Das über 1km breite und 200m hohe Felsband des Chli Glatten über dem Klausenpass braucht man kaum noch näher vorzustellen. Die griffig-steile Kletterei in sonnigem Ambiente mit kurzem Zustieg sind weitherum bekannt. Auch ich hatte an dieser Wand schon meine Spuren hinterlassen, einerseits natürlich mit meiner eigenen Linie Uristier (6c+), andererseits durch zahlreiche Wiederholungen bereits existierender Routen. Noch gefehlt hatte mir aber eine der besten, schwersten und steilsten Routen, die Kamasutra (7b+).
Wandansicht vom Gelben Pfeiler am Chli Glatten mit dem Verlauf von Kamasutra. |
An einem herbstlich anmutenden Tag mit Nebelfeldern in den Niederungen, einem ersten Schneekleid in den Bergen und eher tief angesagten Temperaturen war der Zeitpunkt gekommen. Zu dritt ging es schliesslich los, Dani und Anika waren mit dabei. Nach einigen Zeitverlust aufgrund von Alpabtrieb usw. gelangten wir schliesslich zur Alp Bödmer auf 1930m. Kühe und Älpler hatten diesen Ort bereits verlassen, nur dann sollte man sein Auto dort abstellen, ansonsten bitte an der Strasse unten. Der Zustieg umfasst rund 200hm auf einer Wegspur am Bödmerstöckli vorbei und nimmt keine halbe Stunde in Anspruch. Mit der Örtlichkeit des Einstiegs war ich ebenfalls bereits bestens vertraut, hatte ich doch die benachbarte Route Poker (7b) bereits geklettert, und sogar bei der Begehung der Illuminati (7a+) die Einstiegslänge vom Kamasutra benutzt. Um 10.50 Uhr waren wir aufgeschirrt, und es konnte bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein losgehen.
Herbstliches Ambiente am Klausenpass mit Blick zu Chammliberg, Gross Schärhorn, Mittler Griessstock und Gross Windgällen. |
ACHTUNG: für einmal notiere ich mir bei der Beschreibung der Seillängen auch etwas Beta, damit ich für zukünftige Begehungen mit den nötigen Tipps für einen allfälligen Rotpunkt gerüstet bin. Puristen, welche auf einen sauberen Onsight aspirieren, sollten die Routenbeschreibung also nicht lesen!!! Ich bin selbst eigentlich eher negativ gegenüber genauen Einzelstellenbeschreibungen im Internet eingestellt und vermeide diese normalerweise. Allerdings gibt's für mich persönlich keinen besseren Platz, diese (wenigen) Tipps jederzeit griffbereit zu versorgen.
L1, 45m, 6c: Schöne Wandkletterei von eher technischer Natur, teilweise reichlich knifflig. Die Hakenabstände sind teils (und vor allem am Anfang) recht weit und erfordern sicheres klettern. Im oberen Teil gehört ein Haken der Nachbarroute Poker imperativ mit dazu, leider verursacht dieser aber ziemlich Seilzug. Diesen Abschnitt unter Zuhilfenahme des tiefer liegenden Poker-Standes in zwei aufzuteilen, wäre wohl gar keine so schlechte Idee.
Der Autor startet, wieder einmal im Luis-Trenker-Style. Der Anfang von L1 (6c) ist noch einfach, aber weit gesichert... |
...der obere Teil von L1 (6c) bietet dann knifflige, technisch anspruchsvolle Kletterei. |
L2, 30m, 6c+: Zäher Abschnitt mit überhängender Wandkletterei in teils etwas schieferigem Klötzlifels, der sich hier aber ausreichend solide präsentiert. Schon im ersten Teil, der noch nicht ganz so steil ist, muss man eine ziemlich kleine Leiste fixieren und trittarm nach rechts traversieren (O-Ton von Dani: "ein solcher Griff hat in einer 6c+ nichts verloren"). Im zweiten Teil dann ausdauernd und kräftig dranbleiben. Der entscheidende Trick ist es, von der Untergriffschuppe den versteckten Riss links aussen zu greifen, ohne diesen ist's nochmals ein rechtes Stück härter.
Der Autor fightet gegen den Pump in der steilen L2 (6c+), während man sich 8000m weiter oben einen Drink genehmigt... |
...die beiden Nachsteiger haben aber ebenfalls keine Hand frei, L2 (6c+) erfordert durchaus Einsatz! |
L3, 25m, 6b: Schöne, gemütliche Kletterei in meist bestem, grau-rauem Klausenfels. Die Linie ist etwas gesucht linksrum, dafür wird einem schönere und anspruchsvollere Kletterei geboten, als wenn die Verschneidung gerade hinauf gewählt worden wäre.
Schöne, gemütliche Kletterei in L3 (6b), leider machen die ersten Nebelschwaden ihre Aufwartung. |
L4, 35m, 7b: Die erste Cruxlänge beginnt gleich fulminant: über den Wulst hinweg und von den Seitgriffen den zweiten Bohri klinken. Tief an kleine Diagonalleiste für links kreuzen, rechts 1x mässige Leiste hart durchblockieren und an die offensichtliche, fixierte Schuppe hoch. Die Querung zur Kante ist pumpig, um die Ecke rum ist dann etwas Zauberei erforderlich... auch wenn ich's mir gern notieren möchte, so richtig genau im Kopf habe ich die gewählte Sequenz nicht. Danach noch kurz kräftig dranbleiben, das letzte Stück zum Stand hinauf ist dann einfacher, weist dafür aber die zwingendsten Passagen der Route auf. Dort evtl. Möglichkeit, den Runout mit klein/mittleren Cam zu entschärfen. Wer seine Begehung verewigen möchte, sollte dies am Stand nach dieser Länge im Buch vom Gelben Pfeiler tun. In der Gamelle einen Stand höher befindet sich nämlich nur noch naturwissenschaftliche Fachliteratur, aber kein Routenbuch.
In L4 (7b) wartet eine Boulderstelle am zweiten BH, sowie um die Kante rum. Beim Rest: einfach dranbleiben! |
Eben, dranbleiben (und Hand auflegen...) im oberen, schönen Teil von L4 (7b) ist das Motto. |
L5, 25m, 7b+: Rüberqueren, den zweiten Bolt etwas von unten an Sloper-Leisten angehen und dann die Crux zum dritten. Hier kurz und athletisch an Slopern höherzaubern und auf die unscheinbare, positive Leiste unter dem dritten BH zielen. Kurz umsortieren und der Rastpunkt in der Verschneidung ist erreicht. Ab hier noch 1x kräftig und weit an Leisten ziehen, der Rest der Seillänge bietet dann "nur noch" athletische Ausdauerkletterei an eigentlich durchgehend positiven Leisten. Nur nicht versauern...
Nein, nein, ich habe den Foto schön gerade gehalten! Der Start von L5 (7b+) ist so nach hinten gekippt steil! |
Zähe, powerige Leistenkletterei dann am Ende von L5 (7b+). Einfach nichts mehr herschenken! |
L6, 35m, 6c: Steiler und griffiger Auftakt, der sich weitgehend als harmlos entpuppt. Vorsicht, danach wird's für einen Moment ziemlich brüchig mit auch grösserem Material zum Abwerfen, das zudem direkt den Sicherungspartner gefährdet. Einfach vorsichtig Klettern, dann geht's schon, es gibt genügend feste Griffe. Die Crux dann am Dächli, einfach gerade drüber, keine wilde Sache.
L7, 25m, 6a+: Die billige Variante wäre, vom gemeinsamen Stand mit dem Gelben Pfeiler nach links über die Platte auszusteigen. Das hat auch noch den Vorteil, dass man so direkt zum Start der Abseilpiste kommt. Kamasutra wählt aber eine Linie gerade hinauf, der Fels ist dabei nicht von bester Qualität. Die Absicherung zwar nicht richtig schlecht, stürzen wäre aber trotzdem eher unangenehm.
Gar nit so easy, die letzten Meter der Route in L7 (6a+). |
Um 15.30 Uhr sind wir in dichtem Nebel am Top. Leider hatte nur während der ersten 3 Seillängen uneingeschränkter Sonnenschein geherrscht. Danach hatte die Bise erste Nebelschwaden über den Klausenpass getrieben. Diese wurden immer dichter und liessen später teils sogar die Sichtverbindung zum Kletterpartner abreissen. Nachdem die Sonne den Fels aber erst hatte aufwärmen können, waren die Bedingungen trotzdem weiterhin brauchbar. Dani holte sich hier mit einer solchen Leichtigkeit den Komplett-Onsight, dass ich mir durchaus Fragen zu meiner Performance stellte. Zwar hatte ich nur in der Crux von L2 und L5 einen Sturz/Hänger zu verzeichnen, den Rest konnte ich durchziehen. Am Top war ich aber ziemlich platt, doch die Route ist wohl einfach nicht zu unterschätzen und meine Leistung war vermutlich gar nicht so schlecht - obwohl man sich natürlich immer höhere Ziele setzen kann. An einigen Schneeresten vorbei ging's vom Top etwas absteigend entlang einem malträtierten Fixseil zum Beginn der Abseilpiste. In vier steilen und schnellen Manövern ist man hier bald am Einstieg retour. Wir hielten uns nicht mehr lange auf und stiegen talwärts. Ein Trupp von 4 Mann mit schwerem Gepäck kam uns entgegen. Von uns unbemerkt hatte sich im Sektor Plattenwand ein Steinschlagunfall ereignet, und da wegen dem dichten Nebel ein Helikopterflug nicht möglich war, war eine terrestrische Bergung nötig. Wir hoffen, dass dabei alles gut ausgegangen ist!
Facts
Chli Glatten - Kamasutra 7b+ (6c obl.) - 7 SL, 220m - Gisler/Müller 2002 - ****;xxx-xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, evtl. Camalots 0.3-0.75
MSL-Sportklettertour in meist gutem bis sehr gutem Fels durch die steilsten Zonen am Chli Glatten. Geboten wird einem der für die Zone typische Mix an athletischer und ausdauernder Leisten- und Auflegerkletterei, gewürzt mit ein paar Boulderstellen. Die Absicherung mit BH kann an den einfacheren Stellen als gut (xxx) bezeichnet werden, die schweren Stellen sind sogar sehr gut bis ausgesprochen kurzabständig (xxxx-xxxxx) eingerichtet. Am Ende von L4 ist 6c dennoch obligatorisch und bestimmt macht eine Begehung nur dann Sinn, wenn man zumindest 7a im Onsight sauber beherrscht, sonst wird man in den beiden schweren Längen nicht viel Land sehen. Hinweis: es handelt sich um eine der am schnellsten trockenen Routen am Chli Glatten. Das gute Topo der Erstbegeher lässt sich hier downloaden.
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