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Dienstag, 7. Oktober 2025

Rätikon - Saguaro (10 SL, 8a, Erstbegehung)

Hart, komplex und mit maximaler Schärfe, so kann man diese Route sicherlich charakterisieren. Sie wurde schon 1991 durch Andreas Audétat und Gefährten begonnen und führt durch einen der steilsten Bereiche der Gamstobelwand bei Partnun im Rätikon. Nur 25m vor dem Ende der Schwierigkeiten ging den Pionieren der Schnauf für die Vollendung ihres Projekts aus, und so blieb die Route trotz bestem Tropflochfels und sehr guter Absicherung mehr als drei Jahrzehnte lang unbekannt. Erst im Jahr 2025 erhielt Daniel Benz Kenntnis von der Sache und vollendete die Linie im August mit Dominic Eggenberger. Ein paar Besuche zwecks Sanierung, Linienoptimierung und Training war Zeit für die Erstbegehung und den Rotpunkt-Go. Bei diesem Anlass konnte ich mit dabei sein, hier mein Bericht dazu.

Die steile Gamstobelwand an der Sulzfluh im Rätikon mit dem Verlauf von Saguaro 

Unsere Tour startete um ca. 9.15 Uhr beim P6 in Partnun Äbi (1620m). Der erste Teil vom Zustieg bietet ideales E-Bike-Gelände über Strassen mit Hartbelag bis auf 2050m. Hier geht's zu Fuss weiter auf dem markierten Wanderweg - mir bestens bekannt, hatte ich doch an den Wänden links vom Gamstritt auch schon geklettert, bzw. zwei Neutouren realisiert (Sunshine Reggae (5b) sowie die bisher noch undokumentierte Die Katze Bekova (6c) aus dem Jahr 2023). Nach Überwindung der Steilstufe erreicht man den Gemschtobel, wo man auf ca. 2330m den Weg verlässt und über die gut begehbare Geröllhalde den Wandfuss erreicht. Dieser befindet sich ca. 200m rechts (östlich) vom Beginn des Klettersteigs Partnunblick und ist mit dem Wandfoto gut identifizierbar. Um 10.30 Uhr starteten wir schliesslich mit der Kletterei.

Unterwegs zum Kessel vor dem Gamstritt. Die im Text erwähnte Neutour Die Katze Bekova (6 SL, 6c) von Larina und mir befindet sich am linken Bildrand, in der Platte links der Bildmitte findet man unsere Familien-Erstbegehung Sunshine Reggae (5 SL, 5b).

L1, 45m, 6a+: Vergnügliche, gut abgesicherte und relativ leicht verdauliche Plattenkletterei.

L2, 25m, 7a: Ein paar einfache Meter führen zu einer oft nassen Verschneidung heran, in deren überhängender Seitenwand es dann mit einer Traverse gleich heftig zur Sache geht. In etwas klötzlig-splittrigem Gestein müssen ohne Rücksicht auf Verluste ein paar Stellerleisten heftig zugeballert werden, bevor man kräftig an Seit- und Untergriffen auf ein Podest aussteigt. Puh, da war ich meinem Limit schon nahe.

"Nur" eine 7a, aber am Ende von L2 muss man definitiv schon parat sein und Leisten zuschrauben.

L3, 25m, 7c+: Die ersten Meter noch gängig zu einem Turm und an diesem hinauf. Einmal an der Hauptwand, schlägt dann schon die Stunde der Wahrheit. An kleinen, scharfen Kratzern und fast inexistenten Rauigkeiten für die Füsse gilt es für Fortschritt zu sorgen. Im Prinzip anhaltend fordernd, auch wenn der Experte hier drei besonders fordernde Einzeleinheiten erkennt. Bei mir setzte sich v.a. die Erkenntnis durch, dass diese kein bequemes Konsumgut darstellen, d.h. ich konnte nicht alle in Freikletterei lösen.

Das Gestein ist extrem rau, gute Griffe sind aber Mangelware (L3, 7c+).

L4, 20m, 8a: Eine längere Boulderstelle zu Beginn markiert die Hauptschwierigkeit. Diese ist grundsätzlich im ortsüblichen Stil konstruiert, wobei hier tatsächlich ein dynamischer Move oder Sprung an einen grösseren Sloper zum Programm gehört. Die obere Hälfte der Seillänge bietet dann vergleichsweise gutgriffiges ~7b-Gelände, da ist noch einiges an Rési gefragt - diesen Abschnitt konnte ich im Gegensatz zum ersten Teil am Stück durchsteigen.

Die Crux in L4 (8a) ist in der Tasche, nun nur nicht mehr Abwerfen lassen!

L5, 20m, 7c: Hatte ich in den letzten beiden Längen hart zu beissen, so lief es hier zum Glück wieder etwas flotter. Die Kletterei hier einen Tick steiler wie in den Cruxzonen von L3/L4, griffiger und damit nicht nur einfacher, sondern auch zugänglicher. In verschärfter Wandkletterei im Bereich 7b/+ geht's zu einem kleinen Dächli mit der Hauptschwierigkeit, wo ich 2-3x ansetzen musste, bis die Lösung sass. Von da bis zum Stand kann man durchaus noch versauern, erneut im Bereich 7b/+ wird Ausdauer und Übersicht gefordert - mir ging's grad auf.

Die typische Felsstruktur anhand von diesem Shot in L5 (7c) gut erkennbar. Es gibt viele kleine Käntchen in diesem scharfen Fels. Allerdings müssen diese auch ausreichen, denn schön positive Leisten sind meistens Mangelware.

L6, 20m, 7c+: Ein fotogener Abschnitt, welcher mit einer Querung nach links hinaus beginnt, wobei Fels, Kletterei und Schwierigkeit nahtlos wie zuletzt fortsetzen. Die Crux folgt an der Stelle, wo man den Pfeiler linkerhand gewinnen muss. Es gilt, sich geschickt in einem Winkel zu platzieren, dann scharfe Kratzer zu erhaschen und entschlossen zu einem tollen Finish in genialem Fels zu entkommen. Ich vermute, diese Länge könnte an der Crux (da im Winkel) etwas grössenabhängig sein - mir ging das relativ gut, während sich Daniel da schwerer tat und seinen einzigen Fehlversuch hatte, welche mit einem Second Go dann ausgebügelt werden konnte. 

Der Akteur gerade in der Cruxzone von L6 (7c+).

L7, 25m, 7a+: In einer grauen Spritzbeton-Zone geht's in einem langen Quergang nach rechts. V.a. der Fels, aber auch die sonstige Anlage erinnert durchaus an L4 (7a+) im Silbergeier. Obwohl deutlich einfacher wie die umliegenden Teilstücke, so ist dieser Abschnitt dann doch nicht geschenkt und trotz der guten Absicherung muss man sich v.a. auch am hinteren Seilende so richtig engagieren. Endlich wieder einmal eine, die ich flashen konnte - ohne jedwelche Reserve, allerdings.

Die Querung im Spritzbeton-Fels von L7 (7a+) - super Kletterei!

L8, 20m, 8a: Während die Route sonst 1:1 dem Verlauf von Andreas Audétat aus dem Jahr 1991 folgt, hatte dieser sich damals auf dieser Höhe wenige Meter links in einer splittrigen, kaum frei kletterbaren Zone versucht (und das Projekt nicht zuletzt deswegen aufgegeben). Nun geht's ein paar Meter rechts davon am Rand eines dunklen, oft Wasser führenden Streifens hinauf - dies mit dem Nachteil, dass der Fels etwas staubig ist, dafür ist er strukturierter. Trotzdem, es geht gleich volle Kanne los, an kleinen Leisten und Zacken gilt es trittarm und deshalb mit viel Körperspannung zu arbeiten. Hier warf ich (ausnahmsweise) relativ zügig das Handtuch, der Nachstiegs-Flash war bald vergeigt und der Textilgriff zu verlockend. Nach dem Auftakt gehen die Schwierigkeiten etwas zurück, doch es bleibt bis zum Klippen des Stands sehr fordernd und technisch.

Unglaublich kompakter Fels mit dementsprechend anspruchsvoller Kletterei in L8 (8a).

L9, 30m, 7c: Bis zum BH #3 dieser Länge kamen die Ersterschliesser im 1991, da wartet noch die übliche, scharfe Wandkletterei. Ein paar leidliche Leisten später kommt dann die Crux mit einer coolen, bewegungsintensiven Bouldersequenz - auch da ist der Fels kurz etwas staubig und man findet nicht den 1a-Grip wie sonst in der Wand. Als letzter, optisch durchaus abschreckender Programmpunkt der Länge folgt dann eine überhängende Gegendruck-Verschneidung - sie geht besser wie befürchtet und bietet Ausdauergelände im 7a-Bereich.

Wandkletterei in L9 (7c), bevor der letzte Teil durch eine steile Verschneidung führt.

L10, 25m, 6b: Im Prinzip ein kurzes Outro, welches aber wunderschönen Premier-Cru-Fels bietet, wie man ihn von den Kirchlispitzen kennt. Die Idee wäre, den Abschnitt rechts in der Wand zu klettern und nicht an den Turm zu spreizen, was die Sache deutlich vereinfacht. Zuletzt dann einfacher zum Routenende auf einem Pfeilerkopf, von welchem man zu Fuss aufsteigend das Karrenfeld der Sulzfluh erreichen kann.

Um ca. 17.30 Uhr nach rund 7:00h der Kletterei waren wir am Top. Daniel wieder einmal mit einer schier unglaublichen Performance! Für mich sehr eindrücklich, alle diese schwierigen Stellen so sauber und souverän durchziehen zu können - das war wieder einmal Klettersport vom Feinsten, welchem ich da zusehen konnte. Meine Leistung war nicht ganz so überragend: die einfacheren Seillängen hatte ich durchsteigen können, ein paar der harten Pitches (L5, L6, L9) gelangen mir immerhin komplett frei, während gewisse Passagen in L3, L4 und L8 zur Rubrik Aktenzeichen XY ungelöst gehören und ich mich dort mit dem Linken der einfacheren Passagen zufrieden geben musste. Aber natürlich hatte es trotzdem enormen Spass gemacht. 

Riding the pig... steiles Abseilen über die Gamstobelwand.

Wir machten uns schliesslich ans Abseilen. Im Nachhinein hat Daniel die Abseilpiste mit einem routenunabhängigen Stand noch deutlich bequemer gemacht. Somit verweise ich auf das Topo, unsere Variante von diesem Tag zu beschreiben macht hingegen keinen Sinn. Am Einstieg durfte ich dann die 7 Buchstaben von SAGUARO mit roter Farbe auf dem Fels verewigen, bevor wir talwärts liefen bzw. später fuhren. Ein genialer Tag neigte sich dem Ende zu - ich bin gespannt, wann die ersten Wiederholungen dieser Route erfolgen werden.

Büroarbeit am Fels... die Nische am Einstieg ist sehr charakteristisch.

Video

Daniel hat das Videomaterial und einige Fotos zu einem Video geschnitten, das es hier auf Youtube zu bestaunen gibt. Vielen herzlichen Dank für diese Arbeit!


Facts

Rätikon / Gamstobelwand - Saguaro 8a (7a+ obl.) - 10 SL, 255m - A. Audétat 1991 / D. Benz 2025 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 11 Express, Cams/Keile nicht nötig und kaum einsetzbar

Grossartige und eindrückliche Kletterei, welche in ihrem zentralen Teil mit einigen anhaltenden Seillängen von hoher Schwierigkeit aufwartet. Die Kletterei mit vielen kleinen Kratzern, scharfen Tropflöchern und abschüssigen Tritten erfordert oft einiges an technischer Zauberei. Nur starke athletische Fähigkeiten mitzubringen dürfte für einen Erfolg kaum ausreichend sein, da muss man einfach richtig gut klettern können. Die Felsqualität ist meist sehr gut, der stachelige Kaktusfels bietet hervorragende Reibung, erfordert aber entsprechend Haut auf den Fingerkuppen. An einigen wenigen Stellen wirken die zu verwendenden Strukturen etwas fragil, wenngleich bei meinem/unserem Go alles Stand gehalten hat. Die Absicherung der Route war im Originalzustand sehr eng gehalten. Bei der Sanierung 2025 wurde dies so beibehalten, fast alle BH wurden jedoch durch rostfreies Material ersetzt, wobei deren Platzierung teilweise optimiert wurde und die Standplätze an bequemere Ort verlegt wurden. Daniel hat ein sehr präzises Topo zur Route gezeichnet, es ist unten als Bild vorhanden und kann auch als PDF runtergeladen werden.

Das Topo zur Saguaro von Daniel. Bessere Qualität gibt's im PDF-Download.

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Wendenstöcke - Malmstrom (7b)

Vermutlich wäre es effizienter gewesen, nach unserem letzten Besuch in der Troja (7a+) gleich vor Ort zu bleiben und den Wendencount täglich zu erhöhen. Das war aber leider nicht möglich und so trafen wir uns 4 Tage später wieder an Ort und Stelle. So viel kleiner war das Routenwahlproblem im Vergleich zur letzten Gelegenheit nicht geworden. Wir einigten uns auf Malmstrom, welche erst im 2018 erschlossen wurde und damit eine der jüngsten Wendenrouten darstellt. Das Topo verspricht scharfe und steile Kletterei und die Lage unmittelbar neben der genialen Ben Hur (7c+/8a) lässt vermuten, dass dies keine Zeitungsente ist. Nach unserem Besuch pflichten wir dem uneingeschränkt bei: verschärfte, steil-athletische Kletterei bei guter, aber verpflichtender Absicherung lautet das Programm.

Der Sektor mit den Routen von Elefantenohr bis Paco ist eines der Schaustücke an den Wenden.

Somit liefen wir um ca. 7.20 Uhr auf bestens bekannter Fährte los, der Zustieg ist bis auf das letzte Teilstück denn auch genau derselbe wie für die Touren am Excaliburpfeiler. An geeigneter Stelle in Falllinie vom Elefantenohr (mehrere Möglichkeiten, aber besser nicht zu hoch) quert man nach rechts hinaus, bis man unter dem Wandbereich der Route steht. Ein Fixseil hilft über den letzten Steilschrofen-Abschnitt hinauf. Nach rund 70 Minuten waren wir vor Ort. Für die Vorbereitungen auf die Kletterei platziert man sich am besten beim bequemen und flachen Platz am Einstieg von Paco und Aureus, ca. 10-15m weiter links drüben startet Malmstrom (BH mit Austrialpin-Lasche, dazu verblassende Anschrift mit blauer Farbe). Die Steinbock-Gang leistete uns dieses Mal sogar zu fünft Gesellschaft und beobachtete, wie ich um 8.50 Uhr mit dem Vorstieg startete.

Typisches Wenden-Ambiente im Einstiegsbereich mit Blick auf die Berge am Sustenpass.

L1, 45m, 5c+: Die geneigte Plattenseillänge zum Auftakt ist allen Routen in diesem Wandbereich gemeinsam. So geht's auch hier über ein paar Wasserrillen, Platten und ein paar kleine Dächlein in die Höhe. Während man sich in anderen Routen mangels Absicherung zwingend eine möglichst einfache oder absicherbare Linie sucht, so kann man hier dank 4 BH die schönste Kletterei geniessen. Der letzte BH ist von unten kaum sichtbar, er steckt oberhalb von einem kleinen Dächlein ziemlich genau in gerader Linie über dem vorletzten.

Spaziergang für ihn, und tatsächlich etwas einfach um auf Betriebstemperatur zu kommen: L1, 5c+.

L2, 35m, 7a+ (eher 7b): Leider ist der Tufa im markanten blauen Streifen noch nicht auf Kalymnos-Griffigkeit ausgebildet und wird deshalb nicht in die Route einbezogen, welche sich an die kompakte Tropflochwand links davon hält. Die ersten Meter gehen noch kommod über die Bühne und müssen mit 2 Cams gesichert werden. Ab der Welle zieht's dann aber sogleich an und es folgt eine der härtesten Sequenzen der ganzen Route. Erstens ist es im stark strukturierten Fels nicht so leicht zu lesen, wo sich die nutzbaren, positiven Crimps befinden. Und zweitens gilt es auch einige sloprige Seitgriffe zu nutzen, welche auch einfach nicht gutes Griffmaterial sind. Noch dazu ist diese Stelle zwingend vom Haken weg zu meistern, es dauert eine Weile, bis wieder gute Griffe kommen und an diesen gilt es dann noch ein Stück zu klettern, bis wieder geklippt werden kann. Jedenfalls, 7a ist da ganz klar obligatorisch (ungefährlich, gutes Sturzgelände) und Entschlossenheit ist zentral. Nachdem mir Bernat die Sequenz perfekt ansagte (er hatte die Länge wenige Wochen zuvor bereits 1x geklettert), konnte ich sie gleich durchziehen. Damit hat man den Abschnitt aber nicht im Sack, wartet doch noch die finale Dachzone. Weitgehend zwar henklig oder zumindest gut leistig, doch mittig wartet ein harter Lock-Off. Und zuletzt dann noch die 5m-Horizontalquerung zum Stand, welche jedoch fast mehr Eindruck macht, als sie tatsächlich schwierig ist. Insgesamt fanden wir diesen Abschnitt ähnlich, aber eher schwieriger wie die folgende L3 und würden eine 7b vorschlagen.

Ab da heisst es bald, Vollgas auf die Tube zu drücken in L2 (offiziell 7a+, nach unserem Gusto 7b).

L3, 40m, 7b: Der nächste Knaller folgt sogleich und bietet über 40 anhaltende Meter fingerkräftig-technische Kletterei in scharfem Fels. Dieser ist stark zerfressen und teilweise zieht man an doch recht kleinen Strukturen - da war ich nicht immer sicher, ob alles hält, insbesondere diese pilzartig abstehenden Features. Das tat es aber und so konnten wir auch hier einen os/flash-Durchstieg realisieren. Eine ganz klare Crux ist nicht auszumachen, am kniffligsten schien ein Abschnitt im oberen Teil, wo man an einer kleinen Verschneidung bzw. deren Kante klettert und sich gut positionieren muss.

Ausdauernde, fingerkräftige, überhängende Wandkletterei in L3 (7b).

L4, 20m, 7a: Unter einem schützenden Dach ist der Stand, also geht's stark überhängend und sehr fotogen los. Nicht voll direkt drüber, sondern leicht linkshaltend findet man gute Henkel. Nach dem zweiten BH heisst es aber unweigerlich, einen weiten Griffabstand mit einem ziemlichen Power-Move niederzuknütteln, eine 7a in ziemlich konzentrierter Form. Ein paar gute Griffe später legt sich das Gelände deutlich zurück, und an einer Verschneidung mit Riss kletternd erreicht man auch schon bald den nächsten Stand.

Shot of the day! Die Stelle am Anfang von L4 (7a) ist wirklich mega fotogen.

L5, 35m, 6b+: Sonst mag ich die Route ja wirklich loben. Aber sorry, diese Seillänge ist wirklich ein fertiger Mist. Das hat zum einen damit zu tun, dass der Fels hier weniger schön ist, noch viel mehr aber haben die Erschliesser aber die eh schon nicht sehr zahlreichen Bolts quasi versteckt und das bis dato einzige verfügbare Topo im Extrem West Band II gibt den Verlauf total inkorrekt wieder. Somit bin ich auf der Suche nach dem Weiterweg mal hierhin und mal dahin geklettert. Lustigerweise auf genau derselben Höhe und kein Dutzend Meter weiter links wie bei meiner damaligen Odyssee in der Paco. Deren Bolts sind in der Ferne (besser) erspähbar und nur meine Kenntnis dieser Route hat mich davon abgehalten, hier endgültig und definitiv ins Offside zu geraten. Irgendwann nach viel vor und zurück sowie links und rechts habe ich dann den um die Ecke versteckten Bolt gefunden und kurz danach auch den Stand. Schwierig an diesem Abschnitt war definitiv nicht die Kletterei.

L6, 40m, 6c+: Hier geht's nochmals richtig zur Sache und das sehr cool in grauem Spritzbeton-Fels. Die erste Hälfte ist dabei noch nicht so steil, dafür auch nicht immer sehr griffig. Mit etwas Aufmerksamkeit wird man seinen Weg aber finden und an die Steilzone herankommen. Wie gewünscht werden die Griffe dort nach einer kräftigen Stelle zum Auftakt besser, dafür gibt's einen langen Runout. Man kann jedoch mit einem Cam entschärfen und so klippt man unweigerlich irgendwann den letzten BH. Dass der so unmittig im sich zurücklegenden Gelände zwischen dem vorletzten und dem Standplatz steckt, kann nur einen Grund haben. Ja, die schwierige, plattig-sloprige Stelle kommt wirklich. In Retrospekt ist es noch schwierig zu sagen, ob es tatsächlich so tough ist oder ob ich mich einfach dumm angestellt habe - jedenfalls war ich da kurz nochmals heftig in Bedrängnis, konnte mich aber gerade noch aus der Affäre ziehen.

Für einmal stimmen die Eindrücke von Text und Bild sehr gut überein. Plattiges Finish von L6 (6c+).

L7, 30m, 6c: Dieser Abschnitt gehört eigentlich zur Ben Hur, somit war ich da 13 Jahre zuvor schon einmal hochgeklettert. In Erinnerung hatte ich noch, dass diese Länge einem durchaus noch auf die Pelle rücken kann, viel mehr hingegen nicht. Nach ein paar Metern erreicht man den Stand der Ben Hur, den man am besten verlängert klippt. Denn der Weg zum ersten Haken ist nicht so kurz und besticht vor allem nicht durch überzeugende Felsqualität (kurz etwas splittrig). Dann geht's kurz nochmals kräftig-athletisch zur Sache, so schlimm wie befürchtet war es dann aber doch nicht. Bald legt sich das Gelände zurück und mit einem weiten Abstand in einfachem Terrain erreicht man das Top.

Yehaa, geschafft! Wobei, die letzte Länge (eigentlich zu Ben Hur gehörig) gibt's nicht gratis.

Um 14.20 Uhr und damit nach rund 5:30h Kletterei hatten wir es geschafft und nach der Troja erneut den perfekten Double Send realisiert. Sportlich bzw. schwierigkeitsmässig ist die in Malmstrom sicher einiges taffer zu realisieren, L2 ist auch für 7b fordernd (und nicht einfach zum Onsighten), dann gibt's gleich nochmals eine 7b und die restlichen Längen sind vom Niveau her auch im Bereich der Troja. Das war nun wirklich der absolute Hammer, und das Szenario hier mit einer erwürgten Begehung den tollen Flow und das Erlebnis der Troja zu beeinträchtigen, war zum Glück nicht eingetroffen. Insofern hatte sich das "Risiko" gelohnt, gleich nochmals an den Wenden anzugreifen. Und hey, damit war nicht nur die Wendenroute #44 Realität geworden, sondern ich konnte auch alle 7 publizierten Routen in diesem irre steilen Sektor von Elefantenohr bis Paco klettern, wie genial ist denn das?!?

Immer auf Position, die Wendengeiss! Wenn sie gekonnt hätten, dann wären sie uns vermutlich über die ganze Route gefolgt. In der Malmstrom reicht das Steinbock-Terrain aber nur bis ein paar Meter über den ersten Standplatz hinauf. Die 5c+ Plattenlänge haben sie aber spielend bewältigt.

Das Abseilen über Malmstrom vollzieht sich im überhängenden Steilgelände. Damals bei der Ben Hur hatten wir nicht die besten Erfahrungen gemacht damit. Wenn man sich genau an die Instruktionen im Topo hält, so geht's aber vermutlich schon. Weniger ausgesetzt ist ein Abseilen über Aureus. Da wir vom Top von Malmstrom/Ben Hur den mir bekannten, finalen Stand der Paco erkannten, wechselten wir mit einer 15m-Länge im exponierten Gehgelände dahin. Von da sind es 1x50m zum Top von Aureus, über welche wir dank 2x60m-Seilen in 4 Manövern retour am Einstieg waren (mit 2x50m sind es 5-6 Manöver). Blieb noch der Fussabstieg, den wir routiniert zurücklegten. Ein paar Minuten vor 17.00 Uhr waren wir retour am Parkplatz. Der angekündigte Wetterumschwung zeigt am Himmel zwar erst relativ zarte Anzeichen, manifestierte sich jedoch v.a. dadurch, dass sämtliche anderen Kletterer den Ort bereits verlassen hatten und das dettlingsche E-Mobil der letzte parkierte Wagen war.

Facts

Gross Wendenstock - Malmstrom 7b (7a obl.) - 7 SL, 250m - Rathmayr/von Känel 2018 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 

Eine absolut verschärfte Wendenroute, welche bei insgesamt erstaunlich moderaten Schwierigkeiten durch die steile Wand führt. Das liegt am scharfen, strukturierten Fels, der mit Tropflochleisten und kleinen Schüpplein gespickt ist. Ein paar wenige, grossgriffige Steilpassagen trifft man ebenfalls an, während knifflige Platten nur ganz kurz am Ende von L6 ihre Aufwartung machen. Abgesehen von ein paar kurzen Stellen ist der Fels meist sehr gut, auch wenn im extrascharfen Gelände hier und da noch Spitzli brechen, Allergiker den Fingerschmerz beklagen könnten oder vereinzelt oranger Flechtenbewuchs präsent ist. Die Route ist gut bis sehr gut mit rostfreiem Material abgesichert, es gibt keine wilden Runouts oder gefährliche Passagen. Die im Text beschriebene, zwingende Passage in L2 verdient jedoch die 7a obl. absolut. Cams haben wir nur sehr punktuell eingesetzt (siehe Topo), an diesen Stellen sind sie jedoch wirklich nötig. Hinweis: in Mitte von L5 bringt man an diesem cleanen, breiten Riss sicher nichts Kleineres als Grösse 3 unter, die aber auch nur knapp passt. Besser wäre ein Camalot 4 - egal ob 3 oder 4, sonstwo auf der Route findet dieses Teil keine Anwendung, man nimmt ihn nur für dieses eine Mal mit. Da es bisher kein präzises schematisches Topo gab und dasjenige im Extrem West Band II beim Finden des Weges in L5 sogar eher hinderlich ist, findet ihr unten mein Werk (PDF-Download).

Das Topo zur Route Malmstrom an den Wendenstöcken (PDF-Download).

Montag, 22. September 2025

Horefelliflue - Joyride (6c, 11 SL, Erstbegehung)

Die Horefelliflue ist eine 350m hohe, eindrückliche Wand im Voralptal. Sie ist abgeschieden in einem einsamen Bergtal gelegen und doch zügig erreichbar. Durch ihre sonnige Lage besticht sie mit einer langen Saison von Spätfrühling bis Spätherbst. Faktoriert man noch den qualitativ hochwertigen, stark strukturierten Granit mit ein, so wird klar, dass man es hier mit einem richtigen Kletterparadies zu tun hat. Zwar schon die Freikletter-Pioniere in den 1980er-Jahren hier ihre Linien gelegt, danach fiel das Gebiet aber in einen Dornröschenschlaf. Heute ist dieser vorbei: mit Mastermind, Mondpalast und Absiits sind drei ältere Routen frisch saniert und mit Knecht Klemenz und der brandneuen und in diesem Beitrag exklusiv beschriebenen Joyride stehen zwei tolle Neutouren bereit. Das alles im gehobenen Plaisirbereich, da kann man nur noch viel Spass wünschen!

Die famose, 350m hohe Horefelliflue im Voralptal mit dem Verlauf unserer Route Joyride.

Erschliessung

Tag 1

Die Geschichte dieser Route beginnt mit der Begehung der Route Mastermind gleich links nebenan, welche auf den 23. Oktober 2021 datiert. Mit Kathrin und Larina verbrachte ich da einen magischen Tag im Voralptal bei sehr genussreicher Kletterei in tollem Fels. Schon beim Klettern spähten meine Augen nach möglichen Linien in dieser Wand, beim Abseilen konnte ich mich dann noch besser davon überzeugen, dass es diese Möglichkeit gäbe. Der Funke war sogleich gesetzt und die Ungeduld zur Realisierung wie immer riesig. Gut, dass auch der gleich folgende Sonntag (24. Oktober 2021) nochmals bestes Herbstwetter bot. Da konnte ich ja gleich nochmals an die Horefelliflue aufbrechen, um die Sache in Angriff zu nehmen. Mein Vater Sepp war dabei, um mich mit dem 80m-Seil vom Einstieg zu sichern, so sollten sich bestimmt zwei Seillängen ausgehen.

Fantastisches Ambiente beim Zustieg an unserem ersten Bohrtag mit dem Sustenhorn in Bildmitte.

So weit so gut, einmal vor Ort angekommen manifestierte sich dann trotz x-maligem Umwühlen des Rucksacks und seinem verstreuten Inhalt, dass ein mehr oder weniger unverzichtbares Utensil fehlte: der Hammer. Der Sohnemann hatte ihn für Handwerksarbeiten irgendwelche Lausbubensachen gebraucht, aus dem Bohrzeug entwendet und natürlich nicht zurückgelegt. Wie üblich hatte ich beim Packen auf dessen Vollständigkeit gezählt und nicht kontrolliert, ob wirklich alles da sei. Unverrichteter Dinge gleich wieder abzuzotteln war auch nicht die zu wählende Option, also war MacGyver-Improvisation gefragt. Mein Schlagwerkzeug bestand also aus einer Irniger-Standplatte, für mehr Zug am Gerät wurde mit Reepschnur ein Granitstein befestigt. 

Vielleicht wäre MacGyver auch auf eine bessere Lösung gekommen...

Ich kann euch sagen, es funktioniert so mässig. Erstens, die Vibrationen an der Hand sind ziemlich brutal - genau darum hat ein Hammer einen Holz- oder einen gedämpften Kunststoffstiel. Zweitens, der Zug von dieser Einrichtung ist miserabel. Das Einschlagen der Haken war eine richtige Pein. Mit dem noch frischen Bohrer ging's erst noch leidlich, doch mit dem Abstumpfen der Krone nach den ersten Löchern wird der Durchmesser etwas kleiner. Somit wurde es also immer schlimmer. Noch dazu lotterte immer wieder der angebrachte Stein, oder dann zerbrach er. Wie heisst es doch so schön (oder ähnlich): "Marmor, Stein und Hammer bricht, nicht aber unsere Zuversicht...". Mit diesem Motto kam ich noch etwas voran, nach 1.5 Seillängen war dann aber Schluss... die Motivation erschöpft, beziehungsweise die Zeit rum (eben schnell kam ich mit dem Impro-Hammer leider nicht voran). Trotzdem happy darüber das Projekt gestartet zu haben, machten wir uns auf den Heimweg. Danke Neni für deine Begleitung!

Das Projekt erfolgreich gestartet - ein zufriedener Tag!

Tag 2

Um diese Scharte auszuwetzen, zog es mich schon bald wieder nach Horefelli. Am Freitag 29. Oktober 2021 war es nochmals sonnig und ich machte mich alleine auf dem Weg - dieses Mal nach peinlicher Überprüfung von sämtlichem benötigtem Material, sprich also inklusive Hammer. Relativ zügig war ich im Rope Solo beim Umkehrpunkt angelangt und vollendete gleich die zweite Seillänge. Nun hiess es, auf den Boden zurückzukehren um das Seil zu lösen, dann ging's wieder hinauf. Im Anschluss bohrte ich die dritte Seillänge ein. Einige abstehende Schuppen und etwas durchzogenes Terrain konnte ich elegant rechts liegen lassen und eine prima Lösung mit guter Kletterei an einem kleinen Pfeiler finden. Weiter ging's auch gleich in die vierte Sequenz, wo der Beginn über eine Platte und neben einer kleinen Verschneidung auch ohne grosse Umschweife eingerichtet werden konnte. Selbst an der folgenden Steilstelle liess sich ideal ein BH platzieren und die nötigen Strukturen fürs Bezwingen dieser 6b-Passage waren da.

Der Start in L4 (6c), deren ersten Hälfte am Bohrtag 2 eingerichtet wurde.

Dies gab den Blick frei auf eine kompakte Platte. Ein paar Meter konnte man noch über gute Tritte leicht hochsteigen, aber dann wurde es superkompakt. Zweifel kamen auf: da gerade hinauf? Es schien auf den ersten Blick sehr herausfordernd, die bis dato angetroffenen Schwierigkeiten möglicherweise deutlich sprengend. Doch die Alternativen waren rar: links war komplette Fehlanzeige, da wäre es noch schwieriger gewesen. Etwas rechts zwar eine Rissspur, dafür eher steileres und kaum strukturiertes Terrain. Oder musste ich die Passage sogar ganz rechts durch eine grottenähnliche Struktur der angrenzenden Riesenverschneidung umgehen?!? Diese Linienführung wäre sehr indirekt gewesen, vom Gelände her unschön und da "im Bauch des Berges" wohl auch öfters nass. An diesem Tag kam ich zu keiner Entscheidung mehr. Sowieso, die Zeit war um und ich seilte ab.

Der Winter schickt einen Gruss, das war's für 2021. Die Saison an der Horefelli ist aber lang!

Tag 3

Bis zur Fortsetzung sollte es einige Zeit dauern. Es war nicht die Ungewissheit über das Projekt. Aber im 2022 stand für mich im Göschener Tal der Abschluss des Gandschijen-Projekts (Up in the Sky, 7a+) im Fokus. Und im 2023 war ich mit den Recherchen für den Rätikonführer ausgelastet, zudem wollte ich die dortigen Projekte möglichst vor dem vermeintlichen Redaktionsschluss zum Ende bringen. So also 2024, und auch da wurde es wieder Herbst, bis ich am 29. September 2024 meine nächste Aufwartung an der Horefelli machte. Bis zum Erreichen des Vortriebspunkts dauerte es nun schon eine ganze Weile. Im Rope Solo will ja doch 2x geklettert, 1x abgeseilt und 1x gehault werden, das alles nacheinander und von derselben Person. Tja, der Solo-Erschliessungsmodus ist schon deutlich kommoder, wenn man von oben zur Baustelle gelangen kann - an der Horefelliflue war das aber keine Option, da das Top nur sehr aufwändig zu erreichen ist und die beiden existierenden Routen im Sektor nicht bis zum Ende der Wand führten.

So umfangreich ist die Foto-Ausbeute jeweils nicht, wenn man alleine Einbohren geht. Somit widmen wir diese visuelle Impression dem treuen, aber meistens doch eher etwas lästigen Begleiter namens Haulbag. Tja, es hat mich jeweils einige Nerven und Körner gekostet, bis der Sack beim Vortriebspunkt angekommen war - nicht nur an den Tagen, wo ich alleine unterwegs war.

Jedenfalls, ich wollte mir an diesem Solo-Bohrtag die Lage am Umkehrpunkt von 2021 nochmals zu Gemüte führen und dann nicht ewig Werweissen, sondern eine Entscheidung fällen und Anpacken. Meine Fazit vor Ort: "gredig obsi" war die sinnvollste Option. Alles andere wären mühsame und weniger attraktive Umwege gewesen - und dazu vielleicht noch nicht einmal einfacher. Eine gewisse Challenge war das Bohren der drei folgenden BH in dieser reibungslastigen 6c-Passage zwar durchaus - aber es gelang mir ohne Sturz und Würgerei. Erleichtert, dass sich dieses Fragezeichen in lohnende, gut freikletterbare und schwierigkeitsmässig in den Rahmen der Route passende Moves verwandelt hatte, konnte ich bald darauf Stand einrichten. Somit konnte ich zur Realisierung der fünften Seillänge schreiten, wo schöne Strukturen angenehmes Fortkommen und relativ kommode Bohrarbeit versprachen. Allzu weit kam ich trotzdem nicht mehr: ein stumpfer Bohrer (der harte Granit hier ist absolut unbarmherzig in dieser Hinsicht) und die Mitnahme eines nicht voll geladenen Akkus beendeten den Fortschritt, bevor das Tageslicht und meine Kräfte komplett zu Ende waren.

An genau dieser Stelle in L5 (6a) gab es an Tag 3 im 2024 nur noch ein halbfertiges Bohrloch, dementsprechend musste ich im Rope Solo zum darunter liegenden BH abklettern. Rund ein Jahr später und just im Moment, wo dieses Foto belichtet wurde, konnte es dann komplettiert werden. Wobei mich an jenem Tag auch wieder eine Akkupleite an einem relativ ungünstigen Ort ereilte...

Tag 4

So ganz alleine und gewürzt mit immer wieder ein paar Missgeschicken wäre es möglicherweise noch sehr lange gegangen, bis dieses Projekt sein Ende gefunden hätte. Glücklicherweise konnte ich Guido für die Mitarbeit begeistern. Zwar dauerte es auch wieder eine ganze Weile, bis wir am 31. August 2025 die benötigte Schnittmenge von Verfügbarkeit, Wetter und Bedingungen vorfanden. An sich verlief die Kletterei bis zum Ende der vierten Seillänge zügig und auch rotpunkt. Weniger Freude machte hingegen das Hieven des extraschweren Haulbags namens "gestrandeter Walfisch" über den geneigten, rauen und strukturierten Fels. Aber ja, irgendwann konnte es am halbfertigen zweiten Bohrloch in L5 weitergehen und grundsätzlich lief es trotz immer wieder anspruchsvollem Gelände flott vorwärts. Sämtliche Fragezeichen lösten sich mit gangbarer und sehr lohnender Kletterei auf, der einzige Bremser bzw. Zeitfresser war eine Akkupleite in etwa an der dümmsten Stelle in L6. So konstatierten wir nach dem Fertigstellen von L7, dass es nun wohl besser wäre, in die Mastermind zu queren und über diese noch zu deren Schluss bzw. dem Wandbuch zu klettern. Zu klären galt es nämlich die Frage, ob unsere Linie noch weiter bis zum Top der Wand führen sollte, oder ob am Ende von Knecht Klemenz und Mastermind ebenfalls Schluss wäre. Nun schon zum dritten Mal sperberte ich in die Wandpartien oberhalb hinauf, erneut ohne zu einem ganz eindeutigen Schluss zu kommen.

Typische Pose mit kritischem Erschliesserblick auf das, was da wohl kommen möge...

Tag 5

Zwei Tage später beim nächsten Packvorgang des Haulbags musste jedoch ein Entscheid fallen: 10 oder 40 Bohrhaken? 1 oder 3 Akkus? Das Teufelchen vom bequemen Homo Oeconomicus hatte eine klare Meinung dazu. Die Ware an den Einstieg zu schleppen war ja das eine (wo mir auch Guido wie immer sehr behilflich war). Doch den nervigen gestrandeten Walfisch nun schon ganze 7 Seillängen in die Höhe zu hieven war mir ehrlich gesagt eine grauenvolle Aussicht. Ob das dann auch wirklich entschädigt würde?!? Doch die Flinte gleich schon vorweg ins Korn zu werfen war auch keine Option und so biss ich in den sauren Apfel und erledigte diesen "Part of the Game". Zur "Abwechslung" durfte ich zwischen diesen Kraftakten elegant und leichtfüssig die schon weit fortgeschrittene Route klettern, bis ich mich an Stand 7 dann schwer behängte und das Schlussstück zum Wandbuch in Angriff nahm. Dies mit dem erschwerenden Wunsch im Gepäck, gleich einen sturz- und hängerfreien Durchstieg der Wand zu realisieren, es musste also im Onsight-Modus gebohrt werden. Was in diesem Gelände kräftemässig noch geht, aber vor allem für die Füsse eine heftige Belastung ist: es war schon eine gewisse mentale Energie nötig, nicht nach jedem gesetzten Bolt etwas zu rasten und kurz aus den Finken zu schlüpfen. 

Bei diesem Foto kann man die heftige Belastung der Füsse vielleicht fühlen?!?

Überrascht stellten wir fest, dass bei der Sanierung von Mastermind offenbar der von uns genutzte Weg im ersten Teil von L8 gewählt und später wieder abgebaut worden war. Das lag ganz sicher daran, dass das Sanierungsteam in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts rechts durch einen Kamin mit losen Blöcken geklettert war. Da fand ich eine viel bessere Linie links davon, zum Glück auch mit perfekt zur Route passenden Schwierigkeiten. Guido schloss dann zügig auf und bald richteten sich unsere Blicke beim Wandbuch erneut nach oben. Sollen wir, oder sollen wir nicht?!? Nachschauen war die einzige Option um das zu klären. Es ging nicht allzu lange und das Setzen einer ersten Zwischensicherung in Form von einem BH war unumgänglich - und damit war der Stein definitiv ins Rollen geraten. Wie es sich zeigen sollte, war das keine schlechte Sache. Nach einem kurzen gratartigen Abschnitt war in L9 zwar ein Grasband zu überqueren, dann ging es jedoch mit lohnender Kletterei in gutem Fels weiter. Drei zusätzliche Seillängen mit absolut lohnender Kletterei wurden es schliesslich, bis wir im goldenen Abendlicht den letzten Standplatz am Top der Wand versenkten. Die Route war damit FERTIG erschlossen, gleichzeitig komplett ROTPUNKT geklettert und ein riesiger GENUSS war's für uns:  zufrieden konnten wir uns am Top den High-Five geben und den Heimweg antreten. Vielen herzlichen Dank Guido für deine wertvolle Mitarbeit bei diesem Projekt!

Finito Lavori! Nur die letzten Meter zum Top der Route fehlen Guido hier noch.

Zustieg

Los geht's bei der Voralpkurve (P.1402) an der Strasse ins Göschener Tal, wo man den markierten Wanderweg zur Voralphütte einschlägt. Gleich zu Beginn überquert man die Voralpreuss, dann geht's durch einige Kehren den Wald hinauf, bevor sich das Tal öffnet und man flacher taleinwärts geht. Nach einer Weile rückt die Horefelliflue in den Fokus. Es lohnt sich aber, geduldig zu bleiben. Nachdem man die geröllige Zone im Auslauf der Spicherribichelen überquert hat, wandert man weiter bis zu den Gebäuden der Alp Horefelli. Erst dort verlässt man den Wanderweg und strebt man dem Wandfuss entgegen, wobei sich auf der logischen Linie eine gute Pfadspur präsentiert. Beim Erreichen des tiefsten Punktes der Wand geht's noch etwas nach rechts hinauf, bevor man den Bereich erreicht, wo v.l.n.r. Knecht Klemenz, Mastermind und Joyride starten. Die Einstiege sind jeweils ca. 10m auseinander, jener von Joyride wenige Meter vor der markanten Verschneidung, mit eingemeisselten Initialen "JR" und Farbanschrift markiert. Die Koordinaten des auf 1900m gelegenen Einstiegs lauten CH LV95: 2'682'040, 1'170'165 bzw. WGS84: 46.677655, 8.510892. Der Zustieg umfasst gerade 500hm, bei zügigem Gehen sind diese in 1:00-1:15h gut machbar.

Unzweifelhaft, hier geht' los. Wie lange die Farbe wohl hält?!?

Routenbeschreibung

Horefelliflue - Joyride 6c (6b obl.) - 11 SL, 380m - M. Dettling & G. Arnold 2025
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

L1, 35m, 6a, 7 BH: Auf los geht's grad los, schon die ersten Meter erfordern gleich etwas beherztes Antreten, bevor man dann auf strukturiertem Fels zügiger voranschreiten kann. Wobei trotzdem "Augen auf" für den einfachsten Weg gilt, denn dieser verläuft nämlich nicht immer in direkter Hakenlinie. Im oberen Teil heisst es dann nochmals, Souplesse zu zeigen und die Füsse zügig über einen Wulst zu bringen, bevor der erste Standplatz über prima strukturierten Fels erreicht wird.

Toll strukturierter und sauberer Granit wartet in L1 (6a).

L2, 30m, 5c+, 8 BH: Nach unserem Gusto ist die die einfachste Sequenz im unteren Routenteil bis zum Wandbuch (nach L8). Los geht's mit genüsslicher Plattenkletterei, dann kurz einer Verschneidung entlang, wo die linke Seitenwand aber griffig strukturiert ist. Eine Hangelquerung bildet den originellen Abschluss, lässt einem jedoch sicherlich auch keine grauen Haare wachsen.

Die "Hangelquerung" in L2 (5c+) scheint doch mehr fuss- als fingerlastig zu sein 😁

L3, 35m, 6a+, 8 BH: Eher plattig, aber schön strukturiert pirscht man sich an einen ersten Wulst heran, welcher recht knifflig zu überwinden ist. Genussreiche, strukturierte Platten bringen einen dann zu einem kleinen Pfeiler, den man erst an Seitgriffen anpackt und dann mittels einiger perfekt platzierter Thank-God-Crimps entert. Zuletzt nach rechts zu einigen grossen Schuppen - sie sind gut verankert, trotzdem den Verstand walten lassen.

Am Start von L3 (6a+) am Bohrtag 4, welcher am ersten sonnigen Tag nach starken Regenfällen stattfand, zudem starteten wir tageszeitlich früh. Wie man sieht, war die Wand an jenem Tag tatsächlich stellenweise feucht, davor hatte ich dies noch nie so erlebt. Joyride liess sich nach dem Motto "hart am Wasser, aber daneben geht's vorbei" aber auch so gut klettern. Mit der Sonneneinstrahlung war die Feuchtigkeit zudem sowieso bald Geschichte.

L4, 35m, 6c, 9 BH: Ein Diagonalrail bringt einen zu einer kleinen Verschneidung, welche erst plattig und dann mit Hilfe eines Risses gemeistert wird. Bei der folgenden Steilstufe steht die Natur dem Freiklettergedanken unterstützend zur Hilfe: genau dort wo es sie braucht, sind Knubbel und Leisten - gut antreten und weit durchmoven muss man trotzdem. Das bringt einen zur plattigen Cruxzone. Erst geht's noch easy "Stägeli uuf", doch dann wird es fein. Erst entlang von einer Rissspur gewählt bewegen, dann entschieden plattig nach rechts zaubern zu einer Rissspur mit Leisten und an dieser hinauf. Das letzte Dächli erfordert nochmals einen beherzten Aufsteher, bevor es geschafft ist.

Hier sieht man die letzten Meter der Cruxlänge (L4, 6c), auf einem Foto weiter oben gibt's auch noch Impressionen von deren Start. Um jedoch zu sehen, wie es an der dazwischen liegenden Schlüsselstelle zur Sache geht, muss man sich vor Ort begeben. 

L5, 30m, 6a, 6 BH: Der logische (und schönste) Pfad führte den Erschliesser hier diagonal in prima strukturiertem Fels über 2 BH nach links hinaus. Es folgt dann die steilplattige Crux gerade hinauf, bevor man zurück nach rechts traversieren muss. So erreicht man schliesslich etwas vegetativ durchzogenes, einfaches Terrain. Es wird rechts über einen kleinen Grat zu bequemem Stand mit idealer Sitzgelegenheit erklommen.

Erst führt L5 (6a) über einen tollen Plattenschuss, am Ende navigiert man um den Jardin herum.

L6, 50m, 6a+, 10 BH: Eine lange Reise! In einem Winkel geht's vorerst in die Höhe, wobei das eine oder andere Mal die Lösung zu erkennen ist. Findet man diese, ist kein wirklich schwieriger Schritt dabei, knifflig ist's aber mehrmals. Schliesslich überwindet man ein kleines Überhängli und klettert dann viele Meter homogen schwierig über eine strukturierte, rampenartige Wand gegen das grosse, sperrende Dach hinauf.

Guido hoch über der Alp Horefelli im schön strukturierten Fels von L6 (6a+).

L7, 30m, 6b, 6 BH: Würde es aus dieser Sackgasse einen Ausweg geben? Da 10m oberhalb die Mastermind auf der einfachsten Linie quert, blieb nur die steile, rechte Seitenwand. Rissige Strukturen bieten sich da als Griffe und als Trittrampe an, so geht's recht gut - auch wenn man zu Beginn noch zwei klein-positive Crimps herzhaft zuschrauben muss. Einmal auf der oberen, liegenden Wand angelangt geht's einfacher daher, auch die Stufe am Schluss ist dank viel Struktur gut zu haben.

Die fotogene Stelle über die "Seitenwand" am Anfang von L7 (6b).

L8, 30m, 6b+, 7 BH: Der logische Weg führt einen der markanten Verwerfung entlang, bzw. man steigt im plattigen Gelände links daneben. So kommt man an den abschliessenden Steilriegel heran. Da herrscht kurz nicht die üppig-griffig-strukturierte, für die Horefelli typische Felsstruktur vor. Doch zuerst erlauben griffige Schuppen das Fortkommen, zuletzt wird's aber an einer Rissspur doch noch tricky, bevor Henkel in die Hand fallen und zum Stand mit dem Routenbuch (gemeinsam mit Mastermind und Knecht Klemenz) führen.

Nochmals eines von der (absolut freudvollen Erschliessungs-)Arbeit...

L9, 45m, 4a, 4 BH: Den Entdecker zieht's hier weiter - vorerst unschwierig einem kurzen Grat entlang, wobei man bei zweiten Haken am besten entschieden nach rechts in den grossen Jardin hält (dort einfach begehbar, weiter dem Grat entlang weniger gäbig). Nach ca. 10m folgen wieder schöne, geneigte und gut strukturierte Platten, über welche man zügig zum nächsten Stand gelangt.

Die bisher existierenden Routen enden bei der Position des Fotografen. Weiter geht's hier mit L9 (4a).

L10, 35m, 5c, 5 BH: Bei moderaten Schwierigkeiten geht's los, die Route führt über die plattige Verschneidungsrampe diagonal nach links hinauf. Das Gelände steilt sich schliesslich etwas auf, so dass am Auslauf der Verschneidung noch ein paar forderndere, plattige Moves zum vorletzten Stand (auf einem bequemen Band gelegen) nötig sind.

Eine lässige und gemütliche Kletterei bei sehr schönem Panorama in L10 (5c).

L11, 25m, 6a+, 5 BH: Es wartet noch ein toller Abschluss durch die hier wieder steilere Wand mit ihren griffigen Schuppen und Rissen. Da gilt es noch ein paar Mal zu überlegen, welches wohl der beste Weg ist. Luftig geht's zuletzt an die exponierte Kante, welche elegant gemeistert wird - die tolle Position wiegt hoffentlich den hier (wie so oft am Top einer Wand) zunehmenden Flechtenbewuchs auf, der die letzten Meter charakterisiert.

Bald geschafft! Marcel bohrt die letzte Zwischensicherung der Route in L11 (6a+).

Abseilen

Vom Routenende wird über die Route abgeseilt, alle Standplätze sind entsprechend eingerichtet. Dazu sind mind. 2x50m-Seile nötig, mit welchen alle Standplätze genutzt werden müssen (11 Manöver, wer sich traut kann den Stand nach L7 auslassen, 50m!). Bringt man 2x60m-Seile mit, so kann man von S11 -> S9, S8 -> S6, S5 -> S3 und S2 -> Boden noch 3-4 Manöver einsparen, auf diesen Strecken besteht auch keine grosse Gefahr eines Seilverhängers. Ein Fussabstieg ist nicht möglich, bzw. wäre sehr aufwändig, da zuerst steiles Schrofengelände erklommen werden muss und nachher ein grosser Umweg in Kauf zu nehmen ist.

Vor dem Abseilen heisst es zum Top klettern! Guido ist kurz davor, dieses zu erreichen (L11, 6a+).

Planungsgrundlagen, Absicherung & Topo

Die Route ist mit total 75 rostfreien Zwischen-BH und 22 Stand-BH vollständig und nach dem Standard Plaisir gut+ (Stufe 4/5) abgesichert. Die Haken wurden fair platziert, d.h. sie sind gut sichtbar, vor schwierigen Stellen kann immer geklippt werden und es sind dort keine gefährlichen oder weiten Stürze zu befürchten. Ein gewisser Anspruch ist im Vorstieg dennoch vorhanden, es heisst es auch zwischen den Haken zu klettern und im plattigen Granit auf die Füsse zu stehen, es kann nicht alles mit A0 ermogelt werden. Ebenso muss man im einfacheren, gut kontrollierbaren, griffig-trittigen Gelände (4a-5a) wiederholt auch Hakenabstände von 5-7m bewältigen. Mobile Sicherungsmittel sind nicht zwingend notwendig und können aufgrund der kompakten Felsstruktur nur vereinzelt angebracht werden, am ehesten noch in den letzten 2 Seillängen. Wenn man trotzdem Klemmgeräte mitführen möchten, dann machen wohl 0.3-1 oder 2 am meisten Sinn.

Dieses Foto ist von einer der beiden letzten Seillängen. Ganz konkret vom Ende von L10 (5c).

Die Saison an der Horefelliflue dauert lange. Die Wand ist nach Süden ausgerichtet und in sonniger Lage. Nach Regenfällen trocknet die Horefelliflue recht zügig wieder ab - deutlich schneller jedenfalls als z.B. die Sandbalm-Platten beim Ausgangspunkt an der Voralpkurve. Jahreszeitlich geht's ab Anfang Juni sicherlich (fast) immer, oft kann sicher auch schon im Mai geklettert werden. Im Herbst geht die Horefelliflue, bis das Gelände unterhalb von 2000m eingeschneit wird. Selbst spät im Jahr geniesst man noch ein erstaunlich langes Sonnenfenster, so dass die Route von schnellen Seilschaften bis Ende November angegangen werden kann. Hier eine grobe Planungshilfe (ohne letzte Gewähr) mit den Zeiten, wo die Sonne den Wandfuss erreicht, bzw. den oberen Routenteil verlässt:

23.09. 09.45 - 17.30 (Sommerzeit)
23.10. 10.15 - 16.30 (Sommerzeit)
23.11. 09.15 - 14.15 (Winterzeit)
23.12. 09.45 - 14.00 (Winterzeit)

So, jetzt braucht es nur noch das Topo (PDF-Download), dann kann es losgehen 😀

Das Topo zu unserer Route Joyride an der Horefelliflue