- -
Posts mit dem Label Sulzfluh werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Sulzfluh werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 14. Oktober 2018

Sulzfluh - Austriakenriss (6a)

Diese Route ist unter verschiedenen Namen bekannt: nämlich als Direkte Südwand der Sulzfluh, dann mit den Namen ihrer Erstbegeher als Hiebeler/Bachmann und wie es im Titel steht, eben auch als Austriakenriss. Letzteres tönt irgendwie nach "viele Haken", das ist aber nicht unbedingt die richtige Assoziation. Es handelt sich um eine klassische Tour aus dem Jahr 1949, welche Eingang ins Pause-Buch "Im Extremen Fels" gefunden hat. Wie so oft bei derartigen Unternehmungen bietet sie eine für heutige Verhältnisse eher aussergewöhnliche, aber doch immer noch lohnende Kletterei.

Morgenstund hat Gold im Mund. Unterwegs an die Sulzfluh, hier zu sehen die SE-Wand und die Gamstobelwand.
Die Südwestwand der Sulzfluh hatte ich früher bereits 2x durchstiegen, nämlich 1998 auf der Neumann-Stanek sowie 2003 auf der selten begangenen, aber durchaus interessanten CKC-Führe, welche in Punkto Schönheit und Schwierigkeit noch höher als der Austriakenriss einzustufen ist. Nun kam für einen Tag, an welchem gemäss den Vorhersagen bereits schlechtes Wetter sein sollte, der Ruf von Pause-Sammler Tobias. Ein genaueres Hinschauen zeigte im Rätikon ein Wetterfenster für die erste Tageshälfte, und selbst als Pause-Nicht-Sammler konnte ich mich der Anziehung dieser Kaminkletterei nicht entziehen. Die Bilder einer früheren Begehung auf dem Rocksports-Forum zeigen nämlich einerseits durchaus interessante Kletterei, und andererseits war ich auch auf die dunklen Kamine gespannt. Für diese sind trockene Verhältnisse unabdingbar, welche zum Ende einer lange Hitze- und Trockenperiode natürlich gegeben waren.

Der Zustieg führt zuerst zur Carschinahütte und von dort dann zur Wand. Rechts im Bild die Drusentürme.
Nach einem sehr frühen Aufbruch daheim starteten wir wie bereits bei der Tour zur Schijenflue beim Parkplatz Äbi unterhalb von Partnun, es war wenige Minuten nach 6.00 Uhr. Vorbei am Alpenrösli ging es zur Carschinahütte, wo die Gäste um 7.15 Uhr eben mit dem Frühstück auf der Terrasse beschäftigt waren. Das zeigt, das Wetter war tatsächlich noch gut, auch wenn im Südwesten bereits einige dunkle Wolken zu erkennen waren. Also hielten wir uns nicht auf, und stiegen unter die SW-Wand der Sulzfluh hinauf. Das ist eine etwas mühselige Geschichte, die Geröllhalde ist teils doch ziemlich lebendig und man muss sich gut die Passagen aussuchen, wo man nicht mit jedem Schritt vorwärts deren zwei rückwärts rutscht.

Letzter Teil vom Zustieg und Routenverlauf des Austriakenriss, erstbegangen von Hiebeler/Bachmann 1949.
Während man früher den Zustieg über den oberen Sockel wählte, wählt man seit einem Felssturz im 2010 die Linie über ein tieferes Band. Dieses ist erst problemlos nach rechts zu queren, danach können zwei mit Bohrhaken eingerichtete Seillängen zu den eigentlichen Einstiegen geklettert werden. Diesen schenkten wir keine Beachtung und stiegen etwas weiter rechts einfach der Nase nach in Falllinie vom Start des Austriakenriss hoch. Das Gelände ist dort gut gestuft, der Fels von vernünftiger Qualität, über ein paar kurze Zweier-Stellen geht das nirgends hinaus, somit lässt sich der Weg zum Einstieg ohne weiteres seilfrei begehen. Dazu muss ich noch sagen, dass ich den alten Zustieg übers obere Band doch als deutlich mühsamer, exponierter und heikler in meinem Hinterkopf abgespeichert habe. Um 8.00 Uhr waren wir schliesslich bereit und stiegen ein.

L1-L3, 80m, 4b: Wegen den geringen Schwierigkeiten und um Zeit zu sparen, verbinden wir diese Seillängen und steigen ein kurzes Stück gemeinsam. In ziemlich kleinsprittigem Fels geht's zuerst über eine Art Rampe zur auffälligen Verschneidung nach rechts hinauf. Ein Wändchen nach etwa 15m stellt für den Grad 3c doch gewisse Herausforderungen, der Rest ist einfach. Die Verschneidung klettert sich dann ziemlich genussreich, hier ist der Fels ausgewaschen und daher auch deutlich solider. Am Ende der Verschneidung setzt dann die eigentliche L3 an, welche mit einer gschüdrigen Traverse in einfacher Kraxelei nach links hoch führt.

Auf geht's, über eine Art Rampe erreicht man die grosse Verschneidung. Das Wändchen mit der Crux von L1 ist eben überwunden.
L4-L5, 50m, 5c+: Auch diese beiden Seillängen lassen sich verbinden, mit vorausschauenden Verlängerungen und 50m-Seilen ist dabei kein Simultanklettern nötig. Der erste Abschnitt führt zuerst eine kurze Verschneidung hoch und traversiert dann nach rechts. Hier beginnt der lässige Hangelriss, der steil nach rechts hoch führt. Teilweise schöner Fels wechselt sich ab mit etwas brüchiger Ware, an einer Stelle ist ein grosser Block ausgebrochen, was etwas knifflige Moves zur Folge hat. Insgesamt eine vergnügliche Sache, als ich am Stand ankomme, so stelle ich fest, dass ich in ca. 40 Minuten Dauerkletterei bereits mehr als die Hälfte der Route zurückgelegt habe.

Tobias folgt im Hangelriss von L5 (5c+), der interessante Kletterei in teilweise schönem, teilweise brüchigem Fels bietet.
L6, 40m, 6a: Hier folgt nun die nominelle Crux über die sogenannte Birne hinweg. Der Sinn dieser Bezeichnung erschliesst sich mir zwar nicht ganz, aber item. Die Kletterei führt erst der Fortsetzung vom Hangelriss entlang, dann rechts um die Ecke und athletisch mit kräftigen Zügen über ein Dach hinweg. Danach noch etwas dranbleiben und zwei Aufschwünge links herum bewältigen, dann ist diese tolle Seillänge mit wirklich lohnender Kletterei in sehr schönem Fels geschafft!

Tobias startet in die nominelle Cruxlänge L6 (6a). Hier ist der Fels prima und die Kletterei wirklich toll.
L7, 40m, 5c+: Ein spannendes und sehr abwechslungsreiches Teilstück: leicht geht's zur ersten Stufe hoch, das alte Topo sagt hier V+ A0 oder frei VI. Die Stelle lässt sich tatsächlich klettern, zwei, drei Züge in steilem Gelände an eher auflegerigen Strukturen sind aber klar schwieriger, als es in den Rahmen vom Plaisirgrad 5c+ passt. Danach geht's über eine etwas heikle, grasige Stufe in den tiefen Kamin hinein. Huch, wo geht's lang? Na, es kann nur in athletischer Turnerei durch den "Tunnel" hinter dem Klemmblock durchgehen. Vom Top der Blöcke dann in Spreiz- und Stemmkletterei weiter, bis man schliesslich nach rechts hinaus klettert und auf einem Absatz zum Stand gelangt. Der Fels im Kamin übrigens moosig und von den Dohlen verschissen, aber fest und mit toller Struktur. Eine sehr eindrückliche, aussergewöhnliche Sache, mir hat's viel Spass gemacht!

Der Autor in der Crux von L7, vermutlich der schwerste Kletterstelle der Route. Die höhlenartige Kletterei danach in den tiefen Kaminen lässt sich fotografisch leider nicht gut festhalten und bleibt damit der Phantasie des Betrachters überlassen. Nachschauen vor Ort lohnt sich für Neugierige durchaus...
L8, 40m, 5c+: Ein weiterer Stemmkamin führt zu einem Überhang, der etwas rechtsherum in athletischer Kletterei überwunden wird. Ganz so herausfordernd wie es auf den ersten Blick aussieht, ist es schliesslich nicht. Damit sind die grössten Schwierigkeiten überwunden, dem linken Ast des Kaminsystems entlang erreicht man in relativ gutmütiger Kletterei den vorletzten Stand. Weitestgehend guter Fels übrigens auch in dieser Länge.

Spreiz- und Stemmkamin am Anfang von L8 (5c+), der Überhang hinter dem Kletterer einfacher wie man vermuten könnte.
L9, 30m, 5b: Die logische Fortsetzung wäre hier durch die Verschneidung oberhalb vom Standplatz gegeben, welche die direkte Fortsetzung des Kaminsystems darstellt. Die beiden Kletterer im Rocksports-Bericht haben diesen Weg gewählt und den Verhauer vermutlich nicht bemerkt, somit dürfte dieser Weg auch nicht viel schwerer oder einfacher wie die Originalvariante sein. Diese quert nämlich nach rechts hinaus und führt dann einem steilen Riss entlang auf dem Pfeiler aufwärts. Schöne Kletterei in gutem, rauem Fels.

Um 10.45 Uhr sind wir nach 2:45 Stunden Kletterei bereits am Ausstieg angelangt. Das Wetter hat auch prima mitgespielt, inzwischen ist der Himmel zwar mit Wolken überzogen. Doch weder live noch auf dem Radar sieht es so aus, als ob es demnächst zu regnen beginnen würde. So halten wir einen Vesper und laufen später durchs Gemstobel talwärts. Hier lohnt es sich, nicht dem markierten Wanderweg zu folgen, sondern in die Geröllhalden linkerhand zu queren. Hier findet man meist recht guten Surf bis weit hinunter, ideal zeitsparend. Über den Gamstritt geht's vorbei an den Klettereien am Ostausläufer der Südwand aufs Wiesengelände hinunter. Bald sind wir retour in Partnun, nach einem kühlen Getränk schliesslich auf dem Heimweg und da das Wetter weiterhin hält, verbringe ich den Nachmittag mit dem Kindern im Freibad. Da sieht man wieder einmal, was auch an einem Tag mit pessimistischer Wetterprognose drinliegen kann!

Facts

Sulzfluh - Austriakenriss 6a (5c+ obl.) - 9 SL, 280m - Hiebeler/Bachmann 1949 - **;xx(x)
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.3-2, kleines Keilset

Eindrückliche klassische Kletterei durch die imposante SW-Wand der Sulzfluh. Der einfachere Einstieg bietet 4 mässig schöne Seillängen in eher kleinsplittrigem Fels, die man aber auch rasch hinter sich gebracht hat. Es folgen zwei Seillängen mit imposanten Hangelrissen, zwei tiefe, dunkle Kaminseillängen und ein Pfeilerausstieg. In diesem, wesentlichen Teil ist der Fels meist gut, ja teilweise sogar richtig schön und kletterfreundlich. Die Kamine sind jedoch nur in trockenem Fels geniessbar, sonst ist die Mischung von Moos, Vogeldreck und Schmierauflage sicherlich höchst unangenehm. Insgesamt eine durchaus lohnende Unternehmung für Klassiker-Fans und Leute, die einmal die Grosstaten früherer Generationen würdigen wollen. Die Route wurde 1996 saniert, alle Stände wurden dabei mit Muniring & BH ausgerüstet. In allen Seillängen stecken hie und wieder auch gebohrte Zwischenhaken, zusammen mit den alten Rostgurken und einigen mobilen Gerätschaften ergibt sich eine durchaus gute Absicherung - ich empfand die Route weder gefährlich noch psycho. Ein Rückzug lässt sich wohl bewerkstelligen, ist jedoch sicherlich weder bequem noch empfehlenswert, daher besser nur bei guten Bedingungen und mit etwas Marge einsteigen.

Freitag, 15. Dezember 2017

Rätikon - Miss Partnun (7b+)

Ja, die Miss Partnun trägt ihren Namen zurecht - es ist das schönste Mädel weitherum! Über all die Jahre hatte ich zwar nicht allzuviel, aber dann doch immer Gutes über diese Route gehört. Doch da sie sich nicht an den Kirchlispitzen oder am Schweizereck befindet, sondern ein paar Kilometer weiter östlich an der Gamstobelwand der Sulzfluh steht sie viel weniger im Rampenlicht. Dies jedoch völlig zu Unrecht: sie bietet stets interessante Kletterei in weitestgehend perfektem, silbrigem Rätikonfels mit irre Struktur und Reibung an einem hübschen Pfeiler. Auch in der Zone rund ums Grüscher Älpli wäre es eine der besten Routen!

Blick vom Partnunsee auf die Gamstobelwand, d.h. den Ostausläufer der Sulzfluh, wo sich auch die Miss Partnun befindet.
Nachdem das Wetter etwas gewittrig angesagt war, schien die Miss Partnun mit ihren 7 Seillängen und südöstlicher Exposition ein ideales Ziel. Weil der Einstieg auf einer Höhe von 2400m liegt, beunruhigten uns auch die angesagten Juni-Rekordtemperaturen im Bereich von 35 Grad fürs Flachland nicht. Wie sich zeigen sollte völlig zurecht - für die Kletterei herrschte ein sehr angenehmes Klima, dank kühlendem Westwind und ab und an einer Schatten spendenden Quellwolke fühlte es sich niemals heiss an. Um die Route sicher komplettieren zu können ohne dabei geduscht zu werden, entschieden wir uns für einen frühen Start, d.h. Aufstehen um 4.45 Uhr. Die Tour startete beim P6 bei Äbi unterhalb von Partnun (ca. 1620m, gebührenpflichtiger Parkplatz für 6 CHF/Tag, Münzen bereithalten!). Der Zustieg nimmt je nach Tempo rund 1.5 Stunden in Anspruch, führt aber durch eine schöne und interessante Umgebung. Zuletzt verlässt man dann den Weg zur Sulzfluh, quert weglos eine labile Geröllhalde und bezwingt in leichter Kletterei den Felsriegel unterhalb der Wand. Die Routen an der Gamstobelwand sind nicht angeschrieben. Da alle erst mit einer halben Seillänge über einfache Platten beginnen, steckt auch nicht üppig Hakenmaterial, so dass etwas Spürsinn vonnöten ist. Für Verwirrung kann ebenfalls die Route Velocita Limitata (8a) sorgen, welche in den handelsüblichen Topos derzeit noch nicht eingetragen ist. Für uns war’s aber kein Problem, um 8.40 Uhr ging es schliesslich los mit der Kletterei.

L1, 6a: Die erste Seillänge wurde erst nachträglich hinzugefügt, zuerst stiegen die Erstbegeher dem einfachen Gelände folgend vermutlich rechts herum auf die Terrasse am Ende von L1. Auch wenn’s von unten eher banal und nicht so überzeugend aussieht, so bietet diese Seillänge durchaus interessante Kletterei. Die Cruxmoves in der Mitte sind denn auch gar nicht mal so einfach.

Jetzt geht's looos! In L1 (6a), welche zuerst über einfache Platten führt, die Steilstufe wo sich der Akteur befindet ist bereits kniffliger.
L2, 7a: Nun geht’s los mit dem seriösen Business! Die graue Wand sieht einschüchternd und attraktiv zugleich aus. Über eine noch nicht so schwierige Einstiegsplatte gewinnt man eine seichte Verschneidung, wo man sich spreizend in die Höhe arbeitet und dabei schon ziemlich gut auf die Füsse stehen muss. Man verlässt diese nach rechts hinaus und sieht sich vor der Crux: hier muss ein Aufschwung mit kleinem Dächli (fast) ausschliesslich an Untergriffen bewältigt werden, dabei gilt es der Reibung voll zu vertrauen. Ziemlich zwingend das Ganze, viel fehlt da nicht zu einem 7a obligatorisch! Zuletzt dann wieder etwas einfacher in plattiger Querung nach rechts hinaus zum Stand.

Sieht eigentlich noch ziemlich gemütlich aus. Doch schon die Verschneidung in L2 (7a) erfordert etwas Einsatz, die Stelle an deren Ende ist dann die reichlich obligatorische Crux, wo man parat sein muss.
L3, 6c+: Die kompakte Wand gleich oberhalb vom Standplatz sieht verdammt schwierig aus und lässt einen hohe Schwierigkeiten vermuten. Schliesslich geht’s dann vorerst besser wie befürchtet, weil sich genau an der richtigen Stelle immer wieder ein vernünftig nutzbarer Tritt oder Griff präsentiert. Erst bevor es abflacht wird’s dann feiner und zäh. Die Erstbegeher haben an dieser Stelle grossen Mut bewiesen und die Schwierigkeit bei dieser plattigen Stelle voll obligatorisch gemacht. Immerhin hatten sie nachher gutmütiges Einsehen mit den Wiederholern und platzierten eine Verlängerung, so dass noch vor dem heikelsten Move geklippt werden kann. Zum Zeitpunkt unserer Begehung handelte es sich dabei jedoch um eine ziemlich zerfetzte Bandschlinge... Wir spielten dann die gute Seele und ersetzten sie beim Abseilen mit einer soliden Reepschnur gleicher Länge.

Steilplattenkletterei in sehr kompaktem Fels zu Beginn von L3 (6c+). Zu Beginn sogar aber einfacher wie befürchtet.
L4, 7b+: Erst grau-rau-plattig, dann gelb-kleingriffig-einbitzsplittrig und schliesslich steil-athletisch-henklig präsentiert sich die lange Cruxlänge. Die erste Hälfte weist dabei vergleichbare Schwierigkeiten wie L2 und L3 auf, gut abgesichert. Die Crux dann in einem weiten Quermove nach links auf schlechten Tritten, nicht sonderlich schön oder elegant. Dort wo man blind hinzielt, sind im leicht splittrigen Gelände scheinbar schon einige Leistchen ausgebrochen. Onsight ist das anspruchsvoll und auch ein bisschen Glückssache - mir hat schliesslich relativ wenig gefehlt, leider griff ich blind nicht ganz ans richtige Ort, d.h. nicht dorthin, wo das beste Käntchen den Fingern etwas Widerstand bietet. Nach einem guten Ruhepunkt folgt dann noch der steile und luftige Abschluss - wiederum im 7a-Bereich, nur nicht abschütteln lassen. Am Stand fehlte dann beim einen Bolt das Plättli und erforderte etwas Improvisation... (Hinweis: das Malheur ist inzwischen behoben, danke Tobi!)

Blick auf die Cruxlänge (L4, 7b+). Der erste Teil geht ok, die Crux ist es, aus der gezeigten Position nach links zu moven.
L5, 6a: Eine einfache und gemütliche Länge um etwas zu verschnaufen. Damit es nicht langweilig wird, haben die Erstbegeher dafür etwas mit den Bolts gespart, es stecken nämlich nur 2 Stück. Mehr braucht’s jedoch bei der zugänglichen und gut kontrollierbaren Kletterei jedoch auch nicht. Trotzdem ist es sehr dienlich, hier noch einen Camalot 0.3 dabei zu haben, um diesen unmittelbar vor dem zweiten Haken legen zu können. Das haben die Erstbegeher bestimmt auch so gemacht, deshalb steckt dieser so hoch. Man kann darauf verzichten, dann klettert man den 6a-Move allerdings mehr oder weniger unprotected, bzw. gute 8m über der letzten Sicherung.

Etwas einfachere aber sehr schöne Kletterei in L5 (6a).
L6, 7b: Nun gilt’s nochmals richtig ernst. Gleich über dem Stand will eine wiederum seichte Verschneidung gewonnen werden. Erneut gibt’s nicht allzu viele Griffe und absolut entscheidend ist es, den Füssen zu vertrauen. Der Abschluss dieses ersten Teils wird durch eine überhängende Zone markiert. Hier gilt’s kräftig von Unter-/Seitgriffen auf die Sloper darob zu moven und der Sache mantelnd in die folgende Platte zu entkommen. Dort eigentlich gut gesichert, allerdings brauchen die etwas heiklen Klipps aus Gegendruck-Positionen Reserven. Oben ist das Gelände mit supergriffigen Tropflöchern dann zwar sofort einfacher (~6b), dafür wartet in gepumptem Zustand ein etwas affiger Runout zum Stand hinauf. Bei einem Sturz wäre man schnurstracks wieder zurück am Stand bei seinem Sicherungspartner. Hinweis: es lässt sich an dieser Stelle noch eine unscheinbare Sanduhr fädeln. Die Frage ist allerdings, ob man hier im gepumpten Zustand noch rumfummeln mag oder lieber gleich durchzieht…

Superschöner Fels am Ende von L6 (7b), die finale, BH-freie Passage zum Stand hinauf hat's aber in sich...
L7, 6c: Auch die letzte Seillänge ist nochmals superschön! Erst geht's in technischer Kletterei eine Art Groove hinauf. Bei dessen Ende dann nochmals athletischer zu coolen Wasserrillen und erst auf den letzten Metern einfacher zum Stand mit Wandbuch, wenige Meter unter dem Top des Pfeilers.

Nochmals eine supercoole Länge an schönen Wasserrillen zum Abschluss: L6, 6c.
Freudig und stolz erreichen wir um 14.00 Uhr nach 5:20 Stunden Kletterei also den Ausstieg. Die Route trägt ihren Namen unseres Erachtens absolut zurecht, auch für uns ist es die schönste Route, welche wir bisher im Raum Partnun klettern konnten. Und selbst wenn man den Rayon auf's ganze Rätikon ausdehnt, gebührt ihr ganz sicher ein Spitzenplatz. So erstaunt es denn nicht, dass in den Jahren nach der Erstbegehung für eine Route in diesem Schwierigkeitsgrad ein richtiger Ansturm stattgefunden hat - da sieht man wieder einmal deutlich, wie viel Mund-zu-Mund-Propaganda ausmacht. Gewiss nicht viele Kletterer aus der regionalen Szene mit dem nötigen Niveau haben sich damals eine Begehung entgehen lassen. In den letzten Jahren war dann die Begehungsfrequenz eher tiefer geworden. 

Die Landschaft im Rätikon und speziell jene um den Partnunsee ist einfach malerisch!
Trotz der sehr hohen Qualität hat die Miss Partnun (wohl wegen ihrer etwas abseitigen Lage) nie dieselbe Popularität wie beispielsweise eine Intifada erreicht, obwohl dies aufgrund der Kletterei ganz klar gerechtfertigt wäre. Zufrieden machen wir uns ans Abseilen, was zügig vonstatten geht. Wir inspizieren dabei die parallel verlaufende Velocita Limitata (8a) - hmm, naja, irgendwie dünkt uns der Verlauf nicht restlos logisch und die Art, wie die Route "geputzt" wurde scheint auch etwas suspekt. Attraktiver erscheint da schon das Sennentuntschi (8 SL, 7b) wenig links der Miss Partnun... oder eben die Routen beim Gamstritt, welche wir im Abstieg nochmals ausführlich begutachten. Es sollte nur wenige Tage dauern, bis ich hier für die Baluga (5 SL, 7a) sowie die Plaisir-Familien-Erstbegehung Sunshine Reggae (3 SL, 5b) wieder in die Gegend kommen sollte.

Facts

Sulzfluh/Gamstobelwand - Miss Partnun 7b+ (6c+ obl.) - 7 SL, 240m - Luginbühl/Stäger/Dürr - ****;xxx
Material: 2x50m-Seil, 12 Express, Camalot 0.3

Sehr schöne Rätikon-Kletterei, welche fast durchgehend in perfektem Fels verläuft. Sie lohnt den Abstecher nach Partnun und den nicht ganz so kurzen Zustieg auf jeden Fall. Wie bereits erwähnt wäre die Miss Partnun auch in der Zone ums Grüscher Älpli eine herausragende Route. Die Absicherung mit grösstenteils rostfreiem Material ist gut, wenn auch im Bereich bis 7a oft reichlich zwingend. Nur die beiden (kurzen) Passagen, welche diesen Grad sprengen können A0 entschärft werden. In der 6a-Länge ist es hilfreich, wenn man einen Camalot 0.3 dazulegen kann. Der Bolt steckt zwar nur unwesentlich höher als das Placement, allerdings führt man dazwischen noch den Cruxmove aus. In den restlichen Seillängen haben wir keine mobilen Sicherungen gelegt. Ein Topo und weitere Infos findet man im Panico-Topo Rätikon Süd oder im Extrem Ost von Filidor.

Freitag, 15. September 2017

Rätikon - Gruobenbutz (7a)

Die Ostwand der Sulzfluh im Raum Partnun, mit ihren bekannten Routen wie Rialto, Kathedrale und Abraxas, bildet ein sehr beliebtes Kletterziel. Der Gruobenbutz steht dabei weniger im Fokus, wobei dieser wie man vernimmt (und es auch meiner persönlichen Erfahrung entspricht) mutmasslich die beste Route der Wand ist. Schon lange hatte ich ihn auf der Liste. Dass es nur zur Realisierung kam, lag dann aber doch an der wegen Unterhaltsarbeiten gesperrten Strasse von Schuders zum Grüscher Älpli. Unerwartet waren wir da angebrannt und mussten mit dem Gruobenbutz den Plan B zu Rate ziehen.

Der Blick vom Partnunsee auf die Sulzfluh Ostwand mit dem ungefähren Verlauf vom Gruobenbutz (12 SL, 7a).
Ein weiteres Mal diesen Sommer (nach der Miss Partnun, der Baluga und der Sunshine Reggae) starteten wir also vom P6 bei Äbi (Parkgebühr 6 CHF/Tag, ausreichend Kleingeld mitführen). Nach dem Hin und Her war es inzwischen beinahe 10.00 Uhr geworden, bis wir aufbrachen. Zügigen Schrittes ging’s am Gasthaus Alpenrösli und am Partnunsee vorbei, schon nach knapp 45 Minuten standen wir unter der Wand des Chli Venedig. Wir richteten unten am Wanderweg (wo uns später der Abstieg vorbeiführen sollte) ein Depot ein. Von da erreicht man den nicht näher bezeichneten, aber unmittelbar rechts der schluchtähnlichen Verschneidung beim vorgelagerten Block gelegenen Einstieg in ein paar wenigen Minuten. Um ca. 11.00 Uhr ging’s los mit der Kletterei.

L1, 5b, 30m: Gar nicht so trivial geht’s los, zudem steckt der erste Haken reichlich hoch. Das Gestein ist nicht von allerbester Qualität, zudem staubig, da häufig vom Wasser überronnen. Tatsächlich waren denn auch zum Zeitpunkt unserer Begehung noch einige Griffe feucht und schmierig. Der obere Teil dann etwas einfacher mit ein paar Stemm-Moves in einem Winkel.

Ein bisschen ein rustikaler Ausstieg aus der sowieso eher rustikalen und für den Grad zähen L1 (5b).
L2, 6a, 40m: Eine schon deutlich schönere Seillänge, die aber durchaus sorgfältiges Treten verlangt. Der Fels ist zuerst gar nicht so üppig strukturiert, etwas abwärtsgeschichtet und ein bisschen glatt. Der zweite Teil der Seillänge dann ein bisschen einfacher.

L3, 5c+, 45m: Schöne und abwechslungsreiche Kletterei mit steilen, griffigen Aufschwüngen und einfacheren, wasserrilligen Passagen. Im oberen Teil muss einmal links um die Kante geklettert werden.

Die Route beinhaltet auch immer wieder einfachere Passagen, bis auf die letzte Seillänge sind die Schwierigkeiten wenig anhaltend. Bei solcher Gesteinsqualität kann man jedoch auf keinen Fall sagen, die Route sei in diesen Passagen langweilig.
L4, 5c+, 40m: Eine wirklich fantastische Seillänge, welche mitten durch eine kompakte Platte führt. Dort gibt’s aber auch eine vom Wasser zerfressene Rinne, welche willkommene Griffe und Tritte bietet.

Auch diese Seillänge ist eine echte Perle (L4, 5c+).
L5, Grasband: Nun muss etwa 120m über das Grasband zum oberen Wandteil aufgestiegen werden. Das  Gelände ist problemlos begehbar, Seilsicherung absolut unnötig. Am schnellsten und bequemsten geht sowas, wenn sich einer aus der Seilschaft ausbindet und der andere das Seil hinterherzieht. Die Fortsetzung auf der hellen Platte bei den tiefsten Felsen links der gelben Nische ist mit dem Originaltopo gut aufzufinden.

Ausblick vom grossen Grasband auf den oberen Wandteil. Die Fortsetzung beginnt leicht rechts der Bildmitte bei der hellen Platte (dort, wo der Felsriegel im Grasband am tiefsten hinabreicht).
L6, 6a, 45m: Erst gemächliche Plattenkletterei, welche in der Mitte mit einer zupfigen Stelle aufwartet, die in einem weiten Move zu bewältigen ist. Die zweite Hälfte dann einfacher und am Schluss etwas grasig. Der Stand ist deutlich rechts zu suchen.

L7, 6c, 40m: Gemäss Topo scheint’s nun das erste Mal ernst zu gelten. Rechtsrum über die steile Stufe, dann sehr schön die griffig-steile Wand hinauf. Beim Ausstieg dann etwas knifflig nach rechts, hier muss man auf Reibung antreten und auch mal einen Sloper halten. Für eine 6c geht das aber tiptop.

Griffig-steile Kletterei mit einer etwas sloprigen Reibungsstelle am Schluss in L7 (6c).
L8, 5b, 40m: Quergang nach rechts und dann aufwärts, dies entlang einer Verschneidung. Schöne und ziemlich gemütliche Kletterei.

L9, 6a, 50m: Vom Standplatz aus sieht das erste Wändchen banal aus, aber es täuscht. Klar, allzu mega schwierig ist das nicht, aber irgendwie doch kniffliger wie man für eine 6a erwarten könnte. Dafür bietet der Rest in schrofigem Gelände dann keine Schwierigkeiten mehr.

Am Ende von L9 (6a) überquert man erneut ein Schrofenband. Die Fortsetzung in L10 führt vom Kletterer diagonal nach rechts oben zur rechten Bildecke, die Crux jener 6c-Länge befindet sich am gut sichtbaren Dachwulst.
L10, 6c, 45m: Erst eine schöne Wand, die aber von einem fetten Wasserstreifen durchzogen ist. Wir haben aber Glück und kommen gerade so ums schmierige Bad herum. An der (gar nicht so brüchigen) Schuppe geht’s hinauf auf ein Band. Sich mit einem Mantle an einem Kleingriff in der Platte oberhalb zu etablieren ist die Crux. Original mit 6c+ bewertet, dafür m.E. gutmütig, 6c dürfte reichen. In der Platte dann tiptope Moves zum Stand.

Rückblick auf die schöne Abschlussplatte von L10 (6c).
L11, 5b, 50m: Erst noch ein paar Schrofen, dann steilt das Gelände auf und bietet schöne, plattige Kletterei in rauem Fels.

L12, 7a, 45m: Nun folgt noch das Pièce de Résistance. Während man bis hier von einer anregend-gemütlichen Route sprechen konnte, wo nur 2 kurze Stellen den Grad 6c verlangten, warten hier nun anhaltende Schwierigkeiten (die man jedoch notfalls grösstenteils vermutlich auch A0 bewältigen kann). Und gleichzeitig mit der Route änderten auch die Bedingungen ihren Charakter. Waren wir bisher im T-Shirt bei angenehmer Wärme geklettert, so versteckte sich die Sonne nun hinter einer Quellwolke, dazu ging eine zügige Brise. So waren klamme Finger und taube Füsse das Thema. Schon die ersten Meter aus dem Stand hinaus schienen mir recht knifflig, nach ein paar gängigeren Moves kommt man zur Crux. Hier stecken 3 BH zwar sehr nahe, wobei der dritte aus der Kletterstellung jedoch nur sehr schwer zu klippen ist. An etwas dubiosen Seitgriffen geht man erst mit schlechten Füssen auf Gegendruck. Sich nach Auslaufen der Seitgriffe in der plattigen Wand zu etablieren ist die Herausforderung – ein bisschen eine Zauberstelle (feingriffig, gutes Antreten nötig). Ziemlich anhaltend geht’s weiter, erst die letzten Meter bieten dann griffigen Henkelgenuss. Im Originaltopo war diese Seillänge mit 6c A0 bewertet. In den Kletterführern ist daraus eine Freikletterbewertung von 6c+ geworden. Meines Erachtens ist das zu tief und vor allem ein zu kleiner Unterschied gegenüber den deutlich einfacheren L7 und L10. Laut Lektüre im Wandbuch schlagen denn soweit ich gesehen habe auch alle, welche eine freie Begehung angeben, einen Grad zwischen 7a und 7b vor. Nachdem ich ein bisschen konservativ sein will, dünkt mich 7a durchaus passend.

Der Rückblick auf die anhaltende L12 (7a) ist mässig fotogen. Man erkennt aber doch den kompakten Fels.
Die Uhr war inzwischen auf 15.00 Uhr vorgerückt, somit hatte uns die Route rund 4:00 Stunden beschäftigt. Am Ende von L12 befindet sich das Wandbuch in einer Gamelle. Von dort geht’s erst durch eine grasige Rinne hinauf – noch relativ steil, jedoch gut seilfrei möglich, am Ende der Rinne am Grat befindet sich nochmals ein BH zum Nachnehmen. Aber dort gilt es noch, rund 150m über den einfachen und kaum exponierten Grat aufs grosse Plateau der Sulzfluh-Nordabdachung aufzusteigen. Wir hielten uns nicht lange auf und machten uns gleich rechterhand auf den Abstieg. Dort gilt es kurz Acht zu geben, dass man nicht fälschlicherweise das Gruobenflüeli überschreitet, sondern direkt aus dem Sattel hinabsteigt. Der Beginn ist dort nicht so offensichtlich, während man danach auf eine gute und markierte Wegspur trifft, welche an den Höhlen vorbei retour zum Depot führt. Rund 50 Minuten nach Ankunft beim Wandbuch waren wir dort. Nun konnten wir es rollen lassen, zuerst im übertragenen Sinn am Partnunsee vorbei. Mit dem Erreichen der Strasse aber dann auch im eigentlichen Sinn – den Trottinettspass retour zum Parkplatz, bzw. sogar bis nach St. Antönien liessen wir uns natürlich nicht entgehen.

Facts
Sulzfluh – Gruobenbutz 7a (6b obl.) – 12 SL, 470m + 300m Gehgelände – Eggenberger/Stecker 2003 - ***;xxx
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, Keile/Friends nicht nötig

Anregende und gemütliche Kletterei, die viele schöne Passagen in bestem Rätikon-Kalk bereithält. Wie bei allen Routen dieser Zone gilt es unterwegs einige grasig-schrofige Zonen und Schuttbänder zu passieren. Das geht in jedem Fall problemlos und stört (je nach persönlicher Einstellung) den Genuss kaum. Hingegen kommt so natürlich kein richtiges, ausgesetztes Wandfeeling auf. Die letzte Seillänge stellt mit deutlichem Abstand den höchsten klettertechnischen Anspruch und befindet sich im 7a-Bereich, dürfte aber notfalls mit Hakenhilfe deutlich zu entschärfen sein. Der ganze Rest der Route spielt sich (bis auf die Bänderzonen) recht homogen im 5c/6a-Bereich ab, mit zwei kurzen Stellen im Bereich von 6c. Die Absicherung an diesen schwierigen Stellen ist tadellos (xxxx), die einfacheren Stellen sind ebenfalls gut, wenn auch etwas weiter abgesichert (xxx). Es stecken verzinkte Bolts, meist noch in sehr gutem Zustand, punktuell jedoch korrodiert aber derzeit (2017) alles safe. Mobile Sicherungsmittel empfand ich nicht als notwendig, wer möchte könnte jedoch an den einfacheren Passagen sicher noch ein paar kleinere bis mittlere Cams (z.B. Camalot 0.3-1) unterbringen. Beschrieben sind Route und Gebiet in den Führern Rätikon Süd von Panico und im SAC-Führer Graubünden (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich).

Montag, 26. Juni 2017

Rätikon - Baluga (7a)

Auf dem Weg zum Einstieg der Miss Partnun läuft man an der Sulzfluh Ostwand, bzw. genauer, der Gamstrittplatte vorbei. Dort gibt's einerseits besten Wasserrillenfels, welcher nur so zum Klettern einlädt. Andererseits steht da auch ein kecker Felszahn, welcher zur Erklimmung lockt. "Da richte ich eine Route ein" war der Gedanke, der mir bei diesem Anblick durch den Kopf schoss. Genaueres Hinsehen zeigte dann, dass bereits anno 1998 jemand auf diese Idee gekommen war. Die Gebrüder Scherrer erschlossen mit ihrer Route Beluga ziemlich genau jene Linie, welche ich mir bereits ausgemalt hatte. So schien es mir attraktiv, Gebiet und Route im Rahmen von einem Familienausflug zu besuchen. Ohne dass mein Vater uns begleitet hätte, wäre dies so nicht möglich gewesen - vielen herzlichen Dank dafür.

Die Gamstrittplatte an der Sulzfluh lockt mit ihrem kühnen Felszahn und den prima Rätikonplatten zum Klettern ein.
Vom Parkplatz P6 bei Äbi bis zum Einstieg auf 2170m sind rund 550hm zu bewältigen, dies schien mir für die Kinder ein zu bewältigendes Pensum zu sein. Um etwas Kraft zu sparen und bequemer laufen zu können, benützten wir ab Partnun anstelle vom etwas direkter verlaufenden Wanderweg die Güterstrasse. Das ging eigentlich tiptop, die wunderschöne Blumenpracht der Magerwiesen links und rechts begleitete unseren Aufstieg. Allerdings heizte auch die Sonne schon ganz schön ein, so dass zum Schluss doch noch die Frage "ist es noch weit?" aus einem Kindermund zu vernehmen war. Mit ein paar Erklärungen, wie ein solcher Aufstieg Beine, Herz und Lunge stärkt und was für welche Vorteile das mit sich bringt, war das Zwischentief schnell vergessen und schon bald darauf waren wir am Fuss der Gamstrittplatte angelangt. 

Wunderbare Blumenpracht im Aufstieg zur Wand!
Hier wollten wir nun zuerst mit den Kindern die einfachste Route, nämlich die Rägätanz (3 SL, 5b) klettern. Das gelang soweit bestens, es wartet silbergrauer Rätikonfels von allerbester Qualität. Ich muss jedoch gestehen, dass ich den Routenverlauf jetzt nicht unbedingt sonderlich logisch fand. Da hätte sich auch eine direktere Linie finden lassen, die auch nicht schwieriger gewesen wäre. Wissen muss man ebenfalls, dass die Absicherung nach Plaisirbewertung höchstens Stufe "soso" erreicht. Es stecken zwar hier und da einige Bohrhaken und an den Schlüsselstellen geht's gerade noch so. Aber gerade im etwas einfacheren Gelände sind die Abstände viel zu weit. Wer da den unteren fünften Schwierigkeitsgrad nicht absolut sicher beherrscht, bringt sich in ernsthafte Gefahr. Da sind dann Stürze von über 20m in gestuftem Gelände möglich - de fakto eine lebensgefährliche Sache. Ein Ergänzen mit mobilen Sicherungen ist aufgrund der Felsstruktur kaum möglich. Nun denn, für mich war das "no big deal", aber wenn ich dran denke, dass hier meine Kinder oder sonst weniger Erfahrene vorsteigen wollten, no way! Somit kann ich die Route eigentlich nur für Kletterer weiterempfehlen, welche aufgrund von Niveau und Länge sowieso kein Interesse daran haben.

Dank 2x60m-Seilen waren wir in 2 Manövern zügig wieder am Einstieg. Das Ausqueren zum Sulzfluhweg und der Abstieg über den Gamstritt würde bestimmt länger dauern, zumal die Querung jetzt nicht gänzlich trivial aussieht und durch Absturzgelände führt (de visu ca. T5/T6). Während sich die Kinder nach einer Trink- und Esspause mit dem Grossvater schon einmal Richtung Partnunsee aufmachten, stiegen Kathrin und ich unverzüglich in die Beluga (5 SL, 7a) ein. Die Route (nicht angeschrieben) beginnt unmittelbar rechts der markanten Verschneidung und ist aufgrund der Mammut-Longlife-Bohrhaken gut zu erkennen.

L1, 30m, 6b: Der Fels sieht ganz schön aus, entpuppt sich aber bald als relativ glatt und nicht ganz so strukturiert, wie man vom Rätikon sonst gewohnt ist. Da wartet schon nach dem zweiten Bolt eine ziemlich heftige und zwingende Einzelstelle, uff. Doch mir gelingt der Umstieg vom Plaisir- in den Sportmodus. Der zweite Teil dann etwas einfacher.

Schöne Plattenkletterei in L1 (6b), der Fels weist hier aber einen Tick weniger Reibung auf wie im  Rätikon gewohnt. 
L2, 50m, 6c: Eine schöne und lange Seillänge, auch wenn der Fels in der ersten Hälfte leider etwas staubig ist. Schon bald nach dem Stand kommt eine athletische Passage an einer rissähnlichen Struktur mit ein paar runden Löchern. Was erst nach einer kühnen Sache aussieht, entpuppt sich dank einer total verwaschenen und damit gut getarnten, fixen Sanduhrschlinge doch als machbar. Anstatt dort selber eine zuverlässige Schlinge reinzufummeln, passt unmittelbar darunter der Camalot 0.75 perfekt in den Riss. Nach dieser Stelle wartet schöne Kletterei im 6ab-Bereich. Die Absicherung ist teils ziemlich inhomogen, einmal hat's 2 Bolts auf 1m, zum Stand hin wartet dann aber wieder ein 7m-Runout.

L3, 50m, 6b: Gleich über den ersten Bolt hinweg wartet wiederum eine heftige Platten-Einzelstelle. Mich dünkte das ehrlich gesagt die schwierigste Kletterstelle der ganzen Route und ich war kurz vor dem Rauskippen. Ob ich etwas übersehen habe?!? Ich glaube eher nein, aber wer weiss. Ebenfalls bin ich nicht sicher, ob man diese Stelle A0 bewältigen könnte. Auch hier vermute ich eher nein, die Absicherung an dieser Stelle ist aber gut. Der weitere Verlauf der Seillänge ist dann von den Schwierigkeiten her leichter verdaulich, allerdings wird der Fels doch reichlich splittrig und erfordert Erfahrung in solchem Gelände, ansonsten tritt man mit einem Griff in der Hand den Weg in die Tiefe an. Zuletzt dann noch eine witzige Stelle in einer Art Kamin/Verschneidung.

Kathrin steigt aus der witzigen Verschneidung am Ende von L3 (6b) aus.
L4, 20m, 6c: Nun geht's links hinaus in die steile Wand. Leider steckt der erste Bolt drüben 1m zu tief, so dass man beim Startboulder seinem Geläuf zuliebe besser nicht stürzen sollte. Für 6c ist die Stelle jedoch sehr leichtverdaulich. Nachher folgt eine kurze, steile Verschneidung, wo zwingend eine mobile Sicherung zu platzieren ist. Zum Zeitpunkt unserer Begehung war eine Knotenschlinge vor Ort, ideal liessen sich auch noch ein Rock Nr. 5 (d.h. mittlerer Klemmkeil) und ein Camalot 0.4 platzieren. Der Move links ums Eck ist an sich nicht schwierig (ca. 6a+), aber wenn die mobilen Sicherungen versagten, so wäre ein Sturz von 10m aufs flache Gelände darunter lebensgefährlich. Ironischerweise stecken drüben in der 5c-Wandkletterei zum Stand hin dann wieder zwei Bohrhaken in sehr kurzem Abstand, da wäre der eine woanders eher besser investiert gewesen.

L5, 20m, 7a: Zum Schluss wartet noch die nominelle Cruxlänge. Die ersten Meter vom Stand weg entpuppen sich als problemlos. Die Schlüsselpassage besteht aus einer relativ kurzen, senkrechten Wandstelle. Auch hier stecken wieder 2 Bolts im 1m-Abstand. Schade ist der obere nicht 1-1.5m höher, so dass man ihn von den letzten, passablen Griffen klippen kann. So ist die 7a dann zwingend zu meistern und der folgende, diffizile Mantle 2m über dem Bolt (Fuss auf Kopfhöhe platzieren und an einem Seitgriff aufrichten) fühlt sich bereits ziemlich psycho an - das ist jetzt nicht unbedingt gefährlich, hat aber das Potenzial für einen ungeschmeidigen Abgang. Dann sind es nur noch wenige Meter bis zum Top auf dem Ostgrat der Sulzfluh. Zum Nachsteigen ist die Schlüsselstelle dann auch etwas unangenehm, da ein ziemlicher Pendler nach links droht.

Bildunterschrift hinzufügen
Somit war das Top erreicht, der Onsight-Gesamtdurchstieg war mir gelungen :-) Auch von hier könnte man zu Fuss absteigen, aber genau wie beim Rägätanz, das sieht weder so richtig einfach noch so richtig kurz und schnell aus. Deshalb hatten wir umgehend das Seil eingefädelt. Eine erste kurze Etappe führt einen zum Stand nach L4. Ab hier geht's direkt an den Stand nach L2. Im Topo der Erstbegeher ist diese Abseilstrecke als 50m beschrieben, im Panico-Führer steht hingegen 60m! Nun denn, mit neueren, noch nicht geschrumpften 50m-Seilen dürfte es inklusive der Seildehnung gerade reichen. Aber die 60er-Stricke mitzubringen macht schon Sinn, denn mit diesen reicht es vom Stand nach L2 gerade so knapp auf den Boden. Da hiess es dann, rasch in die Schuhe schlüpfen und ab dem Rest der Familie hinterher. Dank einem Surf in der Geröllreisse unterhalb der Wand ist man im Nu am See unten (dieser Weg nach Partnun ist bestimmt schneller und bequemer wie der markierte Wanderweg). Nebst einer Einkehr im Gasthaus wartete noch der Trottinett-Downhill nach St. Antönien - das sind 6km und Big Fun, sowohl für Klein wie Gross, was den gelungenen Tag noch famos abrundete.

Die 5 CHF für den Trottinett-Downhill sind wirklich gut investiertes Geld :-)
Facts

Sulzfluh Ostwand - Baluga 7a (6c obl.) - 5 SL, 200m - A. & T. Scherrer 1998 - **;xxx
Material: 2x60m-Seile, 10 Express, mittlere Keile, Camalots 0.3-0.75

Eine durchaus interessante Route, welche unmittelbar beim Gamstritt auf einen kecken Felszahn im Ostgrat der Sulzfluh führt. Die Kletterei ist abwechslungsreich und vermag den alpin orientierten Sportkletterer, welcher sich an exklusiven Zielen erfreut, durchaus zu befriedigen. Die relative Kürze der Route (im Vergleich zu Anfahrt und Zustieg) vermag aber vermutlich doch nicht allzu viele Besucher anzulocken. Leichte Einschränkungen muss man auch in Bezug auf die Felsqualität machen - es handelt sich leider nicht durchgehend um Material der Güteklasse Rätikon Premier Cru. Erst ist das Gestein ein bisschen glatt und teils staubig, dann auch mal etwas splittrig. Insgesamt aber doch meist solide und für Alpinkletterer mit etwas Erfahrung durchaus lohnend zu beklettern. Insgesamt reicht's aber doch nur für 2 Sterne. Die Absicherung mit rostfreien Mammut Longlife und einigen verzinkten Haken (welche noch gut im Schuss sind) darf man als gut (xxx) bezeichnen. Sie wirkt etwas inhomogen: während einige Passagen mit engen Hakenabständen versehen sind, wo es nicht einmal unbedingt nötig scheint, fällt die Absicherung an anderen Stellen dann doch plötzlich recht fordernd aus. Am Beginn von L4 ist zwingend eine mobile Sicherung anzubringen, dort sind mittlere Keile oder kleine Cams einfach, offensichtlich und solide zu platzieren. Ansonsten muss und kann man nicht allzu viel dazulegen.

Am Partnunsee, mit Blick auf die Wiss Platte und die Schijenflue mit ihrer berühmten Westverschneidung.
Topo

An dieser Stelle ist das Topo der Erstbegeher abgebildet. Weitere Informationen zur Route und zum Sektor findet man im Panico-Führer Rätikon Süd (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich) und im SAC-Führer Graubünden, wobei die Angaben zumindest teilweise unstimmig erscheinen (z.B. Erstbegeher und Jahr, auch die Angabe von "altes Material" stimmt so nicht). In Bezug auf die angegebenen Schwierigkeiten fand ich wie im Text erwähnt L1 und L3 schwieriger, sowie L4 und L5 einfacher als erwartet. Ich hätte jetzt gesagt, dass sich die ganze Route so im Bereich 6b+ bis 6c+ abspielt. Aber wie das halt so ist, manchmal erwischt man eine Passage gut und sie liegt einem, oder dann gerade umgekehrt - so will ich meine Empfindungen jetzt nicht zwingend zur Allgemein gültigen Wahrheit hochstilisieren.

Topo der Erstbegeher von Baluga.