien nun definitiv nicht unweise, uns noch etwas Zeitreserven zu gönnen...

Somit waren wir um 19.45 Uhr nach 'a whopping' 12:00h Kletterzeit am Gipfel. Sagen wir doch 'in climbing it's not the speed that counts, but getting to the top'. Schlussendlich war es im Schnitt auch nur eine Halbstunde pro Seillänge - trotzdem schreibe ich das alles etwas beschämt, denn irgendwie sollte es eigentlich schon ein wenig schneller gehen, so sagt mir mein unterschwelliges Gefühl. Jedoch ist es nicht so, dass mich die Route überfordert hätte. Ich konnte alles souverän im Onsight klettern, was das vorrangige Ziel war. Für mich ist es das ultimative Erlebnis, komplett frei durch eine solche Wand zu steigen und zu "beweisen", dass es das Seil und die Bohrhaken (zumindest theoretisch 😉) nicht bräuchte. Das Gefühl es auch wirklich geschafft zu haben, war wie immer grandios. De fakto war es nach dem Alpsteinmarathon und der Roten Freiheit schon die das dritte Mal, dass ich dieses super eindrückliche Riesengemäuer durchstiegen habe, ohne das Seil je belastet zu haben. 

Es hat seine geraume Weile gedauert. Aber: doch noch oben!

Diese Gedanken um den Style gehen mir jetzt im Nachhinein beim Sinnieren über die Stimmung am Top durch den Kopf. Vor Ort drehte sich das Kopfkino vor allem darum, möglichst effizient wieder vom Berg zu kommen. Eigentlich keine Sache, der T4-Wanderweg vom Hundstein bringt einen wenn's pressiert in 45 Minuten zur Bollenwees, von wo man weitere 1:15h ins Tal wackelt. Doch da war noch was: während die Schneekarten und die Situation auf den Webcams südseitig bis auf die Höhe vom Hundstein-Gipfel grossmehrheitlich apere Verhältnisse zeigten, so war mir bewusst, dass in solch exponiertem Gelände schon nur ein kleines Schneefeld am falschen Ort ein Showstopper sein könnte. Nach dem Blick von der Bollenwees frühmorgens (siehe Titelfoto) und der Tatsache, dass man mit zunehmendem Aufstieg immer mehr Weiss um sich herum sieht (während von ganz unten her gesehen alles grün schien) beschlich mich im Lauf des Tages je länger je mehr das Gefühl, dass der Fussabstieg nicht ginge (dies auch der Grund, in L24 direkt und ohne den Umweg von L25 nach links zum Gipfelgrat zu klettern). Und so war es: grossmehrheitlich aper war schon richtig, aber die erste exponierte Querung unter den Widderalpstöck wäre selbst mit alpiner Vollausrüstung ein sehr gewagtes Unternehmen gewesen. Und nur mit den Turnschuhen definitiv ein Himmelfahrtskommando.

Zum Glück hatte ich mir alle andere Optionen schon längst zurechtgelegt gehabt. Nun mussten sie mit dem vollen Überblick über die Lage im Gelände und der zur Verfügung stehenden Zeitreserve nur nochmals durchgerattert und in eine Entscheidung umgemünzt werden. Ich verzichte nun an dieser Stelle auf die Auflistung aller Pläne C, D, E, ... und fokussiere auf Plan B, welcher schlussendlich reibungsfrei und auch zügig funktioniert hat.

  1. Ich spielte schon nach der 6c in L22 mit dem Gedanken von dort abzuseilen. Dies im Bewusstsein darum, dass der Weg vom Gipfelgrat zurück dahin umständlich und zeitraubend sein könnte. Oder dass wir im schlimmsten Fall über eine andere Route abseilen müssten. In der Kombination von Gipfeldrang und der Hoffnung auf den Fussabstieg fiel trotzdem der Entscheid weiterzugehen.
  2. Tatsächlich gibt's oben, 2m unterhalb vom Gipfelgrat in idealer Position einen neueren Einzelbolt mit Maillon - ganz bestimmt von den Buuchfrei-Erschliessern, die so zurück auf ihre Route gekommen sind. Er befindet sich direkt oberhalb vom Stand nach L22, bis dahin sind es in direkter Linie ca. 50m Abseilstrecke. Wer sich im Gelände gut orientieren kann, wird den Abseilbolt zweifellos finden. 
  3. Über den oberen Wandteil, d.h. die eigentliche Hundstein-Südwand, haben wir dann die im SAC-Buuchfrei-Topo verzeichnete Abseilpiste gewählt. Vom Gipfelgrat wie erwähnt 50m zu einem Irniger-Abseilstand wenig neben Stand 22, dann sind es 45m in mässig steilem Gelände (schon etwas westwärts haltend, der Irniger-Abseilstand ist westlich vom Graben/Kamin). Der folgende 30m-Abseiler ist dann sehr respekteinflössend und erfordert es, das Abseil-Einmaleins perfekt zu beherrschen. Nach 15m steht man an der Kante vom Bauch, die Seile baumeln unten im luftleeren Raum, der Abseilstand befindet sich mindestens 5m weit seitlich versetzt und scheint unerreichbar. Tipp: mit einem Cam 0.75 lässt sich ein sicheres Directional legen. Der Seilzweite entfernt dieses und schaut dann, dass er ohne Pendler und sonstigen Landschaden den Stand erreicht. Zuletzt sind es noch 55m freihängend 'back to the ground', d.h. in steiles Schrofengelände am Fuss der Südwand. Um auf diese Abseilmöglichkeit zurückgreifen zu können, hatte ich an diesem Tag die 60er-Seile genommen (mache ich sonst nie, wenn es sie nicht zwingend braucht). Mit 50er-Stricken geht's wohl wirklich nicht, ohne die letzten Meter abzuspringen...
  4. Am Fuss der Südwand befindet man sich auch mehr oder weniger im Niemandsland. Fussabstieg via Rotturmsattel und das Mörderwegli wäre eine Option. Dabei handelt es sich zumindest zu Beginn um steiles T5/T6-Absturzgelände. Suboptimal ohne Ortskenntnisse, bei noch plattgedrückt-glattem Gras und vor allem gab's da drüben auch noch Schneereste, welche den Optimallinie möglicherweise unter sich bedeckt hielten. Das wollten wir nicht riskieren.
  5. Der mit Abstand beste und sicherste Weg vom Wandfuss der Hundstein-Südwand zurück zur Fählenalp ist die relativ neue Abseilpiste von Andy Trunz und Werner Küng vom Oktober 2022, auf Eastbolt würde darüber berichtet. Dafür hiess es erst einmal, zurück zum Stand 13 von Buuchfrei zu kommen, was einen weiteren 15m-Abseiler über eine Felsstufe und die Querung von exponiertem Schrofengelände erfordert (tw. Fixseile und einige BH vorhanden). Die Abseilpiste bietet dann 8 Manöver à meist 45-50m und funktioniert wirklich hervorragend. Steile Felsstufen wechseln sich mit grasigem Gelände ab. Selbst das grasige Terrain ist aber genügend steil, wenig strukturiert und es liegen auch kaum Steine herum. So braucht's erstaunlich wenig Seilpflege und das Risko von Steinschlag beim Seilabziehen ist auch im grünen Bereich. Noch dazu sind die Standplätze geschickt platziert.
Freihängender 55m-Abseiler an den Fuss der Südwand. Wie man sieht, dort wartet keine flache Wiese.

Das tönt jetzt alles, wie wenn der Weg zurück an den Einstieg eine halbe Ewigkeit gedauert hätte. Das ist aber nicht der Fall, 90 Minuten waren es vom Gipfel zurück zum Einstieg - nicht schlecht für total 14 Abseilmanöver in unbekanntem Gelände und noch eine exponierte Querung zu Fuss dazwischen. Naja, 'immerhin runter sind sie schnell', könnte man sagen. Profitiert habe ich dabei von der exzellenten Skizze von Werner. Die Geländefeatures zum Auffinden der Standplätze weisen exakt den richtigen Detaillierungsgrad auf und vor allem stimmen die Meterangaben perfekt. Als Gold wert haben sich natürlich auch die (selbst angebrachten) 15m, 30m und 45m-Markierungen am Seil erwiesen. So habe ich selbst bei schwindendem Tageslicht alle Standplätze subito und ohne zu Suchen identifizieren können. Vielen Dank, Werner!!!

Den haben wir unterwegs noch gefunden. Da steckt wohl auch eine Geschichte dahinter...

Tja, das war's schon fast. Von der Fählenalp gab's nun noch einen Heimweg, der sich durchaus noch etwas in die Länge zog. Die erste Schwierigkeit bestand darin, dass dem Fählensee entlang reger Froschverkehr herrschte - eine unglaubliche Vielzahl an Amphibien war da unterwegs. Von der Bollenwees weg war's dann hingegen einfach noch eine lästige Pflichtaufgabe. Aber nach einem solchen Tag nimmt man die natürlich gerne in Kauf - aussergewöhnliche Erlebnisse bedingen halt auch aussergewöhnlichen Einsatz. Die letzte Stunde vor Mitternacht war schon angebrochen, bis wir zurück am Parkplatz waren - froh drum, aufs Polster sitzen zu können und das Bett daheim nicht mehr allzu fern zu wissen.

Mein Fazit: entweder hat Viktors Iphone eine genial gute Kamera oder mit meinen Augen stimmte etwas nicht mehr. Nach meinem persönlichen Eindruck war es nämlich langsam 'pitch black', als wir die Seile aufrollten.

Bleibt noch der Epilog zur Tour: am nächsten Tag war ich dann mit dem Teenage Girl am Voralpsee. Hört sich nach einer solchen Monstertour vielleicht ziemlich verrückt an, aber versprochen war versprochen. Und es ging tatsächlich gut - naja, 'gut' ist vielleicht ein wenig optimistisch, aber zumindest konnte ich solide performen und ich habe dabei nicht heftiger aufs Dach bekommen, wie dies am Voralpsee selbst bei optimaler Vorbereitung jeweils der Fall ist. Wobei das schon eine gewisse Logik hat. In der MSL-Tour wurden v.a. die Körperteile unterhalb der Buuchfrei-Grenze hart beansprucht, während es am Voralpsee in erster Linie jene oberhalb davon waren. Jedenfalls bei meinem Trainingsstand, your mileage may vary 🤗

Facts

Hundstein - Buuchfrei 6c (6b+ obl.) - 25 SL, 950m - Angst/Wälti 2019 - ****;xxx
Material: 2x60m-Seile (!!!), 12 Express, Cams 0.2-2, evtl. Keile

Eine wahre Monstertour! Der untere Teil ist wie bei den benachbarten Routen auch: felsige Stufen zwischen grasigen Bändern, die Erschliesser haben den schönen Fels gesucht und ihn weitgehend auch gefunden. Spannende Kletterstellen wechseln sich mit Graspassagen ab. Durchaus lohnend, aber nicht super eindrücklich und insgesamt mehr ein Kletterzustieg zum wesentlichen, oberen Teil. Nachdem man sich mit einer (mehr als nur teilweise) brüchigen Einstiegslänge dort das Ticket gelöst hat, wird man dann mit vielen herausragenden Längen in oft fantastischem Fels belohnt. Alles in allem, mit Routenlänge, Erlebniswert, Ambiente und der Anzahl an schönen Metern gebe ich gerne 4 Sterne. Wer negativ denkt und für Gras, Bruch und Quergänge Abzüge von der Höchstnote macht, kommt vermutlich zu einem anderen Ergebnis. Die Absicherung mit rostfreien Bohrhaken ist OK. Die schwierigen Kletterstellen >6a sind fast immer gut abgesichert. Im einfacheren Gelände sind die Abstände oft weit, dies auch bei ungutem Sturzgelände (z.B. über Bändern). Da muss man einfach sicher klettern. Kurzum, ab 6b gebe ich xxxx, unterhalb von 6a dafür nur xx, dazwischen und im Schnitt xxx. Teilweise ist es möglich, mobil abzusichern, aber nicht immer und überall. Wir hatten ein Set Cams von 0.2-1 dabei, welches regelmässig zum Einsatz kam. Es ging gut ohne die Grösse 2, für welche man aber durchaus Einsatzmöglichkeiten findet. Keile haben wir nur 2-3x eingesetzt, die würde ich als fakultativ bezeichnen. Ein gutes Zeitfenster für die Route zu finden ist gar nicht mal so einfach: wir hatten Mitte Mai optimale Bedingungen zum Klettern, dafür war der Fussabstieg wegen Restschnee noch nicht machbar (das Abseilen ist aber recht gut möglich und kostet gegenüber dem Abstieg nur ca. 1h zusätzlich, wenn alles glatt läuft). Im Sommer ist es tendenziell eher zu heiss, v.a. im unteren Teil kann man da schon richtig gebraten werden. Und der üppige Grasbewuchs kann auch störend sein. Ab Mitte August kann die schrumpfende Tageslänge dann zum Nachteil werden. Wichtig: man bewegt sich im alpinen Gelände, das Gelände um die Hundstein Südwand ist extrem steil und schrofig. Man informiere sich über Rückzugsmöglichkeiten und bereite sich entsprechend vor. Im unteren Teil ist der Handyempfang eher unzuverlässig, oben hat man dann freie Sicht nach Österreich und entsprechend Netz. Topos und weitere Infos findet man im hervorragenden SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng. Man führe auf jeden Fall auch die (im Führer noch nicht enthaltene) Skizze zur Abseilmöglichkeit von der Südwand mit.