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Sonntag, 16. Februar 2025

Skitour Hinter Gassenstock (2541m)

Nochmals top Wetter und sichere Lawinenverhältnisse, damit nach der Tour ins Lachenstock-Couli am Vortag erneut die Gelegenheit für aussergewöhnliches Skifahren. Aus organisatorischen Gründen und weil die Schneedecke am Alpennordhang am solidesten aufgebaut ist, will ich nicht in die Ferne schweifen und entscheide mich für "z'Chlüntl". An sich rasch zugänglich, beim Touren kommt man aber doch zügig in einsam-abgelegenes Gebiet und Abenteuer ist garantiert. Sei es auf alpinen Klettertouren wie dem Ruchenpfeiler, Nordwand-Action am Bös Fulen, (sehr) alpinem Sportklettern wie im Köbis Wäg oder eben Skitouren wie der hier beschriebenen.

Unterwegs im Rossmattertal, kurz vor Chäseren. Mein Gipfelziel ist in der rechten Bildhälfte, sichtbar jedoch nur die Felsbastionen vom Vorder Gassenstock im Vordergrund und dem Bös Fulen im Hintergrund. Der wenig prominente Hinter Gassenstock befindet sich zwischen diesen beiden.

Die Schneekarte vom SLF war bezüglich einem Start von ganz unten eher pessimistisch und sowieso, wer nicht das Automobil-Fahrverbot missachten will, muss zuerst 20 Minuten der flachen Strasse entlang tschalpen. Somit war der Fall klar, das Schneetaxi kommt mit. Es zeigte sich als vortreffliche Entscheidung: zwar gab es ab dem offiziellen Ausgangspunkt gefrorenes H2O als Unterlage, aber das Bike machte die Sache doch einfacher. Zuerst flach über die zu einer Blankeisbahn gefrorene Strasse zu den letzten Häusern. Und dann liessen sich dank der dünnen und harten Schneedecke auch noch die ersten 200hm den Chlüstaldenstutz hinauf auf zwei Rädern meistern. Mir ging es dabei noch nicht einmal in erster Linie um den eingesparten Effort, aber die steile und enge Strasse ist für die Abfahrt unattraktiv, zudem hätte man wegen Schneemangel 2-3x abschnallen müssen und einige weitere Abschnitte wegen knapp eingeschneiten Steinen runtertreten müssen.

Effizienter Tourenstart bis zum Chlüstalden.

Um ca. 12.30 Uhr startete ich mit den Fellen und lief zügig über die bestens eingeschneite Strasse ins Tal hinein zur Chäseren. Der Vorteil von diesem späten Aufbruch war ganz klar, dass ich im nach Süden ausgerichteten Tal die Sonne geniessen konnte, während man morgens alles im Schatten geht. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ab der Chäseren nicht über Wärben zu gehen, sondern die in der Linkskurve nach den Häusern startende Abkürzung durch den Wald zu wählen. Eine bereits vorhandene Spur liess mich dann nicht zögern, es zu tun. Man spart sich da wirklich etwas an Weg, sofern die raue Waldschneise genügend eingeschneit ist, dünkt mich diese Variante vorteilhaft. An der Jägerhütte vorbei ging's zu den Alpgebäuden von Zeinenstafel, wo sich manifestierte, dass in den Kessel der Zeinenmatt hinauf ebenfalls schon gespurt war. Vor- und Nachteil zugleich, da keine offizielle Route in diese wilde Gegend hinaufführt, hatte ich eher mit noch jungfräulichen Verhältnissen gerechnet (wie am Vortag).

Schon fast im schattig-abgelegenen Kessel der Zeinenmatt. Die Felsmauer in der rechten Bildhälfte gehört dem Bösbächistock. Meine Skitour führt etwas rechts ausserhalb des Bildausschnitts auf einem System von Rampen durch diese Wand hindurch.

Als Detailziele im Kessel der Zeinenmatt hatte ich verschiedene Optionen parat. Als ich mir dann aber gewahr wurde, dass der Hinter Gassenstock bereits gemacht wurde, da war der Fall für mich klar. Der an sich unbedeutende Gipfel im Nordgrat des Bös Fulen kann nur über ein System von Rampen erreicht werden, welche durch eine von Laien durchaus als "senkrechte Felswand" zu bezeichnende Struktur führen. Über 600hm beträgt die Steilheit zwischen 35-40 Grad mit zwei Schlüsselstellen, welche die 45 Grad erreichen oder sogar überschreiten. Diese Parameter machen es deutlich, das ist eine Tour für ausgewählte Momente und ein solcher war mir zum Glück gegeben. Inzwischen habe ich auch herausgefunden, wer da drei Tage vor mir unterwegs war. Die Spur war mir schliesslich nur wenig hilfreich, da grösstenteils wieder zugeweht und meist nur noch knapp erkennbar. Immerhin, um die letzten Zweifel zu vertreiben, es an diesem Tag dort hinauf wagen zu wollen, war sie ein Schlüsselelement.

Das Bild wurde zwar nach der Abfahrt aufgenommen, passt aber chronologisch trotzdem hierher. Ab diesem Punkt in der Zeinenmatt nimmt die Steilheit massiv zu. Die hier knapp sichtbare Abfahrtsspur befindet sich im (unten beschriebenen) "150hm-Hang, mit welchem man sich an die Felswand heranpirscht, bevor es über eine enge Rampe nach rechts geht". Hinweis: auf dem Foto sieht alles ein rechtes Stück flacher aus, als es tatsächlich ist.

Jedenfalls, über 150 schon zunehmend steiler werdende Höhenmeter pirscht man sich an die Felswand heran, bevor es über eine enge Rampe nach rechts geht. Viele Spitzkehren waren in diesem Couloir nötig, im steilsten Abschnitt ob der harten Unterlage mit rutschigem Presspulver drauf sogar eine Portage. Es ist da eben nicht nur so steil, dass es eine lange Schlitterpartie würde, sondern es hat auch noch eingelagerte Felsen über die man purzeln würde und sogar ein Absturz über die begrenzende Felswand scheint nicht komplett ausgeschlossen. Kurzum, Fehler sind da keine erlaubt, weder in Aufstieg noch Abfahrt. Auf 2100m legt sich das Gelände wieder etwas zurück und wird breiter, man wird über 100hm an den steilsten Abschnitt herangeführt: 45-50 Grad, etwas felsdurchsetzt, auch da war nochmals ein Bootpack nötig. Nach gut 50hm kann man wieder durchschnaufen, man erreicht ein wieder flacheres, als Schneeruus bezeichnetes Feld. 

Auf dem sich etwas zurücklegenden, breiteren Gelände bevor es in den steilsten Abschnitt geht. Die gegen 50 Grad steile, felsdurchsetzte Partie in Bildmitte gilt es zu bezwingen. Im Aufstieg war das nur mit Portage möglich, die Abfahrt ging gut mit Ski. Man sei sich bewusst: das Foto bringt die Steilheit und Exponiertheit vom Gelände ganz und gar nicht rüber.

Sodann hat man die Wahl, ob man als Gipfelziel links den gut und etwas schneller erreichbaren P.2506 im Rüchigrat anpeilen möchte oder dem Hinter Gassenstock den Vorzug gibt. Echte Alpinisten mit grosszügigem Zeitbudget hatten vom ersten Skiziel übrigens die Möglichkeit mit einer 1km langen Gratkletterei den exklusiven Bösbächistock (2659m) zu erreichen. Ich hingegen blieb bei meinem Objective vom Hinter Gassenstock. Von der Schneeruus muss ein erneut gegen 40 Grad steiler Hang zur NE-Wand des Bös Fulen hin bewältigt werden, bevor es auf 2470m über eine Rampe nach rechts hinaus geht. 

Auch ein Foto von der Abfahrt mit meiner Spur drin. Sichtbar hier der vorletzte Steilaufschwung, die 'Schneeruus', welche steil zur NE-Wand des Bös Fulen hinaufführt. Zum Gipfel des Hinter Gassenstock heisst es dann vor der Felswand auf einem Schneeband nach rechts abzubiegen (auf dem Foto gut zu erahnen). Dort ist das Gelände nicht ganz so steil, dafür befindet man sich exponiert über der Felswand am rechten Bildrand.

Man erreicht so einen flachen Gratabschnitt (ca. 2545m), welcher höher als der kotierte Gipfel des Hinter Gassenstock liegt und einen durchaus logischen Endpunkt für den Skitourengänger darstellt. Kurz nach meiner Ankunft begrüsste mich ein Adler, der im leichten NW-Wind soarend unmittelbar vor meiner Nase vorbeizog. Bei seiner zweiten Passage, wo er dann schon etwas höher war, hatte ich das Handy dann griffbereit. Auf der ganzen Strecke hatte ich keine Menschenseele angetroffen. Obwohl es im Prinzip nur eine Halbtagestour ist, fühlt man sich in der Zeinenmatt doch ziemlich isoliert und weitab der Zivilisation (es gibt ausser am Gipfel auch keinen Handyempfang!). Und dann kommt der König der Lüfte vorbei um Hallo zu sagen - was für ein grandioses Erlebnis!

Für den Alpinisten scheint es vom flachen Gratabschnitt nicht unmöglich, den Gipfel des Bös Fulen via die Kubli-Route erreichen zu können. Das wäre aber ein grössere Unternehmung. Der kotierte Gipfel P.2541 vom Hinter Gassenstock liegt deutlich näher, ist aber auch nicht trivial: es wartet nochmals ein kurzer Abstieg, und dann ein sehr steiler Schlusshang, natürlich auch noch kammnah. Käme dort etwas ins Rutschen, dann wäre dies wohl das Expressticket ins Tal (Absturz über die darunter liegende Felswand). Alternativ kann man mit einigen kurzen Abweichungen rechtsherum dem linken Grat entlang steigen, welcher aus brüchig-losen Felsen besteht und ebenfalls sehr exponiert ist. Choose wisely, kann man da nur sagen - es ist eine Unternehmung für Leute, welche sich in solchem Gelände sicher zu bewegen wissen. 

Panorama in Richtung Nordwesten vom flachen Gratabschnitt zwischen dem Bös Fulen und dem kotierten Gipfel P.2541 des Hinter Gassenstock. Bei diesem handelt es sich um die felsige Wand im rechten Bildviertel. Zuletzt wartet nochmals ein sehr steiler Hang, oder man folgt dem teilweise exponierten Grat linkerhand, mit einigen Umgehungen rechtsherum.

Jedenfalls, einige Minuten vor 16.00 Uhr hatte ich meinen Aufstieg vollendet. Auch wenn die Uhr schon vorgerückt war, so war mir ein rascher Rückweg gewiss und ich konnte die Atmosphäre an diesem Ort noch für eine gute Weile aufsaugen und geniessen. Dann aber hiess es zurück zum Skidepot, mit Wechsel von den Steigeisen zurück auf die Bretter. Bald war alles Material festgezurrt und die Ski konnten talwärts gerichtet werden.

Sicht vom Top auf den Glärnisch in der linken Bildhälfte mit dem Ruchen und dem Bächistock. In der Bildmitte befindet sich die Zeinenfurggel, rechts davon der kecke Bösbächistock am zur Position des Fotografen ziehenden Rüchigrat. Der aus der Schneeruus relativ einfach erreichbare P.2506 liegt noch knapp in der Sonne.

Die Abfahrt war dann gut, es ging alles mit den Ski an den Füssen (auch die Steilstufen) und der Schnee war prima fahrbar. "Bester Presspulver", so sagt man das im Jargon - sprich kompakte Unterlage mit weicher Auflage, etwas vom Wind bearbeitet und leicht wechselhaft. Aber natürlich, die 50cm Fluffy Powder hatte ich auch nicht erwartet, bzw. bei solchen Verhältnissen möchte man sich auch lieber nicht in diesem Steilgelände bewegen. Wohlverstanden, es ist keine Extremabfahrt, in den steilsten Stellen gilt es aber doch, konzentriert Schwung an Schwung zu setzen. Schliesslich war ich zurück in der Zeinenmatt, die Hänge zur Chäseren waren genussreich (kompakte Unterlage mit aufbauend umgewandelter Auflage) und unverfahrenes Gelände war vorhanden. Danach ging's im Schuss hinunter zum Bike, bequem mit einem coolen Downhill den steilen Stutz hinunter und vorsichtig über die Eisbahn retour zum Parkplatz (17.00 Uhr). Ein kurzer Ausflug in die Wildnis, ein grandioses Abenteuer - wie cool, dass so etwas möglich ist!

Donnerstag, 5. Januar 2017

Bös Fulen - Nordwand (AD+ M3 50°)

Eine Tour auf den höchsten Punkt von meinem Heimatkanton Schwyz hatte ich schon lange einmal vor. Andererseits liegt der Bös Fulen (2802m) auch etwas abseits zwischen Klöntal, Glarnerland und Muotathal. So schien es mir lange nicht möglich, ihn einfach so rasch einmal zu besuchen. Ein weiteres Stück im Puzzle zu dieser Tour liegt im sehr trockenen und schneearmen Vorwinter 2016, der ideale Bedingungen für Nordwand-Touren dieser Art geschaffen hatte. Mit bereits angekündigten Schneefällen neigte sich dieses Begehungsfenster dem Ende zu und wollte noch genutzt werden. Die einzige Option die mir noch blieb, war mit einem light & swift Nachmittagstüürli am Silvester. Das tönt vielleicht etwas verwegen, schauen wir doch mal, wie es ausgegangen ist.

Darum geht's, das ist der Bös Fulen (2802m) mit seiner Nordwand, vorwinterlich mit wenig Schnee überzuckert.
So ging es um 12.10 Uhr beim Fahrverbot im Hinteren Klöntal los. Die Bergschuhe waren geschnürt und nun galt es, keine Zeit mehr zu verlieren. So zügig wie es meine Sportkletterbeine eben zuliessen, ging es das Rossmatter Tal hinauf, nach einer guten Stunde war bereits der Drägglochstafel erreicht, wo ich an die Sonne trat und eine kurze Pause einlegte. Dieser Ort ist durchaus etwas spooky: abgelegen in einem einsamen Kessel, ohne Sicht- und Handyverbindung zur Aussenwelt, da könnte man doch direkt hinter der nächsten Kuppe einige bös gesinnte Orgs vermuten. Wenig erstaunlich, dass das Dräggloch in diversen Sagen und Büchern seine Rolle spielt. Der Ort scheint einfach unweigerlich Assoziationen zu Gespenstern und unheimlichen Vorgängen hervorzurufen, umso mehr wenn man mausbeinalleine dort ist.

Kurz vor dem Drägglochstafel, auf den kurzen Umweg über die Säule habe ich aus Zeitgründen schweren Herzens verzichtet.
Nun denn, weiter ging's Richtung Brunnalpeli. Ab hier war der Boden mit einigen Zentimetern Schnee und Oberflächenreif belegt. So konnte ich in diesem weglosen, unübersichtlichen Gelände meine Fährte legen, ein Bonus für den Rückweg. Unterhalb der Hütte bei P.1910 verliess ich den Talboden und stieg gegen den Schafbüchel P.2148 hinauf - teils im steilen Gras, teils auf griffigem Schnee. Oben war es Zeit, die Steigeisen anzulegen, schliesslich stand ich nun im Angesicht der Bös Fulen Nordwand und das Gelände war durchgehend verschneit. Inzwischen war eine weitere Stunde seit meinem Aufbruch vergangen, die Anzahl zurückgelegter Höhenmeter hatte sich halbiert - was aber vermutlich weniger an meiner Kondition, als am Weg und den Bedingungen liegt. Auf einer steilen Strasse mit Hartbelag steigt's sich irgendwie effizienter, als im weglosen, verschneiten Gelände.

The Dumper and Me am Drägglochstafel, welche Bergidylle! In Bildmitte der Pfannenstock, ein cooler (Skitouren-)Berg.
Doch meine Geschwindigkeit verringerte sich noch mehr. Die Schneefelder im Schatten der Wand waren nun leider nicht mehr hartgefroren und tragend, sondern von einer relativ mühsamen Schneebeschaffenheit. Einen Schritt schuhtief, einen Schritt tragend, dann wieder knietief einbrechend. Immerhin gab es bezüglich der Routenwahl keine Fragezeichen. Die Nordwandroute folgt einer naturgegebenen Diagonale durch die Wand und es gilt zuerst, ein nach links ziehendes Schneeband zu erreichen. Nach harter Arbeit war der Fuss der oben begrenzenden Felswand erreicht und ich konnte etwa 2.5 Stunden nach Aufbruch im Klöntal in die Wand einsteigen.

Hier habe ich die Steigeisen angezogen. War der Schnee bis zu diesem Punkt perfekt tragend und griffig, so waren die Verhältnisse ab dieser Stelle reichlich wechselhaft und ich brach öfteres mal bis zu den Knien ein. So war's noch ein zünftiges Stück Arbeit bis zum Wandfuss hinauf. Die Linie durch die Wand ist dem Kennerblick hier wohl offensichtlich!
With a pumping heartbeat, I reached the base of the rock face... Es gäbe in dieser Wand sicherlich noch das Potenzial für schwierige, direkte Linien - ernsthafte, steile und trockene Kletterei bei einer Felsqualität, welche sorgfältige Griffwahl erfordert. Umsonst heisst der Berg nicht Bös Fulen...
Das etwa 40 Grad steile Diagonalband ist vorerst noch unschwierig zu begehen, zuletzt geht's dann etwas steiler und bereits etwas exponierter links gegen einen ersten Turm hinauf. Man steigt rechts von diesem hinauf, hier waren einige Felsen zu erklettern. Sofort zeigte sich, dass das Gestein in dieser Wand ziemlich plattig und ungünstig geschichtet ist. Auch wenn das Gelände nicht sonderlich steil ist, so muss man hier doch absolut sicher auf den Steigeisen stehen, hat man doch bereits eine gehörige Exposition gewonnen - und auch Sicherungsmöglichkeiten, wenn man denn nicht alleine unterwegs wäre, sind wohl eher schwierig zu finden.

In der linken Bildhälfte der von der Sonne beschienene, erste Turm am Ende des Diagonalbands. Man steigt rechts von dessen Basis im Kraxelgelände hinauf. Die Schwierigkeiten sind dabei moderat (~M3), die Felsen jedoch ziemlich plattig und abschüssig.
Das ist der Tiefblick von derselben Stelle zurück. Bis dahin war das Gelände eigentlich ziemlich einfach, trotzdem pfeift's schon reichlich in die Tiefe. Die Exposition ist in dieser ungestuften Wand immer gegeben, Fehler mag es keine leiden.
Ich befand mich nun im grossen Trichter, den die Wand im zentralen Teil bildet. Hier gab es zum Glück wieder recht guten Trittschnee und ich konnte direkt hinaufsteigen. Anzuzielen gilt es dabei den rechtesten von drei Türmen, welche oberhalb in der Wand stehen. Ein Couloir, welches rechts an ihm vorbeiführt, vermittelt dabei den Durchschlupf nach weiter oben. Hier gilt es, drei felsige, nur wenige Meter hohe Stufen zu erkraxeln. Der Fels ist auch hier etwas abschüssig, aber ich konnte in diesen Schlüsselstellen von idealem Styroporschnee und teils sogar etwas Eis profitieren, wo sich die Eisgeräte tiptop verankern liessen.

Im grossen Trichter unterhalb der drei Türme, von welchen hier der zweite (links, sonnig) und der dritte (rechts im Schatten, mit spitzem Gipfelturm) zu sehen sind. Die Route führt rechts am dritten Turm vorbei, der Einstieg ins diagonal nach links oben verlaufende Couloir in der rechten Bildhälfte lässt sich gut erahnen.
In diesem Couloir rechts am dritten Turm vorbei. Die Perspektive täuscht hier stark, es ist in Realität doch ein ganzes Stück steiler, wie es auf diesem Foto den Anschein macht! Vor allem kann man auch die Exposition überhaupt nicht fühlen, denn wie bereits erwähnt, unterhalb geht's absatzlos 350hm in die Tiefe und ein Sturz wäre fatal.
Oberhalb vom Turm legt sich das Gelände wieder etwas zurück und leitet einen automatisch nach links. Man erreicht schliesslich eine Art Abbruchkante und folgt dieser Rippe aufwärts. Sie verliert sich schliesslich in der Wand, und um einigen steileren Felsen auszuweichen, quert man erneut etwas diagonal nach links hinauf. Der Grat war zwar schon sicht- und fühlbar nahe, aber es wartete noch eine ziemlich heikle Stelle. Die plattigen Felsen waren hier nur von griesigem Schnee bedeckt, welcher keinen zuverlässigen Halt bot, und das bei gehöriger Exposition. Bald aber waren diese 20 Höhenmeter geschafft und ich erreichte den langen Gipfelgrat etwa in dessen Mitte.

Zügigen Schrittes ging ich dem Gipfelkreuz entgegen, wo ich schliesslich um 16.00 Uhr und somit 3:45 Stunden nach Aufbruch im Klöntal anschlug. Die Sonne neigte sich schon stark dem Horizont entgegen. Ja, viel Tageslicht würde im Jahr 2016 nicht mehr bleiben. Somit beschränkte sich mein Aufenthalt auf dem Bös Fulen auf einen Eintrag im Gipfelbuch, dem Genuss der fantastischen Rundsicht und einem Snickers, den schliesslich stand mir ja noch ein ziemlich langer Rückweg ins Tal bevor. Als erstes ging's den Gipfelgrat zurück (WS, II). Einige durchaus luftige Kraxelstellen sind dabei zu meistern. Aus dem Gebiet von Braunwald kommende Spuren waren vorhanden und wiesen mir den Weg.

Geschafft! Super Stimmung und tolle Fernsicht auf dem Gipfel des Bös Fulen (2802m). Wie man sieht, neigt sich die Sonne schon bedenklich dem Horizont entgegen. Es gilt, ihre letzten Strahlen im 2016 noch richtig aufzusaugen!
So war es kein Problem, die Rampe aufzufinden, welche die SE-Wand diagonal durchquert. Sie vermittelt den einfachsten Abstieg und ist eigentlich problemlos zu begehen. Doch auch hier, ein Fehltritt mit einem Ausrutscher liegt nicht drin, sonst würde man ins Bösbächital hinunter stürzen. Bald nachdem die Exposition gebannt war, verliess ich die zum Bützi führende Spur. Für mich galt es nun, unter dem Grisset hindurch zu queren. Der Schnee war erneut ziemlich wechselhaft, einmal tragend, einmal durchbrechend, so dass es schwierig war, so richtig Tempo zu machen. Eine Stunde nach Aufbruch auf dem Gipfel überschritt ich schliesslich die Brunnalpelihöchi. Die Dämmerung begann hereinzubrechen, aber immerhin ging's nun nur noch (mehrheitlich) abwärts Richtung Klöntal.

Ich konnte vom letzten Tageslicht profitieren, um durch das unübersichtliche, coupierte Karstgelände zu navigieren. Gerade in dem Moment, wo es endgültig Zeit wurde, die Stirnlampe einzuschalten, hatte ich den Abzweigepunkt unterhalb vom Büchel und damit meine Fussspur wieder erreicht. Nun war's im Prinzip nur noch Fleissarbeit zurück zum Automobil. Mit langsam müden Knochen war diese dann um 19:15 Uhr erledigt (3:15 Stunden vom Gipfel, 7 Stunden Totalzeit). Tja, so weit, ca. 25km Distanz und 2000hm hinauf und hinunter war ich schon länger nicht mehr gelaufen. Aber ein super eindrücklicher Raid durchs vorwinterliche Gebirge war's gewesen, und zufrieden konnte ich die letzten Stunden des Jahres 2016 im Kreis der Familie geniessen.

Facts

Bös Fulen - Nordwand (AD+ M3 50°) - 500hm ab Wandfuss
Material: Steigeisen, 2 Eisgeräte, Sicherungsmaterial schwierig einzusetzen

Eindrückliche, aber wenig bekannte und selten begangene Route durch die am Zürcher Alpenpanorama sichtbare Wand, welche dennoch ziemlich abgelegen zwischen Glarnerland und Muotathal liegt. Sie ist im SAC-Führer Glarner Alpen nicht einmal beschrieben und die erste Begehung verbleibt unbekannt. Die Bös Fulen Nordwand ist sicherlich viel angenehmer zu begehen, wenn Schnee liegt. Ideal im Herbst, nachdem es in der Höhe bereits etwas, aber noch nicht allzu viel gegeben hat, oder dann im Spätfrühling und Vorsommer bei Altschnee. Im aperen Zustand dürfte die Wand eher geröllig, steinschlägig und heikel sein. Ebenso zu beachten ist die Gefahr von Lawinen und Schneerutschen, welche in diesem Steilgelände sofort fatal sein können. Die Schwierigkeiten sind zwar nicht allzu hoch, meist handelt es sich um 45-50 Grad steiles Schneegelände mit einigen Kraxelstellen. Die Felsen dort sind eher plattig und ungünstig geschichtet, sicheres Steigeisengehen ist unerlässlich. Nach Sicherungsmöglichkeiten habe ich bei meiner Solobegehung naturgemäss nicht ganz so genau geschaut, üppig sind sie aber mit Sicherheit nicht. Wenn, dann lässt sich wohl am ehesten mit kleinen Klemmgeräten oder Schlaghaken etwas ausrichten.

Routenbeschreibung

Aus dem Klöntal, vom Pragelpass, von Braunwald oder der Glattalp über die Brunnalpelihöchi oder aus dem Muotathal über das Chratzerenfurggeli zu diesem Punkt unterhalb der Hütten von Büchel, alle diese Zugänge sind ziemlich weit. Von dort weglos hinauf zum Schafbüchel P.2148 und weiter unter die Wand auf 2300m. Die Route folgt einer naturgegebenen Diagonal durch die Wand und ist einfach zu finden. Man wählt das markante, nach links ziehende Band am Fuss der steilen Felsen und folgt diesem, bis man an dessen Ende rechts von einem ersten Turm in einen grossen Trichter aufsteigt. In diesem hinauf zu den 3 in der Wand stehenden Türmen. Rechts am rechtesten dieser Türme durch ein von unten wenig ersichtliches Couloir hinauf. Oberhalb leitet einen das Gelände nach links zu einer Abbruchkante bzw. Rippe. Dort empor, wo es schwierig wird man erneut etwas nach links geführt und erreicht schliesslich den Gipfelgrat ungefähr in seiner Mitte. In wenigen Minuten nach rechts (SW) zum höchsten Punkt.

Bös Fulen Nordwand mit dem Routenverlauf