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Dienstag, 10. Januar 2023

Schafbergwand - Che Guevara (7a+)

Eine starke Inversion mit sonnig-milden Bergwetter in der Höhe, gleichzeitig aber laut vielen Internet-Einträgen so richtig miesen Schneebedingungen lässt uns trotz Vorweihnachtszeit im Dezember an eine MSL denken. Wir entschliessen uns für den Bereich um den Frospfeiler an der Schafbergwand, um die an sich schön ältere, aber im 2021 sanierte Che Guevara (4 SL, 7a+) zu versuchen. Laut der Webcam sollten beste, trockene Bedingungen herrschen, der wenige Schnee würde den Zustieg kaum behindern. Genau so war es dann auch, die Temperatur am Fels war weitaus angenehmer wie bei mancher Tour im Sommer.

Blick auf die Schafbergwand im Dezember 2022 mit dem Verlauf von Che Guevara (4 SL, 7a+).

Unsere Tour startete um 11.30 Uhr in Wildhaus. Früh aufstehen für eine Winterbegehung der Che Guevara ist zwar tatsächlich nicht erforderlich, aber so eine bis eineinhalb Stunden früher könnte man aber durchaus gerne dran sein. Immerhin, einen Teil unserer Verspätung konnten wir auf dem ersten Abschnitt aufholen. In inzwischen gewohnter Manier ging es per E-Bike über die hartgepresst schneebedeckte Strasse nach Gamplüt und bis hinauf zum Depot bei Kuhrost in der Kurve vor der Alp Fros. Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Fels. Anlässlich meiner Begehung der Schafbergkante hatte ich Infos zu deren Zustieg publiziert. Das seien Fake News gewesen, wurde ich damals kritisiert. Das habe ich zum Anlass genommen, den Zustieg nochmals genau zu verifizieren. Hier das Resultat mit einer aufdatierten Linie auf Luftbild und Karte.

Zustieg zur Schafbergkante bzw. zum Sektor Frospfeiler.

Von der letzten Haarnadelkurve vor der Alp Fros startet beim Kuhrost eine klar sichtbare Pfadspur über die Wiese. Nach ca. 150m führt die Spur in waldiges Gelände, überquert die Trockenmauer und führt dann zum Rand der Geröllhalde. Dort aufwärts, bis zu den Vorbautürmen. Um zum Frospfeiler bzw. der Che Guevara zu gelangen, wird der erste Vorbauturm links umgangen, nach diesem scharf rechts abbiegen und über eine Scharte in wenigen Schritten an den Fels. Die Schneebedeckung in diesem restlichen, zu Fuss zu absolvierenden Teil war zwar nicht völlig absent, oft konnte man unter den Bäumen aber sogar im aperen Gelände marschieren. So gelangten wir mühelos zum Einstieg und waren um 12.15 Uhr bereit für die Kletterei. Um die Tour ein wenig zu verlängern und nicht gleich in einen (vermeintlichen) 7a+ Hammer einsteigen zu müssen, wollten wir zuerst mit den beiden Startlängen vom Frospfeiler aufwärmen.

Das deutet auf beste Kletterbedingungen hin (die wir vorfanden). Zufahrt per Bike gut möglich!

L1 (Frospfeiler), 30m, 6b: Schön sonnig war's und trocken, der Fels lud so richtig zum Klettern ein. In meinem Ohr waren aber trotzdem warnende Worte meines Kletterpartners "es sei dann im Fall schwieriger wie es aussieht". Meine eigene Begehung des Frospfeilers stammt aus den 1990er-Jahren und liegt damit gegen 30 Jahre zurück. Bestimmt war es mir damals auch nicht einfach vorgekommen... Steil geht es in die Höhe, meist nutzt man Seitgriffschuppen zur Fortbewegung. So richtig optimal griffig sind diese meist nicht, alles fühlt sich (trotz bester Bedingungen) ein wenig schmierig an, akute Trittarmut lässt kein entspanntes Steigen zu. Kurzum, eine 6b der zähen Sorte, sicherlich 'way too much' wenn für jene, die in der Halle gerade so eine 6b hinkriegen. Sagen wir es doch so, "kann sich auch wie 6c anfühlen".

Das Gras und die Henkel täuschen etwas. L1 (hart 6b) vom Frospfeiler ist über weite Strecken kompakt und anspruchsvoll an Seitgriffen zu beklettern. Nur die letzten Meter sind einfacher und leicht botanisch (was aber nicht stört).

L2 (Frospfeiler), 25m, 6a+: Steil, griffig und definitiv nichttrivial geht's weiter, wobei das Gestein in dieser Seillänge schon mehr Struktur offeriert und irgendwie sowohl angenehmer wie auch einfacher zu beklettern ist. Wer unbedingt wollte und genügend Exen dabei hat (ca. 14-15 Stück), kann die beiden Längen gut verbinden (die Kletterlänge liegt bei 40 bis maximal 45 Meter). Laut dem Topo schien es uns möglich, vom zweiten Frospfeiler Stand via ein Teilstück der Pfeilerrisse direkt in L2 der Che Guevara zu gelangen. Vor Ort präsentierte sich das aber als schwierig. Erst einmal heisst es Abklettern, es geht um einen Pfeiler herum und in Sachen Seilverlauf wäre es eine unmögliche Situation. 

Prima Tropflochfels in L2 vom Frospfeiler (6a+), erst recht für eine Route dieser Generation!

L1 (Che Guevara), 30m, original UIAA 8, Alpsteinführer 7a+, unsere Bewertung 7a: Los geht's an einem ca. 8m hohen, vorgelagerten Pfeiler. Ja, da steigt man halt rasch rauf, denkt man sich erst. Bald aber wird man sich gewahr, dass das nicht ganz so easy ist... klar unschwierig im Gesamtkontext, aber es täuscht. Von diesem freistehenden Turm weg begibt man sich via Spreizschritt in die Hauptwand. Die Seillänge verläuft hart an einer zur Rampe ausgebildeten Kante entlang. Während der Fels links in der Wand bestens, sehr kompakt und strukturarm ist, so präsentiert sich die Rampe selber bisweilen etwas grasig und splittrig. So wie die Bolts platziert sind, kann bzw. muss man aber weitgehend unter Nutzung der Kante klettern. Das ist die logische Linie, und auch viel einfacher. Nur mittig locken einen zwei weit nach links gesetzte BH, die Kante für wenige Meter zu verlassen. Zumindest für den Vorsteiger ist es angenehmer dies zu tun - man kann die Bolts zwar definitiv auch von der Kante klippen, aber nur unter erschwerten Bedingungen. Oben dann wird das Gelände etwas einfacher, das Finish ist etwas grasig und vom Fels her nicht so toll - zudem stecken da die Bolts auch nicht mehr so üppig, ein zusätzliches Exemplar würde die Sache angenehmer machen.

Erst vom Boden auf den abgetrennten Turm, dann dieser gut sichtbaren Kante entlang führt L1 (6c+) von Che Guevara. Wobei einen die Platzierung der BH im Bereich der kleinen Föhre beim Kletterer mehr oder weniger in die Wand links zwingt. Ich bin auf dem Foto gerade am Ende dieser Passage angelangt. Im oberen Teil klettert man dann eher rechts der Kante in der Verschneidung.

L2 (Che Guevara), 25m, original UIAA 7, Alpsteinführer 6b+, unsere Bewertung 6c+: Hier wird der Vorsteiger gut möglicherweise eine Weile damit beschäftigt sein, den Stand zu verlassen. Denn gleich zum Auftakt hält die Seillänge eine heftige Einzelstelle als Crux bereit. Nach unserem Empfinden ist das eine der schwierigsten Kletterstellen der Route - sicher gibt's in L1 und L4 nix von ähnlichem Zuschnitt. Sprich, es ist einfach prekär und uns nur knapp gelungen. Auch inklusive dem sich anbietenden Hechtsprung an die kleine Föhre bestimmt eine 6c+. Wobei der originale Stand eben etwas rechts und höher steckte und man vor der Sanierung möglicherweise eine einfachere Schleife rechts herum klettern konnte - das würde die massive Differenz der empfundenen Schwierigkeit erklären. Nachher folgt ein etwas einfacherer Runout (mit Cam 0.5 zu entschärfen), bevor nach dem zweiten BH die fordernde Plattenquerung hinein in die Verschneidung der Pfeilerrisse folgt. Einmal da angelangt, geht es einfacher voran. Zur Zeit der Erstbegehung dieser Clean-Route im Jahr 1981 galt das als eine UIAA 6, nach heutigem Massstab würde man wohl eher 6a+ (als 5c+) sagen. Im ersten Stück der Verschneidung legt man gerne noch einen Camalot 3, nachher ist's gut mit BH gesichert bis hinauf zum unbequemen Stand.

Nein, von L2 der Che Guevara haben wir kein gutes Foto - die Churfirsten sind ein würdiger Ersatz!

L3 (Che Guevara), 25m, original UIAA 8+, Alpsteinführer 7a, unsere Bewertung 7a+: Da haben wir keine Zweifel, das ist sowohl die schönste wie auch deutlich die schwierigste Seillänge der Route! Über den kompakten Pfeiler zieht sie heraufordernd in die Höhe. Man bedient sich dabei an kleinen und seichten Seitgriffschlitzen, die Füsse müssen heftig auf die steile, strukturarme Wand gepresst werden. Leider ist die Absicherung hier den Umständen entsprechend zu knapp ausgefallen: ein unbequemer Stand, wo man nur schwierig dynamisch sichern kann, weniger als senkrechte Wand, so richtig harte und unsichere Kletterei. Bedenklich sind v.a. die Abstände zwischen den BH #1/#2 sowie #2/#3. Hier muss man harte Stürze mit Faktor >1 einkalkulieren - sehr bedenklich für das Geläuf, ein Fuss ist da sicher schnell gebrochen. Vorsicht also und schade, dass hier nicht ein wenig üppiger saniert wurde. Nur ein einziger oder allenfalls zwei Zusatzbolts hätten schon gereicht. Naja, es gibt 2 Alternativen: stark sein und durchziehen, oder dann die cleane 5b der Pfeilerrisse klettern und seinem Wohlbefinden zuliebe im Toprope klettern...

Knallharte Kletterei in L3 der Che Guevara (7a+) - kommt auf dem Foto vielleicht nicht so zur Geltung.

L4 (Che Guevara), 25m, original UIAA 8, Alpsteinführer 6c+/7a, unsere Bewertung 6c+: Schon vom Stand aus wird man sich gewahr, dass hier kaum mehr die gleich extremen Herausforderungen wie in L3 warten. So kommt es dann auch, wobei es eher einen Tick taffer ist wie man de visu vielleicht denkt. Es hat zwar manch eine Struktur, wobei es sich vielfach um runde "Füdli-Risse" handelt und so richtig kantig-positives Material weitgehend absent ist. Auch die Absicherung ist hier wieder deutlich freundlicher - etwas Einsatz ist zwar schon nötig, aber es ist weder psychisch besonders fordernd noch riskiert man seine körperliche Unversehrtheit. Nur vor dem letzten BH wartet ein weiter Abstand, ein prima Placement von einem 0.75er-Cam ist absolut unabdingbar, aber absolut safe und einfach zu identifizieren. Auch nach diesem letzten BH sind es noch ca. 8m hinauf zum Stand. Die Schwierigkeiten lassen nach, ebenso die Felsqualität, die beiden Cams 0.2 und 0.3 leisten hier gute Dienste.

Bald geschafft! Die letzten Meter in L4 von Che Guevara (6c+) erfordern noch das Legen von Cams.

Zufrieden stehen wir am Top, eine freie Begehung ist uns gelungen. In Sachen Onsight habe ich in L3 so ziemlich sofort das Handtuch geworfen, dieses Risiko wollte ich definitiv nicht eingehen... naja, man muss einfach wissen, was man sich zutrauen kann. Nicht ganz einverstanden waren wir im Rückblick mit den Bewertungen aus dem SAC-Führer Alpstein. Wo diese ganz genau zu verorten sind, ist ja immer eine schwierige Entscheidung (die Unterschiede zwischen den Gebieten sind so gross). Für unseren Vorschlag haben wir schliesslich entschieden, die Maximalschwierigkeit von 7a+ als Verankerung zu belassen. Das passt auch in etwa, wenn man in dieser Art der Kletterei versiert ist. Doch wiederum, "kann sich schwieriger anfühlen", sprich eine 7a+ in der Halle fällt uns z.B. deutlich leichter. Die anderen, einfacheren Seillängen haben wir dann im Vergleich zu L3 einzustufen versucht.

Geniale Abendstimmung am Gamplüt, fetziger Bike-Downhill nach Wildhaus 😀

Bewertungsdiskussionen hin oder her: die Sonne näherte sich schon dem Horizont, es war Zeit um in die Tiefe zu gleiten. Mit 2x60m-Seilen rauscht man bequem (aber knapp!) zu Stand 1, von wo es noch 25-30m auf den Boden sind. Mit 2x50m-Seilen nutzt man Stand 2 und steht auch in 2 Manövern wieder auf Terra Firma. Wer will, kann auch mit einem 60er-Einfachseil klettern, vermutlich reicht sogar ein 50er mit etwas Vorsicht und Zirkeln beim Abseilen über L1 (bei beiden Varianten ist 4x Abseilen nötig). Wir stiegen ab zur Strasse, senkten den Sattel der Bikes und genossen bei einem grandiosen Abendrot eine genial spassige Abfahrt nach Wildhaus. Der Schnee war super griffig, mit den fetten Reifen konnte man so richtig zügig cruisen. Um 17.15 Uhr war der Spass vorbei - das war jetzt ein echt gmögiger Tag gewesen!

Stechtechnisch anspruchsvoll - sowohl für den Akteur wie für den Gummi. Die Dragos, welche ich vor den Sommerferien am Poncione di Ruino das erste Mal eingesetzt hatte, haben auf dieser Tour das Zeitliche gesegnet (wie immer, ich nutze für alle Disziplinen nur ein einziges Paar Kletterfinken, somit ist die Lebensdauer gerade so ein halbes Jahr).

Facts

Schafbergwand - Che Guevara 7a+ (6c+ obl.) - 4 SL, 100m - Furrer/Eggenberg 1989 - ***;xxx
Material: Seile siehe oben im Text, 10 Express, Camalot 0.2-0.75 & 3 plus evtl. 1 & 2.

Kurze Sportklettertour am Frospfeiler, ideal für die kurzen Tage im Winter oder in der wärmeren Jahreszeit bei unsicherem Wetter. Wenn's dann doch noch für mehr reicht, lässt sich die Route auch ideal mit anderen kurzen MSL im Sektor kombinieren (z.B. Luftschloss, Frospfeiler). Die Kletterei verläuft weitgehend in gutem, schönem Fels. Nur kurze Abschnitte sind etwas botanisch oder leicht splittrig. Wie so oft an der Schafbergwand: entweder ist der Fels kompakt, dann aber auch etwas glatt und äusserst anspruchsvoll zu beklettern. Oder dann führen die Routen entlang der Strukturen, dies aber eben zum Preis von etwas rustikalerer und botanischer Kletterei. Die Che Guevara bewegt sich oft zwischen diesen den beiden Extremen. So richtig super ist L3, die anderen Seillängen würde wir als "netten Zeitvertrieb" bezeichnen. Die Route wurde 2021 saniert, wobei die Hakenabstände und der Anspruch etwas inhomogen wirken. Über weite Teile hat man eine super solide xxxx-Absicherung. Doch gerade in der schwierigsten Länge sind die Abstände sehr zwingend, dies bei alles andere als sturzfreundlichem Gelände. Hier muss man entweder viel Können oder reichlich Unerschrockenheit an den Tag legen. Alternativ kann man dort via eine cleane 5b-Länge der Pfeilerrisse ein Toprope einhängen. Für diese Umgehung sind Cams von 0.2-3 anzuraten, folgt man durchgehend dem Parcours der Che Guevara kommt man mit den Grössen 0.2-0.75 und 3 gut durch. Ein Topo zur Route und weitere Infos findet man im SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng.

Samstag, 15. Oktober 2022

Wildhauser Schafberg - Schafbergkante (5c+)

Die Schafbergkante ist ein grosser Klassiker des Kletterns in der Ostschweiz in den gemässigten Schwierigkeitsgraden. Während sie früher mit 4+ A0 bewertet wurde (Schweiz Plaisir, erste Ausgabe von 1992) hat sich im Lauf der Zeit herauskristallisiert, dass die Schwierigkeiten eher höher liegen und auch die alpinen Anforderungen nicht ganz trivial sind. Ich konnte die Kante in einem Nachmittags-Spritztüürli an der goldigen Herbstsonne begehen. Wäre mir dabei nicht aufgefallen, dass die vielen Beschreibungen teils widersprüchlich und inkonsistent sind, so hätte ich möglicherweise nicht einmal einen Beitrag über die Tour geschrieben. Hier der Versuch, etwas Ordnung zu schaffen.

Die Schafbergwand mit ihrer bekannten Kante, die von links her zum Legföhren-Gipfel führt.

Der Zustieg startet vom grossen Parkplatz in Wildhaus (1095m, Kartenlink). Nun gilt es, zur letzten Kurve vor der Alp Fros zu kommen (1430m, Kartenlink). Dies entweder direkt dem Wanderweg entlang je nach Gehtempo in 40-50 Minuten zu Fuss, sehr bequem der Strasse entlang per E-Bike (15 Minuten) oder alternativ mit der Gamplüt-Bahn, was jedoch gegenüber dem Fussaufstieg kaum eine Zeitersparnis bringt. Vom Kuhrost in der Kurve geht's auf deutlich sichtbarer Wegspur über die Wiese, nach ca. 150m führt der Pfad in waldiges Gelände hinein. Man überquert die Trockenmauer und kommt zur Geröllhalde, an deren Rand man zum ersten Vorbauturm aufsteigt. Links an diesem geht's vorbei, d.h. weiter die geröllige Rinne hinauf. Den Anseilplatz am Beginn der Kante erreicht man, indem man den zweiten Vorbauturm rechterhand im Uhrzeigersinn umrundend von hinten kraxelnd mit einigen Moves im zweiten Grad entert. Beim bequemen und geräumigen Anseilplatz (1610m, Kartenlink, total 60-75 Minuten) kann man sich ideal auf die Kletterei vorbereiten.

Grobübersicht zum letzten Teil des Zustiegs ab der Haarnadelkurve vor der Alp Fros.
Detailansicht des Zustiegs zur Schafbergkante und zum Frospfeiler.

L1, 45m, 4a: Zuerst ohne fixe Absicherung ca. 10-15m einfach durch die grasige, kaminartige Rinne hinauf. Diese steilt auf und bietet einige Züge an Henkeln (BH). Nach der Steilstufe rechts haltend (BH) in wieder einfacheres Gelände und schliesslich zu Stand an BH auf kleiner Terrasse vor der nächsten, imposanten Steilwand.

L2, 45m, 5c: Laut der Literatur und rein in Bezug auf die klettertechnische Schwierigkeit zwar nicht die Crux, aber vermutlich die Schlüsselstelle der Route in Bezug auf das Hochkommen! Im SAC-Führer Alpstein (Ausgabe 2022) lapidar mit einer 4b bewertet, der Plaisir Ost (Ausgabe 2021) vergibt immerhin eine 5a. Mich dünkt beides klar zu tief, eine 5c ist dieser Abschnitt auf jeden Fall wert! Im Einzelnen: den BH 5m oberhalb vom Stand erreicht man einfacher linksherum. Dann geht es steil, abgespeckt und rampfig rechts durch die steile, fast kaminartige Verschneidung mit ihrem breiten Riss hinauf. Es stecken wenige BH, die Schwierigkeiten sind aber bei etwas unangenehmer Kletterei zwingend zu meistern. Nach ca. 20m legt sich das Terrain zurück. (Variante in diesem Abschnitt: links an breitem Riss durch die Wand, schlechter gesichert und schwieriger, 6a). Im einfacheren Gelände steigt man ohne fixe Absicherung geradeaus weiter und erreicht schliesslich einen geräumigen, flachen Platz. Stand entweder an Legföhren oder an 2 BH am Fusse des nächsten Aufschwungs (Hinweis: schwierige Kommunikation mit dem Seilzweiten).

Blick auf den letzten Teil des Zustiegs (orange) und die ersten beiden Seillängen der Kante.

L3, 45m, 4a: Vom BH-Stand nicht den sichtbaren Haken rechts an der Kante folgen (Variante 6a), sondern links in einfachem, gestuftem Gelände gerade hinauf klettern. Auf dieser Seillänge ist nur wenig fixe Absicherung vorhanden.

L4, 25m, 2a: Verbindungsstück über den hier einfachen, mehr oder weniger horizontalen Grat an den nächsten, steilen Aufschwung. Am Ende muss man noch etwas in eine erdige Rinne nach rechts absteigen. Die plattig-eindrückliche Variante (6a+) links am Turm ist die falsche Adresse.

L5, 40m, 5a: Die Route verläuft hier in griffig-steilem Gelände rechts der Verschneidung. Hier stecken wieder fixe Sicherungen, dies jedoch auch nicht allzu üppig. Man steigt schliesslich auf den wieder mehr oder weniger horizontalen Grat aus und folgt diesem noch ein Stück - her rechts unterhalb des Kamms halten.

L6, 30m, 2a: Einfacher Abschnitt dem mehr oder weniger horizontalen Grat entlang, auch hier eher rechts halten. Am besten bezieht man zwecks einfacherer Kommunikation in der Seilschaft nochmals Stand, bevor das Abkletterstück in die Scharte vor der Schlüsselstelle folgt. 

Ausblick von der Kante ins obere Toggenburg. Die Bergstation Gamplüt ist am unteren Bildrand in der linken Hälfte gerade sichtbar, ebenso wie die sehr markanten Churfirsten am Horizont. Landschaftlich ist die Kante ein sehr tolles Erlebnis!

L7, 20m, 3a: Nun folgt das vorher bereits erwähnte Abkletterstück in die Scharte. Das Abkletterstück ist wirklich unschwierig, allerdings steckt wenig bis nichts, der Seilzweite darf hier keinen Fehler machen! Hinweis: ab hier einzige und letzte, von mir nicht verifizierte Fluchtmöglichkeit durch 20m Abseilen an Muniring in die Schlucht und übersteigen des gegenüberliegenden Sattels.

L8, 20m, 5c+: Die nominelle Crux der Route - sie hat es freigeklettert durchaus in sich, aber hier stecken die BH so dicht, dass man problemlos in Klettersteigmanier A0 hochkommt. In freier Kletterei sind ein paar athletisch-weite Moves an guten Griffen nötig. Leider ist das Gestein per se eher unschön, zudem ist es auch noch extrem abgespeckt. Nein, das ist nicht das Prunkstück der Route!

L9, 20m, 4a: Auch wenn man dieses eher kurze Teilstück an die vorangehende Crux anhängen könnte, so ist es wenig empfehlenswert. Die Route verläuft hier eher nordseitig der Kante, wobei man sich nicht zu tief hinunter abdrängen lassen soll und mittig auf eine plattige Rampe emporsteigt (BH). Sonst steckt nur wenig fixes Material. Der Stand dann in einer Scharte.

L10, 40m, 4c: Schwieriger Auftakt aus der Scharte nach rechts hinaus, mässige Griffe und vor allem stark abgespeckte Tritte machen das Leben nicht einfach (BH, A0 möglich). Später bieten sich dann gute Legföhren als Griffmaterial an und die Route verläuft einfacher dem flachen Grat entlang.

Diesen Blick zum Moor mit seinen steilen Wänden gibt es vom Gipfel.

L11, 50m, 2c: Hier verläuft die Route nordseitig auf deutlich sichtbaren Wegspuren über ein Grasband. Fixe Absicherung ist keine vorhanden. Am Ende dieses Abschnitts ist die Routenführung dann nicht mehr so klar, da sich die Wegspuren auf dem grundsätzlich weiter begehbaren Grasband verlieren. Über leichten Fels kraxelt man der Nase nach zurück Richtung Grat zu Stand am Fuss des nächsten und letzten Aufschwungs.

L12, 40m, 4a: Nochmals steiler, aber griffig und insgesamt gut gestuft aufwärts, dann weiter in einfacherem Gelände dem Grat entlang zum letzten BH-Stand der Route. Die Absicherung unterwegs ist nur spärlich gehalten.

Ab diesem Punkt kann/muss man keine Seillängen mehr machen. Da das Gelände nicht mehr exponiert ist, kann man gut auf eine Seilsicherung verzichten. Etwas später erreicht man einen Punkt, der einen guten Überblick auf die Nordseite bietet und einen Abstieg in diese erlaubt. Hier kann man die Tour beenden und in 3x Abseilen nach Norden (18m, 18m, 22m) die Grashänge erreichen. Alternativ ca. 150m weiter über die mit Legföhren bestockte Kante, es dauert doch noch ein paar Minuten, bis man schliesslich das Gipfelbuch erreicht (Hinweis: das verlockende Grasband nordseitig unterhalb führt nicht zum Gipfel und ist nicht durchgehend begehbar!). Der Endpunkt des Aufstiegs ist zwar nicht der eigentliche Kulminationspunkt der Schafbergwand (P.1909), aber trotzdem ein logischer "Gipfel". 

Für den Abstieg heisst es zuerst, NE-seitig eine kurze Stufe abzukraxeln (8-10m, 2a, Abseilen an Einzel-BH möglich). Danach führt der einfachste Abstieg nach links (Westen) über ein schmaler werdendes Grasband mit Wegspuren, welches man ca. 40-50m verfolgt. An dessen Ende kann man an einem Muniring 15m abseilen, bei trockenen Verhältnissen lässt sich die Stelle auch gut abklettern (max. 3a). Achtung, im Plaisir Ost ist ein anderer Abstieg weiter östlich beschrieben - vermutlich geht der ja auch. Einmal auf den Grashängen unterhalb der Kante erreicht man in Kürze die Wegspur, welche via die Schäferhütte zurück nach Gamplüt und von dort nach Wildhaus führt. Hinweis: am Einstieg kommt man so nicht mehr vorbei. Das ist möglich, indem man sich auf ca. 1635m (85hm oberhalb der Schäferhütte, Kartenlink) nach links horizontal querend über eine Geröllhalde zu einer markanten Scharte (Kartenlink) hält und von dieser südseitig steil absteigt (T5, II, wenig empfehlenswert!).

Die Kante, mehr aus frontaler Perspektive vom Gamplüt gesehen.

Facts

Wildhauser Schafberg - Schafbergkante 5c+ (5a obl.) - 12 SL, 420m - ***;xx
Material: 1x50m-Seil, 10 Express, Schlingen, Cams 0.3-2 und/oder Keile

Imposante, landschaftlich schöne Route mit alpin angehauchter Kletterei. Es wartet ein Mix von schwierigen Steilaufschwüngen und einfacheren, flacheren Abschnitten am Grat. Es handelt sich dabei um keine typische Plaisirroute. Das Unternehmen stellt durchaus Ansprüche an die Wegfindung und das Seilhandling. Die fixe Absicherung ist in den einfacheren Abschnitten sehr spärlich. Hier muss man sicher klettern und zusätzlich mit Schlingen, Cams und/oder Keilen absichern. Zu bedenken ist auch, dass ein Übungsabbruch nur gerade über die beschriebene Fluchtmöglichkeit vor der nominellen Crux möglich ist. Der Zeitbedarf ist schwierig anzugeben: eine routinierte und diesem Gelände gewachsene Seilschaft wird kaum 3 Stunden benötigen. Wer in den an schönen Weekends üblichen Stau gerät und Schwierigkeiten mit der Kletterei, der spärlichen Absicherung und der Orientierung hat, wagt sich leicht auf ein tagesfüllendes Unternehmen - Helikopter-Rettungen von blockierten oder verspäteten Seilschaften sollen häufig vorkommen. Das in der Route vorhandene Material ist von guter Qualität. Das trifft jedoch nicht für die in den Topos beschriebenen Varianten zu. Dort stecken noch die alten Kronenbohrhaken von 1988, das Gelände sieht plattig-anspruchsvoll aus und lässt eine Unterbewertung der Schwierigkeiten vermuten - nichts für Gelegenheitskletterer, die sich sonst nur in der Halle oder im Garten einmal in eine 6a wagen. Topos zur Route findet man im SAC-Alpsteinführer von Werner Küng und im Plaisir Ost von Filidor.

Donnerstag, 17. Juni 2021

Schafbergwand - Traumfabrik (7b)

Wie sagt man so schön "das Kletterniveau wird durch die einfachste Route bestimmt, an welcher man scheitert und nicht durch die schwierigste Route, die man schafft". Nachdem ich am Tag zuvor mein Vorsommer-Projekt im Grad 8a+ hatte punkten können, war es also wieder einmal Zeit für einen Reality Check in einer plattigen Mehrseillängentour. Immerhin liess das Wetter nach viel Regen und Gewölke einen solchen Ausflug wieder einmal zu, lag doch der letzte bereits fast 3 Monate zurück. Eine kleine Störung versprach dann doch nicht nur eitel Sonnenschein und gemässigte Temperaturen, so dass wir unser Glück an der Schafbergwand suchen wollten - ein Sektor, den man üblicherweise eher in der Nebensaison aufsucht. Für die lange und doch recht zeitaufwändige Traumfabrik war der Entscheid aber doch reichlich weise.

Die Schafbergwand mit Zustieg und Routenverlauf von Traumfabrik (10 SL, 7b).

Mein Seilpartner hatte sich am Tag zuvor nicht dem Sportklettern, sondern bereits einer langen MSL gewidmet, so entschieden wir uns, nicht allzu früh aufzubrechen, zumal dies auch aufgrund der Wetterprognosen vernünftig schien. Um 9.30 Uhr starteten wir in Wildhaus und liefen unter dichter Bewölkung in einer Dreiviertelstunde zum Einstieg. Man passiert dabei zuletzt die sanierten, linken Wandfussplatten, biegt an deren Ende links hoch und erreicht über Bänder (Fixseil & BH vorhanden) die Schrofen oberhalb dieser Platten. Die letzten Meter zum nicht näher bezeichneten Einstieg sind ordentlich steil, aber gut begehbar. Ca. 5m links vom Beginn von "Da muesch en Dickä schickä" steckt der rostfreie Startbolt mit Fixé-Lasche, sonst ist die Route nicht näher bezeichnet. Ich kann aus eigener Erfahrung nur empfehlen, den Klettergurt bereits früher anzuziehen, sonst wartet ein ziemlicher Balanceakt auf dem schmalen Band - wobei das zur Angewöhnung auf das was folgt vielleicht auch gar nicht schadet. Um 10.45 Uhr hatten wir schliesslich alles parat und es konnte losgehen. Nur der Haulbag, den wir zuerst mitzunehmen geplant hatten, musste schliesslich im Angesicht der vielen Föhren, Absätze und des rauen Felses am Einstieg bleiben...

L1, 25m, 6b: Linkshaltend wird das erste Dach umklettert, auf einigen Metern war es da erst noch feucht-schlonzig (sicher oft so), danach muss man sich gleich gescheit festhalten. Eine unangenehme Stelle folgt zum dritten Haken, es hat loses Gestein und dubiose Schuppen aber ohne herzhaft zu ziehen geht's nicht. Nochmals etwas athletisch gelangt man auf die Platten, die nun linkshaltend zum Stand führen. Ein erster Test, aber wer die Linie erkennt, kommt hier noch kommod durch.

Herbalpin geht's los in L1 (6b), bisschen lose, bisschen feucht...

L2, 27m, 7b: Jetzt heisst es richtig parat sein, was aufgrund der bisherigen Kletterei aber nicht der Fall ist. Schon gleich zu Beginn der Seillänge wartet die erste, ganz heftige Stelle mit knapp senkrechter Kletterei an wenig strukturiertem Fels. Nachdem man nochmals ein paar Griffe befühlen darf, folgt dann bald das nächste Fragezeichen. Während man diese vorerst noch mit der Ausweichstrategie Textilgriff erledigen kann, stellt sich bald die nächste glatte Passage zwingend in den Weg. Geschafft habe ich sie eigentlich nur, weil es bald einmal so weit war, dass ich weder zurück konnte noch abzuspringen traute, stehenbleiben für schmerzende Füsse sorgte und nur noch vorwärts als Option blieb. Die Reibung gab zum Glück mehr her wie ich ihr zutraute und so schnappte die Exe schliesslich ein - aber ganz ehrlich, das Seil dann ohne Textilhilfe zu klippen, das wäre 'menschenunmöglich' gewesen. Mit nochmals etwas A0 ging's vom Haken weg und schliesslich hin zum in dieser Route mehr üblichen Grasriss-Gelände, wo die letzten 10m im 6bc-Terrain verlaufen. Unter dem Strich fühlte sich diese Länge für uns abartig schwierig an. Hatten wir erst noch mit dem Gedanken gespielt, diese Länge auszuchecken und punkten zu wollen, so schien das mit nur einem Second Go komplett illusorisch (und mehr Zeit bzw. Geduld hätten wir nicht gehabt). 7b?!? Naja, jedenfalls keine 7b wie im Klettergarten, wo es Griffe hat.

Krass schlabbrig glatte Platte in L2 (7b)! Viktor engagiert sich hier gerade in der Sequenz, welche aufgrund ihrer zwingenden Natur die Vorstiegscrux der Route darstellt (grifflose 6c+/7a obl.). Komfortabel kletterbar wird es erst wieder, wenn man die grasigen Risse erreicht, was mehr oder weniger das Motto der gesamten Route ist.

L3, 35m, 6c+: Unter der den Standplatz schützenden Föhre findet wer sucht gleich den ersten Zwischenbolt (leicht zu übersehen!). Sonst geht's hier zu Beginn noch ausreichend gutmütig zur Sache. D.h., man kann dem kompakten, riss- und graslosen Gelände über die Strukturen mal links und mal rechts ausweichen. Der zweite Teil der Länge kommt dann fordernder daher - erst recht, wenn man direkt über die eng steckenden Haken klettern würde, welche einen von den grasigen Rissen rechts wegzulocken versuchen. Das wäre wohl schöner, aber gleich markant schwieriger und irgendwie unlogisch, wenn man 1-1.5m rechts kommoder vorankommt (und die Bolts trotzdem klippen kann).

L4, 35m, 6b+: Ähnliches Programm wie in L3, meist kann man sich von grasigem Riss zu grasigem Riss oder Loch mogeln, ohne länger über die auch hier schwierigen Platten klettern zu müssen. So fühlte es sich nicht wahnsinnig fordernd an, deshalb habe ich die 7+ vom Originaltopo nur zu 6b+ übersetzt, womöglich ist diese Länge aber noch einfacher einzustufen. Wir jedenfalls fanden z.B. die 6a+ von L7 deutlich anspruchsvoller. Nach dieser Länge erreicht man endlich einmal einen bequemen Stand auf dem Südturmband, während man vorher immer mitten in der absatzlosen Platte hing - wobei er dafür von Ameisen besetzt ist, welche einem ständig anfressen... gilt leider für die ganze Route: entweder unbequem oder Termitenplage.

Das Finish von L4 (6b+), von Grasmutte zu Grasmutte, am Ende entert man die Legföhre im Vordergrund.

L5, 50m, 6c+: Eine lange Reise mit den schwierigsten und schönsten Klettermetern gleich zu Beginn. Nach dem Bouldereinstieg quert man eine endlich einmal etwas besser strukturierte und prima geboltete Platte nach links und hinauf zum Dachriegel. Es wartet ein blinder Klipp, etwas splittriger Fels, doch echt schwierig ist es nicht - nur wartet nachher ein gehöriger Runout in etwas ghüderigem Gelände (Vorsicht!). Die folgenden 35m sind an sich nicht schwierig (~6a), aber knapp gesichert und der Fels erheischt auch da und dort Vorsicht. Nach ausgekletterten 50m erreicht man den Stand, der sich an der Kante etwa 15m unter dem Südturmgipfel befindet und kann gut den weiteren Routenverlauf studieren. Nun heisst es 20m durch die Büsche Richtung NW abseilen in die Schlucht (besser nur 1 Seil verwenden, Standplatz befindet sich gut sichtbar ca. 2m oberhalb vom Schluchtgrund). Zur Bewertung möchte ich hier noch sagen, dass uns dieser Abschnitt leichter gefallen ist wie manch andere der Route.

Schöne, für einmal recht strukturierte, eng gebohrte Platte am Anfang von L5 (6c+), das Dach auch sichtbar.

Oben raus in der langen L5 (6c+) wartet dann eher alpine, weiträumig gesicherte Kletterei.

L6, 30m, 5a: Sehr grasig geht's vom Standplatz steil direkt hinauf, die Felsen sind entweder lose oder tönen dumpf hohl. Fixe Absicherung gibt's vorerst auch keine, so dass eine Bewertung von T6+ adäquater scheint. Nachher geht's dann in einer rechts-links-Schleife in etwas felsigerem Gelände weiter, da stecken dann auch Bolts.

Wildes Gelände in der Südturmschlucht mit crazy Klemmblocktunnel - welch eine Bombe!

Grasiges Gelände im T6+-Stil wartet am Anfang von L6 (5a).

L7, 35m, 6a+: Eigentlich eine superkompakte Platte, die man aber nur unter Ausnutzung der rissigen und damit grasigen Strukturen erobern kann. Schon gleich zu Beginn fordernd rechts hinaus, noch fast komplett im Fels - das geht, da es hier kleine Schüppchen hat, die jedoch wiederum sehr fragil wirken. Später weiter an und neben den grasigen Rissen, unter Ausnutzung weiterer Schüppli und Legföhren in alpiner Manier. Die Klimax schliesslich zum Stand hin - längerer Runout, der breite Riss und ein Mantle-Problem in zwei Graslöcher hinein. Ich hab's mit Körpergrösse schliesslich relativ souverän erledigt, kleiner gewachsene könnten da ins Schwitzen kommen - kam uns insgesamt schwieriger wie 6a+ und anspruchsvoller wie manch andere Länge (z.B. L1, L4, L8, L10) vor.

Die Platte ist leider zu steil und zu wenig strukturiert, um sie klettern zu können. So führt der obere Teil von L7 (6a+, eher schwieriger) der Botanik entlang, was aber gar nicht mal geschenkt ist. Der letzte BH ist hier sichtbar, der Weg  zum Stand hinauf durchaus etwas heikel - nun ja, der Sturz würde wohl sanft (?!?) vom Legföhrenbusch aufgefangen.

L8, 22m, 6b: Die Route hat uns schon einiges gelehrt und so haben wir vor dieser 6b mit nur 4 BH doch etwas Respekt, insbesondere da der erste Haken 1m links vom Stand kaum wesentlich zur Entschärfung der Situation beiträgt. Auch hier klettert man wieder entlang grasgefüllter Strukturen durch das kompakte Gelände. Die Crux befindet sich gleich nach dem ersten BH - mit dem Grübler entgrasen wir erst einen Schlitz, so dass dieser als Tritt genutzt werden kann. Das scheint auch im Nachhinein imperativ, denn der zwingende Aufsteher (gut gesichert!) ist fordernd. Der zweite BH steckt am richtigen Ort, einfacher geht's weiter, bevor man sich nach dem dritten BH fragt, ob man den Stand rechtsherum entlang der grasigen Strukturen erobert oder den direkten Weg über die Platte wählt - hier ist aber definitiv letzterer empfehlenswert, ein paar schöne Crimps und gefinkelte Reibungstritte erlauben recht entspanntes Steigen.

Viktor am Entgrasen mit dem Grübler vor dem entscheidenden Aufsteher  in L8 (6b).

L9, 25m, 6c: Wer bis hier durchgehalten hat, wird mit der schönsten Länge der Route belohnt! Die luftige Querung über die Platte zwischen 2 Dächern hindurch führt über kompakten, grasfreien Fels und ist trotzdem im (für uns) machbaren Bereich. Nicht geschenkt aber - am (gefühlten?) Haftreibungslimit gelang mir der Durchstieg. Die ersten Meter gehen dank etwas tropflöchriger Struktur recht gut, doch schon vor dem Break in der Mitte wird es glatter und gewagte Moves werden nötig. In der zweiten Hälfte dann sowieso - die Füsse stehen auf Abpfiff, doch einige kleine, teils scharfe Strukturen erlauben hier, Kraft an den Fels zu bringen. Darunter auch ein genialer, lochähnlicher 1-Finger-Crimp, der zwingend zu nutzen ist. In dieser Länge ist die Absicherung sportklettermässig gut ausgefallen, wobei es ganz am Ende zum Stand hin doch noch richtig zwingend wird, man die Backen zusammenkneifen und vor allem kühles Blut bewahren muss. Mit dem inzwischen erlangten Selbstvertrauen gelingt's - wir sind uns aber einig, dass dies mit Ausnahme von L2 die schwierigste Seillänge der Tour war.

Richtig coole, aber auch richtig anspruchsvolle Plattenkletterei in L9 (6c). Der Gesichtsausdruck von Viktor zeigt gut, wie es sich schon nur im Nachstieg anfühlt - nun stelle man sich dasselbe noch 2m über dem Haken im Vorstieg vor... gut dass keiner mit der Kamera da war, um meine Fratze abzulichten ;-)

L10, 25m, 6b: Der Legföhrengürtel ist nahe, doch auch diesen und den Abschlussstand erreicht man nicht ganz ohne Einsatz. Zuerst über sehr scharfkantige, aber nur seichte Wasserrillen an zwei BH gut gesichert aufwärts (ein Sturz könnte doch für tiefe Schnittwunden sorgen!). Der dritte BH steckt dann zwar nicht da, wo laut Topo suggeriert wird, ist aber gut zu finden - fast eher ein Verhauer, denn die Platte links hinauf ist  halt einfach zu glatt. Wie geht's weiter?!? Entweder gerade über die griffige Wasserrille und dann in die Büsche oder weit rechts herum über die Grasrisse. Ersteres scheint gewagt (geht aber gut, wie der Nachstieg zeigt), letzteres umwegig (geht aber auch gut, wie der Vorstieg zeigt). Der Abschlussstand liegt bereits halb im Buschwerk und ist sehr unbequem - wir ziehen deshalb den Termitenstand nach L9 vor und lenken sportklettermässig um.

Erst über seichte Wasserrillen, dann eher botanisch geht's zum Top in den Büschen (L10, 6b).

Gemeinsam am Routenende befinden wir uns damit nicht, dennoch können wir 19.15 Uhr als "Ende der Kletterei" notieren. Was, das macht ja kaum zu fassende 8:30 Stunden für die ganze Route. Ob's nun daran liegt, noch im Sportklettergroove (zu) gemütlich rumgemacht zu haben oder ob es einfach so schwierig und fordernd war?!? Wir können es auch nicht beantworten, sind aber froh nicht zur dunkleren Jahreszeit gekommen zu sein, dann hätte es nämlich nicht gelangt -  immerhin konnte ich mir dank Geduld und Einsatz bis auf die 7b alle Längen als gepunktet notieren. Gleichzeitig fragten wir uns, wie wir letztes Jahr die Gletschersinfonie am Wellhorn in guter Zeit gemanagt hatten. Naja, eigentlich sind das eher Konversationen für das Tourenabschlussbier, doch wir mussten nun erst noch vom Berg kommen. Das ist eine nicht ganz mühelose Geschichte. Von Stand 9 geht's 40m zu einem routenunabhängigen Stand. Leider haben die Erschliesser nicht in einen zweiten solchen investiert, so dass man volle 50m zum Stand in der Schlucht und dann in dieser abseilen musst. Das Seilabziehen durch die Büsche klappte zum Glück ohne Verhänger.

Beim Abseilen muss nochmals 1 Seillänge geklettert werden, retour auf das Südturmband.

Weiter geht's die Schlucht hinunter - laut Alpsteinführer mit Schwierigkeit 1 und daher in so etwas wie verschärftem Gehgelände, was aber definitiv nicht stimmt. Erst geht's unter der Teufelskugel, einem wahnsinnigen Klemmblock durch in schuttigem Gelände, zuletzt über eine steilere Stufe in einen engen Kamin (diese Stelle wäre sicher ein Vierer, wenn nicht mehr!), bevor man auf eine Verflachung gelangt. Von dieser wieder in die Wand des Südturms hinaus und über das Band 35m in leichter Kletterei zurück zu Stand 4 der Route. Das geht besser wie wir im Aufstieg gedacht hatten, Seilsicherung aber zwingend nötig. Schliesslich seilten wir eventfrei über die hier steileren und weniger bebuschten Platten zum Einstieg ab (irgendwo zwischen 20.30-20.45 Uhr). Es galt noch, vorsichtig die Steilpassage abzusteigen, dann liefen wir zügig nach Wildhaus, wo wir um 21.30 Uhr beim Auto eintrafen. Ja, das war nun doch eine längere Geschichte geworden in einer eher abenteuerlichen, sportlich gebohrten Route - aber auch ein entsprechend tolles Erlebnis. Welch (guter!) Kontrast zur Sportkletterei!

Zurück am Boden - mit schöner Abendsicht auf die Rückseite der Churfirsten.

Facts

Schafbergwand - Traumfabrik 7b (6c+ obl.) - 10 SL, 300m - Weber/Abele 2003 - **;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, 1 Set mittlere-grosse Keile, Cams 0.3-1, evtl. 2

Eine der längeren Touren an der Schafbergwand, welche erst am Südturm verläuft und nach einem Abseiler in dessen Schlucht durch die obere Südwand führt. Der Fels ist in diesen Sektor ein wenig mehr vertikal, aber sogar eher weniger strukturiert als im Bereich um den Sandührliweg. Das macht die Kletterei im reinen Fels überaus anspruchsvoll bis unmöglich, so dass sich die Route entlang der grasig-rissig-botanischen Zonen hangelt und diese den Kletterer magnetisch anziehen. Wir haben ausgiebig diskutiert, wie viele Sterne wir der Traumfabrik geben wollen und uns schliesslich für ** entschieden, was man als Bank(sch)rotterklärung interpretieren könnte. Das ist definitiv nicht die Absicht, die Tour fällt sicher eher unter die Kategorie 'Special Interest', aber wir haben einen spannenden, langen und abenteuerlichen Klettertag verbracht, der viel Freude gemacht hat. Aber für Freunde von athletisch-griffiger Kletterei in vegetationsfreiem Fels ist die Traumfabrik definitiv nicht die richtige Wahl. Die Absicherung mit rostfreien Inoxbolts ist gut, aber eher sportlich ausgefallen. Auch in schwierigerem Gelände gibt es den einen oder anderen zwingenden Abstand, bei tieferen Schwierigkeiten trifft man immer wieder auf weiter gesicherte Passagen. Im Originaltopo meinen die Erschliesser, dass es ohne mobile Sicherungen gehe, ich würde aber auf jeden Fall einen Satz Keile empfehlen und auf Cams auch nicht verzichten.


Originaltopo der Erschliesser - vielen herzlichen Dank!

Freitag, 1. November 2019

Schafbergwand - Route 66 (7a+)

Die Route 66 ist derzeit die neuste Route an der Schafbergwand, eingerichtet im 2018 durch Werner Küng und Marco Wasina. Sie bietet einen prima Mix der ortstypischen Kletterei: erst an Rissen und Schuppen, später dann auf Steilplatten und Wasserrillen. Dank der sehr guten Absicherung mit Bohrhaken und bis auf eine hakentechnisch lösbare, kurz-heftig-glatte Schlüsselstelle moderaten Schwierigkeiten hat sie in kurzer Zeit sehr viele Begehungen erhalten. Für mich gab sie nach der Rückkehr aus den Kalymnos-Ferien ein ideales Ziel her: gemütlich und stressfrei in schönem Ambiente moven, gewürzt mit der Herausforderung, die Crux frei hinzukriegen.

Die Schafbergwand mit dem Verlauf der Route 66 (7a+) in der grossen Plattenzone im östlichen Wandteil.
An einem föhnigen Herbsttag starteten wir um ca. 8.45 Uhr (Sommerzeit) in Wildhaus. Der übliche Zustieg via Gamplüt, unter der Wand durch und über das Band hinauf nahm uns inklusive der üblichen Vorbereitungen aufs Klettern gerade eine Stunde in Anspruch. So konnte es um 9.50 Uhr losgehen. Der Einstieg befindet sich ca. 10m links von Meridian/Langstrasse und ist derzeit mit einer Tafel gekennzeichnet. Zu erwähnen ist, dass links und rechts weitere Routen am Entstehen sind. Man lasse sich also nicht durch die möglicherweise vorhandenen Fixseile und andere BH-Linien verunsichern.

Hier geht's los!
L1, 20m, 5c: Kurz und problemlos, aber irgendwie doch schwieriger wie es den ersten Eindruck macht. Der Grip an den vom Gras befreiten Rissen fühlte sich irgendwie nicht sonderlich gut an. Die Seillänge endet an einem gut sichtbaren Ketten-Hängestand bei der markanten Schuppe, bis hierher war die Route schon früher erschlossen worden.

L2, 20m, 6b+: Die Erstbegeher haben es sicher mit guten Gründen anders konzipiert, doch mir scheint es im Nachhinein günstiger, den Stand nach L1 auszulassen und gleich weiterzuklettern. Das liegt nicht nur am Faktor Bequemlichkeit, sondern die schwierigste Stelle in L2 lauert gleich zu Beginn, auch das Klippen des ersten Bolts ist aus einer mässig stabilen Position trotz der guten Absicherung nicht komplett unbedenklich. Allerdings muss man beim Verbinden der Seillängen viele Exen (ca. 16 Stück) mitführen und dem Seilzug Beachtung schenken. Von der Kletterei her ist L2 eine coole Sequenz der markanten Schuppe entlang.

Die Querung unterhalb der markanten Schuppe definiert L2 (6b+), am Anfang heisst ziemlich glatt antreten!
L3, 28m, 6a+: Hier ändert der Charakter mehr zur auflegerigen Steilplatten-Kletterei, auch dünkte mich die Reibung vom Fels nun deutlich besser. Eine Stelle in der Mitte (jedenfalls wenn man direkt über die Haken klettert, man könnte es sich wohl auch einfacher machen) ist für den vorgeschlagenen Grad doch noch ordentlich zackig, es handelt sich um einen Mantle über ein kleines Dächli, wobei für die Hände nur ein paar Sloper zur Verfügung stehen. Der Rest ging mir gut von der Hand.

L4, 40m, 5c+: Gutmütige und griffige Kletterei, ich fand diesen Abschnitt neben der Schlusslänge die einfachste Sequenz.

L5, 40m, 6b: Coole und ziemlich anhaltende Steilplatte, vor allem das Finale mit den seichten Wasserrillen ist ein echtes Highlight - Schafbergwand at its best! Hier sind nun auch die Hakenabstände etwas grösser und damit der Anspruch an den Vorsteiger höher als in den Startlängen.

Super Kletterei an seichten Wasserrillen in perfektem Fels mit optimaler Reibung - typisch Schafbergwand!
L6, 40m, 6b: Vom Stand geht's nach rechts, die Überwindung der Nische welche den Graskanal abschliesst und das Etablieren in der Wand darob bietet eine ziemlich knifflige Stelle. Nachher geht's in schöner Steilplattenkletterei weiter. Wer die richtige Linie findet, kommt hier recht kommod durch, auch dank dem sich hinter den entfernten Grasbüscheln immer wieder griffige Henkel finden.

L7, 42m, 7a+: Nun eben gilt's ernst! Die Route verläuft hier am linken Rand der markanten Wasserrillen-Platte, die den Abschluss von Meridian und Langstrasse bildet. Erst geht's noch ziemlich easy in die Höhe, die griffig aussehende Piazschuppe ist dann allerdings schwieriger und ausdrehender wie gedacht, d.h. im 6b-Bereich erreicht man die Schlüsselstelle. Hier hätte Mutter Natur nur 1-2 kleine aber taugliche Strukturen für entweder Hände oder Füsse kreieren müssen, dann wäre die ganze Route homogen im 6b-Bereich. Hat sie aber nicht, so bezwingt man diese Stelle entweder A0 mit Hilfe einer Trittschlinge oder klettert etwas links der direkten Hakenlinie frei. Im Onsight braucht das ziemlich Mut, da der obere der beiden p.a.-Haken nicht (bzw. höchstens nach Überwinden der Stelle) geklippt werden kann. Das Sturzgelände ist zwar +/- frei, aber es droht trotzdem ein etwas unangenehmer Pendler aus diffiziler Gegendruck-Kletterei an schlechten Tritten/Griffen. Nach einem ersten Befühlen konnte ich die Stelle durchziehen, denke der Grad dürfte ziemlich gut passen.

Die Schlüsselstelle (L7, 7a+) sieht unscheinbar aus. Da aber kurz (fast) alle Griffe/Tritte fehlen, ist's eine Challenge!
L8, 32m, 5b: Über strukturierten Fels mit ein paar Zacken und griffigen Schuppen geht's bis ganz zum Ende der Plattenzone hinauf. Nein, ganz zum Grat hinauf gelangt man (wie bei allen anderen Schafbergwand-Routen) auch hier nicht, für den Rückweg bleibt als einzig sinnvoller Weg das Abseilen.

In der Gegend von 13.30 Uhr und damit nach rund 3:30h Kletterzeit hatten wir das Top erreicht. Während es in der Wand absolut erträglich gewesen war, ging hier oben durchaus ein zügiger Föhnluft. Ein längerer Aufenthalt war schon nur daher wenig attraktiv, das Routenende bietet sich rein platzmässig aber sowieso kaum für eine gemütliche Pause an. Somit hatten wir umgehend die Seile gefädelt und glitten in 6 zügigen Manövern in die Tiefe. Die ersten 3 Seillängen der Route kann man in einem einzigen 50m-Abseiler erledigen, wenn man sich etwas westlich gegen höher gelegenes Gelände im Couloir hält (zum Einstieg reicht es hingegen kaum!). Eigentlich wäre noch Zeit gewesen, um nebenan in eine weitere Route einzusteigen, z.B. Knecht Ruprecht oder Intermezzo bieten sich für ein Ausklettern durchaus an. Doch auch alle anderen Seilschaften hatten sich bereits aus dem Staub gemacht. Kein Wunder, der Himmel zog langsam zu und zufrieden mit dem Erreichten liessen auch wir es für diesen Tag gut sein.

Facts

Schafbergwand - Route 66 7a+ (6a+ obl.) - 8 SL, 270m - Küng/Wasina 2018 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express

Eine kürzlich erschlossene Schafbergwand-Tour mit sehr guter BH-Absicherung, bis auf die kurze Crux moderaten Schwierigkeiten und der ortstypischen, steilplattigen Kletterei. Sie ist innert kurzer Zeit zum Klassiker geworden und hat damit viele Argumente auf ihrer Seite. Mich persönlich haben einige der Touren weiter rechts (z.B. XL, Blues oder Garten Eden) aufgrund vom noch kompakteren Fels, den anhaltenderen Schwierigkeiten und dem höheren Anspruch noch etwas mehr begeistert. Das mag aber meine subjektive Meinung sein, enttäuscht wird von der Route 66 bestimmt niemand heimkehren. Dem Erstbegeherduo möchte ich herzlich fürs Ausrüsten und arbeitsintensive Putzen resp. Grasen in der Route danken. Aus ihrer Feder stammt auch das hier abgebildete Topo.

Das Topo zur Route 66 (7a+) aus der Feder der Erstbegeher - herzlichen Dank!

Montag, 27. März 2017

Schafbergwand - Blues in my Shoes (7a, 6 SL, Erstbegehung)

In der östlichen Südwandplatte an der Schafbergwand habe ich inzwischen schon einige Kletterspuren hinterlassen, dies mit der Erstbegehung der XL und den umfassenden Sanierungen bzw. der Neukonzeption vom Garten Eden und den Galoschen des Glücks. Meine Vorliebe für die Schafbergwand kommt nicht von ungefähr: wo sonst gibt es solch gut zugängliche, sowohl früh wie spät im Jahr kletterbare MSL-Routen im Bereich 6b-7a mit interessanter, technischer Kletterei an sonniger Lage, in einem perfekt rauen Kalk mit hervorragender Reibung?!? So gut wie nirgends, eben...

Globi der Felsenputzer in Aktion. Was macht man nicht alles, um den Kletterern auf einer tollen Linie ein schönes Erlebnis zu bieten.
Die Geschichte der Blues begann eigentlich am letzten Bohrtag in den Galoschen des Glücks. Schon seit langer Zeit war rechts davon im Kletterführer noch der Beginn einer Linie markiert, welche mit "altes Projekt" gekennzeichnet war. Beim Abseilen konnten wir uns einerseits davon vergewissern, dass sich rechts der Galoschen noch eine komplett eigenständige Linie mit interessanter Kletterei in prima Fels legen liesse. Andererseits beschränkte sich das alte Projekt auf nur gerade 3 Bohrhaken. Einer davon steckte in der heutigen L2, etwas neben der von uns schliesslich gewählten Linie. Ich vermute, dass sich diese 7a-Platte den Urhebern des Projekts als zu schwierig erwies. Zwei weitere Bolts stecken nämlich am Anfang der heutigen L3, diese Stelle wurde sicherlich mit einer Umgehung durchs Gemüse oder andere Routen nebenan erreicht.

Gut geputzt ist denn auch halb geklettert ;-) Bzw., so wird der Sack effizient vor Diebstahl geschützt!
Zur Tat geschritten wurde dann an einem schönen Sommertag im August 2016. Zusammen mit dem SAC-Führerautor und Lokaldoyen Werner Küng startete ich frühmorgens, denn einerseits waren auf den Nachmittag heftige Gewitter angekündigt, andererseits riefen mich Termine schon zeitig nach Hause. Trotzdem, der Startschuss wollte gesetzt sein, aber es stellte sich die Frage, wie viele Bohrhaken und Akkukapazität wir denn mitführen sollten. Wir beschlossen in weiser Voraussicht, in dieser Hinsicht grosszügig zu sein. Denn einerseits lösten sich meine Terminverpflichtungen in Luft auf (bzw. konnten während einer Bohrpause von unterwegs geregelt werden, den mobilen Kommunikationsmitteln sei Dank!), andererseits blieb der Himmel blau, von den angekündigten Gewittern keine Spur. So gelang es tatsächlich, die gesamte Linie an einem einzigen Tag zu erschliessen, wobei ich am Ausstieg den wirklich allerletzten Bolt mit dem letzten Quäntchen Akkustrom versenkte. Das isch emal e Planig!!! Nicht ganz auf der Rechnung hatten wir dabei das Blitzgewitter, welches sich übel von hinten anschleichend beim Abseilen über uns ergoss. So trotteten wir zwar schlussendlich doch wie begossene Pudel von dannen. Allerdings nur im wörtlichen Sinne, denn es war ein grandioser Klettertag gewesen und das Herz lachte.

Yours truly bolting on lead. Man beachte den angewinkelten Ellenbogen. Werner hat mich jedes Mal zurückgepfiffen, wenn ich einen Bolt nur schon im Ansatz hoch platzieren wollte. Beschwerden über zu hoch gesetzte Haken sollten also definitiv nicht nötig sein. 
Was noch blieb, war das Rotpunkt-Business, sowie einige Zusatzarbeiten an Linie und Absicherung. Zwei Monate nach dem Bohren konnten wir dies am 16. Oktober 2016 an einem strahlenden Herbsttag erledigen. Mit grossem Eifer wurden wo nötig Griffe geputzt, die wenigen losen Steine entfernt und die Absicherung vervollständigt. Ebenso konnte ich die Route befreien, d.h. es glückte mir ein komplett sturzfreier Gesamtdurchstieg im Rotpunktmodus. Insbesondere bei der zweiten Seillänge war ich mir alles andere als sicher, ob dies so einfach möglich wäre. Bei einer 7a auf Reibung bewegt man sich einfach an der Haftgrenze und bereits ein kleiner Fehler kann einen abschütteln. Das liess sich jedoch vermeiden, so galt es noch bis ans Routenende konzentriert zu bleiben. Nachdem die Route noch im Herbst für wertvolle Feedbacks von einigen Freunden und Bekannten wiederholt werden konnte und der Winterpause ist nun die Zeit zur Publikation gekommen. An der Schafbergwand geht die Saison nämlich bereits los!

L1, 50m, 6b+: Der Einstieg befindet sich am tiefsten Punkt der Felsen bei der östlichen Südwandplatte, am selben Ort (bzw. unmittelbar rechts) vom Sandührliweg. Er ist aktuell angeschrieben. Von dort geht's in anregender Plattenkletterei durchgehend im 6a-Bereich in die Höhe. Eine Stelle in der Mitte ist kniffliger zu lösen. Erst ein bisschen grössenabhängig, danach will die richtige Lösung erkannt werden, ca. 6b+. Der Stand dann auf dem grasigen Band.

L2, 40m, 7a: Es folgen zuerst 10m Zustieg in einfachem Gelände zur Knallerplatte mit der Crux. Die ersten 20m sind anhaltend schwierig. Angetreten wird meist auf Reibung, für die Hände gibt's aber durchaus die eine oder andere Leiste, hin und wieder einen Sloper und vor allem ganz viele seichte Löcher, wo man sich wünschen würde, dass sie doch nur ein bisschen griffiger wären. Gute Henkel fehlen hingegen komplett und auch das Erkennen der richtigen Lösung ist schwierig - wobei es vermutlich auch mehr als nur 1 Lösung bei ähnlichen Schwierigkeiten gibt.

Die extrem kompakte Knallerplatte in L2 (7a) von unten...
...und von oben. Hinter uns sind uns bereits die ersten Wiederholer auf den Fersen.
L3, 40m, 6b: Vom Stand auf dem bequemen Grasband geht's zuerst an fantastisch wasserzerfressenem Fels aufwärts. Ich würde das als eine sehr schöne Genusskletterei bezeichnen, bis auf die letzte Seillänge dürfte es sich um die einfachste Sequenz handeln. Das Finish der Länge dann kurz etwas mehr von der Vegetation durchzogen, an 2 Sanduhren gesichert zieht man etwas nach links hinaus zum Stand in bequemer Nische.

Dieselbe Stelle in L3 (6b), von welcher weiter oben das Bild vom Einbohren stammt.
L4, 40m, 6c: Immer geradeaus auf fantastischen, kompakten Platten. Diverse bouldrige Stellen wechseln sich mit bequemen Rastpunkten ab, wo es wieder bessere Tritte hat. Dieser Fact ist ein wesentlicher Grund, warum die Route so schnell eingebohrt werden konnte, liessen sich die Haken eben immer wieder aus kraftsparender Position setzen, bevor die nächste schwierigere Stelle gemeistert werden musste.

Super Klettere in L4 (6c), Werner ist gerade mit einer bouldrig-glatten Stelle beschäftigt. Aber man sieht's, hier und da befindet sich auch wieder einmal ein guter Henkel oder ein bequemer Tritt, was das Einbohren dieser Länge für den Grad ziemlich entspannt machte.
L5, 40m, 6c+: Der Auftakt zu dieser Seillänge hat es gleich in sich und wartet mit einer kniffligen Stehpassage und seichten Wasserrillen auf. Nach den ersten 10m kann man dann Fahrt aufnehmen, ein paar unerwartet auftauchende Löcher geben gute Griffe her. Nur muss man dann schauen, dass der Elan nicht kurz vor dem Top gestoppt wird. Hier hat sich noch eine knifflige, zwingende Passage ergeben (sehr gut abgesichert, ein Sturz ist absolut harmlos, A0 jedoch nicht möglich). Es geht aber schon...

Das ist die knifflige Stelle gleich zu Beginn von L5 (6c+). Bolt klippen und fein durchmoven!
Seitenblick aus den Galoschen des Glück auf dieselbe Passage am Anfang von L5 (6c+).
L6, 30m, 6a: Sollen wir oder sollen wir nicht? Das hatten wir uns bereits gefragt, als wir die Galoschen des Glücks sanierten, welche wenige Meter links vom fünften Stand der Blues enden. Nämlich eine letzte Seillänge hinzufügen, welche nochmals gemütliche Moves in plattigem Fels bietet, bevor oberhalb dann definitiv nur noch Legföhren kommen. Wie man sieht, dieses Mal haben wir es gemacht - die Seillänge lässt sich übrigens auch als Finish der Galoschen des Glücks klettern.

Toller Fels und richtig gute Kletterei bis ganz nach oben!
Nach getaner Arbeit gleitet man mit 6 Abseilmanövern (2x50m-Seile nötig!) wieder zurück an den Einstieg. Die Standplätze sind dafür ausgerüstet, je nach Gegenverkehr kann bzw. soll man auch solche der benachbarten Routen in Erwägung ziehen. Was die Bewertungen betrifft, so herrscht unter den bereits erfolgreichen Begehern so etwas wie ein Konsens vor. Wie schwierig das aber in der Praxis sein kann, zeigt folgendes Beispiel: Werner und ich sind die Cruxlängen von Galoschen und Blues gemeinsam und auch mit derselben Methode angegangen. Mir fällt jene der Galoschen deutlich schwerer, ich würde dort ein "+" (d.h. einen halben Grad) höher bewerten als in der Blues. Werner sieht das hingegen genau andersrum. Daher gelten nun beide Längen als 7a, was als ungefährer Richtwert bestimmt zutrifft. Die Denkweise, dass es den einzigen, korrekten Grad für jede Seillänge gibt, trifft einfach nicht zu. Schon kleine Unterschiede in Bezug auf die körperlichen Gegebenheiten (u.a. Grösse, Beweglichkeit, usw.) können zu einer anderen Wahrnehmung führen. Plus hin oder minus her, jedenfalls wünsche ich allen Wiederholern viel Spass an der Schafbergwand.

Facts

Schafbergwand - Blues in my Shoes 7a (6b+ obl.) - 6 SL, 240m - Dettling/Küng 2016
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Keile/Friends nicht nötig

Eine lässige Route durch die östliche Südwandplatte, welche über weite Strecken technische Kletterei über Steilplatten in fantastisch rauem, kompakten Fels bietet. Wie in den anderen Routen am Berg klettert man auch hier ab und zu an einem Grasbüschel vorbei oder bezieht Standplatz im Grünen. Das alles ist dem Genuss jedoch kaum abträglich. Wie alle anderen auch ist diese Route besonders wertvoll, weil die tiefe (~1500m) und sehr sonnige (Expo SSE) Lage ein MSL-Klettern bis spät in den Herbst sowie bereits an den ersten Frühlingstagen erlaubt. Die Route ist gut mit rostfreien BH abgesichert, trotzdem will der eine oder andere nichttriviale Plattenmove obligatorisch gemeistert sein. Der Anspruch ist dabei ähnlich wie in meinen anderen Linien XL, Galoschen und Garten Eden.

Topo

Hier gibt es das komplette Topo zum PDF-Download.