Der Martinisommer steht an, d.h. eine Inversionslage mit milden Temperaturen in der Höhe. Der Schnee und die ersten Skitouren von Ende Oktober sind längst wieder Geschichte, es ist nochmals Gelegenheit für eine MSL-Tour. Ein gutes Tourenziel für diese Jahreszeit ist der Ofen im Melchtal. Dank einer Gipfelhöhe von nur 2188m und exakter Südexposition erwehrt sich das Gebiet meist lange vor winterlichen Verhältnissen.
Um 8.50 Uhr starten wir im Melchtal von Turrenbach P.985. In normalen, aber zügigem Marschtempo sind wir nach 38 Minuten am Ende der Fahrstrasse bei Unter Boden P.1455. Weiter geht es über den noch schneefreien Bergweg und zuletzt einige Schrofenhänge an den Einstieg, den wir nach total 1000hm Aufstieg um 10.17 Uhr erreichen. Ging beim Anmarsch noch ein kühler Bergwind, sind die Temperaturen hier höchst angenehm. Wir vespern noch etwas, um 10.40 Uhr kann es dann losgehen.
Die gut 200m hohe Südwand am Ofen. Gut 15 MSL-Touren gibt es hier in diesem Sektor, der Hauptwand. |
SL 1, 35m, 6c+: in zwei mir vorliegenden Berichten wird vor der herben Natur der ersten Seillänge gewarnt. Anspruchsvolle Absicherung und anhaltende Schwierigkeiten würden sie zur Crux in Sachen Hochkommen machen. In der Praxis folgt nach ein paar unschönen Startmetern mit Gras und hohlen Blöcken sehr gute Kletterei in bestem Fels. Senkrechtes Gelände, gespickt mit kleinen Grifflein an den richtigen Stellen, geht tiptop auf. Mässig abgesichert (xx), aber im Prinzip eine gängige 6c+.
SL 1 (6c+). Es hat schon regelmässig Bohrhaken, aber die Sache ist ernster, wie man auf den ersten Blick vermutet. |
SL 2, 40m, 6b: zum Auftakt die Crux mit griffiger, leicht überhängender Kletterei an Querleisten. Weil der erste BH hoch steckt, droht ein unangenehmer Sturz in den Stand. Danach wird die Kletterei einfacher, dafür steckt nicht mehr viel, die Felsqualität lässt auch etwas nach. Ein 12m-Runout kann nicht entschärft werden, der Bolt kommt erst bei einer guten Friendstelle!?! Insgesamt: halt relativ easy, aber expo (xx).
Na ja, von SL 2 (6b) sieht man auf diesem Bild nur die letzten Meter. Dafür den imposanten Weiterweg sehr gut. |
SL 3, 15m, 7b: hier wartet der erste überhängende Wulst. In leicht brüchigem Fels kommt man bei guter Absicherung (xxxx) athletisch aber problemlos unter die Dachlippe. Darüber hinweg wartet ein heftiger Boulder mit ganz und gar nicht einfach zu lesender Sequenz, bzw. einer eher unterwarteten Lösung. Dann einfach hoch aufs Querband und einige Meter nach rechts.
In der Crux von SL 3 (7b). Echt zäher Boulder an dieser Stelle, oberhalb vom Dach hat es nur noch schlechte Aufleger. |
SL 4, 35m, 7b+: zum Start wieder eine stark überhängende Stelle: die ersten Meter noch nicht so schwer, griffig und leicht brüchig. Bald aber perfekter Fels und die Crux, wo man sich an einer Schuppe etablieren muss und mit einigen Vollgas-Gegendruckzügen zu den Henkeln oberhalb retten muss. Danach bleibt die Länge anhaltend, technische Kletterei an Querrillen und Tropflöchern wartet. Am Ende dann einfacher einer Verschneidung/Schuppe entlang, wo es dienlich ist, zwei Friends oder Keile dabeizuhaben.
Blick auf SL 4 (7b+). Die Crux bereits passiert, nun geht's im weniger steilen, aber anhaltend technischen Gelände zur Sache. |
SL 5, 20m, 7a: technische Kletterei an perfektem Fels mit kleinen Schüpplein und Tropflöchern. Der Start ist gut gesichert. Nach dem dritten BH wartet die rund 3m lange Cruxsequenz, welche etwa 1m über dem Haken beginnt und daher (bei gutem Sturzgelände) zwingend in einem Runout gemeistert werden muss. Bretthart für 7a, sehr gute Fusstechnik ist obligatorisch. Falls nötig, könnte man hier über die unmittelbar daneben verlaufende Kreml auskneifen.
Der Fels wie Spritzbeton: SL 5 (7a). Der Hexer hat gut lachen, zwar kurz in Bedrängnis gekommen, aber souverän drübergeklettert! |
SL 6, 35m, 7b: zuerst wartet eine ausladende Dachzone, wo wie überall in diesem Gelände, der Fels zwar griffig-leistig, aber nicht von allerbester Qualität, d.h. teils ein wenig brüchig ist. Dafür ist die Absicherung perfekt (xxxxx). Mit viel Kraft und Ausdauer geht es bis zur Dachlippe, wo wir die Crux erwarten. Von einem Griffausbruch und dem Vorschlag 8a haben wir gelesen. Mit einem Untergriffzug kann die Stelle aber gut überwunden werden. Bis zum Stand hoch folgt dann noch sehr schöne Tropflochkletterei im 7a-Bereich. Weite Züge und etwas raumgreifendere Absicherung erfordern dort gewisse Reserven.
Eine weitere steile Dachzone wird in SL 6 (7b) überwunden. |
SL 7, 40m, 7b: zum Abschluss wartet nochmals eine Power-Seillänge. Über ein erstes, noch griffiges Dach hinweg geht es zur Steilzone, wo an kleinen Leisten der letzte Strom aus den Armen gesogen wird. Der Fels auch da nur 1b, nicht 1a, die Absicherung (xxxx). Ein Riss führt einen dann endlich in weniger steiles Gelände, wo man über einen letzten Überhang auf der Route Kreml das Top erreicht.
Die letzte SL (7b) ist nochmals brutal athletisch. Wer den Schalter für den Notstrom nicht findet, packt das nicht mehr. |
Um 16.10 Uhr sind wir nach 5.5 Stunden Kletterei oben. Das war jetzt keine Speedbegehung, aber die anhaltende und sehr kräfteraubende Kletterei braucht einfach seine Zeit, vor allem wenn man man alles freiklettern will oder gar auf einen Onsight zielt. Mein Seilpartner war bis zur Crux der letzten SL in einem perfekten Onsight unterwegs, bis auf der Zielgerade doch noch der Saft ausging, schade. Dennoch eine herausragende Performance, herzliche Gratulation!
Auf der Nordseite liegt bereits Schnee, zwecks eines bequemeren Abseilens wechseln wir aber trotzdem rüber zur zentralen Abseilpiste. Weil ich mal kurz etwas penne, finden wir uns dann zwar auf der Route Lügispiel wieder, wo wir aber ebenfalls problemlos an den Einstieg gelangen. Um 16.50 Uhr machen wir uns raschen Schrittes auf den Weg ins Tal. Um 17.45 sind wir retour beim Auto, es hat gerade noch vor der Dunkelheit gereicht, ohne dass wir die Stirnlampe hätten einschalten müssen.
Facts:
Ofen - Planet der Affen 7b+ (7a obl.) - 7 SL, 210m - Kübler/Nuber 2002 - ****, xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-0.75 dienlich, 2x50m-Seil
Mit Sicherheit eine der zwei, drei anspruchsvollsten Routen am Ofen mit anhaltend schwerer, oft athletischer Dach- und Überhangkletterei an Leisten, aber auch einigen fordernden, technischen Passagen an Tropflöchern, Querrillen und Schüpplein. Der Fels ist in den weniger steilen Zonen meist perfekt und rauh, insbesondere in den bzw. zu Beginn der grossen Dachzonen manchmal auch leicht brüchig, dennoch aber gut kletterbar. Die Absicherung fällt gerade im einfacheren und technischen Gelände manchmal fordernd aus (xx-xxx), während die steilen Dächer mit den Schlüsselstellen durchwegs gut gesichert (xxxx-xxxxx) sind.
Wissenswertes:
Der Ofen liegt im Jagdbanngebiet Huetstock. In verschiedenen Tourenberichten (1,2) liest man, dass vom 15.11. bis 15.5. nicht geklettert werden darf. Vor Ort finden sich aber keine solchen Hinweise, auch im Internet konnte ich die Regelung nirgendwo verifizieren. Ich bin daher der Überzeugung, dass diese Regelung aktuell nicht mehr gültig ist. Im Jagdbanngebiet ist es hingegen ganzjährig verboten "Wintersportarten verboten ausserhalb markierter Pisten, Routen und Loipen" zu betreiben, so steht es in der Verordnung über die eidgenössischen Jagdbanngebiete (PDF).
Das Klettern wird in dieser Verordnung nicht erwähnt. Da es ganz eindeutig keine Wintersportart ist, interpretiere ich den Gesetzestext so, als dass man am Ofen klettern darf, so lange kein Schnee liegt und man zu Fuss zur Wand aufsteigen kann. Oft ist das bis in den Dezember hinein der Fall, und auch im April geht die Saison nach einem trockenen und warmen Frühling bereits wieder los. Für die Tiere, um deren Schutz es ja letztlich gilt, dürfte vorwinterliches Klettern bei schneefreien Verhältnissen unproblematisch sein. Achtung, diese Angaben sind erstens ohne Gewähr und können zweitens auch wieder ändern. Man informiere sich also über die aktuell geltenden Vorschriften (z.B. hier)! Update vom 7.10.2013: die neuste Vereinbarung verbietet das Klettern vom 15.11.-15.5. jeder Saison, mit zusätzlichem, freiwilligem Kletterverzicht (was immer das heissen mag...) bis jeweils am 15.6.. Nachzulesen ist dies alles in der Luzerner Zeitung.
Die Nordhänge sind bereits ein bisschen angezuckert, auf dem Weg zum Einstieg, bzw. an den Südhängen generell ist es noch aper. |
Eine weitere Besonderheit am Ofen ist die Tatsache, dass in der Literatur eine Marschzeit von 2:45 Stunden angegeben wird. Zusammen mit der Tatsache, dass +/- die Hälfte des Zustieg über eine mit Fahrverbot belegte Strasse verläuft, wird dieses häufig missachtet. Dies sorgt vor Ort für viel böses Blut, und Bussen im Ausmass von 250 bis 400 CHF werden oft verteilt. Man solle also Strasse zum Unter Boden keinesfalls mit dem Auto befahren. Zu Fuss braucht man bis dahin aber lediglich 40 Minuten, und auch den Wandfuss hat man aus dem Tal schon nach 1.5 und nicht erst nach fast 3 Stunden erreicht! Die Sonne bescheint die Einstiege im Herbst übrigens ab etwa 10.00 Uhr (Winterzeit), allzu früh muss man also nicht aufbrechen.
Die Route wurde von den Erstbegehern mit UIAA-Graden bewertet. Die 9- der Cruxlänge habe ich zu 7b+ übersetzt, die drei SL die 8+ waren, zu 7b. Keine davon ist geschenkt und wesentlich einfacher als die schwerste Länge, somit erscheint mir dies gerechtfertigt. Für die 6. SL hat ein namhafter Alpinkletterer im Wandbuch gar den Grad 8a vorgeschlagen - was wir beide jetzt nicht unterstützen können. Aber es zeigt doch einmal, dass es sich nicht um einen vertikalen Spaziergang handelt, der mal gehörig abgewertet gehört.
Das Leuchten der Schneeberge: have a good night, and a good winter, Ofen! |
Gemäss Wandbuch hat die Route bisher 20 Begehungen erhalten. Nach Selbstdeklaration haben die Erstbegeher keinen Rotpunkt realisieren können. Im Wandbuch gibt es auch keinen Hinweis, dass ein Wiederholerteam dies geschafft hätte. Vielleicht könnte man also noch eine Trophäe abholen! Aber maybe war der Rotpunkt-Gorilla ja still und heimlich erfolgreich: z.B. jener Ofen-Aficionado, der die Tour schon 3x oder 4x geklettert hat ;-) ?!?
Anzumerken ist auch noch, dass in der Tour verzinktes Hakenmaterial eingesetzt wurde. Einige Dübel sehen doch schon arg verrostet aus. Sollte ein Haken an einer neuralgischen Stelle bei einem Sturz versagen, so kann es dann definitiv echt gefährlich werden.
Das Topo zur Route kann man hier herunterladen.
Das Topo zur Route Planet der Affen (7b+) |
Update vom 7.10.2013: neuen Artikel zur Kletterregelung Melchtal verlinkt. Am Ofen soll nur vom 16.6.-14.11. eines jeden Jahres geklettert werden. Im Sinne aller Kletterer ist diese Regelung unbedingt einzuhalten!
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