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Samstag, 14. Mai 2016

Skitour Granatenkogel (3318m)

Nach einem Missgeschick am Vorabend mit Fingerverletzung waren unsere Möglichkeiten zum Klettern stark eingeschränkt worden, da dem Patienten möglichst viel Ruhe und nicht Rumtoben im Freien empfohlen worden waren. Das war für einmal verschmerzbar, waren doch die Kräfte nach 4 Tagen in Serie am Fels schon etwas verschossen und die Kletterseele mit den tollen Erfolgen in der Tasche eh schon glücklich. So einigten wir uns nach all dem Trubel einschliesslich einem Spitalbesuch spätabends, dass meine mitgeführte Skitourenausrüstung doch noch zum Einsatz kommen würde...

Unterwegs im Ferwalltal, der Gipfel mittig im Talschluss das anvisierte Ziel, nämlich der Granatenkogel (3318m).
Bei der Tourenplanung fühlte ich mich ein bisschen wie in längst vergangene Zeit zurückversetzt. In der Schweiz war ich bereits so viel unterwegs, dass ich beinahe jeden Winkel des Landes kenne und die Kenndaten einer jeden Skitour auswendig wiedergeben kann, selbst wenn ich sie noch nicht begangen habe. Und sollte doch noch ein Puzzlestein fehlen, so weiss ich zumindest, wie ich in minutenschnelle adäquate Information einholen kann. Nun, im Ötztal präsentierte sich die Situation doch etwas anders. Noch nie war ich hier unterwegs, Täler und Berge waren mir völlig unbekannt, ja selbst das Auftreiben von Karten und Infos war eine andere Herausforderung als im Schweizerland. So wurde es reichlich spät, und ich entschied mich schliesslich für den Granatenkogel.

Der Granatenkogel (3318m) im Detail mit Aufstiegsspur zum Sattel 3070m. Die Abfahrt erfolgt direkt über die N-Flanke.
Diese Tour startet in Obergurgl auf ziemlich genau 1900m Höhe und führt zuerst über etwa 300hm den Skipisten entlang. Am entsprechenden NW-Hang rechnete ich mir noch gute Chancen auf eine geschlossene Schneedecke aus, was denn auch zutraf. Dass für diese vorwiegend nach NW ausgerichtete Tour kein allzu früher Aufbruch notwendig schien, war mir zum Zeitpunkt der Entscheidung nach Mitternacht natürlich auch nur lieb. Trotzdem schien es mit einem Pensum vom 1430hm und der möglichen Steilabfahrt über die N-Flanke eine rassige Tour auf einen imposanten Gipfel zu sein. So legte ich mich also aufs Ohr und konnte den Wecker auf 7.00 Uhr stellen, was mir doch noch leidlichen Schlaf bescheren würde.

Unterwegs am NW-Grat, kurz vor dem Gipfel. Hier könnte man auch mit Ski steigen, es lohnt sich aber kaum.
Am nächsten Morgen ging's dann nach einem Frühstück to go via Sölden ins verwaiste Obergurgl. Die Lifte waren nicht mehr in Betrieb, der Schnee reichte noch bis zum Parkplatz runter, das Wetter war einfach perfekt und andere Tourengänger schienen auch nicht in grosser Zahl unterwegs zu sein. So startete ich um 7.45 Uhr zu meinem Vorhaben. Nach der klaren Nacht war die Schneedecke pickelhart gefroren, ideale Voraussetzungen also. Rasch hatte ich die 300hm über die menschenleere Piste erklommen und konnte ins einsame Ferwalltal abbiegen. Dort geht es über ein paar Kilometer mit nur wenig Höhengewinn flach dahin. Am besten hält man sich sicherlich exakt im Talboden, die alten Spuren der Vortage oben an der Flanke ignorierte ich - sparen tut man sich dabei vielleicht 20-40 Höhenmeter an Gegenaufstieg, also so gut wie nichts, und über Kilometer schräg am Hang entlang zu gehen ist unangenehm und sorgt höchstens für wunde Knöchel.

Tiefblick aus der Nordflanke des Granatenkogel ins Ferwalltal.
Langsam aber sicher kam der Granatenkogel mit seiner eindrücklichen Nordflanke im Talschluss zum Vorschein. Es ist eindeutig DER Gipfel, Wächter und König des Ferwalltals, hier "muss" man quasi rauf. Als ich gegen das alte Zollwärterhaus auf 2500m schritt wurde ich mir gewahr, dass vor mir noch 3 Tourengänger bereits weit oben auf dem Ferwallferner unterwegs waren. Bis auf eine Höhe von ~2800m war die Schneedecke nämlich gefroren und Spuren meiner drei Vorgänger waren so gut wie keine erkennbar. Höher oben war der Schnee noch von pulvrigem Charakter, hier konnte ich dann ideal von der in den Vortagen gelegten, griffigen Spur profitieren. So ging es immer steiler hinauf über den Ferwallferner gegen die markante Lücke (ca. 3070m) im NW-Grat, die obersten 100hm sind dabei im Schnitt 40 Grad steil - es ist also höchste Vorsicht in Bezug auf die Lawinengefahr vonnöten, wobei ich in dieser Hinsicht dank den guten Bedingungen völlig sorgenfrei unterwegs sein konnte.

Il turista on top...
Meine Vorgänger hatten die Ski schon auf dem letzten Stück zur Lücke an den Rucksack geschnallt, ich ging diesen Teil noch fellend. Wenig oberhalb am NW-Grat entschloss ich mich dann auch zur Portage. Auf Teufel komm raus hätte man wohl bis zum Gipfel mit den Ski an den Füssen gehen können, das wäre aber umständlich und vermutlich auch langsamer gewesen, war doch eine exzellente Fussspur mit soliden Tritten in festem Schnee vorhanden. So waren denn auch keine Hilfsmittel wie Steigeisen oder Pickel notwendig. Es sei aber gesagt, dass man stellenweise vom Grat in die 45 Grad steile SW-Flanke ausweichen muss. Liegt hier ungespurter Hartschnee, so kommt man ohne alpine Gerätschaften nicht durch. Noch vor 10.30 Uhr und damit nach rund 2:40 Stunden Aufstiegszeit erreichte ich zeitgleich mit meinen Vorgängern den Gipfel mit Steinmann und Kreuz. Somit hatte ich trotz monatelanger Skitouren-Abstinenz und fehlender Höhenakklimatisation eine vernünftige Pace einhalten können, noch dazu ohne dass ich mich übermässig verausgabt oder angestrengt hatte, sondern im Komfortmodus aufgestiegen war.

In der Abfahrt noch Platz für eine eigene Linie in "bestem Presspulver" gefunden, die Steilheit hier schwer einzuschätzen.
So konnte ich zufrieden mit der Welt die Gipfelrast geniessen. Der Blick Richtung Norden und Westen in die vielen 3000er der Ötztaler Alpen war frei. Hier war noch manches potenzielle Tourenziel zu erkennen, da muss ich auf jeden Fall eines Tages zurückkehren! Im Süden hingegen war ein Wolkenmeer, dessen Top zum Zeitpunkt meiner Gipfelankunft noch tiefer lag. Klar war jedoch, dass die Thermik inzwischen eingesetzt hatte und die Quellungen höher und höher steigen würden. So machte ich mich dann bereit und schritt um ca. 11.00 Uhr zur direkten Abfahrt über die Nordflanke. Diese ist über 300hm im Schnitt rund 40 Grad steil, die Schlüsselstellen erreichen wohl so 45 Grad, zudem bricht sie unten in direkter Falllinie auch in felsigem Gelände ab. Erstens sollte man hier also nicht runterpurzeln, was für mich dank dem pulvrigen Schnee jetzt keine besonders akute Gefahr darstellte. Zweitens müssen absolut sichere Lawinenverhältnisse herrschen. Es gab hier bereits mehrere tödliche Unfälle durch Absturz und Lawinen, also Vorsicht!

Situation bei Rückkehr zum Ausgangspunkt - bereits ist eine 1m-Lücke in der Schneedecke vorhanden.
Nachdem die Bedingungen einwandfrei waren und die Flanke schon über ein Dutzend Spuren zählte, konnte ich mich auf der sicheren Seite wähnen. Die Schneequalität in diesem oberen Teil war nicht optimal. Um im Jargon zu bleiben, müsste ich wohl von "perfektem Presspulver" schreiben. In Tat und Wahrheit war der Schnee wohl pulvrig, aber eben auch etwas decklig, jedoch mit entsprechend Kraft, Technik und regelmässigen Pausen auch vernünftig fahrbar. So traf ich dann auf rund 3000m wieder auf die Aufstiegsspur und gelangte bald darauf wieder in den Bereich der tragenden Schneedecke, wo nun schöne Sulzschneeverhältnisse herrschten. So konnte ich gemütlich ins Ferwall hinuntercruisen und auch im flachen Talboden war der Schnee noch nicht klebrig und erlaubte rasches Fortkommen. Zuletzt dann noch die Abfahrt im Pistenbereich, auch dieses Teilstück war lohnend, noch vor 11.30 Uhr war ich zurück beim Ausgangspunkt. Hier herrschte schon die Wärme, also rasch umziehen, zurück ins Feriendomizil, den Nachmittag mit der Familie geniessen und am Abend dann die Heimreise.

Dieses Bild gehört zu dieser Skitour dazu... es kommt wieder gut.
Facts

Granatenkogel (3318m) von der Talstation der Festkogelbahn in Obergurgl (1900m)
Ski-Schwierigkeit S, bzw. S4 oder 4.1, 40 Grad über 300hm, Fussaufstieg WS-
Material: Harscheisen; Steigeisen und Leichtpickel je nach Verhältnissen nötig

Kartenausschnitt mit Route von http://www.tirol.at/karte.

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