Zum insgesamt fünften Mal sollte es ins Kletterparadies
Kalymnos gehen, doch im Vergleich zu den letzten Jahren war einiges neu. Vor
allem die Tatsache, dass wir mit vier Kindern unterwegs waren und wegen der
Schulpflicht den traditionellen Termin anfangs September in die Hauptsaison im
Oktober verschieben mussten. Bis auf die eher negativ zu wertende Tatsache,
dass dann das North Face Climbing Festival stattfindet und sich Heerscharen von
Kletterern auf der Insel tummeln, ist es aber ein sehr guter Zeitpunkt.
Zu viel jammern soll man ja nicht, aber meine Vorbereitung
fürs harte Sportklettern war suboptimal ausgefallen. Seit den Dolomiten-Ferien
war ich kaum mehr im Klettergarten unterwegs gewesen. Wochentags rief die
Arbeit und abends war es bereits wieder zu früh dunkel, um noch aktiv zu sein. Chindsgi-bedingt
war an den Weekends mehr Erholung anstatt Ausflüge in den Klettergarten
angesagt und wenn ich dann einmal alleine unterwegs war, so war dies auf
MSL-Routen oder sogar mit der Bohrmaschine. Nun denn, darüber gibt es nichts zu
lamentieren, die Form für die ganz harten Begehungen stellt sich aber auf diese
Weise nicht ein. Trotzdem wollte ich zumindest noch einen Versuch geben, um auf
der Insel eine weitere 8a zu punkten.
Tag 1: Galatiani
Diese hohe Wand (einer der höchsten der Insel) befindet sich
zwischen Arginonta und Skalia. Sie hatte auch schon unseren Chäppi Ochsner
gereizt, der an ihrem Fuss einige Baseclimbs und ebenso die MSL-Route „Wendenexpress“
hinterlassen hatte. Allzu oft wird an diesem Massiv aber nicht geklettert.
Viele schreckt wohl der „weite“ Zustieg ab. Im Kletterführer stehen 40 Minuten
als Zeitangabe, nach der Hälfte davon waren wir vor Ort. Also los in die
Kalymnos-Saison 2014.
Die Wand vom Sektor Galatiani. |
Rognol, 6c+: Erstbegangen von den Gebrüdern Remy und ich
muss sagen, echt eine coole Route. Selten habe ich auf Kalymnos etwas
geklettert, das so wenig offensichtlich und tricky ist. Die Kletterei spielt
sich in einer Art Sinter-Verschneidung ab, die Crux löst sich auf eine Art und
Weise, die ich erst in etwa fünfter Priorität als Lösung gewählt habe! Obenraus
dann noch ein paar athletische Moves zur Kette.
Zero Chichon, 8a: Diese Route war also der Grund für meine
Reise hierher gewesen. Ich hatte gelesen, es sei eine bouldrige 7c über ein
Dächlein hinweg zu einem No-Hand-Rest. Ab dort dann noch sintriges
Ausdauergelände ohne weitere schwere Stelle zum Stand. Das kann man
optimistisch so stehen lassen. Das Dächlein ist jedoch echt noch powerig, und
für die Grossen ist es obermühsam, die Füsse raufzubringen. Mit ein paar
blinden Toehooks damit die Füsse nicht kommen aber gerade irgendwie möglich. Der
No-Hand-Rest, naja, ist halt ein Knieklemmer wo man tatsächlich beide Hände
lösen kann. Tut man es, ist es bereits nach 5 Sekunden äusserst mühsam und
anstrengend. Und das Sintergebolze zur Kette rauf, das sind dann nochmals gute
20m, die etwa 10m überhängen. Nie ultra hart, aber ein paar schwere Züge hat es
doch noch, für mich ist das Gelände wo mir jederzeit der Saft ausgehen kann.
Etwas desillusioniert streiche ich die Segel: ich konnte zwar alle Moves
klettern, aber hier einen Rotpunkt abzuholen hiesse richtig investieren – wofür
ich bei nur 1 Kletterwoche keine Lust habe. Ein paar coole Onsight-Begehungen
von nicht ganz so schweren Routen befriedigen die Kletterseele mehr.
K44, 7a: Die wohl beliebteste Route des Sektors, mit dem
Maximum von 4* betraut. Der Vorteil vom 8a-Klettern davor war immerhin, dass
mir die 7a danach relativ flach und auch nicht so schwierig vorkam. Es handelt
sich auch um steiles Sintergelände, welches aber bis auf eine etwas zackige
Stelle meist relativ gutmütig ist. An jener ist es nicht besonders vorteilhaft,
links an den Klemmriss zu klettern… beinahe hätte ich diese Begehung noch
vergeigt. Hinweis: während die ersten 3 BH der Route saniert sind, steckt oben
dann noch Chäppis ungünstige Kombination von rostfreien Irniger-Plättli und
verzinkten Dübeln. Genau wie in der Millenium rostet es auch hier, dank
Meeresnähe und warmen Temperaturen einfach noch ein bisschen schneller. Eine
Komplettsanierung wäre keine schlechte Idee…
Die K44 hatte ich bereits in der Sonne klettern müssen. Das
ging an sich noch recht gut, doch nachdem wir schon eine gute halbe Stunde am Brutzeln
waren, schien es dann doch ratsamer, uns vom Acker zu machen. Wir einigten uns
darauf, auf dem Rückweg noch im Sektor Summertime an der Magoulias Wall eine
Route zu klettern. Dort war ich bisher noch nie aktiv gewesen. Sie war diesen
Sommer Schauplatz eines tragischen Unfalls, wo ein Schweizer Kletterer von der
Umlenkung der Route Fred in den Tod stürzte.
Tag 1: Magoulias Wall
Toni, 7a: Definitiv eine Route fürs Selbstvertrauen! Schöne
Wandkletterei an Tropflöchern, welche drei etwas schwierigere Stellen
bereithält. Dazwischen kann man sich jedoch jedes Mal wieder etwas erholen und
die nächsten Moves gut planen. Die Route Ikarus auf der Galerie dürfte z.B.
eher schwieriger sein.
K Tsi K, 7b+: Neutour, die im Update nur einen einzigen
Stern aufweist und somit nicht sehr schön sein sollte. Trotzdem, mir war es
danach, mich doch nochmals etwas zu testen und ich muss sagen, dass mir diese
Tour ganz gut gefallen hat. Es handelt sich um leicht drückende Wandkletterei
an Tropflöchern, Crimps und oftmals Auflegern. Die Crux im unteren Teil wird am
besten reichlich dynamisch angegangen. Danach neigt sich die Wand etwas zurück,
ganz so schnell war es dann aber doch nicht gegessen, wie es erst den Anschein
gemacht hatte. Nach meinem Geschmack definitiv empfehlenswert, zwei oder sogar
drei Sterne sind hier nicht zu viel.
Das war es dann aber, rasch waren wir zur Strasse
abgestiegen, wo der Schlüssel schon im Töff bereitsteckte ;-) Zum Glück gibt’s in
Kalymnos so gut wie keine Kriminalität – gut als Tourist will ja sowieso
niemand einen Scooter klauen, und unter den Einheimischen ist halt alles
ziemlich überschaubar. Mit noch reichlich Saft in den Armen ging es an den
Strand, da würde am nächsten Tag durchaus nochmals etwas drin liegen.
Daily Routine, definitiv mein Lieblingsmotiv auf Kalymnos! |
Tag 2: Afghan Corridor
An diesem Tag wollten wir dem relativ neuen Sektor Afghan
Corridor einen Besuch abstatten. Er liegt zwischen Illiada und Spartacus und
wie ich gehört hatte, herrscht dort relativ wenig athletische
Tropflochkletterei vor. Somit schien mir dies eine gute Wahl für den zweiten
Tag, um die Kraft an pumpigen Sintern zu vernichten bleibt schliesslich noch
genügend Zeit. Mit uns zogen ganze Horden an Kletterern gegen die Grande Grotta
hoch. Oben wurde einem Kletterhardware zu Ausleihe oder Kauf feilgeboten. Naja,
ich werde nie ein Freund solcher Kommerzevents am Fels werden. Anyway, wir
verabschiedeten uns von diesem Trubel, querten die Schlucht und hatten den
Afghan Corridor schliesslich komplett für uns alleine.
Qala-e-vust, 6c: Sehr schöne Tropflochkletterei, die mit
sehr vielen BH abgesichert ist. Die Schwierigkeiten halten sich zumeist im überschaubaren
Rahmen. Nur an einem Aufschwung muss etwas genauer hingestanden und herzhafter
zugegriffen werden. Trotz der zahlreichen Bolts ist diese Crux dann doch
einigermassen obligatorisch – da hätte man sich von den vielen Bolts im
einfachen Gelände auch ein paar sparen können.
Babatangi, 7a: Die Route links aussen im Sektor. Von den 30m
Kletterlänge sind 28m im 6ab-Bereich, doch die Crux hat es hier ziemlich in
sich. Zwei, drei strenge Moves an nicht allzu guten Tropflochleisten sind
nötig, irgendwie ziemlich konzentriert bzw. inhomogen die Sache. Das ist der
Grund, warum hier offiziell nur 1* vergeben wird, herausragend schön ist der Fels
auf jeden Fall.
Oxus, 7c: Diese Route war meine Hauptmotivation für den
Besuch in diesen Sektor. Und tatsächlich konnte ich hier den gewünschten
Onsight verbuchen :-) Es handelt sich um typische Tropflochcrimperei an Fels
der Sorte sehr scharf, mit ein paar weiten Moves, wo man die Griffe ziemlich
durchriegeln muss und natürlich sauberes Antreten auf Reibung und kleinen
Tritten gefragt ist. Solches Terrain liegt mir optimal, und darauf bin ich nach
all den alpinen Klettereien und den Wendenbesuchen auch ideal vorbereitet. Wie
eigentlich im ganzen Sektor stecken auch hier sehr viele Bolts, wobei wiederum
die Crux einigermassen zwingend zu klettern ist. Zuletzt verbleibt natürlich
die Frage, ob die 7c-Bewertung denn tatsächlich zutrifft!?! Was soll ich mit
meiner Befangenheit schon dazu sagen… nur vielleicht, dass in einer
Pitelka-Wendenroute eine solche Länge kaum mit 7c bewertet würde. Und dass man trotz
einem Onsight in dieser Route wohl noch nicht zwingend bereit für Hannibal’s Alptraum
im Rätikon ist.
Sicht vom Einstieg auf die Oxus (7c) |
Kret, 7a: Bei dieser Route stecken die BH 50-100cm neben dem
grössten Sinter an der Wand. Was das wohl zu bedeuten hat? Nachdem ich die
Route geklettert bin, weiss ich es: der Erschliesser hat sie ganz vorbildlich
in den soliden Fels gebohrt, geklettert wird aber trotzdem am Sinter. Nach
einem einfachen Start geht es dort dann ziemlich zur Sache, der Tufa will
ziemlich heftig umarmt und umschlungen werden. An jener Stelle, wo ich die
deutliche Crux wahrnahm, war ein Felsausbruch zu sehen – ob dort wohl ein Griff
ausgebrochen ist? Jedenfalls musste ich mir ziemlich bis sehr viel Mühe geben,
um hier Onsight durchzusteigen. Hat man den Grad nicht voll im Griff, wird man
die Absicherung vielleicht eher als etwas psychisch empfinden. Die weit rechts
steckenden Haken sind nicht einfach zu klinken.
Ishkashim, 6a+: Nun fehlten uns nur noch 2 Routen, um den
ganzen Sektor komplett abgegrast zu haben. Leider war die Mittagszeit
inzwischen vorbei (ca. 12.30 Uhr), und die Sonne machte ihre Aufwartung. Also
kletterten wir noch diese schöne und auch recht homogene, gut abgesicherte
Tropflochtour rechts aussen. In ihrem oberen Teil bietet sie echt beinahe
Wendenfeeling!
Danach liessen wir es dann gut sein. Im Gegensatz zur Zeit
anfangs September, wo man bei Erscheinen der Sonne am Fels fluchtartig den Schatten
aufsucht, lässt sich anfangs Oktober auch noch die eine oder andere Route an
der Sonne klettern. However, nach einer gewissen Zeit zieht’s einem dann doch
an den Schatten. Da unser Rückweg uns sowieso an den Sektoren Spartacus,
Afternoon und der Grande Grotta vorbeiführen würde, wollten wir dort noch eine
Route angreifen.
Gesamtansicht vom Afghan Corridor, mit Kletterer in Ishkashim (6a+) |
Tag 2, Spartacus
Dieser Sektor ist bei Spätaufstehern sehr beliebt, da er bis
spät im Schatten bleibt, bzw. diese im rechten Teil um diese Jahreszeit gar
nicht mehr hinscheint. Dementsprechend viel Volk war hier präsent,
Anfeuerungsrufe in alle Sprachen waren zu hören, ebenso aber auch überforderte
Kletterer in praktisch jeder der begehrten Linien auszumachen. Für mich war
dies nicht weiter schlimm, da ich diese Linien (mit Ausnahme der Daniboy (8a))
schon bei früherer Gelegenheit hatte klettern können. Einige weniger
bekletterte (aber kaum schlechtere) Routen gibt es auch, und da wollte ich
angreifen.
Jellyfish
Pie, 7a+: “An excellent test in reading the moves onsight. Several tricky
sections on some tufa blobs but fun all the way. Harder if you are short”
steht im Führer. Den Test habe ich also bestanden und “fun all the way” ist’s
wirklich. Ob es allerdings für Grosse wirklich einfacher ist? Da zweifle ich
etwas dran, und die Crux findet auch nicht ganz einfach einzusortierenden
Löchern und nicht an Tufas statt. Insgesamt sicher eine Empfehlung, vielleicht
nicht ganz so homogen wie die Kerveros nebenan, allerdings auch längst nicht so
stark frequentiert.
Zwar hätte man noch weiter gut klettern können, insbesondere
das „fingery boulder problem“ der Arena (7c) nebenan an Tropflochfels hätte
mich sehr gereizt. Aber einerseits ist es doch gescheiter, dort mit frischen
Kräften für einen Onsightversuch anzutreten, andererseits war schlicht und
einfach die uns selber gesetzte Zeit zum Klettern langsam abgelaufen,
Beach-Time mit den Kindern war angesagt.
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