Mit dem Salbit Westgrat hatte ich mich schon lange beschäftigt. In etwa 20 Jahre, seit ich ihn aus dem Tal das erste Mal gesehen und den Routenverlauf auf dem Topo in der ersten Ausgabe des Schweiz Plaisir studiert hatte. Vorerst war ich, zusammen mit meinem damaligen Standard-Kletterpartner Christoph, aber noch nicht auf dem notwendigen Niveau dafür. Das besserte sich innerhalb von ziemlich kurzer Zeit, doch auch wenn der Westgrat immer auf der Agenda stand, so kam es doch nie zur Realisierung. Langsam aber sicher rutschte dann Christoph aus dem Klettersport heraus, für mich war es aber ein absolutes No-Go, unser Langzeitprojekt einfach mit einem anderen Partner zu realisieren. Erst nachdem er seine Kletterfinken endgültig an den Nagel gehängt hatte, war der Weg für mich frei. Natürlich dauerte es dann nochmals ein Weilchen, bis der passende Kamerad gefunden war und ein günstiges Fenster für die Begehung kam. Das lange Warten hat sich aber gelohnt: wir hatten den Westgrat ganz für uns alleine und konnten die Tour bei optimalem Meteo und Bedingungen an einem Traumtag realisieren. Genau so sollte es sein - manchmal zahlt sich jahrelange Geduld eben aus.
Logistik und Zustieg
Während wir aufgrund unserer Terminpläne erst mit dem Gedanken spielten, den Grat in einer Tagestour von zuhause aus zu klettern (was sicher möglich ist), ergab sich dann schliesslich doch die Gelegenheit für die bequemere Variante mit einer Hüttenübernachtung. Seitdem es die
Salbitbrücke gibt, macht die
Salbithütte als Quartier klar mehr Sinn als die
Biwakschachtel unmittelbar beim Einstieg. Die Pluspunkte sind neben der Bewartung und der bequemeren Erreichbarkeit vor allem darin zu finden, dass man insgesamt sicher Zeit spart: der Zustieg von der Salbithütte zum Grat dauert zwar eine Stunde länger als vom Biwak. Er lässt sich aber problemlos in der Dunkelheit zurücklegen, so dass man dennoch mit dem ersten Tageslicht zu klettern beginnen kann. Und diese Stunde gewinnt man auf dem Abstieg längst wieder: muss man vom Gipfel via den Westabstieg (8x50m Abseilen und Abkraxeln) oder via den Normalabstieg (mit 300hm Wiederaufstieg) retour ins Biwak, so ist dies deutlich mühsamer. Der Talabstieg vom Biwak via das Horefellicouloir dauert dann auch nochmals länger wie der bequeme Rückweg via Hütte ins Tal.
Rechtzeitig aufs Nachtessen machten wir uns auf den Weg nach Salbiten. Der Aufstieg umfasst rund 900hm, ist steil, auch nachmittags einigermassen schattig und in 75 Minuten rasch erledigt. Hütte und Bewirtung verdienen das Prädikat Extraklasse, gäbe es einen Award für die bestgeführte Alpinunterkunft, so wäre die
Salbithütte ganz bestimmt ein Kronfavorit für den Titel. So verbrachten wir in netter Gesellschaft einen geruhsamen Abend, legten uns gegen 22 Uhr ins Bett und stellten den Wecker auf 3.30 Uhr. Ah ja, von der Hüttenwartin gab es vor dem Schlafengehen (vor allem für Tobias) noch eine Abreibung, ob er sich das mit dem Westgrat tatsächlich zutrauen würde und ob er wisse, worauf er sich einlasse?! Was soll man bloss darauf antworten?! Zweifel hatten wir beileibe keine, doch zu viel Selbstbewusstsein an den Tag legen wäre überheblich, zudem wussten wir ja doch nicht restlos ganz genau was wartet und vor allem kann am Westgrat schon ein kleines Missgeschick wie z.B. ein Seilverhänger beim Abseilen einen von fremder Hilfe abhängig machen. Ich zog mich dann aus der Affäre, indem ich meinte, am morgigen Tag schon noch meine Kinder ins Bett bringen zu können, das sei versprochen. Somit würden wir auch für die kommende Nacht kein Bett in der Hütte benötigen.
Nach guten 5.5 Stunden Schlaf war das Frühstück dann zu gut, um ausgelassen zu werden, zumal ja auch ein langer Tag wartete. So wanderten wir um ca. 4.15 Uhr los, in den fantastisch anbrechenden Tag hinein, um gerade in etwa einer Stunde den Einstieg zu erreichen. Das Salbitbiwak war verwaist, am Einstieg niemand zugegen und auch aus der Hütte gab es keine Konkurrenz. Wir würden also alleine sein, besser kann man es sich nicht wünschen! Nach letzten Vorbereitungen waren exakt um 5.30 Uhr, perfekt im Zeitplan, startbereit.
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Die letzten Meter zur Salbithütte... |
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Diese Zeichnung hatte mir meine Tochter (3) "zum chlättere ufde Berg" mitgegeben. Es war ihr ganz wichtig, dass ich sie für die ganze Tour beim Klettern dabei habe. Links oben hat sie extra noch hingeschrieben "von Larina für Papi zum Klettern". Soo herzig! |
Turm 1
Zum Auftakt wartet gleich eine der schönsten und nominell schwersten Seillängen der ganzen Tour (6b, allenfalls auch 6a A0). Sie führt entlang von griffigen Rissen und Schuppen, gewürzt mit zwei kniffligen Stellen, die jeweils mit einem BH abgesichert sind. Hat man diesen Eintrittstest gemeistert, so folgt bis kurz unter das Gipfelplateau Cruising-Gelände. Nur gerade in SL 2 stellt sich noch ein kurzes, steiles Piazwändchen (5c+, 1 BH) in den Weg, sowie in SL 6 ein etwas steilerer Aufschwung (5b). Beim Rest handelt es sich weitgehend um teilweise etwas grasiges Kraxelgelände, die Wegführung fand ich offensichtlich. Man kann hier auch gut (und sicher) am langen Seil gemeinsam steigen. An den folgenden Türmen ist dies hingegen ob der verzwickteren Linienführung am Grat und den höheren Schwierigkeiten nicht mehr so gut möglich.
Anyway, kurz vor dem Gipfelplateau wartet in SL 8 noch eine knifflige Abschlussverschneidung (6a, 1 BH), in der man sich nach oben zaubern muss. Ein gutes Pin Scar (eine Art künstlicher Griff durch die früher an dieser Stelle geschlagenen NH) ist dabei dienlich. Leider ist dieses auch die beste Gelegenheit zur Absicherung und wenn einmal ein Cam drin ist, dann ist die Stelle ziemlich griffarm. Houdini-like habe ich es dann doch frei geschafft, aber man beherzige die Empfehlung, zum Freiklettern in diesem Pin Scar nur einen kleinen Keil zu verwenden, und es nicht mit dem 0.3er Camalot zuzustopfen. Nach einer letzten, einfachen SL waren wir nach 2:15 Stunden auf dem Turm 1. Ginge vielleicht auch ein bisschen schneller, ich habe mir die Zeit genommen um alles onsight zu klettern und wegen Stirnlampen-Abwurf habe ich SL 6 auch noch 2x geklettert. In 2 Etappen (12m und 20m an Muniringen, dazwischen einfaches Abkletterstück das man seilfrei machen kann) gelangt man in die Scharte zwischen Turm 1 und 2. Dies nahm eine weitere Viertelstunde in Anspruch, so dass wir nach 2:30 Stunden um 8.00 Uhr am Turm 2 angreifen konnten.
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Diese Querung an die rechte Schuppe ist wohl die Crux in SL 1 (6b)?!? |
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Tobias folgt in SL 1 (6b), gleich ein toller Auftakt, aber auch ein bisschen ein Kaltstart. |
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Die offene Verschneidung mit dem dünnen Riss im Grund, Ausstiegslänge auf Turm 1 (6a). |
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Zum ersten Mal oben an diesem Tag: Turm 1. Dazu fantastisches Panorama mit Galen- und Dammastock. |
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Abseilerei in 2 Etappen am Turm 1. |
Turm 2
Und daselbst wartet zum Auftakt eine steile, schöne Risslänge im Grad 5c. Ein paar Rostgurken stecken, selber absichern sollte man auch. Und dann folgt der Holzkeilriss (6a): von weitem sieht dieser breite Schlitz recht respekteinflössend aus, er klettert sich dann aber doch ganz ordentlich. Der Fels nebem dem Riss weist teilweise sehr coole Strukturen auf, nur für ein relativ kurzes Stück muss in Offwidth-Manier gerampft werden. Auf beinahe 50m stecken 3 BH, sowie auch noch einige alte Holzkeile, die man gerne benützt, da gerade dort nichts gelegt werden kann. Auf weite Strecken bringt man aber doch immer mal wieder einen Cam unter, einfach das Pulver nicht zu früh verschiessen! Nach dieser Sequenz folgt ein kurzes 4b-Stück auf den Grat, dann mal einfach hintenrum zum Ausstiegsstand der
GKG. Die nächste, SL 4 am Turm 2, bietet sehr schöne, steil-griffige Risse (5b). Zuletzt dann noch ein kurzer Boulderzug nach dem Stand, ein Wändchen und man spaziert bald auf das grossräumige Gipfelplateau von Turm 2. Hier könnte man hervorragend biwakieren, wenn man denn wollte. Für uns ist das nicht nötig, in etwa 1:40 Stunden waren wir von der Scharte hochgeklettert, es war jetzt 9:40 Uhr und erst Zeit für den Znüni. Danach geht's abseilend erst 10m runter auf ein Plateau, und dann volle 50m in die Scharte 2/3, wo wir 25 Minuten später (tja war ein ausgiebiger Znüni...) um 10:05 Uhr wieder bereit zum Angriff waren.
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Route am Turm 2: erst die mittlere der 3 Verschneidungen, danach der markante Riss in Bildmitte. |
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Nachstieg in SL1 am Turm 2, eine schöne 5c. |
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Yours truly im Holzkeilriss (6a). Warum offwidth schrubben, wenn man auch die Wand daneben klettern kann...?!? |
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Zwischensicherung im Holzkeilriss. Hier passt aber auch der 3er-Camalot. |
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Bisschen besser erhaltenes Modell, an der unangenehmsten Stelle. Hier passt der 3er-Camalot nicht, und zum nächsten BH sind es nochmals 2-3m, die man hier obligatorisch schrubben muss. |
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Tobias in SL 3 (4b) am Turm 2, danach folgt hintenrum Gehgelände. |
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Super Panorama und Traumwetter, alleine am Grat. Was will man mehr? Ende von SL 4 (5b) am Turm 2. |
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Letzte SL (5b) am Turm 2. Boulder am Anfang, dann dieses Wändchen, 3m höher dann links um die Ecke. |
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Tobias am Gipfel von Turm 2, hier gäbe es super Biwakmöglichkeiten für fast beliebig viele Leute. |
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Gegenperspektive mit Blick aufs Restprogramm. |
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Exponierter 50m-Abseiler am Turm 2. Hier wieder raufzuklettern wäre äusserst anspruchsvoll. |
Turm 3
Hier gibt es zum Auftakt eine gemütliche 4c, und auch die zweite SL bietet viel Gehgelände. Doch an deren Anfang ist auch dieses kleine, giftige Wändchen, im Topo lapidar mit 6a+ bewertet. Also ehrlich, mit einer 6a+ hat das ungefähr so viel zu tun wie ein Gummiboot mit einem Öltanker, auch wenn es noch so banal aussieht. Ich denke, dass die 6a+ in freier Kletterei kaum als
Fb-Boulderbewertung hinkommt. In Routenbewertung sicherlich mindestens eine 6c mit Tendenz in Richtung 7a. Nach einigem Tüfteln konnte ich die Stelle ziehen, die meisten Begeher werden sich hier sicher A0 durchmogeln, was dank eng steckender BH und NH gut möglich ist. Nach dieser Stelle kommt ein Stand an einer Zacke, noch rasch eine kurze Verschneidung (4b) und dann vor allem leichtes auf-und-ab Kraxelgelände, bis auf den Abschlussboulder auf den Gipfelblock (5a). Um etwa 10.55 Uhr waren wir bereits am Gipfel und nach einem 40m-Abseiler wenige Minuten später in der Scharte 3/4 wieder einsatzbereit.
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Schattenwurf vom Grat im Voralptal, die 6 Türme sind klar erkennbar. |
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Dieses unscheinbare Wändchen (SL 2 an Turm 3) ist ohne Witz eine der schwersten Freikletterstellen am Grat. Die Bewertung von 6a+ ist auf jeden Fall mit Garantie viel zu tief. Es ist übrigens etwas höher und steiler, als es hier den Anschein macht. |
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Die nächste Seillänge (4b) führt mit etwas auf und ab dem Grat entlang, und schon bald ist man am Gipfelblock von Turm 3. |
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Rückblick auf Turm 3, über diese Wand wird 40m in die Scharte 3/4 abgeseilt. |
Turm 4
An diesem Turm warten sehr schöne Klettermeter. Zum Auftakt eine kurze Rechtsquerung und danach schöne, griffige Risskletterei (5a) bis zu einem Absatz auf dem Grat. Dann hat SL 2 wieder ein giftiges Wändchen zu Beginn, dieses Mal mit 6b bewertet. Mit zwei, drei Fingerklemmern und geschicktem Hooken lässt es sich frei bewältigen. Auch nicht einfach, aber doch deutlich weniger fordernd wie die ähnliche Stelle am Turm 3. Bald ist man wieder auf einem Gratabsatz mit bequemem Stand, von welchem ich Tobias zuschauen darf, wie er sich im folgenden Schinderriss (5c) mit angehängtem Rucksack abquält. Irgendwie geht's aber doch besser als man meinen könnte, auch die Absicherung ist im grünen Bereich. Vom nächsten Absatz folgt dann vielleicht die schönste Länge am ganzen Grat (5c+). Sie bietet sehr steile, ausdauernde Kletterei an griffigen Rissen und Schuppen, echt fantastisch. Hier und da steckt kreuz und quer noch eine Rostgurke. Bezüglich Seilzug viel angenehmer und bestimmt auch sicherer ist es, diese gar nicht zu beachten und selber ein paar Friends zu "schoppä" (sehr gut möglich). Um 12.15 Uhr sind wir unter dem Gipfel von Turm 4 (die höchste Spitze betritt man nicht) und seilen nordwärts 45m zum Hotel Salbit ab.
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Tobias startet mit kurzer Rechtsquerung in SL 1 (5a) am Turm 4. |
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Die nächste Länge beginnt wieder mit einem Boulder-Wändchen. Geschenkt ist es nicht, die Bewertung von 6b könnte hinkommen. Auf jeden Fall aber deutlich leichter wie die Stelle an Turm 3. Und man sieht's, A0 ist auch möglich. |
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Ein Highlight am Turm 4, der Schinderriss (SL 3, 5c). Geht aber deutlich besser, als man befürchten könnte. |
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Gegenperspektive, der Schinderriss ist leicht überhängend, man sei sich dessen bewusst. |
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Vielleicht die beste Länge am Grat, SL 4 am Turm 4 (5c+). Super steile Risskletterei, kommt auf dem Foto leider nicht so zur Geltung. |
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Wieder mal oben (oder auch nicht ganz): beim Abseilpunkt unterhalb des Gipfels von Turm 4. |
Turm 5
Nur wenige Minuten später nimmt Tobias die Verschneidung in die eigentliche Scharte 4/5 in Angriff, bald haben wir diesen geräumigen Platz erreicht. Die nächste SL ist nur gerade mit 4c bewertet. Fand ich aber deutlich schwerer wie andere, gleich bewertete am Grat. Eventuell habe ich aber auch nicht die korrekte Linie erwischt, mehrere Variante dürften hier möglich sein. Nach gut 50m kommt man wieder zum Grat hoch, ein einzelner BH (plus Verstärkung) bietet sich zum Stand an. Nun folgt in SL 3 die Stelle, welche früher horizontal an einem (inzwischen ausgenagelten) Hakenriss geklettert wurde. Heutzutage klettert man einige Meter tiefer auf der Platte, zuerst diagonal ab, dann wieder diagonal rauf. Das ist etwas kühn, denn stecken tut rein gar nix und man braucht etwas das Auge für die einfachste Linie. Ist aber super cool! Zum Klettern ist diese Stelle ziemlich easy (vielleicht so 5b), die schwersten Meter dieser 5c+-Länge kommen nämlich erst, wenn man wieder gemeinsam mit der ursprünglichen Linie unterwegs ist. Als Schlussbouquet am Turm 5 kommt dann noch eine sehr schöne, steile und selber abzusichernde Rissverschneidung. Um 13.45 Uhr hatten wir den Turm erreicht und machen mit dem Gipfel in Sicht nochmals eine Pause, bevor wir 15m in die Scharte 5/6 abseilen.
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Gar nicht so banal, die SL von der Scharte 4/5 weg (4c). |
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Tobias in der kühnen Plattenquerung unter dem ausgenagelten Hakenriss, SL 3 an Turm 5 (5c+). |
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Und hier noch die tolle Ausstiegsverschneidung von Turm 5 (5c). |
Turm 6 bzw. Hauptgipfel
Vom tiefsten Punkt gilt es erst noch 20m einfach aber exponiert rüberzubarfüsseln, bis der Kettenstand vor dem "Pendelquergang" erreicht ist. Um 14.05 Uhr wird der Vorsteiger dort 6m abgelassen (abklettern wäre auch möglich) und kriegt dann eine griffige Schuppe zu fassen, die in einen etwas unschönen, sandig-grasigen Riss leitet, der mit 4c eher unterbewertet ist. Diesem entlang bis rauf auf den Grat und zu BH am Fuss der A1-Stelle. Hat der Vorsteiger mit zuverlässigen Sicherungen vorgesorgt, so kann der Nachsteiger sich für den "Pendler" einfach ins Seil hängen, ansonsten lässt man sich halt am Seilschwanz ab. Nächster Programmpunkt war dann die BH-Leiter. Frei angeblich nur eine 7a, jedoch in saumässig glattem Granit und sehr griffarm. Hatte ich "im Trockenen" noch damit geliebäugelt, auch diese Stelle freizuklettern, schien mir dies hier nun doch unrealistisch. Nach bereits 32 SL und 9 Stunden in den Kletterfinken fehlte mir schlicht die Sensibilität in den Füssen, um noch einen Plattengang an meiner Grenze machen zu können und ich turnte die doch recht weit voneinander entfernten BH rauf.
Wir bezogen danach den empfohlenen, aber sehr schlechten Zwischenstand (wackliger NH, kann mit Cam verstärkt werden). Die darauf folgende 6a-Seillänge entlang der Kante sieht sehr imposant aus und ist dann tatsächlich auch die kühnste Stelle der Route. Man turnt und hangelt dem Grat entlang, die Füsse stellt man glatt auf Reibung. Auf 30m Strecke hat es gerade mal 2 BH, und zusätzlich Legen ist hier ziemlich Fehlanzeige. Ist dieses Testpiece gemeistert, folgt ein Muniring am Grat. Hier gilt es sich dann zu entscheiden, ob man links oder rechtsrum weitergeht. Die Topos sind hier undetailliert und geben keine klare Antwort. Links sieht's aber ungut aus, rechts folgt eine Querung und dann nochmals eine steile 15m-Verschneidung zum Grat hoch, wo man gut nochmals eine 5c+ vergeben könnte. Ich bin echt nicht sicher, ob diese Stelle Pflicht oder Kür war. Damit ist es dann aber fast geschafft, ein kurzer Aufschwung (5a) wartet noch zu Beginn der nächsten SL. Von dort fehlen nur noch ca. 50m, und man erreicht in nordseitiger Umgehung der Gipfelnadel auf etwas schuttigen Bändern das Gipfelbuch. Es wird doch 15.30 Uhr, bis wir da abklatschen können, die letzten Längen waren durchaus nochmals fordernd, macht also gerade 10 Stunden Totalzeit.
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Kurzes Barfuss-Intermezzo aus der Scharte 5/6, bevor der Ernst wieder beginnt. |
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Tobias im Plattenriss nach dem Pendelquergang, nur gerade mit 4c bewertet. |
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Die A1-Hakenleiter auf der arschglatten 7a-Platte. Ein paar Mal kräftig melken hilft... |
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Der kühne Kantenhangel (6a) nach der Hakenleiter sieht hier banal aus. Achtung, es täuscht. |
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Beinahe schon auf der Zielgeraden, nur noch 1 Seillänge fehlt. Ähm, ist die spezielle Beinkleidung schon aufgefallen? |
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Die letzte, ernsthafte Kletterstelle (mit 5a bewertet) vor der Gipfelnadel. |
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Das ist die Gipfelnadel von Westen gesehen. Man umgeht sie links im schuttigen Kraxelgelände. |
Gipfelnadel und Abstieg
Tobias hat die Gipfelnadel bereits bestiegen und meint, dass er da nicht mehr unbedingt hochmüsse. Meinereiner hat am Salbit bisher nur Wandrouten geklettert (Hammerbruch, 2x Villiger, GKG) und lässt sich dieses Kabinettstücklein nach einer Verpflegungspause nicht nehmen. Zwar nur eine 5a, aber eigentlich ohne Sicherungsmöglichkeit und darum durchaus irgendwie expo. Nach etwas posieren seile ich ab, dann endlich Schuhe wechseln und ab nach Hause. Wir verweilen uns nicht mehr lange, brechen um 16.00 Uhr auf. Der Abstieg ist rot markiert und dem Grat entlang teilweise mit Stahlseilen versehen. Diese brauchen wir nicht, die Abstiegs-Crux kommt sowieso erst danach, als man auf doch recht steile Schneefelder wechseln muss. Selbstbewusst sind wir in halbhohen Zustiegsschuhen angetrabt, und den empfohlenen Pickel wollten wir auch nicht über die Westgrattürme schleppen. Dank weichem, trittigem Schnee und vorhandenen Spuren geht es dann tatsächlich problemlos, und schon bald können wir noch alles komplett im Schnee in Richtung Hütte abrutschen.
Für die 900hm bis zur Hütte brauchen wir gerade knapp 1 Stunde und sind um 17.00 Uhr da. Die Hüttenwartin eilt bereits mit erhobenem Daumen zur Gratulation herbei und serviert Getränke und Salznüssli. Das ist einmal ein Empfang, wow! Herzlichen Dank für diese Gastfreundschaft! Wir geniessen auf der Terrasse noch die letzten Sonnenstrahlen, packen unsere Rucksäcke und brechen dann nach einer guten halben Stunde wieder auf. Noch eine Stunde Abstieg über den steilen, treppenartigen Weg wartet, um 18.30 Uhr sind wir wieder im Tal. Für mich wird es tatsächlich reichen, um den Kindern noch das Schlaflied zu singen (1 Stunde spielen gab's dann ausnahmsweise auch noch...) und auch Tobias wird bei etwas weiterem Heimweg noch am selben Tag ins Bett kommen. Das hät gfägt, besten Dank allen Beteiligten!
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Gipfelnadel rauf (5a, expo)... |
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...und Gipfelnadel runter. |
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Der Abstieg erst dem Grat entlang, dann kurz heikel beim Wechsel auf den Schnee. Ziemlich expo hier, ausrutschen wäre fatal. |
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Dann aber super Surf im weichen Schnee... |
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Die Einbruchgefahr in den Bach ist zu beachten, man halte sich besser an den Rand und im Zweifel in die Felsen. |
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Noch rutschbar bis fast zur Hütte runter! |
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Für die letzte Etappe gibt's dann noch beidseitig kurze Hosen, sie ist eh für die Tonne... |
Infos
Salbit - Westgrat 7a bzw. 6b/A1 (6a obl.) - 36 SL, ca. 1000m - Favre/Favre/Henchoz 1948 - *****, x(xx)
Material: 12 Express, Camalots 0.3-3, evtl. Klemmkeile, 2x50m-Seile
Schönheit: Es handelt sich um eine grandiose und weltbekannte Route über 6 Granittürme und rund 1000m Kletterlänge. Also etwas einzigartiges, die Superlative sind daher sicher gerechtfertigt und ich vergebe gerne die 5 Sterne. Dennoch ist es so, dass es rein klettertechnisch auch etliche Seillängen hat, die nur Durchschnitt sind. Die Highlights sind die Startseillänge am Turm 1, der Holzkeilriss am Turm 2, der Schinderriss und die oberste Seillänge an Turm 4, die kühne Querung und die Ausstiegslänge am Turm 5 und die Gegendruck-Kante an der Gipfelwand. Summa summarum also etwa gleich viele wie in einer guten Wand- bzw. Turmroute am Salbit. Mit einer Via Hammerbruch, GKG oder dem Villiger-Pfeiler ist man also sicher ebenso bedient.
Absicherung: In den 36 SL stecken gerade mal ca. 20 BH in der Form von Zwischensicherungen. Auch wenn hier und da noch einige alte, schlechte Rostgurken und sogar Holzkeile vorhanden sind, so muss die Tour doch auf weitesten Strecken selber abgesichert werden. Dies ist aber an fast allen schweren Kletterstellen beinahe uneingeschränkt möglich. Ich empfand ein Set Camalots von 0.3-3 als ausreichend, einen Klemmkeil habe ich nur 1x gesetzt, als ich im Holzkeilriss die Friends sparen wollte (wäre aber nicht nötig gewesen). An den Ständen stecken oft (aber längst nicht immer) Muniringe. Hier und da muss ein Stand an Felszacken selbst eingerichtet werden, oder dann müssen einzelne BH oder NH mit eigenen Mitteln verstärkt werden. Insgesamt handelt es sich durch und durch um eine Alpintour, mit Plaisir und konsumfertiger Absicherung hat das nix zu tun.
Zeitbudget: Als offizielle Zeitangabe im steht im Führer eine Kletterzeit von 12-16 Stunden. Wie man meinem Text entnehmen kann, brauchten wir rund 10 Stunden. Hier noch 1-2 Stunden abzuzwacken wäre mit Hetzen und völligem Verzicht auf Freikletterambitionen bestimmt möglich gewesen. Aber ich war ja zum Klettern und zum Genuss am Grat, und nicht um einen (Nicht-)Rekord aufzustellen. Ob man jetzt 9 oder 10 Stunden hat, ist angesichts des
Seilschafts-Rekords von 2:18 Stunden, oder gar des
Solo-Rekords von unglaublichen 1:35 Stunden sowieso unerheblich.
Topo: Das beste Topo findet man im Führer
Salbit Erleben, in einigen Ausgaben des
Schweiz Plaisir Ost ist es deckungsgleich abgebildet. Im neuen
Extrem Ost ist die Linie ähnlich klar abgebildet, leider aber fehlen nun die Sicherungssymbole, was ich als kleinen Rückschritt erachte. Für einmal liefert das
Werk von topoguide.de keinen Mehrwert, es ist deutlich weniger informativ, aber immerhin sollte man damit den Weg auch finden. Das Topo im SAC-Führer Urner Alpen 2 würde ich hingegen als unbrauchbar betiteln.
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Super wars! |
Hallo Marcel
AntwortenLöschenDein Bericht hat mich jetzt grad an die guten alten Zeiten erinnert...ich habe die Tour vor über 25 Jahren als 18-Jähriger (Ende September) mit meinem damaligen Kletterkameraden geklettert...wir waren auch etwa 10 h unterwegs...die 7a Platte gab es glaube ich noch nicht... wir sind jedenfalls den Riss links hoch...am Abend um 21:00 wieder in der Hütte...der letzte Zug Göschenen-Zürich fuhr um die selbe Zeit...Handy gab es natürlich noch nicht...die Mutter ohne Nachricht durchlitt Todesängste...
nächste Woche gehe ich mit meiner Tochter in das Göscheneralptal klettern :o)
Danke für Deine immer informativen und tollen Berichte!
Gruss René
Hallo René,
LöschenDie 7a-Platte wurde soweit ich weiss bei der Sanierung anno 1991 eingerichtet. Der Riss links der Kante ist aber sicher auch spannend. Aktuell stecken aber zu wenig Haken, als dann man ihn hochtechen könnte.
Tja, von früher und Eltern benachrichtigen könnte ich auch noch einige Stories erzählen. Weiss noch, wie wir bei einem frühen Wendenbesuch in der Caminando den ganzen Tag von früh bis spät gekämpft haben. Als es dann Zeit war, sind wir runter und auf den Weg nach Hause. In Wassen war die erste Telefonkabine, da haben wir dann nach Hause telefoniert, die Alpinrettung wieder abbestellt, etc.
Beste Grüsse und herzlichen Dank, Marcel
Hallo Marcel
AntwortenLöschenDas wär doch endlich mal ein anständiges Projekt für eine Slacklinetour über die Türme.
Gruss
Bagual
wie immer: toller bericht/bilder! danke.. meine partnerin hat es dir beim nachtessen auf der hütte ja gesagt, ich lese diese immer sehr gerne.
AntwortenLöschenDanke fürs Lob! Habe mich natürlich über das "Bekenntnis" gefreut, ist immer spannend zu erfahren, wer mitliest. Hoffe Eure Tour ist auch gut aufgegangen!
LöschenServus Marcel,
AntwortenLöschensehr guter Artikel und super Bilder!
Ich habe den Grat auch schon einige Jahre auf der Liste und wie das so ist, mittlerweile reizt es mich sehr die Route onsight oder zumindest frei zu klettern. Nach vielem Googlen sprichst du als einzige Quelle von 7a.
(was eigentlich schon mal recht beruhigend ist)
Jetzt würde mich nur brennend interessieren wie ich mir als "Kalk-Kletterer" so eine plattige Salbit-7a vorzustellen habe?
Grüße,
Martin
Hallo Martin,
LöschenIch kann Dir schon sagen, wie Du Dir diese Seillänge vorstellen musst - nämlich als total glatt und absolut griff- und trittlos. So kam es mir zumindest vor. Es ist ja so, dass bei dieser Art von Reibungskletterei der Grad 7a mehr oder weniger die Grenze des Menschenmöglichen darstellt, schwerer bewertete reine Reibungsplatten gibt es ja eigentlich nicht. Ich bin jetzt nicht der super Platten-Reibungskletterer, allzu schlecht kann ich diesen Stil jedoch auch nicht und ich muss sagen, ich war da absolut chancenlos.
Zu berücksichtigen ist auch noch: wer hier freiklettern will, sollte unbedingt ein paar geeignete Schuhe für dieses Vorhaben mitnehmen. Und diese dann natürlich davor nicht einsetzen, nach x Stunden und 30 SL in engen Schuhen geht's wohl auch nicht mehr so gut. An der mentalen Bereitschaft darf es auch nicht fehlen, schliesslich sind bis dahin schon viele Stunden vergangen, zahlreiche Seillängen absolviert und das Ende ist nahe - da noch die Geduld für die Tüftelei auf dieser Platte zu haben, das muss man dann schon richtig wollen.
Doch wer weiss, wer's wirklich kann marschiert da vielleicht auch einfach rauf! Ich wünsche viel Erfolg und freue mich auf eine Rückmeldung wie es war, egal ob es mit dem Rotpunkt geklappt hat oder nicht.
Beste Grüsse, Marcel
Was das Freiklettern am Salbit Westgrat betrifft, ist sicherlich die Einschätzung von Flo Hübschenberger auf Extreme Collect (siehe hier) sehr nützlich:
AntwortenLöschenAbgesehen von den Abseilern an den Türmen alles onsight geklettert. Nach dem Kaltstart in der ersten Sl. an Turm I (7) sind die runden Risse vor Turm III (7++) und eine Gratstelle an Turm IV (7) neben der Reibungs-/Bohrhakenplatte (8) die weiteren giftigen Freiklettermeter. Den Platten-Quergang vor Turm V tief ansetzen (6) und auch der Pendelquergang nach Turm V geht gut frei (7-).