Gelegenheit für eine Mehrseillängentour mit Kathrin, immer wieder toll. Die Kaltfront hat aber bereits etwas Neuschnee abgeladen, wie die zur Planung konsultierten Webcams zeigen. Das macht die Gebietswahl nicht ganz einfach, vor einer noch nassen Wand zu stehen, wäre schade. Defensive Planung führt uns schliesslich dazu, an der Sandbalm die neue Route Makita (Topo) ins Auge zu fassen, welche erst vor gut 6 Wochen fertiggebohrt wurde.
Wie sich dann zeigt, ist dies vom Renommee her vielleicht ein Ausweichziel, von Art, Qualität und Anspruch der Kletterei her jedoch überhaupt nicht. Dennoch schleckt keine Geiss weg, dass ambitioniertere, höher oben gelegene Projekte durchaus möglich gewesen wären, wie der dieser klassische Blick von der Voralpkurve auf die Westgrattürme am Salbit zeigt: alles trocken und scheinbar in besten Bedingungen.
Wie sich dann zeigt, ist dies vom Renommee her vielleicht ein Ausweichziel, von Art, Qualität und Anspruch der Kletterei her jedoch überhaupt nicht. Dennoch schleckt keine Geiss weg, dass ambitioniertere, höher oben gelegene Projekte durchaus möglich gewesen wären, wie der dieser klassische Blick von der Voralpkurve auf die Westgrattürme am Salbit zeigt: alles trocken und scheinbar in besten Bedingungen.
Blick von der Voralpkurve auf die Türme am Salbit Westgrat |
Nun denn, der Granitdom der Sandbalm sieht auch ganz formidabel aus, also los. Der Zustieg ist kurz (15 Minuten), führt an der mutmasslich mächtigsten Fichte der Schweiz vorbei und ist ziemlich überwuchert. Horden von Kletterern trampen hier nicht hoch. Die Touren sprengen halt den Plaisirbereich, und unter den Fortgeschrittenen sind diese (steh)technisch anspruchsvollen Routen (derzeit) nicht hoch im Kurs.
Der Granitdom der Sandbalm. Makita startet links am Einstieg der Schlucht. |
Der Einstieg befindet sich links, am Beginn der markanten und engen Schlucht, welche sich hinaufzieht. Nun sind da aber 2 augenscheinlich neue Routen, tiptop mit Inoxmaterial ausgerüstet. Wir haben zum Glück ein Foto mit dem Routenverlauf dabei, und können so die linke Tour als die „richtige“ identifizieren. Die rechte Tour ist schon bis weit hinauf fertig eingerichtet, hier können wir also auf baldige News hoffen.
Blick auf die Einstiegslänge (6c) der Makita - diesem kniffligen Riss geht es entlang. |
SL 1, 35m, 6c (original: 6b+): Alsbald geht es los, und wie: bereits ab dem 2. BH gilt es zu 100% wach zu sein! Die erste obligatorische Stelle wartet da, knifflige Kletterei, eine Mischung aus Klemmen, Spreizen und Piazen. Es muss echt mit jeder Faser des Körpers geklettert werden. Die Absicherung ist wohl gut (10 BH), die Schwierigkeiten sind aber anhaltend und die Sache ist zwingend. Mit kleinen Cams und Keilen wäre eine A0-Begehung eventuell möglich. Der zweite Teil der Länge ist dann etwas einfacher, man klettert an einer Kante auf Gegendruck und muss das erste Mal den Sohlen voll vertrauen.
Kathrin folgt in SL 1 (6c) |
SL 2, 50m, 6b (original: 6a+): Es geht über einen riesigen Plattenschuss weiter. Die ersten Meter lassen sich, Struktur sei Dank, gemütlich an. Dann zeugt ein alter, demontierter Kronenbohrhaken davon, dass hier auch schon viel früher geklettert wurde, d.h. die Route folgt zumindest teilweise einer alten Linie. Schlagartig wird es dort schwer: kleine Käntchen und Dellen müssen bedient werden, die Füsse auf Reibung, die Crux voll (!) obligatorisch. Danach einfacher weiter, bis zum „Seil aus“ und Stand.
Kathrin folgt in SL 2 (6b), mit Tiefblick auf die Voralpkurve (Parkplatz). |
SL 3, 50m, 6c (original 6c): Sieht ja interessant aus, an einer kompromisslosen Kante stecken die Bolts. Diese kann entweder brachial auf Gegendruck geklettert werden, oder dann besser, tüftlig mit Stützen und Ausspreizen nach hinten. Letzteres mache ich, und so lässt es sich für 6c ganz vernünftig an – bei den ersten beiden Längen war ich mehr gefordert.
An der Gegendruck-Kante von SL 3 (6c). Die linke Seitewand hinzuzunehmen hilft... |
SL 4, 35m, 6b+ (original 6a+): gemäss Topo wieder einfacher, dafür auch wieder plattig. Bis unter den Stand geht es aber recht gut voran, dann wartet eine irre steile Platte, die an einem Hauch von nichts nach links oben traversiert werden muss. Präzises Moven an kleinen Kratzern ist angesagt, die Reibung für die Füsse ist optimal – eine richtig schwere Stelle!
Die sehr anspruchsvollen Schlussmeter von SL 4 (6b+). |
SL 5, 35m, 6b+ (original 6b): in ähnlichem Stil wie in der Länge zuvor, jedoch etwas anhaltender, geht es weiter: mal etwas besser strukturiert und gängig, dann wieder knapp strukturiert und knifflig. An einer glatten Tüftelstelle, 2m schräg oberhalb des Hakens rutscht mir prompt der eine, belastete Fuss weg. Mirakulös kann ich mich retten, fluche laut und bewältige dann, vollgepumpt mit Adrenalin, die Stelle beim nächsten Angriff. Das ist aber noch nicht alles, vom letzten Haken zum Stand hin ist es ebenfalls weit und schwer. Die ersten Moves, bereits über dem Bolt, verlangen mir alles ab, danach wird es dann etwas einfacher, aber geschafft ist es erst mit dem letzten Mantle.
Einer der wenigen, wenn nicht der einzige gute Griff in SL 5 (6b+). Im Vordergrund der schwere Schluss der SL. |
SL 6, 25m, 6c+ (original 6c+): also eigentlich ist es völlig paradox, aber diese SL ist mir über die ganze Route gesehen deutlich am einfachsten gefallen! Sie ist steiler und recht gut griffig, die Crux markiert ein Wechsel vom rechten an den linken Riss in der Mitte. Ich fand es problemlos, vielleicht ist es etwas ein Reichweitenproblem, drum verzichte ich mal auf eine Abwertung – empfunden habe ich es mehr so als 6b+. Der Stand (mit Wandbuch) ist super unbequem, Alternativen gibt’s leider keine.
Für einmal griffigere Kletterei in SL 6 (6c+) - für mich die einfachste (sic!) der Route. |
SL 7, 35m, 6c (original 6c): erst geht es griffig und athletisch über einen Wulst hinweg. Oberhalb setzt ein schöner Riss an, dafür „fehlen“ dort die Bolts. Es kann aber vorzüglich gelegt werden, ich platziere die Camalots 1, 2 und 0.75. Der 2er ist verzichtbar, die anderen beiden anzuraten. Danach geht’s wieder mehr auf Reibung, aber einigermassen gemässigt weiter. Doch wer sich schon oben wähnt, hat sich getäuscht. Auf den letzten 5m wartet nochmals eine üble, giftige Reibungsstelle, hier nun auch in unangenehm glattem Fels.
Da kann sich schon mal Ratlosigkeit breitmachen. Schwere Reibungsstelle zum Abschluss in SL 7 (6c). |
Auch diese lässt sich noch sauber bewältigen und ich erreiche den Ausstieg mit einer Komplett-Onsight-Begehung – die total 5. Begehung der Route, wie uns das Wandbuch verraten hat. Der Onsight war ultraknapp, es stand mehrmals auf des Messers Schneide. Vor allem die Reibungslängen waren alle sehr knackig, anhaltend und streng bewertet – und dabei bin ich noch nicht mal ein schlechter Plattenkletterer, verglichen mit den meisten meiner Kollegen. Im Vergleich zu den Erstbegehern sieht’s wohl anders aus: die Granitkatzen aus Göschenen, da muss ich mir offenbar noch etwas abschauen. Ein gutes Training war es aber allemal, noch 2 Tage später habe ich Muskelkater – und stelle fest, dass mich Touren wie die Freakonomics am Eiger, oder die Voie de Frère an den Wenden, deutlich weniger gefordert haben!
Switzerland's Rostrum: über den Pfeiler verläuft die Route Traumschiff (7a). Ein Ziel fürs nächste Mal... |
Gerade, als ich am Ausstieg Stand beziehe, setzt ein lautes, durchdringliches Rauschen und Brummen ein. Erst kann ich es nicht richtig einordnen. Es hört sich so an, als ob die Voralpreuss plötzlich massives Hochwasser führt, und ich vermute schon den Bruch eines Stauwehres weiter oben. Doch dann poltern plötzlich Riesenblöcke wie kleine Kiesel durch das Tal, die grössten davon sicher über 50 Kubikmeter gross und damit mehr als 100 Tonnen schwer. Sie walzen alles platt, Sträucher und Bäumchen werden einfach weggeknickt. Unglaublich, ein veritabler Felssturz. Auch legt sich eine riesige Staubwolke ins Tal. Während wir, und auch der Wanderweg unbehelligt blieben, ist in der Route „The Black Jack“ und im Sektor Sandplatte, insbesondere beim Zustieg, sicher Vorsicht angebracht. Ich konnte nicht genau einsehen, woher die Felsmassen kamen, aber sicher irgendwo aus jener Ecke.
Felssturz im Voralptal! Die Blöcke am rechten Bildrand sind in Bewegung! |
Wir machen uns alsbald ans Abseilen, die Begehung der Route hat uns doch fast 6 Stunden gekostet. Keine Seillänge war geschenkt, die Kletterei anhaltend, nicht erstaunlich, dass sie Zeit gefressen hat. Zum Abseilen wären 60m-Seile zu empfehlen. So kann man den unbequemen und kaum erreichbaren, zweitobersten Stand nämlich auslassen. Wir haben dies auch mit 50m-Seilen gemacht, doch eigentlich reicht es damit nicht... Bastelstunde war angesagt, ging dann schon. Davon abgesehen erreichen wir aber subito den Einstieg, dann den Parkplatz, und ab geht’s nach Hause.
Topo von Makita an der Sandbalm. Klicke hier für eine High-Res PDF-Version. |
Facts:
Sandbalm – Makita (6c+, 6b+ obl.) – R. Bunschi et al. 2010/2011 – 7 SL, 270m – ****; xxxx
Material: 12 Express, Camalots 0.75 & 1 für SL 7, evtl. Keile/Camalots 0.3-0.5 für SL 1
Material: 12 Express, Camalots 0.75 & 1 für SL 7, evtl. Keile/Camalots 0.3-0.5 für SL 1
Sehr lohnende, anhaltend schwierige Kletterei auf vorzüglichem Fels. Vielfach plattige Wandkletterei an Käntchen und Dellen, Sohlen und Fingerkuppen werden hart beansprucht. Hin und wieder Abwechslung durch steilere Gegendruck-Passagen. Die Route ist bestens mit Inoxmaterial ausgerüstet. Gerade in den plattigen Passagen warten aber auch schwere Züge zwischen den Haken.