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Donnerstag, 24. Juli 2025

Chaiserstock - Cyndarella (6c+)

Die Route Cyndarella führt in 6 kurzen Seillängen durch die kleine Westwand am Chaiserstock. Sie wurde 1990 von den Gebrüdern Müller eingerichtet und fiel danach kaum bekannt in einen Dornröschenschlaf. Wenige Wochen vor meiner Tour wurde sie von den Erstbegehern mit modernem Material und einigen zusätzlichen Bohrhaken saniert. Der Bericht auf rauchquarz.ch lockte mit vielversprechendem Text und anmächeligen Bildern. Das war genau die richtige Tour für diesen Freitagnachmittag, für mich quasi eine Zeitreise durch die Jahrzehnte.

Blick auf den Chaiserstock mit seiner Westwand und dem Verlauf der Route Cyndarella (6c+)

Es war nämlich schon über 30 Jahre her, seit ich mit meiner damaligen Freundin am Chaiserstock die Verschlossene (5c) und den Kaminpfeiler (6a) klettern konnte - Erinnerungen für die Ewigkeit. Später kamen dann noch in Verbindung mit einer Skitour S'chli Träumli (6b) und Via Fantastika (6a+) hinzu, zuletzt war es dann Rinderwahn (6c). Die letztere Tour fand vor bald 16 Jahren statt, als Kathrin mit Larina schwanger war. Und diese Larina spielte auch für die Gestaltung der hier beschriebenen Tour eine wesentliche Rolle. Vor ihrem Aufbruch an den EYC in Bologna wollte ich vormittags mit ihr noch die Aktivierung bestreiten und Zmittag essen. Danach war ich frei, doch mit dieser Tagesplanung und eher exotischen Ideen mit einem Bike, Hike & Climb-Triathlon gelang es mir an diesem Freitagnachmittag in den Sommerferien nicht, eine Begleitung zu organisieren. Doch ohne zu hadern machte ich mich alleine auf den Weg.

Wunderschön die Aussicht auf der Bike-Zufahrt von Morschach ins Riemenstaldental.

Meine Tour startete in Brunnen und führte mich zuerst per Bike nach Morschach, dann hoch über dem Vierwaldstättersee in aussichtsreicher Lage auf teilweise coolen Trails ins Riemenstaldental und schliesslich nach Käppeliberg (13km, +900hm). Von der Luftseilbahn nach Spilau machte ich gerne Gebrauch, ich konnte unmittelbar einsteigen und wenige Minuten später meine Wanderung zum Chaiserstock starten (3.5km, +600hm). Diese kam mir nicht eben kurz vor: trotz zügigen Schrittes brauchte ich schliesslich 70 Minuten, bis ich am dank Wandbild und dem BH mit Raumer-Plättli und Bächli-Logo problemlos zu identifizierenden Einstieg anschlug. Nun war erst einmal eine Pause fällig. Um ca. 15.45 Uhr bepuderte ich das erste Mal meine Hände im Chalkbag und legte kurz darauf los.

Begegnung am Wegesrand unterwegs zum Chaiserstock.

L1, 25m, 6c+:  Der erste Schritt ist gleich der schwierigste der ganzen Route. Wirklich, das Abheben vom Boden ist nicht trivial (5C/6A bloc), könnte aber falls nötig per Textilgriff entschärft werden. Sorgfältig hatte ich alle Griff- und Trittmöglichkeiten vom Boden aus abgescannt und eine Beta visualisiert. Diese konnte ich dann sauber ausführen. Hat man einmal die Henkel für den Klipp des zweiten BH in der Hand, so kommt die Sache deutlich zahmer daher. Erst heisst es noch etwas dranbleiben an wasserzerfressenem Fels, was man aber recht gut wegstehen kann. Bald lässt es definitiv nach, man quert nach rechts und erreicht durch eine einfachere Verschneidung den Stand.

Durch diese einfachere Verschneidung führt der obere Teil von L1 (6c+).

L2, 25m, 6a: Auf einem Band geht's ein paar Meter nach rechts, dann folgen 15m an Top-Kletterei in exzellentem Premier-Cru-Fels à la Rätikon. Gut abgesichert, wobei die schwierigste Stelle doch recht zwingend zu meistern ist!? So kam es mir jedenfalls vor. Schon zu bald erreicht man ein nächstes Bändersystem, der zuerst nicht sichtbare Stand befindet sich gerade voraus.

Weil die Sonne fehlt, kommt es auf dem Foto nicht so zur Geltung. Doch in diesem Abschnitt von L2 (6a) ist der Fels von der Marke Extraklasse!

L3, 30m, 5c: Dieser Abschnitt hat den Charakter von einem Überführungsstück. Erst über durchzogenes Gelände leicht linkshaltend hinauf, etwas gesucht über eine Steilstufe hinweg in wiederum gestuftes Terrain. Dann entweder direkt über das Grasband oder mit einer kleinen Zusatzaufgabe links zum nächsten bequemen Stand. Um meinen Füssen eine Pause zu gönnen, habe ich diese Seillänge im Nachstieg mit den Turnschuhen geklettert, was problemlos ging - von mir aus gesehen leichtverdaulich für 5c.

Da wird sich manch einer denken: sieht auf dem Foto besser aus, wie der Text beschreibt. Zudem stecken die Haken in L3 (5c) etwas links vom Seilverlauf (in voller Auflösung sind sie erkennbar). Hier war es aber wegen dem Verlauf deutlich günstiger, die Exen beim Abseilen schon auszuhängen.

L4, 25m, 6a+: Die kompakte Platte zu Beginn ist eines der Highlights der Route. Einige gute Griffe und ein Mantle führen noch recht kommod zum zweiten Klipp. Für den dritten muss man sich dann schon ein wenig anstrengen und gescheit auf die Füsse stehen (oder notfalls auf den zweiten BH). Nachher folgt dann ein weiter Hakenabstand, wo zwingend über die Platte geschritten werden muss. Ohne zu viel verraten zu wollen: Augen auf, der einfachste Weg ist nicht jener in direkter Hakenlinie. Und auch wenn es etwas einschüchternd aussieht: hat man den Haken einmal überstiegen, so lassen die Schwierigkeiten nach, es geht dann schon. Ist der nächste BH geklippt, geht's dann leichter diagonal nach rechts zum baldigen Stand. Ich würde sagen, die Platte ist der forderndste Abschnitt der Route, wobei die 6a+ im Vergleich zu meinen kürzlichen Erfahrungen an der Handegg allerdings deutlich gutmütiger ist. Caveat: ich klettere auf Reibung lieber im rauen Kalk als im glatten Granit, zudem sollte man Handegg-Bewertungen besser nicht als Referenz verwenden. Zuletzt ein Hinweis: wie es im Bericht von Bruno geschrieben steht, wer die Platte nicht packt, kann mit einem Pendler in den Riss rechterhand auskneifen.

Rückblick auf die kompakte Platte, über welche L4 (6a+) verläuft. Der längere Abstand gut sichtbar.

L5, 15m, 5c: Achtung Verhauergefahr, die gut sicht- und erreichbaren BH rechts gehören zum Westwandpfeiler, Cyndarella führt relativ unscheinbar links über den Riegel hinweg, welche durch eine Art Verschneidung in 3d-Manier erstaunlich einfach erklommen wird. Bald danach kommt schon der Stand, wer sich sicher fühlt, kann die ebenfalls recht kurze folgende SL gleich anhängen. 

Blick auf die 3d-Verschneidung in L5 (5b), unten wo die Ecke im Seilverlauf ist, befindet sich der Stand nach L4 (6a+). Im Ropesolo-Modus liessen sich diese beiden Abschnitte problemlos verbinden (ca. 35m Kletterstrecke). Das geht sicher auch in Seilschaft mit Verwendung einer langen Exe am Stand, wobei sich der Link L5/L6 noch deutlich mehr anbietet.

L6, 20m, 6b: Nochmals ein sehr schöner Abschnitt mit rätikonartigem Fels und Steilplattenkletterei. Die mit 6b (oder 6a A0) angegebene Stelle im ersten Drittel konnte ich so nicht nachvollziehen. Dazu müsste man schon übertrieben direkt in Hakenlinie klettern. Links gibt's hingegen gute Griffe, von welchen man die Bolts problemlos klippen kann (selbst das ursprüngliche, noch 20cm weiter rechts steckende Exemplar). Denke mehr wie 6a ist das nicht?! Weiter geht's direkt aufwärts, ganz am Ende wird der Fels etwas rund und staubig, kurz vor dem Ausstieg kann wohl drückende Nässe ein Problem darstellen.

Ausblick auf die letzte Seillänge (L6, 6b), die nochmals tollen Fels bietet.

Etwas vor 18.30 Uhr und damit nach rund 2:45h Kletterei hatte ich das Top in einer einwandfreien Onsight-Begehung erreicht. Im Topo ist nur das Abseilen beschrieben. Doch meine Vermutung, dass man nach oben aussteigen kann und dann zu Fuss weiter, bestätigte sich zum Glück (20m rechts vom Ausstieg beginnt zudem die Rampen-Abseilmöglichkeit bei einer Eisenstange). Nachdem ich mein Material gepackt hatte, lief ich die wenigen Schritte hoch zum markierten Bergweg, über welchen man in ein paar Minuten das Gipfelkreuz erreichen kann. Eine absolut fantastische Aussicht bei einer Top-Abendstimmung erwartete mich - welch ein Genuss, dem ich mich gerne hingab! Natürlich hätte man diesen noch bis zum Eindunkeln zelebrieren können, doch es wartete ja noch ein ziemlich weiter Weg retour nach Brunnen. 

Panorama vom Ausstieg der Route, was für ein wundervoller Abend.

Um 19.00 Uhr ging ich am Gipfel los, stieg über den mit Drahtseilen versicherten Steig via Chaisertor in die Nähe vom Einstieg ab und ging dann ohne übertriebene Eile zurück zur Lidernenhütte (20.00 Uhr). Die Bahn war schon nicht mehr in Betrieb, so dass ich durch das Proholz zu Fuss absteigen musste. Das hatte ich bisher noch nie so gemacht, wobei dies sehr zügig in ~30 Minuten geht und im Vergleich zu einer Bahnfahrt insgesamt kaum zusätzliche Zeit kostet. Es blieb noch der Downhill mit dem Bike, was meist in rauschender Fahrt passiert - wobei zwei Gegensteigungen mit +200hm die Beine nochmals fordern. Um 21.00 Uhr hatte sich der Kreis schliesslich geschlossen. Was für eine geniale und genussvolle Tour war das gewesen!

Fantastisches Ambiente mit tollen Verblauungen am Gipfel des Chaiserstock.

Facts

Chaiserstock - Cyndarella 6c+ oder 6a+ A0 (6a obl.) - 6 SL, 140m - B. & K. Müller 1990 - ***;xxxx
Material: 1x60m oder 2x50m-Seil, 10 Express, Cams/Keile nicht nötig

Sehr schöne, kurze und gut abgesicherte Route mit Plaisircharakter in fantastischer Umgebung. Es gibt drei kurze Stellen (gleich am Einstieg, die Platte in L4, sowie im ersten Drittel von L6) die etwas höhere Schwierigkeiten bieten, jedoch auch mit Hakenhilfe oder einem Pendelquergang umgangen werden können. Der Rest bietet genussvolles Steigen, welches sich meist im fünften Franzosengrad abspielt. Seit der Sanierung durch die Erschliesser im 2025 ist die Route mit rostfreiem Material prima abgesichert, mobiles Material ist nicht nötig. Mit 2x50m-Seilen kann ich 4 Manövern über die Route abgeseilt werden, mit 1x60m und Nutzung jedes Standplatzes (d.h. 6 Manöver) sollte es auch möglich sein. Bequem und zügig ist auch der Fussabstieg über den markierten Steig via Chaisertor. Das Topo zur Route findet man auf der Seite vom Erschliesser Bruno Müller. Vielen Dank für eure Arbeit!

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