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Donnerstag, 5. Januar 2017

Bös Fulen - Nordwand (AD+ M3 50°)

Eine Tour auf den höchsten Punkt von meinem Heimatkanton Schwyz hatte ich schon lange einmal vor. Andererseits liegt der Bös Fulen (2802m) auch etwas abseits zwischen Klöntal, Glarnerland und Muotathal. So schien es mir lange nicht möglich, ihn einfach so rasch einmal zu besuchen. Ein weiteres Stück im Puzzle zu dieser Tour liegt im sehr trockenen und schneearmen Vorwinter 2016, der ideale Bedingungen für Nordwand-Touren dieser Art geschaffen hatte. Mit bereits angekündigten Schneefällen neigte sich dieses Begehungsfenster dem Ende zu und wollte noch genutzt werden. Die einzige Option die mir noch blieb, war mit einem light & swift Nachmittagstüürli am Silvester. Das tönt vielleicht etwas verwegen, schauen wir doch mal, wie es ausgegangen ist.

Darum geht's, das ist der Bös Fulen (2802m) mit seiner Nordwand, vorwinterlich mit wenig Schnee überzuckert.
So ging es um 12.10 Uhr beim Fahrverbot im Hinteren Klöntal los. Die Bergschuhe waren geschnürt und nun galt es, keine Zeit mehr zu verlieren. So zügig wie es meine Sportkletterbeine eben zuliessen, ging es das Rossmatter Tal hinauf, nach einer guten Stunde war bereits der Drägglochstafel erreicht, wo ich an die Sonne trat und eine kurze Pause einlegte. Dieser Ort ist durchaus etwas spooky: abgelegen in einem einsamen Kessel, ohne Sicht- und Handyverbindung zur Aussenwelt, da könnte man doch direkt hinter der nächsten Kuppe einige bös gesinnte Orgs vermuten. Wenig erstaunlich, dass das Dräggloch in diversen Sagen und Büchern seine Rolle spielt. Der Ort scheint einfach unweigerlich Assoziationen zu Gespenstern und unheimlichen Vorgängen hervorzurufen, umso mehr wenn man mausbeinalleine dort ist.

Kurz vor dem Drägglochstafel, auf den kurzen Umweg über die Säule habe ich aus Zeitgründen schweren Herzens verzichtet.
Nun denn, weiter ging's Richtung Brunnalpeli. Ab hier war der Boden mit einigen Zentimetern Schnee und Oberflächenreif belegt. So konnte ich in diesem weglosen, unübersichtlichen Gelände meine Fährte legen, ein Bonus für den Rückweg. Unterhalb der Hütte bei P.1910 verliess ich den Talboden und stieg gegen den Schafbüchel P.2148 hinauf - teils im steilen Gras, teils auf griffigem Schnee. Oben war es Zeit, die Steigeisen anzulegen, schliesslich stand ich nun im Angesicht der Bös Fulen Nordwand und das Gelände war durchgehend verschneit. Inzwischen war eine weitere Stunde seit meinem Aufbruch vergangen, die Anzahl zurückgelegter Höhenmeter hatte sich halbiert - was aber vermutlich weniger an meiner Kondition, als am Weg und den Bedingungen liegt. Auf einer steilen Strasse mit Hartbelag steigt's sich irgendwie effizienter, als im weglosen, verschneiten Gelände.

The Dumper and Me am Drägglochstafel, welche Bergidylle! In Bildmitte der Pfannenstock, ein cooler (Skitouren-)Berg.
Doch meine Geschwindigkeit verringerte sich noch mehr. Die Schneefelder im Schatten der Wand waren nun leider nicht mehr hartgefroren und tragend, sondern von einer relativ mühsamen Schneebeschaffenheit. Einen Schritt schuhtief, einen Schritt tragend, dann wieder knietief einbrechend. Immerhin gab es bezüglich der Routenwahl keine Fragezeichen. Die Nordwandroute folgt einer naturgegebenen Diagonale durch die Wand und es gilt zuerst, ein nach links ziehendes Schneeband zu erreichen. Nach harter Arbeit war der Fuss der oben begrenzenden Felswand erreicht und ich konnte etwa 2.5 Stunden nach Aufbruch im Klöntal in die Wand einsteigen.

Hier habe ich die Steigeisen angezogen. War der Schnee bis zu diesem Punkt perfekt tragend und griffig, so waren die Verhältnisse ab dieser Stelle reichlich wechselhaft und ich brach öfteres mal bis zu den Knien ein. So war's noch ein zünftiges Stück Arbeit bis zum Wandfuss hinauf. Die Linie durch die Wand ist dem Kennerblick hier wohl offensichtlich!
With a pumping heartbeat, I reached the base of the rock face... Es gäbe in dieser Wand sicherlich noch das Potenzial für schwierige, direkte Linien - ernsthafte, steile und trockene Kletterei bei einer Felsqualität, welche sorgfältige Griffwahl erfordert. Umsonst heisst der Berg nicht Bös Fulen...
Das etwa 40 Grad steile Diagonalband ist vorerst noch unschwierig zu begehen, zuletzt geht's dann etwas steiler und bereits etwas exponierter links gegen einen ersten Turm hinauf. Man steigt rechts von diesem hinauf, hier waren einige Felsen zu erklettern. Sofort zeigte sich, dass das Gestein in dieser Wand ziemlich plattig und ungünstig geschichtet ist. Auch wenn das Gelände nicht sonderlich steil ist, so muss man hier doch absolut sicher auf den Steigeisen stehen, hat man doch bereits eine gehörige Exposition gewonnen - und auch Sicherungsmöglichkeiten, wenn man denn nicht alleine unterwegs wäre, sind wohl eher schwierig zu finden.

In der linken Bildhälfte der von der Sonne beschienene, erste Turm am Ende des Diagonalbands. Man steigt rechts von dessen Basis im Kraxelgelände hinauf. Die Schwierigkeiten sind dabei moderat (~M3), die Felsen jedoch ziemlich plattig und abschüssig.
Das ist der Tiefblick von derselben Stelle zurück. Bis dahin war das Gelände eigentlich ziemlich einfach, trotzdem pfeift's schon reichlich in die Tiefe. Die Exposition ist in dieser ungestuften Wand immer gegeben, Fehler mag es keine leiden.
Ich befand mich nun im grossen Trichter, den die Wand im zentralen Teil bildet. Hier gab es zum Glück wieder recht guten Trittschnee und ich konnte direkt hinaufsteigen. Anzuzielen gilt es dabei den rechtesten von drei Türmen, welche oberhalb in der Wand stehen. Ein Couloir, welches rechts an ihm vorbeiführt, vermittelt dabei den Durchschlupf nach weiter oben. Hier gilt es, drei felsige, nur wenige Meter hohe Stufen zu erkraxeln. Der Fels ist auch hier etwas abschüssig, aber ich konnte in diesen Schlüsselstellen von idealem Styroporschnee und teils sogar etwas Eis profitieren, wo sich die Eisgeräte tiptop verankern liessen.

Im grossen Trichter unterhalb der drei Türme, von welchen hier der zweite (links, sonnig) und der dritte (rechts im Schatten, mit spitzem Gipfelturm) zu sehen sind. Die Route führt rechts am dritten Turm vorbei, der Einstieg ins diagonal nach links oben verlaufende Couloir in der rechten Bildhälfte lässt sich gut erahnen.
In diesem Couloir rechts am dritten Turm vorbei. Die Perspektive täuscht hier stark, es ist in Realität doch ein ganzes Stück steiler, wie es auf diesem Foto den Anschein macht! Vor allem kann man auch die Exposition überhaupt nicht fühlen, denn wie bereits erwähnt, unterhalb geht's absatzlos 350hm in die Tiefe und ein Sturz wäre fatal.
Oberhalb vom Turm legt sich das Gelände wieder etwas zurück und leitet einen automatisch nach links. Man erreicht schliesslich eine Art Abbruchkante und folgt dieser Rippe aufwärts. Sie verliert sich schliesslich in der Wand, und um einigen steileren Felsen auszuweichen, quert man erneut etwas diagonal nach links hinauf. Der Grat war zwar schon sicht- und fühlbar nahe, aber es wartete noch eine ziemlich heikle Stelle. Die plattigen Felsen waren hier nur von griesigem Schnee bedeckt, welcher keinen zuverlässigen Halt bot, und das bei gehöriger Exposition. Bald aber waren diese 20 Höhenmeter geschafft und ich erreichte den langen Gipfelgrat etwa in dessen Mitte.

Zügigen Schrittes ging ich dem Gipfelkreuz entgegen, wo ich schliesslich um 16.00 Uhr und somit 3:45 Stunden nach Aufbruch im Klöntal anschlug. Die Sonne neigte sich schon stark dem Horizont entgegen. Ja, viel Tageslicht würde im Jahr 2016 nicht mehr bleiben. Somit beschränkte sich mein Aufenthalt auf dem Bös Fulen auf einen Eintrag im Gipfelbuch, dem Genuss der fantastischen Rundsicht und einem Snickers, den schliesslich stand mir ja noch ein ziemlich langer Rückweg ins Tal bevor. Als erstes ging's den Gipfelgrat zurück (WS, II). Einige durchaus luftige Kraxelstellen sind dabei zu meistern. Aus dem Gebiet von Braunwald kommende Spuren waren vorhanden und wiesen mir den Weg.

Geschafft! Super Stimmung und tolle Fernsicht auf dem Gipfel des Bös Fulen (2802m). Wie man sieht, neigt sich die Sonne schon bedenklich dem Horizont entgegen. Es gilt, ihre letzten Strahlen im 2016 noch richtig aufzusaugen!
So war es kein Problem, die Rampe aufzufinden, welche die SE-Wand diagonal durchquert. Sie vermittelt den einfachsten Abstieg und ist eigentlich problemlos zu begehen. Doch auch hier, ein Fehltritt mit einem Ausrutscher liegt nicht drin, sonst würde man ins Bösbächital hinunter stürzen. Bald nachdem die Exposition gebannt war, verliess ich die zum Bützi führende Spur. Für mich galt es nun, unter dem Grisset hindurch zu queren. Der Schnee war erneut ziemlich wechselhaft, einmal tragend, einmal durchbrechend, so dass es schwierig war, so richtig Tempo zu machen. Eine Stunde nach Aufbruch auf dem Gipfel überschritt ich schliesslich die Brunnalpelihöchi. Die Dämmerung begann hereinzubrechen, aber immerhin ging's nun nur noch (mehrheitlich) abwärts Richtung Klöntal.

Ich konnte vom letzten Tageslicht profitieren, um durch das unübersichtliche, coupierte Karstgelände zu navigieren. Gerade in dem Moment, wo es endgültig Zeit wurde, die Stirnlampe einzuschalten, hatte ich den Abzweigepunkt unterhalb vom Büchel und damit meine Fussspur wieder erreicht. Nun war's im Prinzip nur noch Fleissarbeit zurück zum Automobil. Mit langsam müden Knochen war diese dann um 19:15 Uhr erledigt (3:15 Stunden vom Gipfel, 7 Stunden Totalzeit). Tja, so weit, ca. 25km Distanz und 2000hm hinauf und hinunter war ich schon länger nicht mehr gelaufen. Aber ein super eindrücklicher Raid durchs vorwinterliche Gebirge war's gewesen, und zufrieden konnte ich die letzten Stunden des Jahres 2016 im Kreis der Familie geniessen.

Facts

Bös Fulen - Nordwand (AD+ M3 50°) - 500hm ab Wandfuss
Material: Steigeisen, 2 Eisgeräte, Sicherungsmaterial schwierig einzusetzen

Eindrückliche, aber wenig bekannte und selten begangene Route durch die am Zürcher Alpenpanorama sichtbare Wand, welche dennoch ziemlich abgelegen zwischen Glarnerland und Muotathal liegt. Sie ist im SAC-Führer Glarner Alpen nicht einmal beschrieben und die erste Begehung verbleibt unbekannt. Die Bös Fulen Nordwand ist sicherlich viel angenehmer zu begehen, wenn Schnee liegt. Ideal im Herbst, nachdem es in der Höhe bereits etwas, aber noch nicht allzu viel gegeben hat, oder dann im Spätfrühling und Vorsommer bei Altschnee. Im aperen Zustand dürfte die Wand eher geröllig, steinschlägig und heikel sein. Ebenso zu beachten ist die Gefahr von Lawinen und Schneerutschen, welche in diesem Steilgelände sofort fatal sein können. Die Schwierigkeiten sind zwar nicht allzu hoch, meist handelt es sich um 45-50 Grad steiles Schneegelände mit einigen Kraxelstellen. Die Felsen dort sind eher plattig und ungünstig geschichtet, sicheres Steigeisengehen ist unerlässlich. Nach Sicherungsmöglichkeiten habe ich bei meiner Solobegehung naturgemäss nicht ganz so genau geschaut, üppig sind sie aber mit Sicherheit nicht. Wenn, dann lässt sich wohl am ehesten mit kleinen Klemmgeräten oder Schlaghaken etwas ausrichten.

Routenbeschreibung

Aus dem Klöntal, vom Pragelpass, von Braunwald oder der Glattalp über die Brunnalpelihöchi oder aus dem Muotathal über das Chratzerenfurggeli zu diesem Punkt unterhalb der Hütten von Büchel, alle diese Zugänge sind ziemlich weit. Von dort weglos hinauf zum Schafbüchel P.2148 und weiter unter die Wand auf 2300m. Die Route folgt einer naturgegebenen Diagonal durch die Wand und ist einfach zu finden. Man wählt das markante, nach links ziehende Band am Fuss der steilen Felsen und folgt diesem, bis man an dessen Ende rechts von einem ersten Turm in einen grossen Trichter aufsteigt. In diesem hinauf zu den 3 in der Wand stehenden Türmen. Rechts am rechtesten dieser Türme durch ein von unten wenig ersichtliches Couloir hinauf. Oberhalb leitet einen das Gelände nach links zu einer Abbruchkante bzw. Rippe. Dort empor, wo es schwierig wird man erneut etwas nach links geführt und erreicht schliesslich den Gipfelgrat ungefähr in seiner Mitte. In wenigen Minuten nach rechts (SW) zum höchsten Punkt.

Bös Fulen Nordwand mit dem Routenverlauf

2 Kommentare:

  1. Hallo Marcel
    Es ist immer wieder interessant bei Dir reinzuschauen. Ich finde es toll das Du Dich nicht nur auf die bekannten Routen einschiesst sondern auch immer wieder unbekanntere Routen angehst und publizierst. Das Du dabei praktisch die ganze Breite des Alpinsports abdeckst macht es noch spannender!

    Die Vorbereitung für die Heckmaier ist wohl in vollem Gang ;o) ...die steht bei mir auch noch auf der Liste...

    Freue mich auf noch viele interessante Berichte von Dir.

    Wünsche Dir weiterhin viele spannende, erfüllende und unfallfreie Touren
    Gruss René

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    1. Hallo René,

      Vielen Dank!

      Ja die Heckmair... die würde ich schon sehr gerne klettern und wäre auch so in ziemlich jeder Hinsicht bereit dazu. Nur sollte ich an einem Tag mit guten Verhältnissen einmal Zeit und vor allem (!!!) einen Seilpartner haben.

      Alles Gute und auch dir weiterhin viel Erfolg!

      Marcel

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