Es kam nochmals ein Tag mit schönstem Bergwetter in unseren Ferien. Doch mit schon viel Bewegung in den Knochen und der Heimreise vor Augen liess sich niemand mehr für eine alpine Tour, eine MSL oder eine Sportklettersession in einem nicht nahe gelegenen Gebiet begeistern. Somit durfte ich alleine Auslauf geniessen, erst spät am Vorabend konnte ich jedoch zur Planung schreiten. Ein Mix zwischen Biketour, Trailrun und Kraxelei im Kessel von Saint-Véran (scheinbar dem höchstgelegenen, ganzjährig bewohnten Dorf in den Alpen) in den Queyras-Bergen entsprach ganz meinem Gusto. Aussichtsreich, mit Felskontakt und der Möglichkeit zu fünf 3000er-Gipfeln waren die entsprechenden Argumente dazu.
So viel vorweg, an Möglichkeiten, die auch in meiner, hier beschriebenen Version schon lange und konditionell fordernde Tour noch heftiger zu machen gibt es ganz gewiss viele. Eine davon wäre es gewesen, gleich ab dem Camping mit dem Bike zu starten. Das hätte rund 80km und 800hm zusätzlich mit dem Bike bedeutet, was für meinen Fitnesszustand und die Kletterambitionen am Folgetag doch etwas heftig gewesen wäre. Schliesslich warteten auch mit der automobilen Anreise noch total ~2500hm und viel zurückzulegende Distanz auf dem Programm.
Um 10.30 Uhr startete ich in Ville Vieille von Château Queyras (1380m) mit dem Bike. Zuerst hiess es, zur Chapelle de Clausis (2340m), dem Ausgangspunkt meiner Rundtour zu kommen. Dies wäre komplett über Trails machbar. Um Kraft zu sparen, hielt ich mich aber an die Strassen und fuhr via Molines-en-Queyras und Saint-Véran (bis da asphaltiert, danach Schotterstrasse). Bei der Kapelle deponierte ich mein Gefährt (11.50 Uhr) und ging per Pedes weiter. Es wäre zwar problemlos möglich, noch bis zum Refuge de la Blanche (2500m) zu fahren, was mir aber im Kontext der ganzen Rundtour weniger ökonomisch erschien.
Zu Fuss ging es weiter, die Muskeln waren bald auf die neue Art der Fortbewegung adaptiert. So gelangte ich zügig zum Col de la Noire (2955m, 12.50 Uhr), der einen Übergang in das von uns auch schon besuchte, paradiesische Vallon d'Ubaye erlaubt und den Beginn von meinem "Gang über die Krete" markierte, welcher ich im Gegenuhrzeigersinn folgen wollte. Den vom Übergang nahe gelegenen Gipfel des Pic de la Farnéréta (3134m) wollte ich aber noch mitnehmen, auch wenn ich dafür in die falsche Richtung Hin-und-Zurück gehen musste. Es gibt ganz leidliche Wegspuren, die Hände braucht man höchstens ganz kurz (T4, 13.15 Uhr).
Blick vom Col de la Noire (2955m) in Richtung Ubaye-Tal. Wer genau weiss wo, erkennt auf dem Bild ziemlich klein und unscheinbar die Aiguille Pierre-André, auf welche wir 2 Jahre zuvor eine grandiose Klettertour gemacht hatten. Dieses vernetzen von Karte, Landschaft und persönlichen Erlebnissen ist etwas, was mir grandios Spass macht. |
Bald einmal war ich zurück auf dem Col de la Noire und ging nun weiter auf meiner Rundtour. Obwohl kein offizieller Weg markiert ist, gibt es im Schutt eine ganz passable Wegspur, welche hinüber in Richtung der stolzen Tête des Toillies führt. Mit einer Extraschlaufe lässt sich auch noch der Gipfel der Petite Tête Noire (3039m, 13.40 Uhr) mitnehmen, worauf ich natürlich nicht verzichten wollte. Dieser ist komplett unschwierig zu erreichen (T3). Wegspuren sind zwar nur unmerkliche vorhanden, aber das schuttige Gelände ist trotzdem gut und wenig beschwerlich zu begehen.
Der Abstieg führt auf eine schöne Ebene auf ~2965m hinunter, bevor der Anstieg zum Fuss meines hauptsächlichen Ziels, der Tête des Toillies (3175m) beginnt. Dieser prominente Gipfel wirkt von jeder Seite unnahbar und ist tatsächlich von keiner Seite unschwierig zu erreichen. Am mühelosesten geht dies noch über die Westflanke, doch selbst da ist Kraxelei (T5, mit Stellen III) nötig. Auf C2C sind mehrere 'Normalwege' durch diese Flanke beschrieben, wobei man sich darum aber nicht extrem kümmern muss. Es spielt nämlich auch keine grosse Rolle, wo man entlang geht, der alpinen Spürnase nach kommt es sicher gut.
Noch direkter auf der Linie meiner Talumrundung lag allerdings nicht dieser Normalweg, sondern der SW-Grat. Dieser ist auf C2C jedoch als eigentliche Kletterroute beschrieben (4c, gebohrte Standplätze und Zwischensicherungen) und definitiv kein Turnschuhgelände mehr. Da aber offensichtliche Fluchtmöglichkeiten vom Grat in die Westflanke bestanden, wollte ich es mir einmal genau anschauen und montierte die dafür mitgebrachten Kletterfinken. Erst geht's wenig exponiert über Aufschwünge dahin, dann folgt eine kurz mal etwas glatte Platte (L5, 4c), bevor es luftig aber super-henklig über 2 Dächer geht (L6, 4c) und man linkshaltend an einem griffigen Riss (L7, 4c) den Ausstieg erreicht. In 20 Minuten war die Sache erledigt, ich wechselte zurück zu den Turnschuhen und ging das kurze Stück hinauf zum Gipfel (3175m, 14.30 Uhr), wo ich gerade ein französisches Paar überraschte, welches über den NE-Grat aufgestiegen war.
Genau dieser NE-Grat wäre die logische Fortsetzung meiner Rundtour gewesen. Da mit 6a bewertet, war dies natürlich nicht der richtige Weg für den Abstieg (wenn man ihn einbauen möchte, so geht man die Rundtour bevorzugt im Gegenrichtung an, was mir für eine Solotour aber zu heftig schien). Somit bin ich also über die Westflanke (T5, Stellen III) abgestiegen - auf welcher Route kann ich nicht wirklich sagen, eben einfach der alpinen Spürnase entlang. Es gab auch da einige Bohrhaken, welche man zur Sicherung bei den kraxligeren Stellen benutzen könnte, doch für versierte Alpinwanderer ist das wirklich überhaupt nicht nötig.
Um etwa 14.50 Uhr war ich zurück im Sattel bei P.3088, wo ich meinen Aufstieg über den SW-Grat gestartet hatte. Ich hatte keine Beschreibung gefunden, wie ich ab hier die Rundtour fortsetzen könnte. Aufgrund der (mässig genauen, französischen) IGN-Karte dachte ich mir aber, dass es mit einem kleineren oder grösseren Umweg schon möglich sein musste. Vor Ort war es dann sogar noch einfacher als vermutet. Durch ein mergelig-loses Couloir konnte ich direkt von der Lücke ostseitig absteigen (T4) und so den Fuss der imposanten Ostwand der Tête de Toillies queren. Jenseitig gelangte ich wieder auf den Grat, den ich auf schwachen Wegspuren in angeregter Kraxelei über den namenlosen Gipfel des P.2959 bis zum Col Blanchet (2897m, 15.20 Uhr) verfolgte.
Da begann der Anstieg zum nächsten 3000er-Gipfel. Unschwierig geht's vorerst dem breiten Grat entlang. Weiter oben wird das Gelände direkt am Grat dann felsig, in schöner, eleganter Turnerei im dritten Grad erreichte ich den Gipfel der Rocca Bianca (3059m, 15.35 Uhr). Wie einfach dieser Punkt zu erreichen ist, da bin ich mir im Nachhinein gar nicht sicher, nahm ich doch auch im Abstieg einen Weg, welcher die Nutzung meiner Greifwerkzeuge zwingend erforderte (T5, II). Es sei erwähnt, dass auf diesen Gipfel auch mehrere MSL-Kletterrouten führen.
Weiter ging es spannend, auf etwas verschlungenen Pfaden mit vielen interessanten Gesteinswechseln. Ein kurzer Abstecher führte zum markanten Kreuz auf der NE-Schulter der Rocca Bianca (3015m, 15.45 Uhr), der aber nur wenig selbständig ist und kaum als Gipfel gezählt werden kann. Vermutlich ist er aber aus dem Tal von Pontechianale prominent sichtbar. Inzwischen drückten von dieser italienischen (Lee-)Seite her Nebelschwaden gegen den Grat hoch, während die Luft in Frankreich (Luv) immer rein blieb, was für entsprechend mystische Stimmung sorgte.
Gipfelkreuz auf der NE-Schulter der Rocca Bianca (3015m). |
Der weitere Abstieg führte mich zum Col de Saint-Véran (2843m, 16.05 Uhr), von welchem auch eine bequeme Rückkehr zum Bike möglich gewesen wäre. Auch wenn ich meine Beine langsam spürte und meine Getränkevorräte erschöpft waren, wollte ich doch wie geplant noch den doppelgipfligen Pic de Caramantran (3025m) überschreiten. Um 16.25 Uhr war das geschafft und ich mir Gewiss, dass es nur noch (vorwiegend) abwärts gehen würde.
Um 17.15 Uhr war ich retour bei der Chapelle de Clauzis und konnte auf's Bike steigen. Mein Downhill erfolgte über Trails und Schotterwege, wobei man sich stets links vom Fluss hält - einfach genial. Man erreicht so den Pont du Moulin unterhalb von Saint-Véran, doch auch hier kann man weiter den Trails folgen, bis man bei Molines-en-Queyras auf die Strasse gelangt. Eigentlich könnte man diese gleich wieder verlassen, um beim Pont des Achins auf den GR zu wechseln, welchem man 'trailend' bis nach Ville Vieille folgen könnte. Da nochmals etwas Aufstieg drohte und ich rechtzeitig für den Znacht und ein Bad im See zurück bei der Familie sein wollte, liess ich diesen Abschnitt aus und rollte der Strasse entlang talwärts um meine Runde schliesslich bald darauf hoch zufrieden und reichlich müde zu beschliessen.
Alternativen
Natürlich gibt es zur hier beschriebenen Tour auch Verbesserungs- und Verlängerungsmöglichkeiten. Eine davon wäre es, im Uhrzeigersinn zu gehen. So lässt sich mit dem NE-Grat (6a) der Tête de Toillies die Kingline im Gebiet mitnehmen und man kann sich konsequenter an die Krete halten. Das erfordert dann aber wohl, in Seilschaft zu gehen und eine komplette Kletterausrüstung mitzunehmen. Ebenso lässt sich die Tour beliebig verlängern. Auf der südlichen Talseite könnte man vom Pont du Moulin zum Col des Estronques gehen, womit vor dem Pic de la Farnéréta nochmals 9 Gipfel, viele Kilometer und manch ein Höhenmeter dazukämen. Auch auf der nördlichen Krete kann man die Tour weit ausdehnen, je nach Zählweise liegen auch da 7-8 zusätzliche Tops bis zum Pic de Château Renard und mit dem Rouchon sogar noch ein (fakultativer) Klettergipfel drin. Wer packt diesen Grand Raid an und berichtet mir davon?!?
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