Es ist zwar Mitte Januar, aber irgendwie fühlt es sich wie März an. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, zeigen uns auch die Eiskaskaden. Eine um die andere geht "viel zu früh" von dannen. So zum Beispiel diesen letzten Sonntag der Thron im Avers. Vormittags wurde er, wie auch am Tag zuvor, noch "bei guten Bedingungen" begangen, am Nachmittag war er weg.
Diesen Vorfall möchte ich zum Anlass nehmen, um ein bisschen über das Verhalten des Homo Alpinensis nachzudenken. Dies soll keine Anklage von einzelnen Personen oder Personengruppen sein, und ich nehme mich selber von dieser Kritik auch gar nicht aus. Ich stelle einfach fest, dass die Tourenwahl in diesem verkorksten Winter oft mehr vom Wunschdenken als von der Vernunft geleitet wird. Da werden bei gefährlichen Verhältnissen auf Teufel komm raus steile Skitouren unternommen, mürbe gewordene Eisfälle angepackt und es wird selbst bei üblem Tauwetter in Nordwände eingestiegen.
Dabei sollte die Maxime für die Wahl solch alpiner Unternehmungen nicht lauten "ich will jetzt hin, es wird schon gehen", sondern man sollte sich viel mehr fragen, ob nicht ein besserer Tag kommen wird, wo man die entsprechende Tour bei besseren und vor allem viel sichereren Verhältnissen geniessen kann. Die Tourenwahl sollte doch von den aktuellen Möglichkeiten und Bedingungen geleitet sein, unter dem Bestreben die Risiken bestmöglichst zu minimieren - und nicht in erster Linie von den eigenen Ambitionen. Klar, dies ist derzeit eine bittere Pille, die es zu schlucken gilt, denn die eigentlich idealen Tage für winterliche Klettereien gehen vorbei und kommen diese Saison kaum mehr zurück. Dennoch ist es sicher besser, diese Pille zu schlucken als einen Unfall zu erleiden. Stay safe!
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Tägliche Durchschnittstemperatur mit Max/Min seit Anfang Jahr in Hinterrhein (1620m, ca. 20km vom Thron entfernt). |
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Temperaturverlauf in Hinterrhein am Einsturztag, 12.1.2014. Beide Bilder sind von der Seite wettermelder.sf.tv. |
Ich bin froh, manchmal zu sehen, hören oder wie jetzt gerade zu lesen, dass ich nicht der einzige bin der sich manchmal diese Fragestellungen durch den Kopf gehen lässt.
AntwortenLöschenGelten alpine Grundsätze nicht mehr, die einem jahrelang und gut begründet eingehämmert wurden und beim allseitig beklagten Klimawandel eigentlich mehr Gültigkeit haben denn jeh? Früh aufstehen? Fehlanzeige. Selbst bei Bergführern beobachte ich das zunehmend mit Erstaunen. Da wird z.B.hemmungslos auch erst um 11 Uhr zum Weissmies aufgebrochen!
Bei Stufe "erheblich" werden gemäss Interneteinträgen und eigenen Beobachtungen Skitouren gemacht wo weder die Exposition noch Steilheit eine Rolle zu spielen scheint.
Ich wundere mich je länger desto mehr, dass da nicht (noch) mehr passiert im Gebirge. Oder sind wir zu vorsichtig eingestellt und übertreiben es bei der Gefahrendarstellung? Gibt es wirklich keinen haltbaren Grund um auf eine Finsteraarhornbesteigung um 12.00 Uhr ab der dortigen Hütte zu verzichten wenn plötzlich wieder schönstes Wetter herrscht (nachdem man bei Schneetreiben am Morgen um 6 Uhr auf dem Frühstücksplatz umgekehrt ist)?
Im Klettergarten wird ein Drama veranstaltet wenn an einer Umlenkung nur einen Bohrhaken steckt, im Gebirge (z.B. Schreckhorn) hemmungslos und glücklich über deren Anwesenheit, aber serienweise an einzelnen Bh's abgeseilt wird?
Sommer 2013 in Zermatt: Alles total spitz um auf das Matterhorn zu klimmen, auch wenn es zwei Tage lang schneite bis auf 3000 Meter runter. Sind das alles Superalpinisten oder Realitätsverweigerer?
Da wird viel über Bergsteigen und Gefahren-, resp. Risikomanagement geplaudert. Denoch ereichen im Schnitt nur 1/3 der nicht von Bergführern begleiteten Alpinisten den Gipfel des Mt. Blanc (F.Damilano, Mt.Blanc 2004) Ich hatte bei drei Anläufen drei mal Erfolg und nicht nur auf dem "Normalweg". Warum? Um den vergleichbar harmlosen Glärnisch, resp. das Vrenelisgärtli zu erklimmen hatte ich aber 4 Anläufe gebraucht! Warum? Jawohl, ich verwendete nicht die selben Kriterien um eine erfolgreiche Besteigung durchzuziehen, sondern setzte mehr auf Risiko (Wetterglück, oder im meinem Fall halt Wetterpech).
Bei Lawinengefahr auf Lawinenglück oder -Pech sowie im Eisklettern auf "hält es" oder "hält es nicht" zu setzten ist meiner Meinung nach ein sehr riskantes Spiel mit hohem Einsatz.
Das Dumme ist halt einfach, es gibt Gipfel auf denen ein Bergsteiger gestanden hanben MUSS sonst hat er die nötige Anerkennung nicht (wir wollen alle geliebt werden...) Und wenn bei einer Unternehmung der Einsatz, die Gefahr, das Risiko und die Schwierigkeiten hoch sind, ist die Befriedigung für einem selbst, beim Gelingen derselben ungleich höher (uuuh der heikle Schritt, 10 Meter über dem wackeligen Keil und das bei vereistem Fels, ich darf nicht daran Denken....)!
Der Mensch ist ein eigenartiges Wesen, und wenn er sich noch mit so absolut nicht weltverändernden Taten wie einer solo-Durchsteigung der Annapurna-S-Wand in Lebensgefahr begibt (Steck, 2013) ist dieses Wesen sowieso kaum begreifbar!
Soll mich jetzt nur keiner Fragen warum ich in die Berge gehe, schwitze, Bohrmaschine hochziehe, mir die Füsse in den Finkli beinahe absterben, friere, mich ängstige mich freue, mich ärgere, auf Endeckungsreise gehe, schon wieder die volle Kletterhalle Besuche, 4 Stunde Autofahre (welch unkalkulierbares Risiko...) für 1'200 Meter Skiaufstieg und -abfahrt...
Herzlich
Patrik Müller