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Montag, 30. Juni 2014

Grand Capucin - Schweizerführe (6b)

Angereist waren wir ja eigentlich für den Grand Capucin, doch nachdem wir im Vorfeld ausschliesslich negative Signale zur Begehbarkeit erhalten hatten und selbst an der Aiguille du Midi auf störende Schneereste gestossen waren, hatten wir mit dem Thema eigentlich schon abgeschlossen. In der Hütte trafen wir dann aber auf zwei Kletterer aus Zürich, welche uns ihre Pläne am Grand Capucin schilderten. Sie hatten bereits vor Ort einen Augenschein geworfen und bezeugten die Machbarkeit. Das tönte natürlich wie Musik in unseren Ohren, denn schliesslich ist der Grand Capucin ja der höchste, schönste und steilste der Felstürme im Cirque Maudit. Auf die ursprünglich geplante Bonattiführe wollten wir aber trotzdem verzichten, denn einerseits verläuft sie auf der Ostseite, wo noch mehr Schneeresten vorhanden waren und tageszeitlich viel früher Schmelzwasserstreifen auftreten. Andererseits sind dort auch die Rückzugsmöglichkeiten eher umständlich, d.h. es ist eher ein Ziel das man angeht, wenn wirklich alle Vorzeichen auf grün stehen.

Mit grummelndem Bauch unterwegs in den Cirque Maudit, der Grand Capucin ragt mittig in den Himmel hinein.
Um 4.00 Uhr schellte der Wecker, und noch ziemlich verschlafen nahmen wir das Frühstück ein. Wir einigten uns auf einen Versuch in der O Sole Mio, welche ich zwei Jahre zuvor bereits partiell begangen hatte. Der Erstbegeher Michel Piola lobt sie als schönste Tour am Berg, von den Schwierigkeiten her ist sie zugänglich und mein Reinschnuppern hatte diesen Eindruck bestätigt. Wie schnell Pläne im Gebirge zur Makulatur werden können, zeigte sich schon bald nach dem Aufbruch. Ich wurde urplötzlich von heftigen Verdauungsbeschwerden befallen, etwas am Frühstück war da offenbar gar nicht bekömmlich gewesen. Mit bereits einigen Zwischenstopps erreichten wir den Petit Flambeau und fuhren dann nordwärts in den Cirque Maudit ab. Dort ging's dann endgültig rund und es schien für mich mehr nach Abbruch der Tour hinauszulaufen, denn eigentlich gehörte ich auf die Toilette oder ins Bett, aber sicher nicht auf einen Gletscher oder gar an den Grand Capucin. Dies hätte aber einen sofortigen Wiederaufstieg von 200hm bedingt, wozu ich mich auch nicht wirklich in der Lage fühlte. So harrten wir erst einmal aus, ich drapierte währenddessen den strahlend weissen Gletscher mit einigen unschönen Farbnoten, und fellten schliesslich in Zeitlupe über den flachen, teils aber von riesigen, noch verschneiten Spalten durchzogenen Gletscher dem Grand Capucin entgegen. Wer wusste schon, ob sich die Sache nicht so rasch wieder abklang, wie sie aufgezogen war.

Zustiegsübersicht: den Spuren entlang kommt man vom Rifugio Torino bzw. Petit Flambeau in den Cirque Maudit.
In der Tat beruhigten sich meine Gedärme etwas, als wir uns dem Wandfuss näherten. Durch die vielen Stopps war es bereits 7.00 Uhr, natürlich noch früh genug für einen Versuch, aber seit dem Aufstehen war definitiv viel zu viel Zeit verstrichen. Wir deponierten die Ski, schnallten die Steigeisen an und machten uns auf den Weg hinauf zum Einstieg. Dazu passiert man erst einmal zwei eindrückliche, aufeinander folgende Bergschründe und steigt dann durch das rund 45 Grad steile Couloir des Aiguilettes hervor. Inzwischen hatte die Sonne bereits eine beachtliche Kraft entwickelt und der Schnee begann schon aufzuweichen. Momentan waren die Verhältnisse noch sicher und auch die Gefahr von fallenden Steinen sowie Schneerutschen war noch gebannt. Trotzdem, viel später sollte man hier aus Sicherheitsgründen nicht aufsteigen. Beruhigt stellten wir fest, dass rechts (d.h. an der orografisch linken Couloir-Begrenzung) zahlreiche BH-Stände vorhanden waren, welche uns später eine bequeme und sichere Abseil-Rückkehr ermöglichen würden. Etwas fraglich blieb hingegen, wo denn der Einstieg zur Route zu finden wäre. An einer Stelle, wo der Wechsel auf den Fels gut möglich schien, gewannen wir in etwas Mixed-Kletterei einen BH-Stand, von wo es dann mit den Kletterfinken weiterging. In Retrospekt wurde klar, dass wir damit bereits 50-80m vor dem offiziellen Beginn im Fels unterwegs waren, dennoch war unsere Entscheidung absolut korrekt. An dieser Stelle gilt es nicht pfannenfertige Rezepte und Topos einzuhalten, sondern es muss jeder die aktuellen Bedingungen richtig einschätzen und die beste bzw. sicherste Art der Fortbewegung wählen. Ein paar Minuten vor 8.00 Uhr ging es dann mit den Kletterfinken los. Zuerst warteten einmal volle 50m Kletterei im vierten Grad, der Fels noch nicht von bester Qualität aber trotzdem nicht schlecht. Dort stellten wir dann fest, dass wir den eigentlichen Beginn der Route O Sole Mio erreicht hatten.

Hinauf durchs später am Tag steinschlägige und lawinöse Schneecouloir zum Einstieg der Schweizerführe und O Sole Mio.
Die Szenerie hier ist absolut fantastisch. Vor der Nase der Punkt, wo wir vom Schnee auf den Fels wechselten.
Das einfache Klettergelände im 3./4. Grad, noch bevor die eigentlichen Routen anfangen. Guter Granit, selber abzusichern.
Routenbeschreibung O Sole Mio

L1, 50m, 5a: Etwas linkshaltend geht es hinauf, die Linie ergibt sich dabei von selbst. Es steckt keinerlei fixes Material, aber wenn man sich einfach in Richtung des weiter oben folgenden, markanten Risses in der orangen Wand hält, wird man unweigerlich auf den Stand treffen.

L2, 30m, 5c+: Für mich stellte sich nun hier die Frage, wo es denn überhaupt langgeht. Gemäss dem alten Piola-Topo sollte ein eingravierter Pfeil auf den richtigen Weg hinweisen, diesen konnte ich jedoch nicht identifizieren. So stieg ich schliesslich an sehr schönen, aber doch manchmal etwas hohlen Schuppen gerade hinauf. Stecken tut wiederum nix, es ist also durchaus etwas kühn - insbesondere auch wegen der Ungewissheit, ob es der richtige Weg ist. War es aber, nach 30m traf ich dann auf die Stand-BH.

L3, 50m, 6b: Nun folgte bereits das Pièce de Resistance und für uns das Ende der Tour. In etwas plattiger Wandkletterei (1 BH) muss man einen breiten Riss gewinnen, der erst als eine Art seichte, runde Wasserrinne daherkommt und sich später zum Fingerriss verengt. Dies ist sicher schon in trockenem Zustand und mit dem richtigen Gear nicht leicht. Leider rann in diesem Riss Wasser, und der orange Granit, welcher auch schon trocken manchmal etwas glitschig ist, fühlte sich wie Schmierseife an. Zudem sind hier 1-2 Camalots der Grösse 4 mitzuführen, wenn man die Wasserrinne absichern will. Zu dumm, dass an meinem Gurt maximal der 3er baumelte. Mit Techno-Basteln war also nix, und der 10m-Runout an der feuchten Wasserrinne war auch keine Option.

Sehr schöne, ja gar fantastische Kletterei in der cleanen L2 (5c+) von O Sole Mio. Leider ging's danach nicht weiter. 
Somit waren wir hier also angebrannt - durchaus etwas schade, aber wie sich danach zeigte, war es nicht die einzige Stelle, welche unpassierbar gewesen wäre. Auf der Terrasse nach L5 lag noch so viel Schnee, dass der Stand und die ersten 10m der folgenden Länge nicht kletterbar waren. Und eine Seillänge weiter oben, am etwas schattseitig gelegenen Anfang von L7 (6b+) war auch noch viel Restschnee vorhanden, auch hier wäre man nicht durchgekommen. Somit das Fazit, in der O Sole Mio muss man anfangs Saison nichts wollen, die ist erst im Juli und August gut. Wir zogen hingegen einen 50m-Abseiler, quasi zurück auf Feld 1 und Neustart in der Schweizerführe. Bis dorthin, wo meine Routenbeschreibung beginnt, wären von unserem Schuhdepot schon ca. 80m in leichterem Fels (3./4. Grad) zu klettern.

Routenbeschreibung Schweizerführe

L1, 25m, 5c+: Sehr schöne Platte mit zwei parallelen Rissen, Crux ist der Schritt nach rechts. Zum Schluss steigt man auf ein Podest aus, welches auch noch etwas schneebedeckt war. Links herum gibt es übrigens auch einen einfacheren, weniger kompakten Weg (nicht empfehlenswert).

L2, 40m, 6b: Hmhm, wo geht es hier lang? Logisch scheint der gerade Riss direkt über dem Stand. Andererseits gibt es auch links ein Risssystem, welches eher einfacher aussieht. Nur ist es dort etwas fraglich, ob man unter dem Stand wieder nach rechts zurückqueren kann. Ich entscheide mich für den geraden Riss, wohl die Originallinie, die früher stark eingenagelt war. Heute gibt es auf dessen ganzer Länge nur noch 2 NH, der Rest ist clean. Die Kletterei ist echt knifflig, der Riss oft nicht sonderlich griffig und die Wand daneben auch eher strukturarm. Sicher eine solide 6b, ich musste mich echt anstrengen! Der Weg linksherum ist übrigens tatsächlich deutlich einfacher und checkt maximal bei 6a ein, die Rückquerung an den Stand ist wohl die Crux, geht aber gut.

Im direkten, eher glatten Riss von L2 (6b) muss man sich ziemlich strecken, sichern muss man auch selber. Bild: Xavier G.
Und Kathrin hat dann dieselbe Aufgabe vor sich, mit dem Unterschied, dass sie die Sicherungen rausfummeln muss...
L3, 40m, 5c: Steiler, aber griffiger Start, bei dem sogar noch ein paar Gurken stecken. Danach in der breiten Verschneidung/Rinne aufwärts. Hier kann man dann zügig Meter machen, es warten keine besonderen Schwierigkeiten. Der Stand befindet sich links auf einer bequemen, kleinen Terrasse.

L4, 35m, 5b: Weiter direkt durch die grosse Verschneidungsrinne. Verirren kann man sich hier nicht, für die beste Linie braucht es doch etwas ein Auge. In dieser Länge steckt nun wiederum praktisch kein fixes Material. Der Stand befindet sich dann direkt in der Rinne, auf Höhe der bequemen Terrasse nach L5 von O Sole Mio. Hier könnte man die Route bequem wechseln - allerdings war genau diese Terrasse noch sehr tief verschneit.

Kathrin kurz vor dem Stand in L4 (5b). Die Szenerie ist einfach umwerfend, die Qualität des Granits ebenso.
L5, 40m, 6a: In offensichtlicher Linie geht's geradeaus weiter, erst einfach, dann steiler. Man gelangt schliesslich auf ein kleines Podest, hier gibt es einen schlechten Stand an 3 NH links um die Ecke. Diesen lässt man bevorzugt aus und klettert weiter an steilen, aber gut griffigen Rissen hinauf. Der Stand an 2 BH mit Kette befindet sich dann rechts der Kante.

L6, 20m, 6a+: Nun wartet der fantastische Handriss gleich oberhalb vom Stand. Der orangefarbene Fels ist perfekt, fühlt sich aber etwas glitschig an und der cleane Riss ist alles andere als einfach. Danach gibt es zwei Varianten: man steigt entweder gerade hinauf und erreicht einen weiteren Kettenstand, bevor die Technolänge der Schweizerführe nach rechts abzweigt. Alternativ (unsere Variante), nach dem Handriss links hinaus, zum BH-Stand der O Sole Mio.

Nach dem etwas glitschigen und schwierigen Handriss von L6 (6a+) der Wechsel nach links hinaus in die O Sole Mio.
L7, 40m, 6a+: Über die O Sole Mio wollten wir nämlich aussteigen. Der freie Durchstieg zum Grand Capucin ist doch reizvoller wie die Hakenzieherei über ein mühsames Dach, zudem sind die beiden Längen der O Sole Mio wirklich allererste Sahne. Vom Stand weg in griffiger Wandkletterei (2 BH) leicht nach rechts zum Riss, welchen man in steiler, selbst abzusichernder Kletterei zum Stand unter einem dunklen, düsteren Kamin-Schlitz verfolgt.

L8, 35m, 6a+: Nun geht es aber zum Glück nicht in diesen Kamin hinauf, sondern links hinaus in die strukturierte, orange Wand (2 BH). Danach muss man dann selber absichern, die Kletterei ist aber echt genial, und in einer super Position. Zuletzt nochmals an NH & BH vorbei zum Stand am Beginn des Gipfeldachs.

Yours truly (wenn man nicht so genau hinschaut beinahe wie Alex Huber) on lead in der fantastischen L7 (6a+). Bild: Rainer W.
Perfekter Granit in der Ausstiegsplatte von L8 (6a+), die alpine Szenerie dahinter ist einfach unschlagbar. Grosses Kino!
L9, 40m, 4b: Hier könnte man nun in direkter Linie gegen den Vorgipfelturm hin aufsteigen. Könnte, denn hier lag noch einiges an Schnee. In einer Rechtstraverse konnte man diesen untenrum gerade so ausweichen, das Problem war dabei nur, dass nun auch massiv Schmelzwasser über die Platten zu rinnen begann. Rechts an der Kante zur SE-Wand findet man dann nochmals einen BH-Stand.

L10, 20m, 4a: Nun wartet noch eine kurze, schnelle und einfache Seillänge zum Gipfel, welcher nur durch einen schmalen Grat gebildet wird.

Blick vom Stand nach L8 auf das Restprogramm von L9 & L10. Der Schnee war doch erheblich störend...
Um 15.00 Uhr hatten wir doch noch das Top erreicht. Glücklicherweise war meine Magenverstimmung kein wesentlicher Faktor mehr gewesen. Weil ich nach dem Event weder weitere Nahrung noch Tranksame zu mir genommen hatte, herrschte Ruhe. Kathrin war aufgrund von Höhe und Anstrengung doch ziemlich platt, vor dem Gipfel aufzugeben wäre allerdings auch schade gewesen. Mit uns am Top war ein französischer Führer mit seinem Gast. Diese schafften es doch tatsächlich, ihr Seil unangebunden in die Tiefe zu werfen! Nun, auf der Gipfelabdachung kommt man damit zu ihrem Glück nicht allzu weit, so dass wir bei der Bergung behilflich sein konnten. Leider machten wir dann den Fehler, noch etwas das Gipfelglück zu geniessen und den beiden den Vortritt zu lassen. Beim Abseilen stellten sie sich nämlich komplett dilettantisch an, zum Glück konnten wie sie nach ein paar Manövern durch Benützung eines Zwischenstands überholen. Schliesslich kamen sie mehr als 2 Stunden nach uns im Rifugio Torino an, incroyable! Abgeseilt wurde natürlich über die Route, denn wir mussten ja wieder unsere Schuhe auflesen. Dies ging gut, allerdings rannen nun schon massive Schmelzwasserbäche über die Route. Ein Seilverhänger wäre echt kritisch gewesen, da ein Aufstieg zur Bergung schon kaum mehr möglich gewesen wäre. Doch dieses Szenario trat nicht ein, nur der letzte Teil im einfachen Klettergelände und entlang der Randfelsen des Couloirs erforderte dann etwas Seilpflege. Das grosse Bergschrund-System liess sich abseilend trotz dem weichen Schnee dann vernünftig passieren. 

Das letzte Stück könnte man auch als Mixed-Kletterei mit Kletterfinken bezeichnen. Einfach immer dem Fels nach...
Der Wandfuss hatte uns also wieder, wir stiegen auf die Skis und konnten in dieser einmaligen Szenerie noch ein paar schöne Linien in den weichen, aber kompakten Sommerschnee legen. Schliesslich war der Anfellpunkt erreicht, und die Pflichtaufgabe zum Petit Flambeau stand noch bevor. Dank etwas leichterem Gepäck und bereits verbesserter Akklimatisation gingen die 250hm nun aber doch schon einiges angenehmer von der Hand als am Vortag, so dass wir um 18.00 Uhr zurück bei der Hütte waren. Zum Znacht konnte ich dann sogar ohne negative Folgen einen Teller Pasta und ein Cola einnehmen. Somit stand einer Unternehmung am nächsten Tag nichts mehr im Wege - zumindest was meine Kondition und Motivation anbetraf. Wir diskutierten die Sache nur kurz, denn das Spektrum reichte von der Tour Ronde N-Wand (nimmermüder Männerwunsch) bis zu direkter Heimreise (müdigkeitsbedingter Damenwunsch ;-)). Da noch zig andere Optionen ins Spiel zu bringen war sinnlos, also legten wir uns zeitig in einen komplett leeren Massenschlag und stellten den Wecker auf 4.45 Uhr. Gut ausgeschlafen, eingermassen erholt und bei einem fantastisch anbrechenden Tag würde die Lage wieder anders aussehen, bis dahin war also die Tourenwahl für den Abschlusstag zu verschieben.

Facts

Grand Capucin - Schweizerführe 6b (ED-, 6a obl.) - 10+2SL, 415m - Asper/Bron/Grossi/Morel 1956 - *****;(xxxx)
Material: Camalots 0.3-3, Klemmkeile 1-8, 2x50m-Seile, komplette Eisausrüstung

Grandiose Risskletterei, welche den einfachsten und logischen Felskletterweg auf den isolierten Gipfel des Grand Capucin darstellt. Nach einem Anmarsch über den spaltenreichen Gletscher wartet erst ein Bergschrund und ein 45-Grad-Couloir, bevor zwei einfache Felslängen zum Start der eigentlichen Route führen. Dort geht es dann in perfektem Granit bei anhaltenden Schwierigkeiten im oberen fünften und unteren sechsten Franzosengrad weiter. Während die Route früher stark eingenagelt war und als Hakenkletterei galt, so trifft dies längst nicht mehr zu. Nur ein paar wenige Rostgurken stecken noch, ansonsten muss komplett selber abgesichert werden, auch und insbesondere an den Schlüsselstellen. Dies ist aber bei entsprechendem Können bestens möglich. Die Stände sind hingegen alle perfekt mit BH eingerichtet. Für einen Ausstieg in schöner Freikletterei empfiehlt sich der Wechsel in letzten 2 SL der O Sole Mio vor dem Gipfeldach unbedingt. Die anstrengende Hakenzieherei des Originalwegs sieht eher mühsam und auch windig abgesichert aus. Aber natürlich jedem so wie er es mag...

Topo

Ein wirklich gutes Topo der Schweizerführe existiert meines Wissens weder auf dem Netz, noch irgendwo in einem Druckwerk. Das alte Piola-Topo ist nicht mehr ganz up-to-date, und die Chamonix-Grade für die heutige Freikletterei irgendwie auch nicht so informativ. Immerhin ist bei der Schweizerführe der Routenverlauf gegeben, und ein verirren in andere Touren so gut wie ausgeschlossen. Um dem topolosen Zustand zu entgegnen, habe ich selber eine Skizze angefertigt - möge sie Euch behilflich sein! Damit dem internationalen Publikum an diesem Berg Rechnung getragen wird, ist es ausnahmsweise auf Englisch formuliert.



Dienstag, 24. Juni 2014

Rätikon - Auenland (7a/+)

Diese Route ist neu - oder auch nicht so. Über 10 Jahre lang figurierte sie unter dem Titel Reichle/Blasche Unvollendet in den Kletterführern, bevor sich Walter Hölzler im Jahr 2013 der Sache annahm und die Route komplettierte. Gefehlt hatten eigentlich nur gerade 25m hinauf zum Grat zwischen der 4. und 5. Kirchlispitze, wovon die letzten 10m mit einfacher Kletterei sogar geschenkt gewesen wären. Doch was nach wenig tönt, ist trotzdem nicht zu unterschätzen. Schliesslich befinden sich die Rätikon-Wände nicht gerade im Vorgarten, und vor dem Abschlussbouquet warten 9 lange, anspruchsvolle Seillängen, welche sowohl in Bezug auf Klettertechnik wie auch Absicherung fordernd sind. Hier mit der Bohrmaschine hoch und dann die auch nicht einfache letzte Seillänge zu erschliessen ist eben doch ein grosses Unternehmen.

Wandansicht und Verlauf der Route Auenland an der 5. Kirchlispitze im Rätikon
Hinweis: nach meiner Begehung von Auenland und meinen Kommentaren wurde die Route verdankenswerter Weise von Walter Hölzler an diversen Stellen mit Bohrhaken nachgerüstet (siehe hier). Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit lasse ich meinen Originaltext mit meinen damaligen Eindrücken unverändert stehen. Es ist jedoch so, dass die meisten von mir als heikel oder fordernd beschriebenen Stellen inzwischen entschärft sind und einen unbekümmerten Klettergenuss ermöglichen.

Nun denn, in dieser Auenland wollten Kathrin und ich einen Versuch geben. In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts hatte ich 3x die unmittelbar daneben liegende Galadriel geklettert, seither war ich nie mehr in diese Zone der Kirchlispitzen vorgedrungen. Obwohl demnächst Wartungsarbeiten mit einer Strassensperre anstehen, war die Güterstrasse aufs Grüscher Älpli problemlos  befahrbar. Um 8.30 Uhr machten wir uns auf den Zustieg und erreichten 45 Minuten später den Wandfuss, die Sonne wäre schon ca. eine halbe Stunde eher dagewesen. Der Einstieg ist nicht allzu einfach zu lokalisieren, und nur gerade dank einer gebohrten Sanduhr mit Schlinge identifizierbar. Jedenfalls, die spärlichen BH der ersten Länge sind höchstens mit dem Fernglas zu erspähen. Vielleicht hilft auch noch die Info, dass man ca. 30m links der Galadriel am richtigen Ort ist, wobei aber auch jener Einstieg nicht markiert oder besonders einfach aufzufinden ist.

Unbedingt zu beachten, wenn man diesen Sommer im Rätikon klettern will!
L1, 40m, 6a: Na dann, von besagter SU-Schlinge klettert man einfach einmal gerade, bzw. ganz leicht links tendierend hoch. Nach ca. 12m kommt der erste, nach ca. 25m der zweite BH, bald darauf dann zwei weitere. Mit all den Bändern dazwischen klettert man zumindest die erste Hälfte der SL faktisch freesolo, ein Sturz liegt nicht drin, legen kann man auch nix. Zum Glück ist die Kletterei nicht sonderlich schwierig, das Problem liegt eher im teils nicht restlos überzeugenden Fels und der unklaren Routenführung. Leider taugt das Panico-Topo überhaupt nix, weil die BH im Vergleich zu den auf der Skizze eingezeichneten Geländestrukturen definitiv falsch sind. Die Bewertung dieser SL sehe ich eher bei 5b expo. Hinweis: inzwischen stecken in dieser Länge 6 anstatt nur 4 BH, womit sich die Situation deutlich entschärft haben dürfte!

Einstiegsbereich und Verlauf der spärlich abgesicherten L1 (6a, eher 5b expo).
L2, 40m, 6a+: Ursprünglich musste man hier über die unschönen Schrofen im Zweier- und Dreiergelände rechts des Pfeilers hochklettern. Im Zuge der Fertigstellung hat dann aber Walter die Passage direkt über den Pfeiler eingebohrt, eine sehr gute Entscheidung! Die Kletterei vielleicht noch nicht von allererster Güteklasse, aber dennoch schon schön und auch gut abgesichert. 

Kathrin im Ausstieg von L2 (6a+). Es hat in der Wand übrigens schon weniger Gras, als man bei diesen Fotos von oben meint.
L3, 25m, 6c+: Hier wartet nun der erste Test für die Gummimischung oder denjenigen, der sie an den Füssen hat. Über eine steile, kompakte Platte mit allerbestem, gefinkeltem Fels geht es hier in die Höhe. Die Haken stecken hier vernünftig nahe beisammen, was auch gut so ist. Denn ich musste doch schon ein paar Mal so antreten, dass ich mir nicht sicher war ob der Fuss hält oder nicht. Tat er aber, und ich kam gut onsight durch. Was sicher auch hilft, ist ein Auge für die richtige Linie.

Sehr schöne, kompakte Plattenkletterei in bestem Fels, ein erstes Highlight in L3 (6c+).
L4, 35m, 5c+: Hierbei handelt es sich um eine Überführungslänge zum oberen, kompakten Wandteil. Nach dem gut sichtbaren BH klettert man die etwas grasige Verschneidung rechts, welche selber abzusichern ist. Zum Glück ist der Fels meist solide. Oberhalb davon erst über eine Platte (BH) und Schrofen zum Stand.

Sicht auf L4 (5c+) und deren Verlauf. Die etwas grasige Verschneidung muss selber abgesichert werden.
L5, 45m, 7a: Über eine kurze, splittrige Wandstufe und eine kompakte, geneigte und etwas glatte Platte bewältigt man die ersten 20m zum wesentlichen Teil. Nämlich einer steilen, grauen Mauer aus allerbestem Fels. Die Crux befindet sich gleich am Anfang dieses Teils und besteht in einem 3m hohen, steilen Wulst. Oberhalb hat es nur ein paar Sloper und der Teil darunter ist sehr trittarm. Ohne das exakte Wissen, wo sich der unscheinbare, positive Winzgriff mit dem kleinen Käntchen befindet, wird es hier sehr schwierig. Und selbst dann ist der folgende Mantle anspruchsvoll, umso mehr mit langen Gliedern. Für mich reichte es im ersten Anlauf leider nur zum Patscher auf einen der Sloper mit nachfolgendem Sturz. Dieser Stelle empfand ich als deutlich die schwerste Passage der ganzen Route und würde sie sicher mit 7a+ bewerten. Der Rest der Länge ist dann ziemlich anhaltend, aber etwas einfacher (6c/+). Die Absicherung ist gut, wenn auch im Bereich von 6c/+ ziemlich zwingend. Ein Faktor in dieser SL ist leider auch der Seilzug, welcher sich auch mit langen Schlingen nicht komplett eindämmen lässt.

Die tolle, silbergraue Wand mit dem Verlauf von L5 (würde ich mit 7a+ bewerten) und L6 (7a, heikel gesichert zu Beginn)
Sicht vom Stand auf die tolle L5 (7a+)
L6, 45m, 7a: Eine lange Knallerlänge, welche zu Beginn psychisch sehr anspruchsvoll und leider auch nicht ungefährlich ist. (Hinweis: diese Seillänge wurde nachträglich mit zusätzlichen BH entschärft und ist nun nicht mehr gefährlich). Vom 1. zum 2. BH wartet eine schwere Stelle, wo man hart auf Gegendruck an dünnen Schüpplein ziehen muss. Das wäre allein schon etwas bedenklich, aber man befindet sich da 6-7m direkt oberhalb vom Stand und ein Sturz endet unweigerlich in einem Zusammenprall mit der Sicherungsperson. Ausweichen ist einfach unmöglich, Vorklippen wegen Seilzug und Länge der SL davor ebenfalls, es hilft einzig Augen zu und durch, bzw. die Hoffnung, dass diese Schüpplein standhalten und man die Stelle sturzfrei durchmoven kann. Vom 2. zum 3. BH dann erneut ein weiter Abstand und schwere Kletterei. Der Sturz geht nochmals bis zum Stand runter, immerhin aber vermutlich neben dem Sicherungspersonal vorbei, ausprobiert habe ich es allerdings nicht ;-). Danach wird's dann zum Glück besser. Es folgt eine knifflige, wohl etwas grössenabhängige Stelle in die Verschneidung hinein, wo sich dann die erneut grossen Abstände wegen einfacherer Kletterei weniger bemerkbar machen. Danach links hinaus aus der Verschneidung und den Plattenpfeiler hinauf. Wer den zweitletzten BH direkt anklettert kann sich nochmals auf eine schwere Stelle über dem BH gefasst machen, aber es gibt linksherum auch einen einfacheren Weg, den sicher auch die Erstbegeher geklettert sind. Insgesamt ist diese SL für den Vorsteiger bestimmt am forderndsten, andererseits aber m.E. auch klettertechnisch einfacher wie L5. Ich denke, 7a kann und muss man geben, ich konnte jedenfalls alle Stellen gut klettern.

Am finalen Plattenpfeiler in der schönen, aber fordernden L6 (7a).
L7, 30m, 6b: Eine vergnügliche SL zum Ausschnaufen! Sie führt links hoch und bietet eine ziemlich gesuchte Linie, folgt dafür dem perfekten, grauen und gefinkelten Fels. Eine kurze etwas schwerere Stelle wartet am Pfeilerlein. Aber Augen auf, dann geht das gut und auch wenn es nicht völlig trivial ist, so spürt man halt dass 6b massiv einfacher wie 7a ist! 

L8, 45m, 6b: Lange und komplexe Angelegenheit mit ziemlich kurviger Linie. Die ersten drei Viertel bieten perfekte Felsqualität und super Griffigkeit, sie lösen sich auch bestens auf. Der Schluss hingegen dann macht leider weniger Freude, plötzlich wird der Fels mühsam splittrig und brüchig, darüber hinaus wurde auch noch etwas mit den Bolts gegeizt. Weiter ist der Seilzug trotz Verlängerungen oberätzend und 5m über dem BH im Bruch rumzumoven gehört zwar vielleicht ins Repertoire eines kompletten Alpinkletterers, ist aber nicht wirklich das grosse Vergnügen. Nach ein paar Mal Schimpfen und etwas Zittern schnappt der Standkarabiner ein... (Hinweis: in dieser Seillänge wurden nachträglich Bohrhaken hinzugefügt und umplatziert, so dass sich die Situation heute freundlicher präsentiert. Der Fels auf den letzten Metern verlangt aber immer noch Vorsicht).

Unten in L8 (6b) wartet super Kletterei, vom zweitletzten BH zum Stand ist's dann aber splittrig und (zu) weit gesichert.
L9, 40m, 6c: Wow, jetzt wird es spektakulär. Erst geht es noch in sehr schöner Plattenkletterei auf bestem Fels weiter bis unter die steile Abschlusswand. Diese hängt ziemlich über, bietet aber wie von Zauberhand viele Henkel der allerersten Güteklasse. Einige weite Moves sind erforderlich, schliesslich kommt man hier aber erstaunlich locker durch. Tja, und an diesem luftigen Stand hatten eben die Herren Blasche und Reichle ihr Werk beendet.

Die spektakuläre L9 (6c), unten eine super Platte, dann massiv überhängende Tropfloch- und Henkelkletterei.
L10, 30m, 6c: In steiler Wandkletterei an vorzüglichem, scharfem Tropflochfels geht es in bester Schweizereck-Manier in die Höhe. Die Absicherung mit Inox-BH ist gut, dennoch warten hier noch einige zwingende Stellen, die einen mit inzwischen leeren Armen nochmals auf den Prüfstand stellen. Wie auch immer, diese SL ist ganz sicher klar schwerer wie L9 und es macht für mich überhaupt keinen Sinn, sie gleich zu bewerten. Somit würde ich hier 6c+ vorschlagen, bzw. womöglich gar in Richtung 7a tendieren. 

Endspurt zum Top in L10 (6c+), welche im wesentlichen Teil nochmals geniale Tropflochkletterei bietet.
Um 17.00 Uhr hatten wir nach über 7 Stunden zähem Ringen das Top erreicht. Der Einsatz und die Geduld hatten sich aber gelohnt, bis auf die eine Crux in L5 hatte ich alles klettern können. Am Gipfelgrat gönnten wir uns eine kurze Pause und beobachteten eine Seilschaft bei ihren Manövern im Silbergeier. Der Abstieg nach Norden und weiter zum Schweizertor schien kurz, bequem und verlockend. Andererseits, dann vom Pardutzbödeli nochmals über die Geröllhalde zum Einstieg hochzuspulen zu müssen, das war natürlich auch keine attraktive Aussicht. Somit traten wir wie geplant den Weg abseilend durch die Wand an, wobei mit 50m-Seilen 8 Strecken nötig sind. Mit 60er-Seilen spart man sich wahrscheinlich nochmals zwei Manöver. Alles ging glatt, und so waren wir 45 Minuten später am Wandfuss. Nun nur noch die Geröllhalde surfen, der kurze Abstieg zum Auto und die lange Holperfahrt ins Tal - a very fine day!

Facts

Rätikon - Auenland 7a (6c+ obl.) - 10 SL, 375m - Reichle/Blasche 2001 & Hölzler/Spötzl 2013 - ***;xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-0.75, 2x50m-Seile.

Schöne und fordernde Route welche vielerorts über sehr guten Rätikonkalk mit hervorragender Reibung verläuft. Daneben müssen einige Grasbänder und weniger kompakte Zonen passiert werden, dort neigt der Fels dann auch manchmal zur Splittrigkeit. In Punkto Schönheit würde ich die Tour etwas hinter der Kamala und der Galadriel einordnen. Die Absicherung ist, nachdem die Route nach meiner Begehung von Walter Hölzler nochmals mit einigen zusätzlichen Bohrhaken aufgepeppt wurde, nun als gut zu bezeichnen. Einige zwingende Plattenpassagen kommen jedoch hin und wieder vor, wie auch einige einfachere, jedoch nicht ganz solide Stellen, wo man etwas Erfahrung braucht und sicher steigen sollte. Auch wenn man nicht viel legen kann, so ist die Mitnahme von Camalots 0.3-0.75 für die ersten 4 SL sicher sinnvoll. 

Topo

Es gibt ein Topo von Walter Hölzler, welches aber leider bis auf Schwierigkeiten, Routenlänge und Anzahl Haken nur wenige Details zeigt. Das sich im Panico-Kletterführer Rätikon befindende Topo zeigt zwar etwas mehr Details und Sicherungssymbole, ist aber trotzdem rudimentär und teilweise auch fehlerhaft. Gerade in den einfacheren, schlecht abgesicherten Abschnitten ist der Routenverlauf oft unklar. Lange Rede kurzer Sinn: diese Tour hat ein genaues Topo verdient, deshalb habe ich selber eines gezeichnet. Man kann es auch als PDF runterladen. Hinweis: dieses Topo ist vor der Nachrüstung durch Walter Hölzler im 2014 entstanden. Punktuell steckt der eine oder andere Haken mehr als auf meiner Skizze, die als "expo" bezeichneten Stellen wurden alle entschärft.


Mittwoch, 18. Juni 2014

Aiguille du Midi - Rebuffat (6b)

Perfektes und heisses Hochdruckwetter war für Pfingsten angesagt, dazu kam noch die Anfrage von Tobias, die Bonattiführe am Grand Capucin zu versuchen. Das tönte doch wie ein exzellenter Plan, also wurden die Hebel in Gang gesetzt, um das Vorhaben auch umsetzen zu können. Dies gelang so weit so gut, nur befanden wir uns jahreszeitlich erst anfangs Juni, und mehrere grössere Schneefälle in den Wochen davor stellten das Vorhaben in Frage. Das Gelingen der Bonattiführe stand somit in den Sternen, und ohne garantierte Aussichten auf Pause-Punkte mochte Tobias die Reise nicht antreten. So kam es, dass zuletzt nur Kathrin und ich loszogen, und uns trotzdem an Felsrouten im Mont-Blanc-Massiv versuchen wollten. Als erste Tour stand die Rebuffat-Route an der Südwand auf der Aiguille du Midi im Programm. Sie ist mit  ca. 8 SL nicht überaus lang, von der Bergstation aus in wenigen Minuten zu erreichen und somit ein taugliches Ziel für den Anreisetag.

Die Aiguille du Midi mit ihrer Südwand und einem Topo der von uns gekletterten Linie.
Allerdings gilt es unter diesen idealen Voraussetzungen mit reichlich Konkurrenz zu planen. Diese kommt aus allen Herren Ländern und besticht durch Kompetenz von (des öfteren) Flop bis (selten einmal) Top. Aber kein Wunder, die leuchtend orangefarbene Südwand aus perfektem Granit auf über 3600m mit ihren günstigen Randbedingungen ist ein famoses Ziel, weiter ist die Rebuffat-Route der einfachste Weg mitten durch sie hindurch, und zudem einer der grossen und hochgelobten Klassiker der Region. Nachdem wir also die 55 Euro (p.P.) für die Bahn gelöhnt hatten, in zwei Sektionen zur Aiguille du Midi (3842m) hochgegondelt waren, mit Steigeisen über den exponierten Midi-Plan-Grat abgestiegen waren und schliesslich mit einer kurzen Skiabfahrt am Einstieg waren, so standen wir erst einmal im Stau. Eine Seilschaft hatte eben erst angepackt, zwei weitere waren schon vor uns da. Doch wir waren gemütlich drauf und guten Mutes, so wollten wir warten bis unser Begehungs-Slot kommt. Weiter konnte ich auch noch eine schöne Einstiegsvariante von weiter unten identifizieren, ein cleaner Riss mit welchem die Tour verlängert werden konnte, was natürlich auch die Wartezeit weiter verkürzen würde. Nach dem im sulzig-weichen Schnee etwas umständlichen Wechsel von der Ski- auf die Kletterausrüstung konnte es um ca. 13.30 Uhr schliesslich losgehen.

Hier trennt sich das erste Mal die Spreu vom Weizen: Bye bye Touristenzirkus, Welcome zum Alpinzirkus :-)
L0, 20m, 5c+: Sehr schöne Einstiegsvariante an zwei parallelen Splitter Cracks, welche auch noch ein kleines Dach überwinden. Es ist hier keinerlei fixes Material vorhanden und die meisten Seilschaften steigen von rechts her in einfacher Kletterei zur Terrasse oberhalb auf. Man kann aber perfekt absichern und die Kletterei ist ein grosser Genuss. Empfehlenswert!

L1, 25m, 5c: Entlang einer selbst zu sichernden Piazschuppe hinauf, bevor etwas plattig unter dem grossen Dach nach links hinaus gequert wird (2 BH). An dessen Ende befinden sich wenige Meter voneinander entfernt gleich zwei gute BH-Stände. Falls möglich, wählt man bevorzugt den linken.

Kathrin folgt in der fakultative L0 (5c+), einer schönen Einstiegsvariante an zwei parallelen Superrissen.
L2 & L3, 40m, 6a: Hier folgt nun bereits der berühmte Rebuffat-Riss, der die Form eines spiegelverkehrten S aufweist. Er ist etwas seicht und nicht so gut zu greifen, die Wand daneben plattig mit einigen kleinen Tritten - was für einige Begeher einen grossen Genuss, für andere hingegen die komplette Überforderung darstellt. Wenige NH erleichtern die Begehung, zusätzlich kann selber gelegt werden. Der BH-Stand links nach dem Riss kann problemlos ausgelassen werden, danach folgt eine kurze, plattige Querung (NH) nach links, bevor man der cleanen Verschneidung auf den Pfeiler hoch folgt.

L4 & L5, 40m, 5c: Zuerst etwas nach links abklettern, dann etwas knifflig einen Riss hoch und über eine kurze, überhängende Schuppe hoch (BH). Schon kurz darauf folgt bereits wieder ein BH-Stand, den man aber erneut gut auslassen kann. Man klettert dann die zwar schwierig aussehende, aber gut kletterbare, bogenförmige Verschneidung gleich oberhalb. Zuletzt geht es dann die steile, aber griffige und einfache Verschneidung hoch zum BH-Stand auf bequemer Terrasse.

Kathrin unterwegs im Rebuffat-Riss (L2, 6a), im Vordergrund auch noch die darauf folgende L3.
L6 & L7, 40m, 5c: Gleich oberhalb vom Stand wartet ein breiter Riss, welcher bei unserer Begehung im Grund auch noch vereist war. Danach gibt es zwei Möglichkeiten, entweder zieht man in einfacherem Gelände nach rechts hinaus und benützt dort einen BH-Zwischenstand. Oder aber (besser), gerade hinauf in Richtung eines steilen Wändches mit zwei auffälligen, parallelen Rissen. Dieser werden erklettert, und man folgt der Verschneidung/Rinne hinter der grossen Schuppe zu bequemem BH-Stand.

Übersicht über den oberen Teil der Route, d.h. der Versuch ein wenig Ordnung zu schaffen. Wir sind die linke Variante zu A geklettert, dann die rechte 6a von A nach B, dann die 6b direkt über die Kante nach F und schliesslich die 6b am Gipfelblock zum Top und Stand F.
L8, 45m, 6a: Ab hier wird das Gelände etwas beliebig und es herrscht ein Chaos mit vielen möglichen Linien. Die einfachsten Varianten halten sich eher links und führen teilweise über geneigten Platten und durch Couloirs. Die waren aber alle noch komplett verschneit und somit nicht begehbar. Somit musste die direkte Linie herhalten, d.h. von Stand A nach B im obigen Topo. Schon der Riss über dem Stand beinhaltet einige schwierigere Moves. Danach muss man aber das steile, mit 'aid' bezeichnete Wändchen eine liegende V-Verschneidung gewinnen. Diese war mit Schnee und Eis gefüllt, alles war von eiskaltem Wasser überronnen, so dass mich diese Passage doch vor etliche Herausforderungen stellte. Fixe Absicherung war keine vorhanden, und auch das anscheinend manchmal vorhandene Fixseil war nicht vorhanden. Die Absicherbarkeit war eher nur als soso zu bewerten und es galt, 2-3m über dem letzten Friend mit nassen Kletterschuhen auf Reibung und Balance anzutreten. In schneefreiem und trockenem Zustand geht's jedoch bestimmt besser, und es stehen dann allenfalls auch die einfacheren Optionen linksherum offen. Nach der V-Verschneidung klettert man an offensichtlicher Stelle durch eine Verwerfung steil links hinauf zum eher schlechtem Stand B an einem 8er-BH.

Grandiose Kletterei in einfach perfektem Granit, über weite Strecken perfekt selber abzusichern (L3, 6a).
L9, 40m, 6b: Vom Stand B gäbe es linkshaltend mehrere Möglichkeiten, sich mit Schwierigkeiten im oberen 5. Franzosengrad dem Top zu nähern. Da diese aber alle verschneit und somit nicht gangbar waren, blieb als einzige Option die direkte Kante oberhalb des Standes. Diese gehört mit Sicherheit nicht zur originalen Rebuffat-Route, ist mir 8er-BH eng abgesichert und etwa als 6b zu bewerten.

L10, 25m, 6b: Nun geht es noch links der runden Kante auf Reibung und mit kleinen Käntchen recht fordernd empor, viele werden wohl die steckenden BH zur Fortbewegung benützen. Erst zuletzt dann einfacher zum engen Gipfel der Südwand.

Die Kletterei bleibt bis zuletzt interessant und spannend. Dies sind die letzten, einfacheren Meter von L5.
Mit einigen Wartezeiten aufgrund der 3 langsamen Seilschaften vor uns, und im oberen Teil auch den Mühen des noch verbleibenden Schnees, war es bereits ziemlich spät geworden. Und uns stand ja noch der ziemlich weite Weg ins Rifugio Torino bevor. Also zögerten wir nicht, fädelten sofort unsere Seile durch den Ring und traten unvermittelt die Abseilfahrt an. Wenigstens konnten wir hier jetzt die 3 Lamaschi-Teams distanzieren. Mit geschickter Wahl der Abseilstände und etwas seitlichem Pendeln gelangten wir direkt zu unseren Skischuhen. Wichtig zu wissen, das Gelände drängt einen meist senkrecht hinunter, und wer dem nachgibt, darf am Schluss dann 50hm vom Wandfuss durch den steilen und tiefen Schnee bei Spaltengefahr zu den Schuhen hochsteigen, prost! Als wir bereits auf unseren Skiern standen und über den Col du Midi runterdüsten, beobachteten wir noch unsere Vorgänger. Diese hatten ja doch inzwischen zwei von acht Abseilern gemeistert und waren eben mit dem Abziehen des Seils beschäftigt - incroyable!

Abfahrt über den schönen Hang unter den Ostwänden des Mont Blanc du Tacul in kompaktem Sommerschnee.
Unter den Ostwänden des Tacul gab es im sulzigen, aber kompakten Sommerschnee noch einige sehr schöne Schwünge. Bald mussten jedoch an der Pointe Adolphe Rey die Felle aufgezogen werden, immerhin liess sich die Spaltenzone an deren Fuss problemlos passieren und es wartete nur noch der (wie immer) etwas ätzende Gegenaufstieg zum Petit Flambeau. Dort dann nochmals die Felle weg und abfahren Richtung Rifugio Torino, immerhin konnte man im Gegensatz zu vor 2 Jahren nun direkt und nicht mehr mühsam untenrum zur Hütte gelangen. Um 20 Uhr trafen wir schliesslich ein, warfen rasch das Material in die Ecke und gleich ging's zum Znacht. Zeitlich passte es gerade, um mit einigen Nachzüglern der zweiten Schicht die obligate Pasta sowie den Kartoffelstock mit Würstchen einzunehmen, schlussendlich war unser Plan also doch noch ganz gut aufgegangen. Nach der Mahlzeit hiess es dann noch, das Material einzupuffen und neu zu sortieren und dann ab auf die Pritschen. Der Wecker wurde auf 4.00 Uhr gestellt, denn schon wartete das nächste Abenteuer - worum es geht, wird man demnächst im Folgebeitrag erfahren.

Facts

Aiguille du Midi - Rebuffat 6b (TD+, 5c+ obl.) - 7-10 SL, 275m - Baquet/Rebuffat 1956 - *****; xx(xx)
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, Camalots 0.3-3, evtl. Keile 4-9

Sehr schöne Kletterei in perfektem, orangefarbenem Chamonix-Granit, welche der klassischen und einfachsten Linie durch die Midi-Südwand folgt. Es steckt zwar einiges an fixem Material, über längere Strecken muss man auch selber legen, was dann aber sehr gut möglich ist. Die Stände sind alle tiptop mit BH ausgerüstet. Eine Beschreibung wäre nicht vollständig, ohne den enormen Andrang auf diese Tour zu erwähnen. Am besten steigt man frühmorgens nach einer Übernachtung im Gebiet ein. Wegen Staugefahr ist die Zeit nach den ersten Bahnen unbedingt zu meiden. Am Nachmittag verschwindet dann hingegen die Sonne, und die Gefahr von Problemen durch Schmelzwasser steigt an. Man lasse sich auch nicht von den tiefen Chamonix-Originalbewertungen einlullen, welche übere längere Strecken den 3./4. Grad vorgaukeln. Wer hier stilrein durchkommen will, muss 6a-Granitkletterei sauber draufhaben und je nach Routenwahl mindestens eine 6b-Stelle meistern, was sich viele Aspiranten aber leider nicht beherzigen. Und sowieso ist die Kletterei nach unseren und heutigen Massstäben selten einfacher wie 5b. Steht man im Stau, so sind die bestens mit Klebebolts abgesicherte Super Dupont oder der direkt hochführende Contamine-Weg ganz sicher lohnende Alternativen, deren Schwierigkeiten bewegen sich dann aber eher im Bereich 6bc.

Topo

Kaum zu glauben, dass es von dieser vielbesuchten Route kein einziges, präzises Topo gibt! Während der Routenverlauf im unteren Teil gegeben und eindeutig ist, so bestehen im oberen Teil viele Varianten und man kann wohl nicht einmal genau nachvollziehen, wo die Erstbegeher geklettert sind. Mit meinen beiden Fototopos und der zugehörigen Beschreibung sollte man für eine Begehung nun aber tiptop ausgerüstet sein und alle Optionen erwägen können. Zur Bequemlichkeit habe ich all dies in einem PDF-Dokument zusammengefasst. Noch ein Hinweis: bei verbleibenden Schneeresten sind die Optionen im oberen Teil manchmal eingeschränkt. Und auf dieser Meereshöhe muss man bis Ende Juni generell, sowie auch im Hochsommer nach Schlechtwetterperioden natürlich mit Restschnee rechnen.

Freitag, 13. Juni 2014

Schafbergwand - Tanz auf dem Regenbogen (7a+/7b)

Die ganze Woche über herrscht bestes Bergwetter, Kollegen durchklettern die Eiger Nordwand. Doch meine Arbeitszeit lässt sich nicht flexibel gestalten, die Partnersuche fürs Weekend gestaltet sich als schwierig und sowieso wird auch gar nicht mehr so gutes Wetter sein. Da kommt die Anfrage von Dani wie gerufen. Eine Tour an der Schafbergwand liegt schlussendlich drin, doch auch da kann man ja famos klettern und einige härtere Geräte warten auch noch ihrer Begehung. Zum Beispiel der Tanz auf dem Regenbogen von meinem Tourenpartner Walter Hölzler. Schon lange hatte er mir einen Versuch schmackhaft gemacht, und bei meiner Begehung der Bridge of Light vor 2 Jahren hatte ich mich selber vom guten Fels überzeugen können und erst recht Lust auf einen Versuch bekommen.

Übersicht über die Schafbergwand, erstellt von Walter Hölzler.
Die Frühlingstage mit ihrer instabilen Atmosphäre bedingen selbst für solche, jetzt nicht überaus alpine Unternehmungen ein frühes Aufstehen. Um 7.00 Uhr ist Treffpunkt in Wildhaus, zügigen Schrittes geht es von da an den Wandfuss, wo wir exakt 40 Minuten später eintreffen. Die erste Frage ist, wie man denn an den Einstieg vom Tanz gelangt. Der Einstieg über die Route Grössenwahn mit zwei Seillängen um 7c rum wäre die Königslösung, aber für uns wohl zu schwer. Hier müssten wir wohl gleich einen ganzen Tag investieren, um einigermassen stilrein durchzukommen und der Tanz auf dem Regenbogen wäre hinfällig. Der eher unschöne und teilweise dem Steinschlag exponierte Normaleinstieg (4b) ist jetzt nicht das Bijou, also wählen wir die Route Piccolo, welche ich vom letzten mal als nette Route in Erinnerung habe. Hier kann man nachlesen, was ich damals geschrieben hatte, nachfolgend eine aktualisierte Beschreibung.

Piccolo

L1, 25m, 4b: Ziemlich grasige Zustiegslänge zum eigentlichen Routenanfang. Von unten überlegt man sich zuerst, ob man gleich seilfrei gehen soll, doch dafür ist es dann doch zu schwierig, und die Griffe wollen auch etwas geprüft werden. Es stecken 2 Bolts, Stand an Föhre mit Schlingen.

L2, 35m, 6a+: Nun zweigt man nach rechts ab, zuerst einer Rissfolge entlang zu einem Verschneidungssystem. Die Kletterei hier ist gut, lohnend, und auch gar nicht so einfach. Der Fels ist genügend fest, aber noch nicht erste Sahne. Die Absicherung mit BH ist grundsätzlich recht gut, jedoch gerade im Bereich der Crux etwas fordernd ausgefallen. Just dort wo es am schwersten ist, befindet sich der nämlich längste Hakenabstand.

Blick durchs Geäst auf L2 von Piccolo (6a+), deren Crux oben in der nichttrivialen Verschneidung folgt.
L3, 25m, 6a+: Erst folgt man einfach entlang der Verschneidung weiter. Die Crux besteht aus einer Querung nach links über eine Platte. Hier muss man die Moves sorgfältig planen, der schwerste Zug an 2 Einfingerlöchern mit den Füssen auf Reibung. Diese Stelle kann auch A0 bewältigt werden. Danach wieder einfacher, und etwas "gemüsig", zum Stand.

L4, 40m, 5c+: Die schönste Seillänge dieser Tour! Vom Stand geht es erst gemässigt aufwärts, bis hinauf unter einen überhängenden Aufschwung. Dieser ist aber nicht zu fürchten, ist er doch mit Traumhenkeln ausgestattet. Danach geht es weiter an Supergriffen, schön luftig der Kante entlang. Der Fels ist hier mehrheitlich fest, allerdings befindet sich der Stand die ganze Zeit genau in Schusslinie, weshalb trotzdem etwas Vorsicht nötig ist. Die Seillänge ist gut mit einem Mix von BH und Schlaghaken abgesichert.

Dani in L3 von Piccolo (6a+), hier setzt die plattige Querung (Crux) nach links an.
Im Unterschied zu meiner letzten Begehung hatte ich nun die geraden anstatt die ungeraden Längen vorgestiegen. Insbesondere L2 kam mir im Vorstieg doch noch recht fordernd vor, während der Quergang in L3 hingegen eher für den Nachsteiger schwerer zu klettern ist. Aber wie auch immer, wir gelangten wiederum nach 1.5 Stunden Kletterei zum Top und seilten auf der Rückseite 50m in den grossen Kessel/Schlucht ab.

Facts

Schafbergwand - Piccolo (6a+, 6a obl.) - M. und U. Wiesmann 1982 - 4 SL, 125m - **, xxx
Material: 10 Express, evtl. Camalots 0.3-1 und Keile 4-9.

Nach der unschönen Zustiegslänge lohnende Kurztour mit Verschneidungs- und Wandkletterei an meist solidem Fels. Die Route wurde durch Walter Hölzler saniert und ist ordentlich mit Inoxbolts ausgerüstet. Zusätzliche Absicherung mit mobilen Mitteln ist nicht zwingend nötig, wenn man den Grad gut beherrscht. In der etwas anhaltenden Cruxzone von L2 sowie an einigen einfacheren Stellen kann aber mit Friends und Keilen nachgebessert werden. Die Route ist besonders als Zustieg zu den oberen Südwandrouten attraktiv, der Normalweg durch die Schlucht ist nämlich steinschlägig und unlohnend, während der äussert kompakte Grössenwahn ein deutlich gesteigertes Kletterkönnen verlangt.

In der letzten und schönsten Seillänge von Piccolo (L4, 5c+).

Tanz auf dem Regenbogen

Weil ein Sichern nicht möglich ist, stiegen wir seilfrei die Schrofenrinne zum Beginn der Routen Bridge of Light und Tanz auf dem Regenbogen hinauf. Diese 60m sind etwa im Grad T5+ anzusiedeln, ein Runterfallen wäre also höchst ungesund. Hier hätte es sicher nicht geschadet, auch noch 1-2 Bolts anzubringen. Um 10.45 Uhr packten wir schliesslich unsere eigentliche Wunschtour an.

L1, 35m, 7a: Steile, etwas plattige Wandkletterei führt zu einem brüchigen Wulst, unter welchem oft die Nässe rausdrückt. In der splittrigen Zone am Wulst selber wurde einige Griffe mit Sika stabilisiert, so dass man die richtigen Griffe hoffentlich nicht ausreisst. Allerdings sind diese von unten kaum zu erkennen, und mir kam diese Sequenz für den Grad doch ordentlich hart vor. Nach dieser Crux geht es dann einfacher dahin, über längere Strecken einer schönen Plattenkante entlangdülfernd. Würde ich insgesamt eher mit 7a+ bewerten.

Dani tackelt den etwas unschönen, splittrigen Wulst mit ein paar Sika-stabilisierten Griffen in L1 (7a).
L2, 30m, 7a+/7b: Bequem steht man auf dem Bödeli und muss rechts um die Kante auf die Platte. Was banal aussieht, entpuppt sich schon als erste, ziemlich fordernde Stelle. Danach folgt man erst noch nicht allzu schwer etwas grasig verwachsenen, stumpfen Rissen und küsst kurz die Bridge of Light (1 gemeinsamer BH). Dann geht es aber direkt hinauf über die Knallerplatte, mit anhaltender Kletterei an kleinen Slopern, Leisten und Löchlein, mit den Füssen stets voll Guzzi auf Reibung antretend. Die Schlüsselstelle kommt erst ganz zum Schluss, wo alles einfach noch ein bisschen extremer ist. Dank gutem Zureden meines Kletterpartners ging's für mich dann sogar im Flash, obwohl es mir total unmöglich schien, dass ich da kleben bleibe. Original mit UIAA 8+ bewertet, ich denke 7b ist's kaum, und würde eher 7a+ vergeben. Aber wer weiss, Plattenhengste empfinden das vielleicht auch nur als eine 7a.

Extreme bis extremste Plattenkletterei in L2 (7a).
Zum Festhalten gibt's maximal winzige Dellen und schlechte Aufleger.
L3, 30m, 7a+/7b: Eine weitere, volle Seillänge auf der Knallerplatte. Hier geht's schon gleich nach dem Stand fordernd los und anhaltend bleibt's. Ständig ist volle Konzentration auf die Balance und für die Planung der weiteren Moves gefordert, denn rückgängig machen kann man hier meistens nix. Zum Schluss hin gibt's dann erneut eine knifflige Querung nach links, bevor man dann um die Kante verschwindet und etwas absteigend und nochmals richtig schwer zum Stand gelangt. Auch diese Länge konnte ich flashen, wenn auch am äussersten Limit. Vielleicht gibt es hier keine ganz so knallharte Einzelstelle wie in L2, dafür sind die Schwierigkeiten anhaltender. Insgesamt wohl in etwa gleich zu bewerten wie L2, d.h. die Originalbewertung von UIAA 8+ würde ich mit 7a+ übersetzen.

Unterwegs in der Knallerplatte von L3 (7a+/7b), die Hakenabstände sind hier sehr zwingend.
Zum Schluss von L3 (7a+/7b) noch eine fordernde Linksquerung zum Stand hinaus.
L4, 25m, 6a: Überführungstraverse nach links hoch. Die Kletterei gar nicht so übel, der Fels ist hier allerdings nicht ganz so kompakt und schön wie in den anderen Längen. Die Absicherung ist auch etwas fordernder hier, zwingend zumindest und gar so einfach schien mir das überhaupt nicht zu sein. Ich denke, zumindest 6a+ wäre hier schon realistischer als Bewertung.

Alles im Griff...
L5, 30m, 7a: Na was folgt wohl, natürlich nochmals eine Knallerplatte. Inzwischen ist man schon fast daran gewöhnt, oder vielleicht ist sie wirklich einen Tick einfacher wie L2 und L3. Die Crux folgt nämlich erst, nachdem mit der Platte fertig ist, zuerst tänzelt man eine Chickenwing-Verschneidung hoch und muss dann nach rechts über den Wulst raus. Hier gibt's grobes Sackgassen-Potential, d.h. der einfachste Weg ist leider nicht der, der am besten scheint und eine Onsight-Begehung kann auch hier noch enden. Ich denke, dass hier 7a realistisch ist.

Nachdem man in L5 (7a) die Knallerplatte bewältigt hat, wartet steileres, sehr technisches Gelände.
L6, 30m, 6a+: Nach einem ziemlich griffigen Platten- und Rissauftakt folgt eine überhängende Zone mit athletischer Henkelkletterei. Von Sportkletter-Eskapaden und den bisherigen Seillängen sind meine Arme leer und nur knapp und auf dem letzten Hemd kann ich hier Onsight durchsteigen. Ich denke, hier könnte man gut auch etwas höher bewerten, d.h. ich würde eher in Richtung 6b+ tendieren. Zuletzt dann noch etwas Genuss-Wasserrillen, und dann endet die Route wenige Meter unterhalb der Kante - wer möchte, könnte natürlich auch gut über diesen Klassiker aussteigen.

Eine ausgewachsene und athletische Dachzone wartet zum Abschluss in L6 (6a+).
Um 15.15 Uhr hatten wir nach 4.5 Stunden kniffliger und fordernder Kletterei das Top erreicht. Nun hiess es, wieder den Weg nach unten anzutreten. Die oberen Abseiler sind gar nicht so trivial, man muss ziemlich stark seitlich pendeln. Insgesamt kommt man aber doch problemlos hinunter, auch die Schlucht seilt man am besten ab und vom Stand am Flaschenhals erreicht man mit 2x60m-Seil direkt den Boden. Vorsicht auf Steinschlag beim letzten Abseiler! Da der Zeitplan noch nicht überstrapaziert war, räumten wir gemütlich unseren Karsumpel zusammen, und stiegen zufrieden ab nach Wildhaus, von wo es ab nach Hause ging.

Facts

Schafbergwand - Tanz auf dem Regenbogen (7a+/7b, 7a obl.) - W.Hölzler 2011 - 6 SL, 175m - ****, xxxx
Material: 12 Express, Keile und Friends können nicht eingesetzt werden.

Nach dem etwas umständlichen Zustieg und einer ersten, nur mässig schönen Seillänge kommt man in Genuss von fantastischer Steilplattenkletterei in perfektem Fels mit hervorragender Reibung. Die Schwierigkeiten sind anhaltend, und jeder Meter der Kletterei will wohlüberlegt und ehrlich bewältigt werden. Mit dem Zollstock betrachtet sind die Hakenabstände nie weit, dennoch sind viele schwere Stellen in plattiger Kletterei absolut zwingend zu meistern. Sich kurz A0 auf den nächsten Griff/Tritt zu hieven funktioniert hier ganz und gar nicht, so dass ich ein solides 7a obl. attestieren würde.

Schöne Gegend und fantastische Tiefblicke am Ende der Route.
Topos

Von Walter Hölzler gibt es einen Bericht und ein Topo zur Route. Meinerseits habe ich das Topo der Bridge of Light kurz angepasst, so dass man ebenfalls eine Übersicht gewinnen kann. Wer will, kann das unten abgebildete Fototopo auch als PDF downloaden. Nähere Informationen zur Schafbergwand findet man auch im SAC-Führer Alpstein von 2011.