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Montag, 14. August 2023

Paroi de Lys - Le Haut dans le Gaz (7a)

Nach dem ersten Teil der Sommerferien im Wallis fand die Fortsetzung wie gewohnt in der Region Briançon statt. Für einmal waren es jedoch nicht nur die Gewohnheiten und offen gebliebenen Projekte, welche uns dahin zogen. Sondern auch der meist stahlblaue Himmel, während sonst vielerorts in den Alpen ein ständiges, instabiles Hudelwetter herrschte. Davon spürte man in den Hautes Alpes nur wenig, einzig die Temperaturen waren etwas frischer, als wir es auch schon erlebt hatten. Zum Klettern brachte das aber durchaus Vorteile mit sich. So war es im 2023 für einmal denkbar, auf der auf 2000m gelegenen Südwand der Paroi de Lys mit Genuss zu klettern. Diese Wand im Vallon de Tramouillon mit ihrem nur 15 Minuten dauernden Zustieg wurde erst vor gut 10 Jahren für die MSL-Kletterei entdeckt und mit rund einem Dutzend Routen erschlossen.

Die Paroi de Lys mit dem Verlauf der von uns gekletterten Route Le Haut dans le Gaz (7a). Aus dieser Perspektive sieht es danach aus, als ob die Route über Gebühr durch die Wand mäandriert. Das dünkte mich bei der Begehung aber nicht weiter wahrnehmbar. Der Verlauf ist absolut logisch und fühlt sich auch nicht besonders "ungradlinig" an.

Nachdem wir zuerst 2 Tage im steilen Konglomerat Vollgas gegeben und uns nachher noch einem Tag dem Onsight-Klettern in einem "normal steilen" (=moderat überhängenden) Klettergebiet erfreut hatten, war es definitiv Zeit für einen etwas gemässigteren Tag. Während der eine Teil der Familie biken ging, kurvten Larina und ich hinauf nach Le Ponteil und weiter zur Strassenkehre bei P.1737. Der letzte Abschnitt auf der Schotterstrasse weckte erneut die Erinnerung ans Rätikon, war uns aber schon von der früheren Tour zur Tête de Gaulent bekannt. Von der Kehre führt eine Brücke über den Bach und eine klare Wegspur über rund 150hm hinauf zum Einstieg. Dieser befindet sich ziemlich weit links oben, unmittelbar in Falllinie der ziemlich markanten Schlucht, wo die Abseilpiste durchführt. Man läuft so an fast allen Einstiegen vorbei und kann somit seine Tourenauswahl gut nochmals hinterfragen - die anderen Routen sehen nämlich auch äusserst attraktiv aus. Ein paar Minuten vor 12.30 Uhr hatten wir uns gerüstet und stiegen ein.

Aussicht von der Wand ins Vallon de Tramouillon, unten das Haupttal Val Durance.

L1, 25m, 6a+: Am Einstieg ist nichts markiert und zum ersten Haken müssen ca. 8m über eine Art Gemüsevorbau gekraxelt werden - bei den unpräzisen lokalen Topos kann man durchaus nochmals in Zweifeln geraten, ob man da richtig ist. Aber eben, in Falllinie der Schlucht und dann rechts in die orange Verschneidung, das passt schon. Dieselbige ist dann für eine 6a+ zwischenzeitlich gar nicht mal ganz so einfach zu klettern, wie ich das erwartet hatte. Generell aber sehr schönes, griffiges 3d-Gemove.

Es fängt schon richtig gut an! Tolle Verschneidung in L1 (6a+).

L2, 25m, 6b+: Hier beschreibt die Route einen grossen Rechtsbogen. Kurz mal hinauf, dann eine grössere Traverse, mal kurz Hinlangen für die Crux und ein etwas einfacherer Ausstieg in tropflochigem Gelände. Macht sehr viel Spass, bestens abgesichert und ehrlich gesagt, wirklich schwieriger wie L1 fand ich es jetzt auch nicht wirklich (wobei die Crux evtl. etwas grössenabhängig ist, Larina hat in meinen Kanon nämlich nicht ganz einstimmen wollen).

Selbst Jamming-Fans (ahoi Viktor 😎) können in dieser Kalk-Tropflochroute am Ende der Crux von L2 (6b+) noch (kurz) ihrem Metier frönen.

L3, 25m, 6b: Nach meinem Empfinden die schwierigste Seillänge im unteren Teil der Route (L1-L4). An einer Rissspur entlang geht's diagonal nach links hinauf, über ein gewisse Zeitdauer muss man da durchaus ein paar kleinere Leisten kneifen und ausgewählte Bewegungen vollführen. Ist man einmal um die Ecke gestiegen, geht's mehr gerade hinauf und es folgt ein Finale an einer genüsslichen Piazschuppe.

Piazschuppe am Ende von L3 (6b). Die Abseilpiste verläuft im Bereich der Schlucht, deren Grünzeug hier den Hintergrund hinter der Akteurin zeichnet. Warum man gerade dort runtergeht, wo die Verhängergefahr am grössten ist, haben sich wohl schon viele gefragt... Aber alles andere ist auch ein Mist.

L4, 25m, 6a+: Zwei kleine Aufschwünge und die Wand darob, da spielt sich alles Wesentliche unmittelbar über dem Standplatz ab. Griffige Kletterei ohne besondere oder nennenswerte Schwierigkeiten. Nicht mehr ganz so angenehm ist der Ausstieg auf das gemüsige Band darob, auf welchem man markant ca. 10m nach links zum Stand halten muss (unschwierig, aber keine Sicherungen vorhanden). 

L4', 10m, 2a: Achtung, die Route führt nicht vom Ketten-/Abseilstand nach L4 an den durchaus vorhandenen Haken weiter, sondern es müssen 10m nach diagonal-links-unten abgeklettert werden, um die nicht auf den ersten Blick offensichtliche Fortsetzung zu erreichen. Aufgrund des Seilverlaufs muss man diesen Abschnitt fast zwingend als kurze, eigenständige Seillänge machen.

L5, 25m, 7a: Nun geht's ans Eingemachte - wobei vorerst noch nicht zu sehr, die Querung an einer schwach ausgeprägten Rampe in die Wand hinaus spielt sich im 6b-Bereich ab. Ein paar Moves erfordern aber doch sorgfältige Planung, der Fels ist nicht überall super-griffig und die Sache eher von technischem Zuschnitt. Das gilt jedoch nicht für die Crux, welche eher von rustikaler Bauweise ist und sich am markanten Dach in der Façon "tres bloc" abspielt. Die eng steckenden Haken erlauben A0, was wohl auch meist praktiziert wird. Für eine freie Begehung ist reichlich Spannweite sicher kein Nachteil, wobei einfach drüberlangen zum nächsten Henkel ging auch für mich nicht, nur mit einem Toehook-Tricksermove der mehr in die Boulderhalle wie auf MSL gehört (aber einfach cool, an einer solchen Stelle diese Techniken dann auszupacken!) rückte der entscheidende Griff in Reichweite. Mit ein paar Tipps, etwas Glück, einem schlechten Zwischengriff und kurz vor dem Rausdrehen ging's auch für Larina - es sei also vermerkt, dass es unter 160cm auch möglich ist... zumindest wenn man deutlich mehr als 7a klettern kann.

Vom wenig fotogenen Ausstieg aus L4 gibt's kein Bild, hier also schon in L5 (7a), wo bereits der Schatten eingekehrt ist. Das Dach am Ende der Seillänge ist aus dieser Perspektive nur zu erahnen. Es stellt die klare Crux der Route dar - früher wurde es offenbar mit 7b bewertet, später hat man es dann tiefer eingestuft. Wobei es mit einer Zahl eh schwierig zu fassen ist, was man für diesen Boulder mitbringen muss. 

L6, 15m, 6b+: Kurze, luftige und interessante Seillänge. Die Felsqualität ist zwar hier nicht so das Hellgelbe vom Ei, die Blöcke in der Verschneidung sitzen aber doch alle genügend fest. Sich gescheit daran festzuhalten ist denn auch unumgänglich, etwas an Phantasie für 3d-Bewegungen ebenso.

L7, 25m, 6c+: Das letzte, echte Pièce de Resistance auf dem Weg zum Top. Hier folgt die Route nämlich nicht dem klassischen Weg weiter durch die Verschneidung, sondern zieht links in die herausfordernde Wand. Da warten nochmals ein paar durchaus knifflige Moves an feinen Tropflochstrukturen - nach dem Ausbruch von entscheidenden Leisten ist diese Passage nicht einfacher geworden. Bevor es aber richtig steil wird, verzieht man sich nach links um die Kante, was man sich bestimmt deutlich schwieriger machen kann, wie es mit der optimalen Beta ist.

Naja, dieser Heel ist nun etwas billig. Sonst muss man in L6 (6b+) aber durchaus kreativ sein.

L8, 30m, 6a: Grob diagonal nach rechts oben geht's hier - die Linie ist nicht so offensichtlich, die BH auch nicht, da sie hier weniger eng stecken. Trotzdem, man wird es bestimmt finden - der Oberknüller ist diese Seillänge nicht mehr, aber auch kein kompletter Mist.

Um 16.35 Uhr und damit nach rund 4:00h der Kletterei waren wir beim Jardin am Top der Route. Ja, wir hatten erstens Zeit und zweitens einen Chill Day. Sprich mit Haulbag und allem Komfort geklettert, dementsprechend in der Mitte gemütlich etwas gefuttert, man kann die Route bestimmt auch schneller begehen. Zu erwähnen sind noch 2 Dinge: 1) im oberen Wandteil kehrte bald einmal der Schatten ein. Das war insofern unproblematisch, als dass es Sommer war und man mit dem thermischen Aufwind "gute Conditions für die Sportkletterei" konstatieren konnte. Zu den kälteren Jahreszeiten ist es aber vermutlich schlauer, tageszeitlich früher dran zu sein. 2) hat man am Ende der Route nicht das Top der Wand erreicht. Wer dies wollte, könnte nach einem kurzen Abseiler vom Routenende noch die etwas rustikal aussehende 6a-Verschneidung der Fiesta del cinq soup klettern. Ob sich dies lohnt, kann ich mangels Ausführung nicht berichten. 

Cumbre!

Das Abseilen über eine routenunabhängige Piste geht dann recht zügig - sofern alles glatt läuft. Erst sind es ca. 30-35m über die gemüsige Rampe zu einem BH-Stand, von wo man einen steilen und langen (40-45m) Abseiler auf das Band in Wandmitte zieht. Vom bereits bekannten Stand nach L4 geht's dann quasi entlang der Schlucht in 2 langen Manövern retour auf den Boden, wobei da die Gefahr von einem schwierig zu behebenden Seilverhänger leider durchaus präsent scheint. Wir hatten aber Glück und fuhren bald talwärts, bevor wir einen schönen Abend genossen und den Plan für den nächsten Tag festlegten. Nach Céüse sollte uns dieser führen, ein solch magischer Ort, dass mir selbst das Schreiben dieser Zeilen das Herz mit Freude erfüllt.

Von Céüse ♥ gibt's wohl keinen separaten Beitrag...
...und das, obwohl wir im 2023 erstmalig sogar 2x oben waren...
...also müssen hier ein paar entsprechende Bilder in den Blog geschmuggelt werden.

Facts

Paroi de Lys - Le Haut dans le Gaz 7a (6a+ obl.) - 8 SL, 200m - JJ. & M. Rolland 2007 - ****;xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

MSL-Sportklettertour mit einer luftigen Linie durch eine steile Wand. Aufgrund der sehr eng gehaltenen Absicherung, der talnahen Wand und den kurzen Seillängen fühlt es sich fast ein wenig nach gestapelten Single Pitches wie nach einer wirklich grossen Tour an. Wobei erwähnt sei, dass ein Rückzug aus dem oberen Teil (ab Stand 5) vermutlich eine ziemlich mühsame und aufwändige Geschichte wäre, eine Prise Ernsthaftigkeit ist also durchaus vorhanden. Der steile, wasserzerfressene und oft mit Tropflöchern garnierte Fels ist fast durchgehend von sehr guter Qualität. Die Seillängen sind abwechslungsreich, es handelt sich um eine richtige Genussroute, auch die Bewertungen sind eher auf der freundlichen Seite. Einzig die Crux ist leider ein bisschen murksig und mit nur gerade einem 7a-Niveau wohl auch eher schwierig zu onsighten. Es ist jedoch nur ein kurzer Dachriegel, der problemlos A0 machbar ist, das tut der Sache keinen grossen Abbruch. Die Wand ist sicher ein ideales Ziel für früh oder spät im Jahr, im Sommer dürfte es vielfach zu heiss sein - ausser man steigt erst Mitte Nachmittag ein, wenn der Schatten einkehrt. Infos und Topos findet man in den Führern Briançon Climbs, Oisans Nouveau Oisans Sauvage oder im Topoguide Band II.

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