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Mittwoch, 2. Juli 2025

Kreuzberg IV - Graue Eminenz (8a)

In den Nordwänden der Kreuzberge war ich bisher nur ein einziges Mal geklettert. Dieses Kalkriff über dem Rheintal ist ziemlich abgelegen und nur mit einem längeren Zustieg erreichbar. Gleichzeitig sind die Routen nur ein paar wenige Seillängen kurz, womit man ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag diagnostizieren kann. Trotzdem, um an heissen Tagen im kühlen Schatten zu klettern bietet sich diese Wände an. Zudem hatten wir erfahren, dass vor kurzem Tobias Bitschnau und Florian G. der hier beschriebenen Graue Eminenz in einen Team-RP den ersten Durchstieg abgeluchst und eine Aufwertung auf 8a vorgeschlagen hatten. Da wollten wir gleich nachsehen, was es damit auf sich hatte.

Die Nordwände der Kreuzberge IV und V, markiert Start- und Endpunkt von Graue Eminenz (8a).

Für den Zustieg gibt es je nach Ausgangspunkt mehrere Optionen, es sind jedoch alle aufwändig. Ab Nasseel oberhalb von Sax im Rheintal sind 1100hm fällig. Diese kann man mit der Stauberenbahn in etwa halbieren, der Zeitaufwand ist jedoch kaum kleiner. Wir hingegen setzten auf die E-Bike-Variante ab Wildhaus. Man kann dazu Faulheit monieren, doch kurz und bequem ist auch sie nicht, der Zeitaufwand ab dem Parkplatz ist ähnlich wie aus dem Rheintal. Für mich persönlich besticht sie dadurch, dass sie (pro Weg 35km bzw. 25min) Autofahrt einspart und damit die effizienteste und auch ökologischste Variante ist, um an den Kreuzbergen zu klettern. So machten wir uns um 7.20 Uhr in Wildhaus auf den Weg und deponierten das Zweirad um 7.50 Uhr auf ~1500m etwas hinter der Teselalp.

Unterwegs von Wildhaus zum Mutschensattel, welcher sich in Verlängerung der Strasse befindet.

Nun ging es zu Fuss weiter Richtung Mutschensattel. Nicht gerade ein kurzer Marsch, aber irgendwie doch angenehmer wie der Höhenmeter-Fresser aus dem Rheintal, zudem morgens auch noch angenehm im Schatten. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass auf der NE-Seite des Sattels früh in der Saison gerne noch ein steiles Schneefeld lungert, welches ohne alpine Ausrüstung heikel zu begehen sein kann. Im schneearmen und heissen Vorsommer 2025 war Ende Juni nur noch ein letzter Rest vorhanden, welcher umgangen werden konnte. Dann heisst es vom Sattel P.2069 etwas abzusteigen, man kann jedoch auf ca. 1940m die Höhe halten und auf Wegspuren bzw. Wildwechseln unter die Nordwand der Kreuzberge traversieren. Um 9.15 Uhr und damit 1:55h nach Aufbruch hatten wir den Einstieg aufgespürt, welcher schon im steilen Gelände liegt, angekraxelt werden muss und durch einen einzelnen BH mit silbriger Fixé-Lasche identifiziert ist. Nach einer Pause starteten wir ca. eine halbe Stunde später mit der Kletterei.

Am Mutschensattel, mit dem Rest vom (u.U. heiklen) Schneefeld. Die Wolken verzogen sich bald...

L1, 35m, 7b: Los geht's noch moderat schwierig an etwas dumpf tönendem Fels zum hoch steckenden, ersten BH. Danach heisst es dann gleich subito, parat zu sein. Mit einem dynamischen Startmove zündet man das Feuerwerk, etabliert sich an einer Seitgriffschuppe und powert durch einen erneuten, dynamisch-weiten Move. An einer trickreichen kleinen Rampe lässt sich dann ein schöner Pump aufbauen, der in der finalen, leistenlastigen Rechtsquerung hinderlich sein könnte. Dann endlich kommen Henkel und damit ein Ausstieg in weniger schönes Gelände mit etwas unsicherem Fels, in welchem man die letzten 12m zum Stand bewältigt. Doof, dass da nicht noch ein BH steckt: der Vorsteiger wäre im Falle des Falles sicher mindestens spitalreif, im Nachstieg droht ein übler Pendler. Anyway, das ist alles hypothetisch, Daniel kletterte die Länge onsight und ich konnte sie, nachdem die Rakete für den Startdyno im zweiten Versuch zündete, auch durchsteigen. Trotzdem, die von Tobias vorgeschlagene 7b (Alpsteinführer bisher: 7a) passt und ist sicherlich nicht übertrieben. Zu erwähnen ist auch, dass wir die nur halbfett eingetragene (Original-)Option über den letzten Haken wählten. Linksrum über Hägar auszukneifen wäre da oben evtl. etwas einfacher, jedoch ändert es kaum etwas an der Schwierigkeit der Länge. V.a. aber bringt es einen in eine unvorteilhafte Position für den Weg zum Stand, insbesondere im Nachstieg geht es dann sicherlich in Richtung "echt gefährlich".

Vom toll zu kletternden Teil von L1 (7b) haben wir leider kein Foto. Die letzten 12m im durchzogenen Gelände machen dann nicht mehr gleich viel Freude, v.a. sind sie auch unzureichend abgesichert. Es gibt keine BH mehr und zuverlässige natürliche Möglichkeiten haben wir nicht gefunden.

L2, 25m, 7c+: Diese Seillänge ist ein absoluter Knaller, mitten durch die kompakte Wand, welche man von unten durchaus als unkletterbar taxieren könnte. Doch es geht, die Erstbegeher haben hier den richtigen Riecher (oder Glück...) gehabt. Der Fels ist zwar nur knapp strukturiert, durchgehend säumen aber kleine Leisten den Weg. Und das zum Glück in einer Verteilung, welche ein sehr homogenes Ausdauerproblem ohne verzweifelt schwierige Einzelstelle kreiert. Saubere Fussarbeit und ein gutes Bewegungsrepertoire gehören ebenfalls zu den Anforderungen, welche hier nötig sind. Ich werde Zeuge, wie Daniel wieder einmal sein überragendes Können demonstriert und diesen Abschnitt onsight zieht. Was für eine Leistung, absolut der Hammer! Nicht nur braucht es dazu die nötige Physis und die Skills. Auch mental ist es eine Challenge: es heisst, über eine lange Zeit am Limit dranzubleiben, echte Erholungspausen gibt es unterwegs keine. Meinereiner benötigte ich einige von diesen: mit ca. 5 Rastern im Seil konnte ich die Seillänge in überlappenden Einheiten ebenfalls durchziehen. Die 7c+ schätzen wir als passend ein. Die Absicherung hier ist übrigens gut, die Sache ist aber anhaltend schwierig und es gilt harte Moves auch zwischen den Bolts zu ziehen.

It's hard but a lot of fun (L2, 7c+)!

L3, 15m, 7c/+: Sehr kurz, aber gar nicht schnurz... die Wand legt sich ganz leicht zurück, wird aber gleichzeitig auch etwas strukturärmer. Sprich, die "guten" (d.h. kleinen, aber hin und wieder doch etwas positiven) Leisten von vorher fehlend weitgehend und es geht mehr in Richtung Zauberei an mickrigen Kratzern und Slopern. Somit war es leider bald vorbei mit der Onsight-Begehung und es dauerte eine geraume Weile, bis eine tragfähige Lösung für diesen Abschnitt ermittelt war. Immerhin gelang dies an beiden Seilenden. Wobei wir den Beweis für das Zusammenhängen dieser komplizierten Abfolge schuldig blieben. Möglich scheint es jedoch schon, mittig im schwersten Teil gibt's auch noch einen guten Griff, wo man sich etwas sammeln kann. Trotzdem, mich dünkte diese Länge kaum einfacher wie die benachbarten beiden. Apropos: wer sich nach dem unbequemen Stand nach L2 auf eine bessere Station freut, wird leider enttäuscht. Getoppt wird das Ganze nur vom nochmals unbequemeren Stand nach L4, aber dazu kommen wir ja erst.

Harte Moves an sehr kleinen Griffe in technisch forderndem Gelände (L3, 7c/+).

L4, 35m, 8a: Der Alpsteinführer rapportiert hier eine lapidare 7b, wobei dies wohl eher die obligatorisch zwischen den Haken zu kletternde Schwierigkeit bezeichnet, welche die Erstbegeher im Rahmen der Erschliessung wahrgenommen hatten. In Tat und Wahrheit gibt's von BH #2 zu #3 eine heftige (aber halt nicht zwingend vollständig freizukletternde) Crux von soso Seit-/Untergriff über eine übel schmierige (weiss-flechtige) Sloperleiste an ein kleines Schüppli, dessen pflegliche Behandlung anzuraten scheint. Während Daniel hier den Schlüssel fand (nicht im onsight jedoch), konnte ich diesen Move nicht ausführen: mit den tieferen Tritten fehlte mir die Reichweite, mit den höheren drückte ich mich aus der Sloperleiste und mit Antreten im Nichts dazwischen war dieser Griff einfach zu schlecht, um haltbar zu sein. Als nächsten Programmpunkt erreicht man eine Rissspur, wo man zwar leichter für Fortschritt sorgt (ca. 7a/+), einfach ist es jedoch aufgrund der etwas mehlig-schmierigen Griffe auch nicht wirklich (zudem 1x Cam 0.4 oder 0.5 sehr hilfreich). Irgendwann ist dann aber fertig Riss und es folgen nochmals zähe Wand- bzw. Plattenmoves in sehr knapp und abschüssig strukturiertem Fels. Daniel meinte, dies könne evtl. schon nur 7b sein. Mir hingegen kam dieser Teil schwieriger vor, sprich nochmals in ähnlichem Rahmen wie in L2 und L3. Jedenfalls: eine 7b ist diese Länge sicher nicht, wir stimmen mit Tobias' Vorschlag von 8a überein.

Geschenkt gibt es da gar nix: Marcel in der anhaltenden L4 (8a).

L5, 25m, 6c: Auf dem Topo sieht's eher so aus, als ob die Route nach L4 enden würde. Im Gelände hingegen weniger. Denn der Stand befindet sich effektiv direkt im Verlauf der letzten Seillänge (6c+) von Hägar und auch weiter unten wie in der Literatur verzeichnet. De fakto klettert man hier noch gute 25m und damit fast die ganze Hägar-Länge. Evtl. käme die Crux dort gleich zu Beginn, denn die 6c+ scheint mir eher etwas hoch. Was aber nicht heisst, dass es geschenkt wäre. Ein paar fordernde Moves warten durchaus, aber die Griffe sind nun schon etwas grösser ausgefallen. Am Ende sitzt übrigens nicht mehr jeder Griff bombenfest (passt aber schon) und man hat die Wahl, zwischen einem erneut unbequemen Stand in der Wand, oder einem Ausstieg auf den Felskopf, wo man 3m weiter oben auf zwei Longlife-BH einer klassischen Route stösst.

Wenn man zum Vorgipfel aussteigt, gibt's dafür keine Fotos von L5 (6c)...

Wir nutzten gerne die letztere Option, welche in ein paar weiteren Metern in seilfreiem Kraxelgelände auch noch den Besuch des Vorgipfels erlaubt, so dass eine Rundumsicht in alle Richtungen genossen werden kann. Um 15.20 Uhr waren wir da, hatten somit also 5:30h für die fünf nicht einmal überaus langen Seillängen gebraucht. Schliesslich galt es aber, viele harte Moves zu dechiffrieren und wir waren im Sportklettermodus unterwegs. Während Daniel ein "all free" gelang, blieb mir dieser eine Move in der 8a verwehrt. Trotzdem, das war eine sehr zufriedenstellende Sache und es hatte enormen Spass gemacht, bei angenehmen Bedingungen in dieser Wand zu fighten und zu puzzeln. 

Blick vom Top Richtung Norden, d.h. zur Roslenalp und zum Kreuzberg III.

Für den Weg zurück wäre ein Fussabstieg optional möglich. In Kletterfinken jedoch nicht, so stiegen wir vom Vorgipfel zum Stand zurück, seilten die 3-4m über die Kante zu jenem nach L5 ab. Dann geht's zurück zu jenem nach L4, von wo man dann in zwei voll ausgereizten 50m-Strecken (via Stand 2) gerade wieder zum Einstieg kommt. Dort packten wir zusammen, liefen wieder unter den Kreuzberg-Nordwänden durch und stiegen retour zum Mutschensattel. Daniel schritt zügig seiner daheim wartenden Familie entgegen, ich konnte mir etwas mehr Zeit nehmen und die Abendstimmung in der schönen Umgebung aufsaugen. Spät wurde es auch bei mir nicht, zum Znacht und zum Verfolgen der Seminfinals vom Weltcup in Innsbruck war ich daheim - sehr zufrieden übrigens mit der Zustiegsoption ab Wildhaus, in Kombination mit dem E-Bike ist das für mich die Optimalroute an die Kreuzberge.

Am Mutschensattel, voraus der Weg zurück zum Ausgangspunkt Wildhaus.

Facts

4. Kreuzberg - Graue Eminenz 8a (7b obl.) - 5 SL, 135m - Good/Weber/Wohlwend 1996 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seil, 14 Express, Cam 0.5

Ein richtig cooler, schattig gelegener Alpinsportkletterhammer! Absolut herausragend ist die Kletterei in der anhaltend-ausdauernd-homogenen L2, ebenfalls sehr gefallen haben mir die Moves in L1. Danach ist der Fels etwas abschüssiger strukturiert, die Kletterei wird dementsprechend mehr tüftelig und bouldrig. Auch das ist lohnend, ich fand es aber nicht mehr ganz so cool. Abgerundet wird das Ganze mit einer einfacheren letzten Länge plus Gipfelerlebnis. Somit mein Fazit: für diejenigen die es drauf haben, lohnt sich der weite Weg dahin auf jeden Fall. Sonst gäbe es mehr oder weniger dasselbe unmittelbar daneben auch zu (mutmasslich) leicht günstigerem Tarif in Hägar (7b+). Die Route(n, gilt wohl ähnlich für Hägar) sind sehr gut mit BH abgesichert. Jedoch ist die Kletterei anhaltend schwierig und es gilt doch manchen, fordernden Move zwischen den Sicherungen zu absolvieren. Etwas Argwohn erwecket die Tatsache, dass die verzinkten Bolts mit den rostfreien Laschen aufgrund der galvanischen Korrosion nicht mehr taufrisch aussehen (Stand 2025), zudem sind das (deutlich einfachere, aber vom Fels her nicht 100%ige, 6b max) Start- und Schlussstück in L1 leider boltlos geblieben. Das Topo findet man im SAC-Kletterführer Alpstein. Gegen die bei der ersten RP-Begehung vorgeschlagenen Bewertungen von 7b, 7c+, 7c, 8a gibt es von unserer Seite absolut keinen Grund zur Opposition, sie passen sicher besser wie dir originalen Vorschläge.

Freitag, 2. Mai 2025

Schattenwand - Chupferhode (6b)

Daheimbleiben an Ostern? Das hatten wir in der Vergangenheit nur gezwungenermassen im Pandemiejahr 2020 gemacht, sonst waren wir immer irgendwo unterwegs. Anders im 2025: mit der Selektion für die internationalen Boulderwettkämpfe ging Larina die Verpflichtung ein, voll aufs (Indoor-)Bouldern zu setzen und für die demnächst bevorstehenden Events zu trainieren. Das geht prima von daheim aus und rein wettertechnisch gab die Ostschweiz auch das her, was für des Vaters Outdoor-Zeitvertrieb nötig war. So blicke ich trotz Daheimbleiben auf sehr gelungene Ostern 2025 zurück. Zwei Vollgas-Indoor-Sessions mit Larina, einen 8a-Send am Fels und ein Bike & Climb Ropesolo-Tüürli, über welches an dieser Stelle berichtet wird.

Blick auf die Schattenwand. In deren linkem, etwas grasigem Teil befinden sich einige einfachere MSL in den Graden 5b/5c. Auf der kompakten Platte rechts aussen gibt's einige weitere Möglichkeiten. Dort bewegen sich die Schwierigkeitsgrade meist im Bereich von 6b bis 7a. 

Nun ja, Larina nahm sich den Rat der Trainer zu Herzen, jeweils kurzfristig am Morgen zu entscheiden, ob ein weiteres Training oder ein Ruhetag angesagt wäre. Für diesen Tag fiel die Entscheidung auf Restday, und so durfte ich mich nach einem Outdoor-Alternativprogramm besinnen. Der Situation entsprechend konnte/wollte ich nicht gar nicht so viel klettern. Aber nur Biken oder Laufen war mir dann doch ein bisschen zu wenig Salz in der Suppe. So entschied ich mich, zur von mir noch nie besuchten Schattenwand zu radeln und dort eine (oder mehrere) der kurzen, bestens abgesicherten MSL-Routen zu klettern. So kurzfristig und an Ostern einen Kletterpartner aufzutreiben war natürlich illusorisch, somit war ein Ropesolo die Methode der Wahl. Das ist aber eine Konzession, welche ich gerne zu Gunsten von Larinas flexibler und optimaler Trainingsgestaltung eingehe.

Unterwegs auf den Trails der Neuenalp. Gerade voraus Wisswand (wo ich im 2024 im Rahmen einer weiteren Bike & Climb Ropesolo-Tour unterwegs war), im Bildzentrum der Rotsteinpass und rechts der Wildhauser Schafberg.

Es ist schon fantastisch, welche Möglichkeiten wir in der Schweiz und ihrem dicht ausgebauten Flurtrassen- und Wegnetz haben. So konnte ich im Nesslau starten und komplett abseits vom Verkehr via Steinerberg - Neuenalp - Passhöhe P.1404 zum Gräppelensee und schliesslich steil hinauf zum Bikedepot beim Rietgarten P.1584 gelangen. Von da ist es nur eine kurze Traverse hinüber zur Alp Mutteli, von wo man mit 70hm und ein paar wenigen Minuten Aufstieg an die Schattenwand gelangt. Ein bisschen erstaunt war ich, dass zwei Seilschaften im linken Teil der Wand aktiv waren. Das erklärt sich aber bestimmt dadurch, dass diese im Plaisir Ost als ideale MSL-Einsteigertouren beschrieben sind.

Haha, auf wessen Gefahr denn sonst?

Im rechten Teil der Wand mit den schwierigeren Routen war hingegen niemand aktiv. Ich wollte den optischen Eindruck entscheiden lassen, wo ich einsteigen würde. Die attraktivsten Linien schienen mir jene der zuerst erschlossenen Agaraturm (6c+ A0) und Chupferhode (6b) zu sein. Schliesslich gab ich der letzteren mit ihrer sehr attraktiven Doppel-Wasserrille in L1 und einem superkompakten Plattenschild in L2 den Vorzug. Um 14.20 Uhr hatte ich alles parat und stieg ein.

Immer noch von der Biketour auf der Anreise, hier am Gräppelensee.

L1, 35m, 6a: Los geht's gemässigt über einige Stufen hinweg zur schon erwähnten Doppel-Wasserrille. An dieser geht's dann gleich heftig zur Sache. Heieiei, für eine 5c+ (SAC-Führer Alpstein) bzw. 6a (Plaisir Ost) ist das ganz schön schwierig. Ich konnte die Länge zwar onsighten, aber das fühlte sich für mich eher wie eine taffe 6b an. Und es ist auch noch zu erwähnen, dass ich nur den ersten Abschnitt (wo dies zwingend ist) rein an den Rillen kletterte. Nachher kann man sich einiger Griffe in den Rissen rechterhand bedienen. Auch in meinem Nachstieg war es jenseits von meinem Können, diese komplett zu ignorieren. Vielleicht ginge es mit Oldschool-Kletterfinken besser, welche sich ideal in den Rillen verklemmen lassen?!? Meine Treter sind sicher nicht erste Wahl für derlei Kapriolen.

Rückblick auf die tolle Wasserrille in L1 (6a hard). Nur den Abschnitt über die ersten drei BH muss man zwingend an der Rille klettern, dies ist die Crux. Bei den drei letzten Bolts bis zur Position des Fotografen wird es etwas steiler - da habe ich es nur mit den beiden Rillen nicht geschafft, sondern musste in die grasigen Risse (von hier aus gesehen) links greifen. Was natürlich vollkommen legitim ist, nur wäre es ohne noch schöner.

L2, 35m, 6b: Puh, nochmals schwieriger bewertet, das konnte ja heiter werden. Dieser kompakte Steilplatten-Schild à la Rätikon ist sicherlich das absolute Highlight der Route. Über eine längere Strecke ist die Kletterei anhaltend und es gilt, sauber auf der gefinkelten Wand anzutreten und kleine Kratzer und grössere Sloper zur Stabilisierung zu nutzen. Angst und Bange muss einem dabei aber nicht werden, die Absicherung ist in diesem Abschnitt hallenmässig und fast übertrieben gut - es stecken ca. 16 BH auf dieser Länge. Im oberen Drittel lassen die Schwierigkeiten dann etwas nach, die Kletterei bleibt aber bis zum Schluss sehr attraktiv.

Rückblick auf den Crux-Teil von L2 (6b), anhaltende Steilplatte mit seichten Wasserrillen, super!!!

L3, 30m, 6a: Die letzte Seillänge wartet nochmals mit schöner Kletterei auf, ist aber in ihrem Anspruch deutlich tiefer als die beiden vorangehenden. Als die Crux empfand ich eine Passage in der Mitte über einen kleinen Wulst hinweg. Zuletzt endet die Route ziemlich abrupt bei einem unbequemen Stand, bevor das Gelände oberhalb schrofig wird.

Griffstrukturen in L3 (6a) - fantastisch!

In der Gegend von 16.10 Uhr und damit nach etwas weniger als 2 Stunden Kletterei hatte ich das volle Ropesolo-Programm (Vorstieg, Abseilen, Nachstieg) erledigt und die Route onsight geklettert. Für den Weg zurück an den Einstieg sind 3 Abseilmanöver à 30m auszuführen. Ich hatte korrekt spekuliert, das von mir mitgeführte 60m-Seil war gerade genügend lang. Aber Achtung, wer es mir gleichtut: es reicht jeweils nur knapp. Weil die Wand inzwischen ihrem Namen gerecht im Schatten lag, ein lästig-kühler Föhnwind aufgekommen war und die Zeit auch schon fortgeschritten war, entschied ich mich gegen eine zweite Route. Ich war gut auf meine Kosten gekommen und das gemeinsame Abendessen daheim war die attraktivere Wahl. Somit retour zum Bike, auf dem Heimweg verzichtete ich auf Umwege über Trails und fuhr möglichst direkt (via Laui - Unterwasser) ins Tal - eine nur kleine Klettertour war es, aber doch ein absolut gelungener und spassiger Ausflug!

Glücklich darüber, diesen Ausflug in einer solch schönen Ausflug genossen haben zu können 🥰

Facts

Schattenwand - Chupferhode 6b (5c+ obl.) - 3 SL, 100m - Ott/Wiesmann 1988, saniert 2007 - ***;xxxxx
Material: 1x60m-Seil, 14 Express

Kurze, aber sehr schöne MSL-Route in vorzüglichem Schrattenkalk à la Rätikon. Die Kletterei an Wasserrillen und über Steilplatten begeistert absolut. Seit der Sanierung im Jahr 2007 ist die Absicherung mit vielen rostfreien Bohrhaken fast übertrieben gut. Weitestgehend kann man die Schwierigkeiten A0 bewältigen, wer es also einmal probieren will, hat hier die Chance. Um die Route dann aber freizuklettern, muss man hingegen im plattig-technischen 6b-Gelände schon einigermassen versiert sein. Gleich nebenan gibt's noch weitere Möglichkeiten für attraktive 3-SL-Routen, so ergibt sich falls gewünscht ein voller MSL-Tag. Details zum Gebiet und den Routen findet man im Plaisir Ost oder im SAC-Kletterführer Alpstein.

Freitag, 1. November 2024

Brisi - Donnerwetter (6b, 7 SL, Erstbegehung)

Der Brisi mit seiner wuchtig-breiten, steil-imposanten Südwand sieht aus der Ferne wie der perfekte Kletterspielplatz aus. Doch leider ist das Gestein dort wechselhaft, die wenigen modernen Routen verlangen einen Mix aus harter Sportkletterei und anspruchsvollem Alpingelände. Gemütlicher geht es auf der Westseite zu und her: mit der von Thomas Wälti erschlossenen Luky & Sina gibt es seit längerer Zeit eine Genusstour. Sie zeichnet sich durch soliden, kletterfreundlichen Fels, gute Absicherung und problemlosen Zugang aus, bietet aber doch ein eindrucksvolles und aussichtsreiches Gesamterlebnis. Im Sommer 2024 hat die Luky & Sina nun eine Nachbarroute erhalten, auf welche dieselben Attribute zutreffen. Hier der Bericht zur Erschliessung mit allen nötigen Infos über Zustieg, Kletterei, Material und dem Topo.

Blick von der Lücke zwischen Frümsel und Brisi auf die Westwand mit der Route Donnerwetter.

Erschliessung

Die Geschichte dieser Route beginnt mit meiner Sommerskitour auf den Brisi im Mai 2024. Nach der ersten Abfahrt gönnte ich mir noch einen Abstecher durchs Frümseltal in die Lücke zwischen Frümsel und Brisi. Dort deponierte ich meine Bretter und stieg hinauf zum Einstieg der Luky & Sina, welche ich dereinst mit Kathrin und Manuela im 2009 geklettert hatte. Weil sowohl der Grasboden nach der ersten wie auch nach der zweiten Seillänge zu Fuss zugänglich sind, konnte fast die gesamte Route bzw. das Felspotenzial daneben aus nächster Nähe inspiziert werden. Es kribbelte heftig in den Fingern und am liebsten hätte ich die Moves gleich freesolo in den Skischuhen ausprobiert. Die Vernunft (zum Umdrehen bevor der Point of no Return überschritten war 😂) war zum Glück gross genug, aber das Projekt mit einer Route durch die Brisi Westwand war lanciert. Mit Guido war auch bald ein Partner für das Vorhaben gefunden. So sassen wir in den Startlöchern und prüften täglich unsere Möglichkeiten. Doch im Vorsommer 2024 war der Brisi, wenn nicht Regenschauer eine Tour vereitelten, fast permanent in dicke Quellwolken gehüllt. Am 28. Juni 2024 sollte es dann klappen, die Prognose klang endlich einmal gut genug. Doch es war wieder nichts, ein isoliertes, nächtliches Gewitter lud über den Churfirsten viel Feuchtigkeit ab und wir mussten zum Bockmattli umdisponieren. Dort gelang uns an diesem Tag die Erstbegehung der Kairos, was natürlich ein absolut ebenbürtiges Programm war.

Auf geht's zum Brisi, wie immer per Bike - lange mussten wir auf diesen Moment warten!

Das Brisiprojekt war mit der Kairos natürlich nicht hinfällig geworden. Die Chance kam schliesslich zum Ende der Sommerferien. Am 15. August 2024 fuhren wir (wie immer) mit den Bikes von Unterwasser zur Alp Torloch und mühten uns mit sehr schwerem Gepäck zur Brisi Westwand. Meine Abschätzungen hatten ergeben, dass für dieses Projekt wohl ziemlich genau gleich viele Haken wie in der Kairos zu setzen wären. Somit lag eine 1-Tages-Erstbegehung im Bereich der Möglichkeiten. Auf jeden Fall wollten wir eine solche anstreben und sie sollte nicht an einem Detail scheitern. Voll beladen mit Material, Motivation und Power stiegen wir ein. Auf einen heftigen Bremser trafen wir jedoch bereits in der zweiten Seillänge. Ich leistete einen Verhauer von 4 Bohrhaken, den ich wieder abbauen musste. Unverhältnismässig schwierig war das in freier Kletterei, was viele Wiederholer nur zu einem Umweg über eine Schuppe gelockt hätte, von welcher man besser die Finger lässt. Das Malheur liess sich zum Glück mit einer neuen Routenführung in der oberen Hälfte des zweiten Abschnitts korrigieren. Dass dies an den Zeitreserven genagt hatte, wog weniger schwer wie die Hypothek von vier vergeudeten Bolts, die uns möglicherweise später fehlen und an der Komplettierung der Route hindern würden.

Der Startschuss ist gesetzt! Beim Bohren der dritten Zwischensicherung in L1 (5c+).

Es galt jedoch kein Trübsal zu blasen, sondern sich in die Komplettierung des Projekts zu engagieren. Nach einer Grasbandquerung nahmen wir die dritte Klettersequenz in Angriff. Steil war es da, die anhaltende 45m-Seillänge im Grad 6b forderte 10 Bohrhaken, entsprechend auch Zeit und Kraft. Sämtliche im Voraus fragliche Passagen lösten sich aber gut auf, das war die Hauptsache. Eine Verschneidung mit erstaunlich kniffliger Ausstiegspassage brachte uns schliesslich als fünfte Seillänge auf das oberste Grasband, mit freiem Blick auf den letzten Felsriegel. Diesen hatte ich bei meiner Reko anlässlich der Skitour nicht inspizieren können. Auf den Fotos von früher meinte ich zwar, eine Linie zu erkennen. Doch deren Steilheit und Details zur Felsqualität liessen sich auf den Pixeln am Bildschirm nur summarisch bewerten. Sprich es war unklar, bei welchen Schwierigkeiten es ging und wie lohnend es wäre. Das Schicksal war uns aber gnädig bestimmt: an einem scharf geschnittenen, griffigen Riss liess sich das steile Gelände wie gewünscht im 6b-Bereich bewältigen. Mit ein paar kraftraubenden Bohrmanövern gelangte ich zur finalen, genial zu kletternden Schuppe, setzte den allerletzten Bolt den wir mitführten und gelangte so zum Top. Wie gut, dass wir da, den finalen Stand der Luky & Sina nutzen konnten, sonst wäre unsere Route an diesem Tag nicht vollendet worden. Das war eine Punktlandung im wahrsten Sinne des Wortes gewesen, die mit einer genialen Abendstimmung am Top versüsst wurde. 

Besser kann es fast nicht aufgehen! Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir das Top der Route, die Erstbegehung in einem einzigen Tag war geschafft. Und es ging bis auf das letzte Stück ganz genau auf mit den Bohrhaken, am Ende waren alle aufgebraucht - ohne dass ich auf Kompromisse und Sparerei setzen musste.

Noch ausstehend war damit nur die Krönung des Projekts durch eine Begehung mit leichtem Gepäck und Rotpunktambitionen. Erneut vereitelte instabiles Wetter die Pläne, erste Schneefälle ermöglichten sogar schon eine Voralpen-Skitour im September. Nach den Herbstferien hielt dann aber doch der gewünschte goldene Oktober seinen Einzug, so dass wir am 27. Oktober 2024 zur Tat schreiten konnten. Die erwünschte Rotpunktbegehung gelang ohne Schwierigkeiten, aber mit viel Freude. Wir genossen einen fantastischen Herbsttag bei bestem Wetter mit genussvoller Kletterei. Gold wert war auch die Erkenntnis, dass Route und ihre Moves sich noch besser anfühlten, als wir dies vom Tag der Erstbegehung in Erinnerung hatten. Das war ein tolles Projekt, vielen herzlichen Dank Guido für deine Mithilfe und Mitarbeit!

Bei erneut fantastischem Ambiente kurz vor dem Top in L7 (6b) - danke Guido!

Zustieg

Autofahrer erreichen von Unterwasser über die taxpflichtige Strasse (13 CHF/Tag, Taxautomat für Münzen, Twint oder Parkingpay-App vor Unterqueren der Iltiosbahn) die Selamatt und stationieren ihr Gefährt in der Gegend von P.1561 bei den Ställen vom Thurtalerstofel (Kartenlink, bitte den Alpbetrieb nicht behindern!). Dann auf markiertem Wanderweg via Brisizimmer und P.1798 am Fuss des Brisirückens ins Frümseltal zur Lücke P.2044. Nun der Krete ostwärts folgend hinauf, eine erste Gruppe von Felstürmen wird links umgangen. Man erreicht so den markanten Schacht am Grat. Im Sattel oberhalb von diesem findet man den Einstieg  (2 BH, Markierung "Luky & Sina"). Koordinaten CH LV95: 2'739'085, 1'223'995, Höhe 2110m, Kartenlink. Gehzeit ab P.1561 ca. 60-75 Minuten.

Hier im Sattel über dem markanten Schacht (durchgehendes Loch auf die Südseite!) starten Luky & Sina sowie auch unser Donnerwetter. Hier der Rückblick auf L1 (5c+) und Guido, der mich im Vorstieg sichert.

Mit dem Bike kann man bis Brisizimmer fahren, oder alternativ auch zur Alp Torloch (dorthin anscheinend Fahrverbot für Autos, v.a. gibt es keine Parkplätze). Die Alp Torloch als Ausgangspunkt macht jedoch nur dann Sinn, wenn man den Westabstieg vom Brisi (siehe unten) wählt. Beim Abstieg über den Brisi-Nordrücken ist ein Bikedepot bei Brisizimmer insgesamt vorteilhafter und schneller. Die Querung von Torloch zum markierten Wanderweg im Frümseltal kann auf der falschen Fährte durch Kraut, Stauden und mühsame Karren beschwerlich sein. Insidertipp: es gibt eine zurückhaltend mit pinken Punkten markierte Ideallinie (Startpunkt ostseitig, Startpunkt westseitig).

Bikedepot bei Brisizimmer, hinten nicht nur der Säntis, sondern mit Wildhauser Schafbergwand und Moor zwei Top-Klettergebiete in Sichtweite.

Routenbeschreibung

Donnerwetter 6b (6a obl) - 7 SL, 230m - Marcel Dettling & Guido Arnold 2024
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, evtl. Cam 0.4

L1, 25m, 5c+, 3 BH: Vom Stand im Sattel ob dem Schacht startet Luky & Sina nach rechts, Donnerwetter steigt in die kompakte Platte etwas links oben ein. Die kurze Wandstufe beschäftigt einen vermutlich länger, wie man zuerst meint. Es ist doch recht steil, man muss sauber antreten und die positiven Crimps identifzieren, an welchen man sich festhalten kann. Nach 10m steigt man schon auf das Grasband aus und traversiert auf diesem 15m horizontal hinüber zum gemeinsamen Stand mit Luky & Sina. Dieser Abschnitt kann auch problemlos linksherum umgangen werden.

Guido im Exit von L1 (5c+), wo noch eine Grasbandquerung wartet. Zwei weitere Fotos von dieser Seillänge findet man weiter oben im Bericht in den Rubriken Erschliessung und Zustieg. Hinten der Frümsel.

L2, 35m, 6a+, 8 BH: Hier geht Luky & Sina mehr oder weniger direkt über dem Stand weiter, während Donnerwetter ein paar Meter links startet. Zur optimalen Sicherung des Vorsteigers sollte man sich vielleicht nicht gerade mit der kürzesten Selbstsicherungsschlinge am Stand fixieren (auf dem breiten und wenig steilen Grasband ist überhaupt keine Sicherung nötig). Es folgt ein prima Start über kompakte Steilplatten mit Seit- und Untergriffschlitzen, toll! Bald einmal lässt es etwas nach, mit genussvollen Moves im Fünfergelände kommt man zum Top dieser Wand.

Tolle Kletterei an Unter- und Seitgriffen in L2 (6a+).

L3, 40m, T4,  0 BH: Erst über das problemlos begehbare Grasband horizontal hinüber zu einem Block mit SU-Schlinge. Die letzten Meter sind dann etwas gerölliger und werden leicht absteigend begangen. Die Bohrhaken drüben an der Wand für die Fortsetzung der nächsten Seillänge sind gut sichtbar. Am Stand/Einstieg steckt nur ein einzelner Haken. Da es sich hier um kein Absturzgelände handelt, scheint das so vertretbar. Wer unbedingt einen zweiten Sicherungspunkt will, kann in einem Querschlitz den Camalot 0.4 legen.

Im Vordergrund die SU-Schlinge und der letzte Teil von L3, dort wo Guido steht führt L4 weiter.

L4, 40m, 6b, 10 BH: Steil geht's los, dank den griffigen Schuppen erst links in der Wand. Auf ein paar Metern Höhe ist es dann kommoder, die Verschneidung rechts in die Sequenz einzubauen. Griffig und etwas weniger steil geht es nach deren Ende weiter. Der nächste Programmpunkt bzw. die Crux besteht aus einem kniffligen Mantle über einen Wulst (etwas rechtsrum angehen, direkt über den Haken ist das taff!). Nachher folgt wieder schön griffiges Steilgelände im Bereich von 5c+/6a zu einem luftigen Stand hinauf.

Marcel hat die griffigen Schuppen am Start von L4 (6b) schon genutzt und spreizt nun an die Verschneidung.

L5, 35m, 5c+, 4 BH: Grob in der Verschneidung geht's weiter. Vorderhand genussreicher und auch nicht schwieriger, wenn man links in der Seitenwand klettert, das ist die Ideallinie. Vorbei geht's an einem witzigen Klemmblock, an welchem wir wie verrückt gerüttelt haben. Er liess sich nicht bewegen, man nutze ihn trotzdem mit Bedacht (oder gar nicht, geht auch ohne wesentlich höhere Schwierigkeiten). Am kniffligsten ist dann der Ausstieg aus der Verschneidung, der sich aber doch auch gut wegstehen lässt. Weiter geht's dann in gestuftem Grasgelände, wo man zur Sicherung (falls es einem nötig erscheint) nochmals den Cam 0.4 unterbringt. Der Stand kommt erst oben auf der wenig steilen Wiese an einem Felsblock (einfach zu finden).

Marcel unterwegs in der Verschneidung von L5 (5c+) bei der Rotpunktbegehung.

L6, 30m, T3,  0 BH: Aufstieg über die Grasflanke zur nächsten und letzten Wand. Der Einstieg befindet sich bei einer kleinen Höhle, die Bohrhaken sind ca. 3m rechts einer markanten Verschneidung gut sichtbar. Am Boden der kleinen Höhle befindet sich in ein paar Steine eingebettet das Honigglas mit dem Wandbuch, wo man gerne seinen Eintrag machen darf. Da es sich nicht um Absturzgelände handelt, steckt auch hier am Stand/Einstieg nur ein einzelner Bohrhaken, mehr braucht es nicht. Ein zweiter Sicherungspunkt könnte mit dem Cam 0.4 im Riss gelegt werden.

Wie cool, dass auch diese Grasbandlänge ohne Kletterschwierigkeiten spektakulär aussieht!

L7, 30m, 6b,  8 BH: So richtig steil und kräftig geht's hier los, dank dem griffigen Riss mit seiner scharfen Kante und ein paar Tritten steigen die Schwierigkeiten doch nicht übermässig an. Es gilt die Übersicht zu behalten, bis das Terrain nach ca. 10m etwas einfacher wird. Gerade hinauf kommt man zur markanten Riesenschuppe. Eine grandiose Turnerei in bestem Fels an dieser bringt einen hinauf zum Top, ein paar einfache Moves führen rechtshaltend zum letzten Stand, welcher gemeinsam mit Luky & Sina ist.

Marcel unterwegs am steilen, ja bisweilen leicht überhängenden Riss in L7 (6b). Die Seillänge führt in gerader Linie über dem Kletterer weiter. Oben am Horizont erkennt man direkt über dem Helm auch noch die massive Schuppe, an welcher man im zweiten Teil der Seillänge in die Höhe turnt.

Abstieg

Am einfachsten in knapp 10 Minuten vom Ausstieg weiter dem Westgrat bzw. der Gipfelkrete entlang (Gehgelände, T3) zum Kreuz am höchsten Punkt vom Brisi und von dort den markierten Wanderweg über den Nordrücken zum Abstieg nutzen, was einen in total ca. 60 Minuten retour zum P.1561 an der Selamattstrasse bringt. 

Guido auf dem Weg zum Brisigipfel, welcher der Gipfelkrete entlang führt. Was für eine Gegend!

Alternativ kann auch der Westabstieg verwendet werden, welcher Absteigen und Abseilen kombiniert. Zuerst vom Top (in Wandansicht) rechts der letzten Seillänge durch eine T4-Rinne absteigen, dann am Fuss des Felsriegels (am Start von L7 vorbei) zur Abseilstelle am Fuss der markanten Pfeilers queren. 3x Abseilen à jeweils 20-24m bringt einen auf die Wiese auf Höhe Start von L4. Von dort steigt man zu Fuss im Schrofengelände (T4/T5) ab, die ersten drei Seillängen der Route (im Abstiegssinn) rechts umgehend. Ungefähr auf Höhe des Einstiegs quert man hinüber zum Schacht bzw. der Krete, steigt ab zu P.2044 und gelangt über die markierten Wege durchs Frümseltal retour zu seinem Ausgangspunkt. Der Zeitbedarf dürfte so bei 60-90 Minuten liegen, je nachdem wohin man muss/will.

Büroarbeit auf dem Brisi 😀

Abseilen/Rückzug

Die Route Donnerwetter ist nicht zum Abseilen eingerichtet! Nach L1 und L2/L3 kann man über die Bänder nordwärts ausqueren und absteigen, nach L4 lässt es sich zu deren Start abseilen und dasselbe tun. Hat man L5 bewältigt, so kann L7 durch die T4-Rinne rechts umgangen und der Gipfel erreicht werden. Oder man quert von da über die Wiese zur der beim Abstieg erwähnten Abseilmöglichkeit.

Wie bekannt mag es der Mann im Bild gar nicht, eine MSL nicht bis zu ihrem Ende zu klettern 😉

Material, Absicherung, Topo & Hinweise

Die Route ist durchgehend mit soliden, rostfreien Bohrhaken auf Stufe xxxx bzw. Plaisir gut+ eingerichtet und klassifiziert unseres Erachtens als Genusstour auf gehobenem Niveau. Ein gewisser Anspruch ist im Vorstieg dennoch präsent. Die Haken wurden zur Sicherung und zur Vermeidung von gefährlichen Stürzen platziert und nicht, um sich an jeder Stelle nach Belieben daran hochziehen zu können. So ist der Grad 5c+ ganz sicher, vermutlich sogar 6a obligatorisch zu meistern. Im vierten und unteren fünften Grad muss man auch einmal ein paar Meter über die Haken steigen, für Churfirstenverhältnisse gut abgesichert ist das Terrain auch dort. Mobile Sicherungen sind nach Meinung des Autors nicht zwingend anzubringen, gewisse Möglichkeiten findet man hier und da. Am ehesten nützlich (aber auch verzichtbar) ist der Camalot 0.4, um im Stehgelände am Anfang von L4 und L7 einen zweiten Sicherungspunkt zu schaffen und im grasigen Kraxelgelände am Ende von L5 noch eine Zusatzsicherung zu haben. Hinweis: auf den Seillängen ist der Fels generell solide, rau, griffig und genussvoll zu beklettern. Bei den Ausstiegen auf Bänder und in gestuftes Gelände ist jedoch eine gewisse Wachsamkeit auf loses Gestein durchaus empfehlenswert. Für Kletterer mit etwas alpiner Erfahrung ist das aber problemlos zu meistern. So bleibt mir nur noch, viel Spass bei einer Wiederholung der Route zu wünschen und auf den PDF-Download für das unten abgebildete Topo hinzuweisen.

Das Topo zur Route, gibt es auch zum Download als PDF.

Mittwoch, 21. August 2024

Wisswand - Johannes Nänny (6b)

Das Weekend zu Beginn der Schulsommerferien war für den Support von Larina am European Youth Cup (EYC) in Dornbirn reserviert. Leider reichte es ihr nicht in den Final und somit hatte ich am Sonntag kurzfristig einen freien Tag. Nach Trainings- und Bouldersessions an den Tagen zuvor mussten es keine harten Moves sein und während ein reines Kardiotraining natürlich eine Option dargestellt hätte, so schien die Vertikale und vor allem das Entdecken eines bisher noch nie besuchten Klettergebiets die attraktivere Option. Somit fiel der Entscheid auf die Wisswand am Lisengrat beim Säntis. Die dortigen Routen schienen genau die richtige Länge und Schwierigkeit für ein Rope Solo zu haben, zudem sind sie auch gut mit Bohrhaken abgesichert. Und nicht zuletzt liess sich alles in eine schöne Bike, Hike & Climb-Rundtour packen, ein ideales Programm also.

Der Standardzugang vollzieht sich ab dem Säntis, von wo man in ca. 25 Minuten zum Top der Wisswand absteigt und dann abseilend auf das Mittelband gelangt. Die meisten Routen starten dort, am Wandsockel gibt es nur drei ältere Linien, die man von oben kommend für gewöhnlich auslässt. Mir war vor allem nicht danach, mich in den Touristenrummel zu stürzen und das Portemonnaie zu zücken. Darüber hinaus ist es ja auch angenehmer, eine Wand von unten anzugehen und komplett zu durchsteigen. Allerdings: der Zustieg vom Parkplatz Laui/Thurwies ist kolossal weit. Doch ob er im Gesamtkontext von mir daheim bis zum Schnüren der Kletterfinken am Wandfuss wirklich länger dauert, da bin ich dann aber doch nicht so sicher. Jedenfalls, ich startete in Alt St. Johann (wo es Gratis-Parkplätze gibt) mit dem Bike.

Schon näher, aber immer noch läuft man ein gutes Stück, bis man den Fels erreicht.

Auf guter und geteerter Strasse erreicht man P.1262, wo eine Fahrverbotstafel steht. Auch heisst es nachher wegen der heftigen Steigung stark in die Pedale zu treten, fahrbar ist es jedoch bis zu den Alphütten bei P.1519. Da ist man der Wand zwar schon deutlich näher gerückt, noch immer sind es jedoch rund 700hm zum Einstieg. Auf ca. 1890m verliess ich den Wanderweg zum Rotsteinpass und stieg erst über Gras, dann über Geröll und schliesslich Altschnee gegen den Wandfuss. Dass dieser kragenmässig mit einem Schneefeld garniert war, hatte ich bereits aus dem Tal gesehen. Da nicht mehr allzu üppig und dank den hohen Temperaturen kalkulierte ich damit, dass es auch mit den Turnschuhen ginge. Dem war dann so, aber man sei gewarnt: das Gelände ist steil, wenn's noch viel Schnee hat oder dieser hart ist, könnte der Weg dahin ohne alpine Ausrüstung vergebens gewesen sein.

Panorama vom Einstieg, der markante Gipfel in Bildmitte ist der Wildhauser Schafberg.

Grundsätzlich war mein Plan, in die Grosse Verschneidung einzusteigen. Geworden ist es schliesslich aber die Route Mittlerer Riss. Das lag an drei Prachtsexemplaren von Steinböcken, welche links am Schnee faulenzten und mein vorrangiges Projekt belagerten. Meine Überlegung war, dass mich auch der mittlere Riss hinauf auf's Band bringen würde. So konnte ich einen respektvollen Abstand zu den Tieren wahren und störte sie nicht. Um 13.50 Uhr hatte ich schliesslich alles parat und startete mit der Kletterei.

Hier geht's los, hier der Blick auf die schönen Wasserrillen am Anfang von Mittlerer Riss (L1, 4b).

L1, 30m, 4b: Erst eine schöne Wasserrille mit super Fels und guter Absicherung. Danach linkerhand in eine einfache, gschüderige Rinne, wo es auch keine fixe Absicherung mehr gibt. Im Nachstieg am freien Seil konnte ich diesen Teil links über die kompakte Platte klettern, was den oberen Teil deutlich spannender macht.

L2, 50m, 5a: Im unteren Teil zwar solider, plattiger Fels, aber man klettert hier mehr vom einen zum nächsten grasigen Riss. Es folgt dann ein weiter Abstand (das Maillon im Haken markiert ihn). Der Fels ist nicht top und der nächste Bolt schon im steilen Terrain muss eher engagiert angeklettert werden. Der Steilaufschwung dann ganz ordentlich, für eine 5a aber ziemlich fordernd, fand ich.

Mit einer schrofigen Verbindungslänge (3a) gelangt man auf's Mittelband, wo man gerade hinauf die eigentliche Fortsetzung von Mittlerer Riss findet, oder aber auch in eine der anderen Routen wechseln kann. So weit so gut, doch ich stieg über die Kante auf das grasige Band und genau vor meiner Nase waren zwei weitere Prachtsexemplare von Steinböcken 😳 Damit hatte ich, inmitten einer Kletterroute, nun wirklich nicht gerechnet. Etwas anderes als Stehenbleiben konnte ich im Moment kaum tun, zum Glück blieben auch die Böcke cool. Sie entfernten sich, langsam und scheinbar widerwillig nach links, so dass ich als erstbeste Lösung den Stand von Delila gerade oberhalb anpeilen konnte. Beim Ablassen um unten das Seil zu lösen hatte ich dann bemerkt, dass sich weiter rechts auf dem Band nochmals mindestens ein Exemplar befand. Doch mir blieb wegen dem fixierten Seil keine Wahl, als ab- und wieder aufzusteigen - mit ziemlich mulmigen Gefühl, denn auf diesem schmalen und steilen Rasenband mit den Tieren, denen man als Mensch bei einer Konfrontation in jeder Hinsicht unterlegen wäre. Um möglichst rasch wieder in steiles, bockfreies Gelände zu kommen, spielte ich mit dem Gedanken, gleich über Delila (4 SL, 6c) weiterzugehen. Nach einem Moment der Kontemplation schien es mir aber doch die bessere Lösung, zur Johannes Nänny zu wechseln. Das erforderte ein kurzes Abseilmanöver von 5m und eine Linkstraverse von 20m (die Böcke hatten sich inzwischen noch weiter entfernt).

Schau genau... vermutlich dachte er genau wie ich "mir wäre es lieber, du wärst nicht hier". Der Start zur Johannes Nänny ist noch links vom Bock (der später Leine gezogen hat), links der dunklen Höhle beim markanten gelben Ausbruch wenig links der Bildmitte.

L1, 15m, 6a: Nicht geklettert, da sie noch eine Etage tiefer startet und man von meinen Standpunkt dahin hätte abseilen müssen. Sicher ist es jedoch nur eine kurze Stufe von wenigen Metern im Fels.

L2, 30m, 6a+: Startet gleich beim markanten, gelben Ausbruch, welcher sich erst nach der Erschliessung ereignet hat (die Route wurde danach restauriert). Der Start vom Boden weg im wenig strukturierten Ausbruchsfels mit einem Boulderzug gar nicht mal so einfach und auch nachher am Wulst heisst es für 6a+ noch 1x gehörig zupacken. Oben dann einfacher und auch wenn man mehr rechts in der Rinne klettert wie links im kompakten Gelände durchaus noch spannend.

L3, 25m, 6a: Eine super Seillänge, klar die schönste der Route! Erst elegant mit zwei Seitschuppen, dann eine kräftig-steile Zone und auch der steilplattige, strukturierte Ausstieg ist cool. Nur die 6a-Lösung habe ich weder beim ersten noch beim zweiten Go gefunden. Obwohl 2x mit anderem Ansatz versucht, bin ich die drei schwierigsten Züge schlussendlich im Vor- und Nachstieg exakt gleich geklettert. Nach meinem Dafürhalten eher 6b, jedenfalls klar die schwierigste Länge der Johannes Nänny.

Des Rope Soloisten Geistesblitz: "mach doch mal ein Foto vom Klettern". Hier sieht man das Finish von L3 (6a), in direkter Verlängerung des Seils geht's dann in L4 (6b) an der Ecke vom Dach über den Wulst, was die nominelle Crux der Route darstellt.

L4, 25m, 6b: Das konnte ja heiter werden, nochmals einen Buchstabengrad schwieriger! Nach kurzem Vorgeplänkel geht's an einem Wulst mit Seitgriffschuppen zur Sache. Allzu viel Struktur und gute Tritte gibt's da nicht, doch für extremen Hau-Ruck scheint die filigrane Schuppe nicht gemacht (Gefahr von einem Ausbruch). Überlegen ist hier sicher besser als Kraftmeiern, ich fand eine super Lösung, so ging's elegant und easy - nach meinem Gusto einfacher wie L2 und L3. Nachher ist dann schon bald fertig. Umso mehr, wenn man fälschlicherweise den offensichtlichen Stand links von Masoala nimmt. Die J.N. geht ziemlich unscheinbar rechts noch über 2 BH griffig weiter auf eine Art Turm rechts.

L5, 25m, 4a: Auch hier heisst es das Topo genau zu beachten, wenn man auf der J.N. bleiben will. Diese führt mit nur 2 BH rechts einer Verschneidung hinauf, die offensichtliche (und schönere) Linie rechts in der Platte ist dann schon die 4c der Shanty. Da besser abgesichert und attraktiver habe ich jener mit Absicht den Vorzug gegeben - schöne, gemässigte Plattenkletterei bis zum Top.

Blick vom Top zum Säntis (alternativer Zugang). Früh in der Saison hat's auch da Altschnee.

Um ca. 17.15 Uhr nach knapp 3:30h in der Wand hatte ich das Programm (was für einen Rope-Soloisten immer 2x rauf und 1x runter heisst) absolviert, das Seil aufgeschossen und das Gipfelselfie geknipst. Ich hatte die Route onsighten können: das ist in dem Grad natürlich keine Weltklasseleistung, aber im Ropo Solo muss man es doch erst einmal schaffen - ich war jedenfalls sehr zufrieden. Nun hiess es noch, wieder ins Tal zu kommen: zu Fuss via Rotsteinpass zum Bike, hiess das in meinem Fall. Der beste Abstieg von der Wisswand zum Lisengratweg ist nicht so ganz offensichtlich - ich ging gleich ostwärts. Geht, aber erfordert am Ende zwingend verschärfte Abkraxelei. Mit etwas Auf und Ab dann im Trailrunning-Style zum Rotsteinpass mit Gasthaus, welches/n ich jedoch links liegen liess. Ich gab den Fersen weiter die Sporen und auch auf dem Bike liess ich es gerne rauschen. Denn inzwischen hatte ich die Kunde erhalten, dass die SAC-Selektionäre ihren Entscheid getroffen hatten. Die verhiess, dass Larina nicht am kommenden EYC in Zilina würde teilnehmen können. Somit konnten wir schon am nächsten Tag in die Sommerferien reisen und dafür galt es ja noch das ganze Material zu packen. Unvermeidlich wurde das zu einer Nightsession - aber natürlich war's das mir lieber so, als auf diesen Ausflug an den Fels verzichtet zu haben. Die Füsse stillhalten konnte ich ja dann am nächsten Tag auf der Fahrt in die Hautes-Alpes... 😁🤗

Vom Lisengrat gesehen ist die Wisswand ein richtig stolzer Zahn!

Facts

Wisswand - Johannes Nänny 6b (6a obl) - 5 SL, 120m (+100m vom Wandfuss) - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

In der Johannes Nänny wartet auf den drei zentralen Längen sehr schöne Kletterei in solidem, strukturiertem und rauem Kalk. Die Absicherung mit rostfreien Bohrhaken ist tadellos - prima gebohrt, aber nicht übertrieben. Auf mobile Gerätschaften kann man m.E. gut verzichten. Zusammen mit der wenig besuchten, (mir) unbekannten Gegend und einem schönen Panorama ein richtig cooler Ausflug. Nachteilig zu erwähnen ist die limitierte Routenlänge (v.a. im Vergleich zur Erreichbarkeit). Man kann aber gut eine zweite (oder dritte, vierte, ...) Route klettern, um auf die gewünschte Anzahl SL zu kommen. Abseilend steht man jeweils zügig wieder am Start. Oder alternativ vom Wandfuss starten. Die sanierten, alten Routen im unteren Teil sind aber einfacher und bieten nicht denselben Klettergenuss. Im Mittleren Riss kann das Mitführen von einem Set Cams lange Abstände in einfach-alpinem Gelände entschärfen. Topos zu den Routen bzw. zum Gebiet finden sich im SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng.

Freitag, 7. Juni 2024

Schibenstoll - Party 1142 (7a)

Erst kürzlich war mein Seilpartner in die Schweiz übersiedelt. Als bekennender MSL-Fan sei es ihm bisher schwer gefallen, Seilpartner für anspruchsvolle Unternehmen in den Bergen zu finden. Zwar seien alle Bouldergyms und die überhängenden Klettergebiete sehr gut besucht. Aber mit Zustieg, technisch-plattiger Kletterei und den Unabwägbarkeiten einer MSL-Tour wolle sich fast niemand herumschlagen. Somit wartete er noch auf seine Première nach der Züglete, wobei das instabile Frühlingswetter im 2024 natürlich das seinige dazutat. Jedenfalls konnte ich seinen Feststellungen nur zustimmen. Zu den erwähnten Punkten kommt bei mir kommt noch hinzu, dass nach langer "Karriere" bereits (fast) alle gängig-bekannten und im Topo mit 5* dekorierten Touren gemacht sind. Und Leute für neu erschlossene, obskure und/oder schwierige Routen zu finden, ist dann gleich nochmals schwieriger. Kurzum, die Party 1142 gleich als die erste MSL-Adresse in der Schweiz anzusteuern ist sicherlich etwas unorthodox - aber unter den gegebenen Voraussetzungen hat die Wahl eben doch ihre Logik.

Nein, so winterlich hat es an unserem Tourentag natürlich nicht ausgesehen. Der Nachteil am Churfirsten-Zustieg von Norden ist ganz klar, dass man Wand und Route nie übersichtlich zu Gesicht bekommt. Aus diesem Grund musste ich mir hier auch mit einem Foto von countryboy @ hikr.org behelfen, um den ungefähren Routenverlauf der Party 1142 am Schibenstoll Westgipfel einzuzeichnen.

Der beste Ausgangspunkt zur Tour befindet sich hier auf der Selamatt (Kartenlink) in der Kurve vor P.1536 bei Schribersboden, wo sich einige wenige Parkplätze befinden. Die Zufahrt dahin kostet 13 CHF an Taxe, bezahlbar an einem Automaten mittels Münzen oder Twint. Alternativ (und insgesamt etwas schneller) von Unterwasser per E-Bike, mit welchem man noch hinauf bis ins Rügglizimmer (P.1648) fahren kann. Von da geht es nur noch zu Fuss weiter, unsere Tour startet um 8.45 Uhr. Wir folgen dem Wanderweg bis zur Verzweigung Zuestoll/Schibenstoll, wobei wir schon die ersten Schneefelder begehen müssen - keine Überraschung für mich, es ist ja erst 6 Tage her, seit ich am Brisi noch auf Skitour war. Sie sind jedoch kompakt und auch in Zustiegsschuhen easy begehbar. Solange noch Schnee liegt, gilt es jedoch Acht zu geben auf einige heimtückische Karstlöcher, die sich in unmittelbarer Nähe der Wegspur befinden. Auf ca. 1765m nehmen wir dann den direkten Weg ins Kar zur Stollenfurggel und gehen meist über den gut begehbaren Schnee, das apere Gelände zu suchen wäre aufwändiger und zeitraubender. 

Lieber ein Foto vom Klettern wie vom Wandern... das ist der Start in L3 (6c+). Ich komme nicht umhin, den sich hier amateurhaft hinter dem Seil befindlichen Fuss zu kommentieren. Vor dem Klipp des zweiten BH war die Positionierung richtig, unmittelbar danach (als geknipst wurde) nicht mehr. Das wurde natürlich vor dem Weiterklettern bereinigt, so zu stürzen wäre unangenehm. Aber besser noch hätte ich den Haxen schon vor dem Foto umplatziert 😎

In der Stollenfurggel eröffnet sich der wunderbare Tiefblick auf den Walensee. Und es wird sich uns präsentieren, wie gut wir in den Schnüerliweg einsteigen können. Früh in der Saison kann es wegen Wechtenbildung in allen Churfirstensätteln schwierig sein, von der schneebedeckten Nordseite auf die apere Südseite zu wechseln. Meine Ferndiagnose anlässlich einer Bouldersession im Murgtal hatte zwar ergeben, dass es problemlos sein müsste. Aber aus 7.5km Distanz sieht man nicht alles restlos genau... doch hier lag ich richtig, es war kein Problem. Ich war sehr gespannt auf diesen Abschnitt des in letzter Zeit stark gehypten Schnüerliwegs (zuvor kannte ich nur den östlichen Teil vom Valsloch bis zum Einstieg der Rauchpause). Doch während es global gesehen schon eine recht aussergewöhnliche Passage ist, war ich schlussendlich fast ein wenig enttäuscht: die Querung von der Palisnideri zu den Einstiegen am Zuestoll ist doch wesentlich spektakulärer und exponierter. Zum Einstieg muss dann noch ein ordentliches Stück (ca. 200m) unter der Wand in problemlosen Gehgelände gequert werden. Die Fixschlinge am Einstieg der Westgipfel Südwand weist einen dann unmissverständlich darauf hin, dass man sich am richtigen Ort befindet. Wir bereiteten uns vor, ich startete schliesslich um 9.45 Uhr mit der Kletterei.

Die schmalste Passage am Schnüerliweg - nicht ganz so spektakulär wie der Zustieg am Zuestoll.

L1, 25m, 6a+: Die ersten Moves haben es gerade in sich, danach folgt schöne, etwas einfachere Kletterei in gutem, plattigem Fels. Zuletzt dann nochmals etwas steiler nach rechts hinaus. Ein freundlicher und gut abgesicherter Auftakt.

Am Ende von L1 (6a+) wartet nochmals eine etwas steilere Passage.

L2, 20m, 6c: Gleich die Passage aus dem Stand raus ist wegen Trittarmut fordernd, bevor es etwas einfacher zu einem kleinen Dächli mit nachfolgender Rippe geht. Weite Züge zwischen recht guten Schuppen stehen da auf dem Programm, wobei die Füsse ausgewählt auf abschüssigen-rauen Reibungstritten platziert werden müssen. 

Das im Text zu L2 (6c) erwähnte Dächli dürfte hier erkennbar sein.

L3, 20m, 6c+: Kurz nach links und dann geht's gleich los mit einer Passage, wo entschlossen an kleinen (und teils fragil wirkenden) Schüpplein gezogen werden muss. Eindrücklich und anhaltend geht's durch die geschlossene Wand weiter, wobei sich dem Kennerauge immer ein Weg eröffnet und alles gut aufgeht. Das gilt auch für die Linkstraverse am Ende der Seillänge - choose your way wisely!

Hervorragende, senkrecht-technische Wandkletterei in L3 (6c+).

L4, 25m, 7a: Erneut gibt's einen fulminanten Auftakt gleich mit der Crux. Mein Kletterpartner hat die mit komplett anderer Beta gelöst wie ich. Er probierte erst meine Idee und taxierte sie als 'unmöglich', mir ging's aber mit seinem Ansatz genau gleich... jedenfalls, ich kam gut durch und fand diesen Abschnitt nicht spürbar schwieriger wie die Cruxen L3 oder L5. Bald ist die Sache hier gegessen, die oberen drei Viertel sind deutlich einfacher: erst griffige Wand, dann an oder schöner neben der Verschneidung.

Da ist der gute Griff am Ende der Cruxsequenz von L4 (7a) in der Hand und es kann entspannt werden.

L5, 35m, 6c: Zu Beginn eine stark grasig-schrofige Passage, zum Glück ist der Fels fest. Es folgt ein erster Riegel in sehr schönem Fels, der sich tiptop auflöst. Am zweiten Riegel heisst es dann mehr zupacken: der präsentiert die Crux: sich abschüssig-seitgriffig delikat positionieren und kurz zum Rettungsgriff zaubern heisst da das Motto. Geholfen hat dabei ein Mikroschüpplein - ja es ist dort geblieben, aber ob es dies für immer tut?!? Zuletzt einfacher zum Stand, Achtung auf den (offensichtlichen) losen Block.

Das Finish von L5 (6c) ist gemütlich, die Crux hingegen knifflig-bouldrig-kurz und tricky.

L6, 35m, 6c+: Im Schrofengelände hinauf zu einer superschönen Wand, die attraktiv aussieht aber taffe Moves vermuten lässt. Diese findet man jedoch vor allem am Einstieg, wo es an Slopern in einer Traverse über ein Dächlein hinweg geht. Wichtig: den zweiten BH nach Klipp des dritten wieder aushängen oder stark verlängern, sonst bezahlt man sicher mit viel Seilzug. Die Wand oberhalb klettert sich dann dank super strukturiertem Fels genialst und viel einfacher wie gedacht.

Nach schrofigem Auftakt bietet L8 (6c+) kompakte Wandkletterei in superschönem Fels.

L7, 35m, 5c+: Der Auftakt in diesen Abschnitt ist komplizierter, wie man für den Grad vermuten könnte. In einem 'S' liegt die Lösung, nachher geht's auf der Rampe in schönem, griffigem Fels gemütlich nach rechts. Wir haben uns gefragt, warum vom Erschliesser nicht eine schwierigere Linie gerade hoch in de visu schönem, forderndem Terrain gewählt wurde... unsere Antwort dazu: so käme man nicht zum Gipfel und die Route wäre 1 SL weniger lang.

Gemütliche Kletterei in schönem Fels über die Rampe, durch welche L7 und L8 führen.

L8, 40m, 6a: Auf der Rampe geht's weiter, die Kletterei noch immer schön, aber ohne die ganz speziellen Momente. Im zweiten Teil kommt man dann zu einem schrofigen Kessel unter dem Gipfelaufbau. Hier wurde die Route rechts in den Fels gelegt - das ist v.a. zu Beginn sicher angenehmer so, vor dem Ende ist der Fels dann aber eher chossy und erfordert einige Vorsicht. Wir fanden diese Länge insgesamt einfacher wie L7.

L9, 25m, 6b: Das etwas gesuchte Schlussbouquet am Gipfelaufbau bietet nochmals schöne Moves. Über Stufen hinweg zu einer Traverse, wo der Exit in einfaches Gelände die Crux darstellt. Diese ging allerdings 'gäbig' von der Hand, sprich eher einfacher wie 6b. Der letzte Teil zum Top ist dann zwar klettertechnisch geschenkt, der lose Fels erfordert aber gehörige Aufmerksamkeit.

Bernat entsteigt der Crux von L9 (6b). Zum Schluss dann alpines Gelände, das Umsicht erheischt.

Um 13.45 Uhr hatten wir es nach 4:00h Kletterei geschafft. Meinem Kletterpartner war eine einwandfreie Onsight/Flash-Begehung gelungen - bravo, welch ein Einstand ins Schweizer MSL-Klettern! Mit einer einwandfreien Begehung kann ich mich nur fast (bzw. eben nicht) rühmen: leider musste ich zu Beginn von L3 einen Sturz wegen Griffausbruch verzeichnen. Ich nutzte das offensichtlichste, positive Feature da, im Glauben dass dies bereits bei Erschliessung und Erstbegehung getestet worden sei. Doch entweder lag ich damit falsch oder habe zu viel Kraft eingesetzt... jedenfalls war ich zurück auf Höhe Stand, bin gleich wieder los und durchgestiegen. Bei der entsprechenden Stelle muss nun eine andere, kleinere Struktur genutzt werden, die aber vorhanden ist. Rein in Bezug auf's Festhalten ist vielleicht einen Tick schwieriger geworden, dafür ist der Onsight-Durchstieg aber vielleicht auch einfacher, weil ich eine "Falle" aus der Route entfernt habe 😊 Anyway, bis auf dieses kurze Missgeschick darf auch ich mir einen Durchstieg notieren. 

Top am Schibenstoll Westgipfel (P.2196), ein exklusiver, nur selten besuchter Ort.

Wir machten den kurzen Weg hinüber zum Steinmann auf dem Schibenstoll Westgipfel (P.2196), den ich zuvor noch nie erreicht hatte und der auch nur sehr selten bestiegen wird. Es gibt nämlich keinen wirklich einfachen Weg dahin und die Kletterrouten sind alle nur spärlich frequentiert. Das zeigt sich durch die Tatsache, dass immer noch das erste Gipfelbuch von 1968 in der Schatulle versteckt ist. Es war sehr spannend darin zu lesen, bitte dieses jedoch sehr sorgsam behandeln!!! Ein Kurzfazit: ab 1968 und in den 1970ern gab es regen Verkehr der lokalen und regionalen Szene in den damals relativ frisch erschlossenen, klassischen Routen. Mit dem Aufkommen der Sportkletterei verebbte dies, so herrscht zwischen 1985 und 1992 eine Lücke. Wohl nur dank der guten Dokumentation in den Churfirstenführern von Thomas Wälti (1995 und 2023) gibt es in der neueren Zeit überhaupt noch Besuch. Doch auch dieser ist nicht üppig. Es wird spannend zu sehen sein, ob die Party 1142 nun mehr Begeher an den Schibenstoll Westgipfel lockt. Laut dem Gipfelbuch war unsere Begehung jedoch die erste Wiederholung der Route.

Man vergleiche zu p.11 im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von 2023 😀. Also von den 1142 Türmen im Elbsandstein bin ich weit, weit weg. Im besten Fall sind es 11 oder noch ein paar mehr, sicher aber keine 42. Sprich, ich war anno 2009 mal dort unterwegs. Leider die Fotos (Speicherkarte) verloren und daher nie "etwas daraus gemacht", was die Erinnerungen hat verblassen lassen... Dafür komme ich langsam in die Nähe von 1142 gekletterten MSL-Routen, das ist ja doch auch etwas 🤓 und erst noch mit dem Vorteil, dass man damit nicht fertig ist, sondern die Geschichte noch weitergeht. Allerdings gibt's halt auch keine Party...

Für den Abstieg gibt es unterschiedliche Optionen: 1) hinüber zum Hauptgipel (alpines Gelände, T6) und Fussabstieg über den Wanderweg, 2) Abstieg mit 3x Abseilen über den Westkamin oder 3) Abseilen über die Route. Das ist laut Topo nicht vorgesehen, aber wir hatten trotzdem beschlossen, auf diese Lösung zu setzen (da nordseitig teils noch Schnee vorhanden und man sonst das ganze Material mitführen muss, da man nicht mehr am Einstieg vorbeikommt). Das Abseilen ging gut und zügig in 4 Manövern à 60m. Wobei zwei, drei Dinge zu erwähnen sind: a) die Standplätze sind nur rudimentär mit Schlingen, jedoch ohne Abseilring/Karabiner ausgerüstet, b) v.a. in den flacheren Passagen besteht ein substanzielles Verhängerrisiko an Schuppen und Zacken mit rauem Fels und c) ist die Steinschlaggefahr beim Seilabziehen bestimmt nicht null. Das konnten wir aber alles managen und bald am Einstieg vespern, bevor wir über den Schnüerliweg rausquerten, dann auf dem Schnee zügig das Stollental runterrutschten und zurück zum Ausgangspunkt gelangten. Das war eine tolle Auftakttour mit Bernat gewesen, es mögen hoffentlich noch viele weitere folgen!

Zügiger Abstieg durchs Stollental (steilste Passage 40 Grad, heikel bei Hartschnee!)

Facts

Churfirsten / Schibenstoll - Party 1142 7a (6b+ obl.) - 9 SL, 260m - Th. Wälti 2022 - ***;xxxx
Material: Ja nach Abstieg 1x50m bis 2x60m, 10 Express, Cams 0.2-1

Die erste moderne Route am Schibenstoll Westgipfel bietet über weite Strecken schöne Kletterei in gutem Fels. In den schwierigen Abschnitten dominiert senkrechtes, technisch anspruchsvolles und bewegungsintensives Gelände, welches gute Lesefähigkeiten und Fusstechnik erfordert. Wegen der Art der Kletterei und auch weil die oft kleinen Strukturen mit Verstand behandelt werden wollen, scheint mir die Route eher für in diesem Gelände versierte Leute prädestiniert. In einfachen Abschnitten trifft man auch auf etwas Gras und weniger soliden Fels. Diesem Klartext zum Trotz sei erwähnt, dass die Route für erfahrene MSL-Kletterer wirklich ein absolut lohnendes Unternehmen ist, das vielleicht nicht ganz, aber doch fast an die Routen in der Zuestoll Südwand herankommt. Die Absicherung mit rostfreien Bolts ist an den Schlüsselstellen prima (Niveau xxxx) und es gibt keine zwingend schwierigen Passagen weitab der letzten Sicherung. Im einfacheren Gelände (bis 6a) wurde deutlich spärlicher gebohrt, da heisst es oft mehrere Meter zu steigen, bis wieder geklippt werden kann. Aber alles in vernünftigem Rahmen, denke Niveau xxx wird auch da erreicht. Da und dort lässt sich noch mobiles Gear platzieren. Allzu zwingend ist dies nicht und es lassen sich so auch nicht alle der längeren Hakenabstände entschärfen. Wir haben total ca. 5x einen (jeweils eher mässig zwingenden) Cam gelegt, die mitgeführten Klemmkeile haben wir nie benutzt. Ein Topo und weitere Infos findet man im hervorragenden SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Erschliesser Thomas Wälti himself.