Die Route Badwannä-Tango verläuft in der arsch- oder (weniger vulgär) eben spiegelglatten Spiegelwand und wurde im 1989 von Bruno Müller und Hans Zgraggen in äusserst kühner Manier mit minimaler Absicherung eröffnet. Jahrzehnte später war kaum mehr jemand gewillt, solche Risiken für eine Wiederholung einer No-Name-Reibungsroute einzugehen und sie fiel in völlige Vergessenheit. Neu zum Leben erweckt wurde sie durch die Sanierung der Gebrüder Müller im 2023. Dabei wurden im Vergleich zum Originalzustand viele zusätzliche BH platziert. Damit kann man heute von einer (fordernden!) Plaisirtour sprechen - für meinen Geschmack ist der Tanz auf dem glatten Parkett aber immer noch eine sehr aufregende Sache, welcher laufend für Adrenalinausstösse sorgt.
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Blick auf die Spiegelwand, drei Minuten vor Erreichen des Einstiegs. Für den Routenverlauf konsultiere man das Topo von Erschliesser Bruno Müller. Aus dieser Perspektive ist zwar der Grossteil der Route einsehbar. Die Linie wäre aber arg verzerrt und nicht repräsentativ, deshalb verzichte ich an dieser Stelle lieber darauf. |
Weil bei der Kraftwerkzentrale der KWO ein neuer Stollen gebaut wird, ist der übliche Zustieg von ebenda im Sommer 2025 gesperrt. Der kürzere, bessere und einfacher zu findende Alternativweg ist jener vom Bügeleisen-Parkplatz (P.1289). Man geht kurz der Strasse entlang wieder talwärts, nimmt dann eine Fuhre rechterhand auf und nutzt die Brücke, um den Fluss zu queren. Klar sichtbare Wegspuren führen erst durch Blöcke hindurch, dann die Höhe haltend ca. 100m nordwärts, bevor man über Wiesland aufwärts geht und schliesslich ein trockenes Bachbett erreicht, welche zu den Felsen (Einstieg der Route Chamäleon) führt, siehe Karte unten. Wir hatten keine Orientierungsprobleme und gelangten zügig dahin, das Gelände bietet aber durchaus die Möglichkeit, sich ins Blockchaos oder einen krautigen Dschungel zu verkoffern.
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So verläuft die Zustiegsvariante vom Bügeleisen-Parkplatz P.1289. Karte: map.geo.admin.ch |
Vom Fuss der Felsen (die man "normal" von rechts her erreicht), steigt man über eine Felsstufe mit Fixseil ca. 30m hinauf, bevor man auf Wegspuren ein kleines Wäldchen durchschreitet. Bei dessen Ausgang linkshaltend hinauf. In einer felsigen Zone quert man die wasserführende Rinne. Falls im Frühjahr noch Schneereste in dieser liegen, kann dort Lawinen- bzw. Eisschlaggefahr herrschen. Man kann die Stelle jedoch zügig überqueren (Ohren spitzen!). Jenseits geht's dann über Geröll hoch zum Einstieg am Fuss der markanten Verschneidung. Es ist derselbe Ort wie für die Herrenpartie, der mir natürlich bekannt war, weil ich diese Route 5 Jahre zuvor mit Larina geklettert hatte. Um 11.45 Uhr hatten wir uns mit reichlich Sonnencrème eingeschmiert und auch sonst alles parat, es konnte losgehen.
L1, 35m, 5c: Auf los geht's los, und dies unmittelbar rechts der Verschneidung gleich mit zwei fordernden Sektionen auf glatter Reibung. Der erste Haken steckt hoch, der zweite ebenso. Man muss parat sein und die Sache hat das Flair von einem Eintrittstest. Oben geht's dann etwas einfacher einer kleinen Verschneidung entlang, am Ende zieht man nach links zum Stand der Herrenpartie.
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Trotz "nur 5c" fordert schon die Startlänge richtig. Das nachfolgende Team macht sich für den Sohläblitz bereit. |
L2, 40m, T4: Über krautige Bänder quert man nach rechts. Sichern kann man nicht, dies ist jedoch auch nicht nötig, weil das Gelände problemlos begehbar ist. Es gilt, den richtigen Punkt für die Fortsetzung zu identifizieren. Sehr schwierig ist das nicht. Am rechten Ende der grasigen Bänder, wo nur wieder deutlich felsigeres Gelände in die wasserführende Rinne rechts führen würde, steckt ein einzelner BH mit Austrialpin-Lasche um Stand zu machen.
L3, 40m, 6a+: Los geht's noch moderat, mit einem weiten Abstand nach dem zweiten Haken zur Crux. Die drei nahe steckenden Haken lassen vermuten, dass es dort zur Sache geht. Dies tut es, und zwar heftig mit Reibung pur. Knapper am Wegrutschen hätte es sich nicht anfühlen können, aber es ging. Ob ich diese Stelle im Rückblick nach dem Meistern aller weiteren Herausforderungen noch gleich eingeschätzt hätte?!? Das ist eine gute Frage, welche ich nicht abschliessend beantworten kann. Zuletzt dann mit erneut weitem Abstand in strukturiertem Gelände zum Stand.
L4, 40m, 6b+: Zuerst führt dieser Abschnitt über ein kleines Dächlein hinweg, was aber noch nicht das Hauptproblem darstellt. Dieses besteht in gleich mehreren sehr reibungslastigen Passagen. Die forderndste davon vielleicht bald nach Beginn mit dem Klipp des dritten Hakens. Wobei diese Aussage ohne Gewähr bleibt: einmal ungut erwischt, oder einmal Zweifel im Kopf, das macht hier einen grossen Unterschied im Empfinden. Sicher ist: es bleibt fusstechnisch fordernd bis zum Ende. Und ich konnte die Sache sauber bewältigen 🤗
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Ein absoluter Reibungsknaller wartet in L4 (6b+). |
L5, 40m, 6a: Fast schon erwähnenswert ist die Tatsache, dass es hier zu Beginn einige Leisten gibt, welche der Gletscher nicht glattzupolieren vermochte. Für uns die Hauptsache bei diesem Abschnitt war ein weiter Abstand mittig. Quert man tief nach links und steigt dann hinauf, so löst sich das vernünftig auf. Das Problem war nur, dass die Vorsteigerin hier zu lange direkt stieg und dann am Ende viele Meter über der letzten Sicherung eine sehr gewagte Reibungsquerung zum silbern glänzenden Retter meistern musste - zum Glück erfolgreich! Das ist halt auch immer das "Risiko" bei solch weiten Abständen. Ein Sturz bei dieser Querung hätte wohl kaum folgenlos geendet, ein 15m-Rutscher über diese Platte ist jetzt nicht das, was man/frau zur Wellness braucht.
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Die heikle Querung nach einer Linien-Fehlwahl gemeistert: L5, 6a. |
L6, 40m, 5c: Deutlich tieferer Grad, davon merkt man auf den ersten drei, noch wassergewachsen glatten Reibungsmetern nicht viel. Insbesondere der saubere Klipp vom ersten Haken fordert. Danach geht's dann tatsächlich in besser strukturiertem Gelände leichter voran.
L7, 40m, 6b: Im ersten Teil stecken die Haken auf einem Plattenrücken. Es lassen sich jedoch sehr gut die Strukturen abseits von diesem zur Fortbewegung nutzen, somit bleiben die Schwierigkeiten tief. Oben heisst es dann zwischen zwei (wohl sehr oft vorhandenen) Rinnsalen plattig nach links zu queren. Dank intelligent platziertem Bolt funktioniert das prima und es war auch nicht schwierig. Während man vielleicht schon über eine mühelose Begehung dieser 6b frohlockt, so wartet die Crux ganz am Ende. Möglicherweise ginge es recht easy, wenn man auf der Wand rechts der Plattenkante antreten könnte. Diese war bei uns pitschnass, glitschig und damit nicht nutzbar. Dies ist wohl oft oder fast immer so, ist doch der letzte BH so platziert, dass man links im trockenen Gelände klettern kann/muss. Dort wartet allerdings eine kurze, aber heftige Reibungsstelle. Man muss 2x äusserst glatt antreten und aus einem seichten Winkel den nötigen Druck auf die Füsse bringen - uff, näher am Rutschen könnte man kaum sein, aber es ging.
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Die Wasserläufe spielen in L7 (6b) eine Rolle. Da vorausschauend eingerichtet, kommt man gut durch. |
L8, 35m, 6b: Hier spielt sich der Start an der selben Plattenkante ab, wie die vorherige geendet hat. Die nass-glitischige rechte Seitenwand spielte also auch hier eine Rolle. Ich entschied mich dafür, trotzdem einige Leisten für die Füsse zu nutzen. Das ging, jedoch zum Preis nasser Sohlen, was für die Fortsetzung logischerweise problematisch, aber schliesslich kein Showstopper war. Denn nach diesem Auftaktboulder warten noch viele sehr anspruchsvolle und auch zwingende Schritte auf glattem Reibungsparkett. Oben gibt's mal noch eine etwas doofe Stelle, wo eine schuhbreite Kante sehr unangenehm im Sturzraum droht. Hier könnte man aus mehreren Metern Höhe sehr abrupt gestoppt werden. Langsam im Groove und mit dem erlangten Selbstvertrauen ging das... aber uff!
L9, 35m, 6b: ACHTUNG, in dieser SL fehlt zur Zeit (Stand Juli 2025) der zweite BH, da er abgeschert wurde. Dadurch ist sie im Vorstieg nicht kletterbar. Nun, das wusste ich natürlich noch nicht, als ich mich auf den Weg machte. Das Maillon in der ersten Sicherung und der offensichtlich weite Abstand (ca. 12m) zur nächsten waren zwar durchaus eine Warnung. Aber ich wollte es versuchen. Gleich über den ersten BH hinweg wartet eine tricky Stelle, dann auf einfacher werdender Reibung hinauf. Gute fünf Meter später blickte ich dann eben auf den abgescherten Stummel, der nächste Bolt nochmals mindestens soweit entfernt. Nein, das konnte ich nicht riskieren. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Reibung wieder abzuklettern - eine haarige Sache, aber ich schaffte es. Um nicht schon nach Hause gehen zu müssen, war die einzige Alternative, mit einem Abseiler zum etwas tiefer gelegenen Stand der Herrenpartie zu wechseln. Wir kletterten dann deren L8, eine 50m lange 5b auf Reibung. Von deren Station konnten wir erneut einen kurzen Abseiler zum Stand 9 vom Badwannä-Tango ziehen. Somit waren wir quasi "back on track". Weil ich natürlich jeden Schritt vom Tango praktiziert haben wollte, liess ich mich zu meiner Umkehrstelle ab. Natürlich konnte ich die Stelle im Nachstieg meistern, aber hier einen Rückzieher zu machen, war absolut vernünftig gewesen. Nach dem nächsten Klipp gibt's noch eine zwingende, glatte Reibungsstelle, bevor es dann strukturierter an den Stand geht.
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Das ist der Bösewicht in L9 (6b). Hinweis: Foto ist um 90 Grad gedreht. |
L10, 45m, 6a: Das Topo suggeriert, dass man nun etwas Zurücklehnen und entspannter Richtung Top schreiten kann. Doch man wird sehr bald eines besseren belehrt. Der Abstand zum ersten Haken ist weit, löst sich aber gut auf. Damit ist es nicht gegessen: es kommen noch viele weitere, gewagte Schritte auf Reibung. Taffe Sache, schien uns kaum einfacher als die drei 6b-Längen zuvor.
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Black Beauty in L10 (6a). |
L11, 35m, 6a: Nein, es ist noch nicht fertig! Einen Hammer gibt's gleich vom Stand weg, es heisst vor dem ersten Klipp über eine "falsch gebaute Treppe" in dunklem, vom Wasser gewaschenen Fels zu schleichen (abwärts geschichtet, d.h. es hat Leisten, diese bilden aber kleine Dächlein). Dem gewonnen Selbstvertrauen sei Dank ging's... Auch weiter führt die Route dann nicht den Strukturen links entlang, sondern hält sich nochmals rechts durchs kompakte Plattengelände. So gilt es auch hier wiederum auf die Optimallinie zu spekulieren, insbesondere kam mir dies ganz zum Schluss im Abschnitt zum Stand hinaus so vor, wo nochmals ein extraglatter (und natürlich zwingender) Abschnitt wartet.
L12, 30m, 5c: Hier geht's nun tatsächlich etwas leichter voran. Man kommt am Anfang gleich bei einigen sehr grossen Schuppen vorbei, wo man sich sehr leicht die Frage stellen kann, wie diese überhaupt in der Wand bleiben?!? Rundherum gerissen liegen sie quasi einfach da auf dem glatten Untergrund - möge einfach die Erde nicht gleich einen Hustenanfall kriegen! Enden tut der Badwannä-Tango nach meiner Logik am Irniger-Kombistand von Schiefer Traum rechts auf einer Kanzel, links befinden sich noch die beiden originalen Rostgurken vom Tango die helfen, den entsprechenden Punkt zu identifizieren.
L13, 40m, 5b: Dieser Abschnitt gehört eigentlich zu Schiefer Traum. Doch einerseits ist es logisch, noch bis zum Top weiterzuklettern. Andererseits wurde es uns erst gewahr, dass wir fremd unterwegs waren, als in L12 die 50m komplett ausgestiegen waren und kein (offizieller) Stand kam. Ein solcher konnte jedoch an einem sanierten BH und einer alten Rostgurke gerade vor dem Dächli improvisiert werden, von wo es dann in gestreckten 50m zum Ende reichte (d.h. wir kletterten L12, L13 und L14 in zwei gestreckten 50m-Längen). Jedenfalls: es geht hier über einige Stufen aufwärts, zuletzt nach rechts querend über ein Dächlein hinweg auf die höher liegende Endplatte, wo nach 10m der richtige Stand kommt.
L14, 35m, 5b: Ebenfalls Schiefer Traum, mit einer nochmals wirklich coole Seillänge in hier nun etwas weniger glattpoliertem, dafür nicht mehr ganz so sauberen Fels (d.h. von einigen Flechten bewachsen). Es gilt auch hier der Reibung zu vertrauen, einige Ansätze von Rissen und Verschneidungen und zuletzt eine Art Wasserrille helfen aber auch beim Fortkommen.
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Die letzten Meter zum Top in L14 (5b), man erkennt gut die unterschiedliche Färbung vom Fels. |
Ein paar Minuten nach 18.00 Uhr hatten wir nach 6:15h der Kletterei viele Meter absolviert und entschieden uns, an dieser Stelle definitiv Schluss zu machen. Rechts steckten zwar noch weitere Bolts und vermutlich wären noch 1-2 Seillängen mehr möglich. Es ist jedoch alte Ware (nicht saniert) und es ist auch nicht klar, zu welcher Route dies gehört und wie schwierig es wäre. So fädelten wir die Seile und glitten in die Tiefe. Erst war es praktischer, Schiefer Traum zu folgen, mittig wechselten wir dann mit einer 50m-Strecke zurück in Badwannä-Tango. Generell sind die Abschnitte jedoch zu lang, um sie verbinden zu können, so dass 12 Manöver nötig waren, bis wir um ca. 19.15 Uhr wieder am Einstieg waren. Seile aufrollen, Material verpuffen und absteigen waren die nächsten Programmpunkte, ein paar Minuten vor 20.00 Uhr setzten wir uns dann aufs bequeme Polster und fuhren heimwärts. Das war ein sehr aufregender Tag mit richtig cooler Kletterei gewesen. Hin und wieder macht es schon extrem Spass, sich der Science Friction hinzugeben.
Facts
Handegg / Spiegelwand - Badwannä-Tango 6b+ (6b obl.) - 14 SL, 530m - Müller/Zgraggen 1989 (saniert 2023) - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Cams/Keile nicht nötig bzw. kaum einsetzbar
Reibung pur auf Gletscherschliff und das von der verschärften Sorte. Mehr gibt es zum Programm kaum zu sagen und Abwechslung zu diesem Kletterstil gibt es so gut wie gar nicht. Heisst aber natürlich nicht, dass die Route deswegen nicht lohnend wäre. Ganz im Gegenteil, durch diese eindrückliche Plattenflucht zu steigen ist ein grandioses Erlebnis. Die Schwierigkeiten sind von A-Z anhaltend und es warten unzählige herausfordernde Passagen. Ob die Bewertungen wie vorgeschlagen zutreffen ist wie immer bei solchen Touren eine strittige Frage. Bei einer athletischen 6b ist das bei mir nie und nimmer der Fall, hier beim Tango dagegen fühle ich mich immer wieder am Limit des gerade noch Durchführbaren. Man kann die Route als gut abgesichert bezeichnen. Die Bolts sind intelligent platziert. Sprich immer dann, wenn es ohne (mit meiner Risikotoleranz) nicht mehr ginge, kommt auch wieder einer. Dazwischen bleibt aber viel Platz für das (Glücks)spiel ob der Schuh hält oder nicht. Dazu muss man die nötige Psyche und das Können mitbringen. Einige wenige Stellen mit immer noch forderndem Reibungscharakter, aber jeweils leicht tieferen Schwierigkeiten (z.B. Anfang L1, Anfang L3, Runout L5, Abschnitt über Band L9) erfordern einen sicheren Vorstieg, da dort ein Sturz das Potenzial von gröberen Verletzungen als bloss heftigen Abschürfungen mitbringt. Und eben, solange der BH in L10 fehlt, kann man die Route gar nicht auf dem Originalparcours begehen. Weitere Infos und das Topo zur Route auf der Seite von Erschliesser Bruno Müller, ansonsten helfen auch der Plaisir West Band I und das SAC-Tourenportal mit Topos von den anderen Routen im Sektor weiter.
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Es steckt in der Spiegelwand Material aus verschiedenen Generationen. Dieser Standplatz in der Route Schiefer Traum hat mit Kette die Originalversion (?) von Hans Howald aus dem Jahr 1979, der Muniring wurde wohl irgendwann in den 1990ern ergänzt (?), der Irniger-Stand (mit leider rostendem, verzinkten Maillon Rapide) stammt von der letzten Sanierung im Jahr 2015. Achtung übrigens, in der Route Schiefer Traum fehlen zur Zeit (Stand Juli 2025) mehrere BH-Laschen. |
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