Pfingsten 2016, ein schwieriges Kapitel in Bezug aufs Klettern für mich. Sintflutartige Niederschläge mit über 100mm Regenmenge innerhalb von 48h hatten alle meine Projekte in der näheren Umgebung unter Wasser gesetzt und ein längerer Trip in trockenere Gefilde war dieses Mal leider nicht möglich. So galt es, alle Register zu ziehen um doch noch möglichst viel herauszuholen.
Not so bad after all... an Pfingsten scheint doch noch die Sonne, zumindest wenn man sich am Bielersee befindet. |
Zur Planung sehr hilfreich sind bzw. wären genaue Karten mit der totalen Niederschlagssumme. Leider kenne ich keine Website, welche eine richtig gute Kartendarstellung mit flächiger Übersicht der aggregierten Niederschlagsmengen für beliebiges Zeitintervall bereithält. Am nützlichsten empfinde ich einerseits die Karte von meteoradar.ch, welche aber immer nur maximal die letzten 24h abdeckt und leider kein Archiv bereithält. Bei kachelmannwetter.com gibt's eine nicht ganz so schöne Karte, dafür aber doch eine numerische, flächige Darstellung und vor allem ein Archiv, wo man die tägliche Regensumme mittels einfachem durchklicken gut untersuchen kann. Das Fazit meiner Analyse war, dass in ausser für mich nicht erreichbaren Gegenden wie z.B. dem Zentralwallis vor allem im Bieler Seeland im Vergleich zu vielerorts sonst nur relativ wenig Niederschlag gefallen war (ca. 50-60mm). So entstand der Plan, einmal die Felsen von Vingelz zu besuchen, auch nachdem diese als sehr schnell abtrocknend beschrieben werden. Surft man ein wenig im Netz, so kann man diese Wahl durchaus hinterfragen, erhält das Gebiet doch allenthalben schlechte Presse. Soviel vorweg, ich teile diesen Eindruck nicht, mir hat es gefallen.
Die Regensummenkarte von meteoradar.ch, allerdings erst nach Pfingsten. Ein Archiv hiervon gibt es leider nicht... |
Je weiter wir aus dem immer noch regnerischen und verhangenen Osten nach Westen fuhren, desto mehr öffnete sich der Himmel. Auf dem gebührenpflichtigen und teuren Parkplatz am Dorfrand von Vingelz (1 CHF pro Stunde, genügend Münzen bereithalten!) schien dann bereits die Sonne vom nahezu wolkenlosen Himmel und wir meisterten mit Vorfreude die 15 Minuten Zustieg auf bequemer, breiter Waldstrasse. Erst eine Seilschaft war vor Ort, als wir am Fels eintrafen - dies änderte sich nachher zwar noch etwas, allzu gross war der Andrang jedoch nie. So hatte man beinahe freie Wahl, an welchen Touren man sich versuchen mochte. Nur beinahe, weil eben auch hier an einigen Stellen noch etwas Feuchtigkeit aus dem Fels drückte. Bis und mit dem Grad 7a war dies kaum ein Problem, betroffen waren vor allem die schweren Routen, welche durch die eher raren, überhängenden Zonen der Wand führen. Wir wollten aber nicht verzagen, zuerst galt es sowieso das Aufwärmprogramm zu absolvieren und bis danach würde möglicherweise weitere Besserung eintreten. Das war dann auch der Fall, schlussendlich litt unser Vingelz-Trip nahezu gar nicht unter dem Grossregenereignis. Nachfolgend eine Beschreibung der Routen ab 7a, welche ich klettern konnte:
Am Fels in Vingelz. Weder hoch noch steil, aber trotzdem gut. |
Boo Cheddar, 7a: Kurze, technische und senkrechte Route, wo die Musik auf wenigen Metern spielt. Kleine Löcher, schlechte Tritte und von unten ist kaum einsehbar, welcher Griff nun als nächster angezielt werden soll.
Piepmatz, 7a: Ähnlicher Charakter wie Boo Cheddar und die Routen rundherum, wobei diese hier etwas athletischer und anhaltender daherkommt. Die Moves fand ich aber echt genial, Leisten, Löcher, Untergriffe und echte Bewegungsprobleme - sehr empfehlenswert! Fand ich im übrigen deutlich härter wie Boo Cheddar, ist aber in diesen Routen oft eine Frage der Morphologie.
Minipanza, 7c: Ein kurzer, überhängender Bauch rechts aussen im Sektor mit den Kinder- bzw. Anfängerrouten. Hier hielten wir uns natürlich sowieso auf, und so konnte mir meine Tochter das erste Mal ein paar Exen in mein Projekt hängen. Viererplatte zum Auftakt mit Zwischenstand, dann eben der Bauch mit einem Boulder am Seil. Hier konnte ich gleich passieren, trotz nur wenigen Spuren ist relativ offensichtlich, wie man es anpacken muss :-)
Grip, 7c+: Nach überhängendem Einstieg an Henkeln folgt in L1 (6b) eine Sequenz, wo auf sehr glatter Platte angetreten werden muss und der Challenge darin besteht, mittels Seitgriffen und ein paar Löchern/Leisten genügend Druck auf die Füsse zu bringen. Nach dem Zwischenstand ein Bauch, der mittels kleinem Bidoigt und der Schuppe auf Schulter mit weitem Zug zu Seitgriff überlistet wird, dabei schlecht, schwer und glatt anzutreten mit den Füssen. Das bleibt so, auch beim nächsten, weiten, dynamischen Zug zur guten Untergriffschuppe. Das war's schon beinahe, an ein paar Henkeln gelangt man zum Top. Also auch ein Boulder, aber was für ein cooler!
An der Feuerstelle wurde mächtig eingeheizt, schade hatten wir keine Wurst dabei. |
Facts
Der Klettergarten Vingelz hält rund 50 Routen von 4a-8b bereit, die Routenlänge beträgt meist 10-15m. Alle Touren sind gut bis sehr gut abgesichert, teils mit Klebehaken saniert, anderswo stecken noch ältere Zinkbolts, die aber in vernünftigem Zustand sind. Die Kletterei ist mehrheitlich senkrecht und spielt sich vielfach an kleinen, seichten Löchern ab. Das Gestein ist glatt, die Sache ist stehtechnisch anspruchsvoll. Abgegriffen oder nicht, das ist hier die Frage: glatt und reibungsarm war der Fels hier sicher von Beginn weg, daher hat sich wegen der Spuren kaum viel geändert, mich hat die teilweise vorhandene Patina nicht gestört. Aber vielleicht bietet sie eine gute Ausrede, wenn es mit den Begehungen sonst nicht so klappt ;-) Ich fand die Routen wirklich lohnend. Klar, kein Ausdauergelände an guten Griffen, sondern stets knifflig und bouldrig interessant, Fingerkraft an kleinen Griffen, Kreativität und Fusstechnik verhelfen zum Erfolg, typisch Jura halt. Der Klettergarten ist als sehr kinderfreundlich zu bezeichnen, das Gelände an den Einstiegen ist flach, der umgebende Wald ungefährlich und gut als Spielplatz zu nutzen. Eine Feuerstelle besteht ebenfalls bereits. Die Wand ist nach SSE ausgerichtet, mit einem Laubwald davor. An warmen Wintertagen mag es hier kletterbar sein, wobei man sich am Einstieg und in der ersten Routenhälfte meist im (Halb)schatten befindet. An warmen Sommertagen brennt die Sonne v.a. im oberen Wandteil sicherlich zu fest rein. Dann ist es ein taugliches Gebiet für abends, da die Wand ab Mitte Nachmittag am Schatten liegt. Ideal sind sicherlich die Übergangszeiten im Frühling und Herbst, zumal die Wand bloss auf 560m Höhe liegt.
Hallo Marcel, auch wenn wir um Welten nicht in deiner/eurer Kletterliga Griffe festhalten: uns hat Vingelz ebenfalls gefallen und die von uns gekletterten Routen zwischen 6b und 7a empfanden wir als lohnend!
AntwortenLöschenGrüsse aus dem Beo