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Donnerstag, 31. August 2017

Titlis Südwand - Gelbe Sau (6c)

An der Titlis Südwand wollte ich schon seit langer Zeit einmal klettern, denn schliesslich sehen alle Routen vielversprechend und attraktiv aus. Das grösste Hindernis besteht in der abgelegenen Lage und dem dadurch weiten Zustieg. Diese Wahrnehmung wird durch den Umstand verstärkt, dass man eigentlich denselben Ausgangspunkt wie für die Wendenstöcke benutzt. Und diese locken natürlich mit kürzerem Zustieg und noch bekannteren Routen. Doch nachdem das Set der mir noch unbekannten, aber gleichzeitig machbaren Wendenrouten aber mehr und mehr schrumpft, wollten wir für einmal den Trip zum Titlis machen. Ursprünglich wollten wir dabei die Route Cirrus (12 SL, 7a) angehen, daraus geworden ist aber schliesslich die für ihren Anspruch und die harten Bewertungen berüchtigte Gelbe Sau (12 SL, 6c).

Blick auf die Titlis Südwand mit dem Verlauf der Gelben Sau sowie dem Einstieg von Cirrus.
Für den Zustieg kommen eigentlich gleich 4 Varianten in Frage: 1) wäre der Zustieg von Engelberg Herrenrüti (P.1152) via das Grassenbiwak (P.2650), was bis zum Einstieg mit total 1550hm Aufstieg zu Buche schlägt, dazu kommen auf dem Rückweg nochmals gute 100hm Gegenanstieg. Der Vorteil von diesem Weg ist seine relative Unkompliziertheit, ebenfalls ist er (bis zum Biwak) markiert. 2) wäre der Anstieg von Chli Sustli (P.1907) an der Sustenpassstrasse via Stössensattel (P.2782). Das macht brutto rund 900hm Aufstieg, allerdings kommen auf dem Rückweg nochmals 300hm Gegenaufstieg dazu, darüber hinaus war uns der aktuelle Zustand von diesem hochalpinen Übergang nicht bekannt. Variante 3) ist, mit der Bahn auf den Klein Titlis zu fahren und via den nicht mehr unterhaltenen Klettersteig durch die Titlis Südwand abzusteigen, was bloss rund eine Stunde dauern soll. Negativpunkte sind hier die ziemlich teure Bahn, die Unklarheit, wie gut auffindbar, wie problemlos und wie schnell der Abstieg ist, der späte Betriebsbeginn um 8.30 Uhr sowie der lange Rückweg zum Auto via Grassenbiwak. Somit schien uns Variante 4), nämlich ein Start auf der Wendenalp (P.1606), die beste Alternative. Damit wird die Tour nämlich auch zu dem, was sie unzweifelhaft ist, nämlich einem weiteren Wenden-Abenteuer. Nun denn, im Groben war der Entscheid für einen Start auf der Wendenalp gefallen, im Detail war allerdings noch weitere Routenplanung nötig. Einen offiziellen oder gar markierten Weg zum Einstieg bzw. dem Grassenbiwak gibt es nämlich nicht und es ist jedem Einzelnen überlassen, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Wir schwankten etwas zwischen der Variante mitten im Tal, über die glatt aussehenden Gletscherschliffplatten hinweg zum Wendengletscher. Oder dann, dem Weg zum Reissend Nollen bis unters Biwak, und von dort die Hänge querend zum Fuss der Titlis Südwand. Letztere Variante ist (sehr rudimentär und nicht korrekt eingezeichnet) auf der Webseite vom Grassenbiwak beschrieben, so dass wir ihr schliesslich im Aufstieg den Vorzug gaben. Hinweis: dieser Weg ist möglich, aber m.E. nicht ideal. Besser und schneller für Auf- und Abstieg ist tatsächlich die Variante mitten im Tal und über die Gletscherschliffplatten, welche wir später für den Abstieg wählten.

Unser Aufstieg (orange) zur Titlis Südwand. Dieser benützt den Zustieg zum Reissend Nollen bis unter das Biwak, dann die Hänge querend und schliesslich oberhalb der markanten, gelben und bereits von der Wendenalp sichtbaren Felsen zum Fuss der Titlis Südwand. Besser für Auf- und Abstieg ist jedoch der Weg mitten im Tal (rot), den wir später im Abstieg gewählt haben. Obwohl auch weglos, ist das Terrain gut begehbar. Die Gletscherschliffplatten erfordern zwar etwas Kletterei, bieten aber keine grossen Schwierigkeiten.
Somit brachen wir also guten Mutes und mit vollem Energietank um etwa 7.15 Uhr vom üblichen Wenden-Parkplatz auf. Zügigen Schrittes ging's auf bestens bekanntem Pfad bis unters Biwak am Vorbau des Reissend Nollen (bis hier ca. 0:45h). Hier hiess es nun, einen neuen Weg zu beschreiten. Bei Wyssi Balm quert man auf ca. 2050m die Firnfelder unter dem Reissend Nollen, um dann immer etwas ansteigend über Geröllhänge weiter hinaufzusteigen bis zu Schwarzi Naad (ca. 2270m). Hier endet die untere Abseilstelle, welche man auf der beliebten Titlis-(Ski-)Rundtour zu bewältigen hat. Man etabliert sich nun oberhalb der bereits von der Wendenalp sichtbaren, markanten gelben Felsen. Bzw., es ist am besten, wenn man sich so hoch wie möglich, d.h. auf einem Band am Fuss der schwarzen Hauptwand hält. Das Band an sich ist recht gut begehbar (ca. T5), jedoch schuttig, "läbig" und exponiert. Schliesslich erreicht man auf etwa 2400m die westlichen Ausläufer der Titlis Südwand und schliesslich den Einstieg der interessant aussehenden Route Freitag (20 SL, 6c+). Bis dahin brauchten wir rund 1:45h.

Time for a Break. Von Sens hatte ich ein paar Energieriegel erhalten. Nichts besonders? Doch, denn diese benützen Insekten (Cricket Flour) als Proteinquelle. Das ist eine gute Sache, weil man diese viel nachhaltiger und ressourcenschonender produzieren kann als Proteine anderer tierischer Herkunft. Geschmacklich merkt man rein gar nichts davon, dass Insekten die Grundlage bilden. Mir haben die Riegel sehr gut geschmeckt. Sie sind etwas trocken und unspektakulär, was mir viel mehr zusagt als die klebrige Süsse und der künstliche Geschmack von Konkurrenzprodukten. Wer will, findet nähere Infos auf der Website, dort lässt sich zur Zeit auch ein Sample Pack mit 4 Riegeln für 2.49 CHF bestellen - ich kann einen Versuch wärmstens empfehlen!
Wir spielten mit dem Gedanken, bereits hier einzusteigen, entschieden uns dann aber doch, dem ursprünglichen Ziel im Hauptsektor der Titlis Südwand zuzustreben. Dabei versuchten wir zuerst, dem Wandfuss weiter zu folgen. Es folgte unerquickliches Auf und Ab in losen Geröll, bis wir uns irgendwann bewusst wurden, dass wir trotz allem 150hm über mühsames Geröll vernichten mussten, um auf den Wendengletscher abzusteigen. Unglaublich übrigens, was in dieser Zone an Müll und Bauschutt herumliegt, welcher vom Klein Titlis achtlos hinuntergeworfen wurde. Hinzu kommen dann noch die ganzen Munitionsreste, welche die Armee jahrzehntelang auf den Wendengletscher geballert, aber nie eingesammelt hat. Der Gletscher präsentierte sich aper, flach und völlig problemlos, so dass wir nach etwa 2:30h im Becken unterhalb der Wand standen. Nun galt es noch, den Einstieg aufzufinden, was sich jedoch als gar nicht so einfach entpuppte. Wir hatten zwar mehrere Wandfotos und Topos zur Verfügung. Die Schwierigkeit bestand jedoch darin, dass diese teils widersprüchliche Infos bereithielten und vor Jahren, d.h. bei deutlich höherem Gletscherstand aufgenommen wurden. So war es dann gar nicht einfach, die entsprechenden Features einander zuzuordnen. Hinzu kam, dass durch den enormen Gletscherrückgang im letzten Jahrzehnt die ersten Haken jeweils auf 20-30m Höhe "off the deck" stecken und von unten kaum erkennbar sind.

Auf dem Wendengletscher liegt eine unglaubliche Menge an Müll herum. Einerseits vom Titlis heruntergeworfene Ware, andererseits hat die Armee jahrzehntelang dort raufgeballert, aber nie aufgeräumt. Diese Granate dürfte sogar noch scharf und gefährlich sein. Wurde an die Blindgängermeldezentrale weitergeleitet, ohne Antwort bisher.
Nach einigen Irrungen und Wirrungen konnten wir die ersten Haken von Cirrus und der Gelben Sau aber ohne grössere Zweifel identifizieren. Bei der Cirrus präsentierte sich die Lage so, dass einerseits die gähnende Randkluft zu breit für eine Überquerung war. Noch dazu wäre das Anklettern des ersten, auf ~25m Höhe steckenden BH nicht realistisch gewesen. Es wartet dort plattige Kletterei in vom Gletscher glatt geschliffenem Fels. De visu ist das nicht unter 6b zu haben und die Möglichkeiten für mobile Absicherung scheinen schlecht bis gar nicht vorhanden. Hier brauchten wir also gar nicht erst zu probieren. Bei der Gelben Sau sah die Lage vorteilhafter aus. Die Randkluft war auch hier offen, aber mit einem grossen Spreizschritt gerade noch zu überwinden. Vor allem wartete aber hinauf zum ersten Haken ein Riss mit relativ moderaten Schwierigkeiten (ca. 5b), wo auch die Möglichkeit zur mobilen Absicherung gegeben schien. Somit starteten wir um ca. 10.30 Uhr schliesslich in die Gelbe Sau, mit der Option weiter oben allenfalls in die Cirrus zu wechseln.

Eine etwas andere Perspektive auf die Titlis Südwand. Wenden-Climbing at its best!
L1, 30m, 5b: Am schwierigsten sind gleich die ersten Meter im gelben Fels nach dem Spreizschritt über die Randkluft bis zum Beginn des markanten Risses. Immerhin liess sich auch da ein zuverlässiger Cam legen, der Riss an sich führt dann problemlos zum Stand. Blickt man vom derzeitigen Einstieg nach unten, so scheint sich die Lage bei noch tieferem Gletscherstand zuzuspitzen - der Fels unterhalb sieht steil bzw. überhängend und wenig strukturiert aus...

Auftakt in den markanten, gelben Felsen. Das schwierigste ist bereits überwunden, nachher geht's dem Riss links entlang.

Der Blick von oben auf L1 (5b). Die Randkluft breit und bodenlos gähnend tief!
L2, 40m, 5c+: Steile Kletterei in griffigem Fels, der ähnlich wie jener am Vorbau des Reissend Nollen ist. Klettert sich viel besser, wie es auf den ersten Blick aussieht. Am Anfang überraschend eng eingebohrt, gegen oben hin weitere Abstände und ein schwer sichtbare SU-Schlinge.

Steile Kletterei in L2 (5c+). Vor 30 Jahren reichte der Gletscher noch bis hier hinauf (rund 60m höher als heute!).
L3, 50m, 5c+: Nach rechts und dann die steilplattige Wand hinauf, die Kletterei entpuppt sich als überraschend knifflig, weil alles ein bisschen abschüssig ist. Man kommt wieder nach links auf eine flachere Zone zurück und wo geht's weiter? Gerade hinauf übers Dach hinweg (BH nicht sichtbar).

Da haben wir wieder einmal die Luis-Trenker-Pose! Auftakt zur überraschend kniffligen L3 (5c+).
L4, 50m, 5c: Grösstenteils einfache Kletterei, am Schluss sogar Gehgelände. In der Mitte wartet hingegen ein kurzer, überhängender Wulst, wo 2-3 kräftige Züge notwendig sind. Hier könnte man nun wohl in brüchig-schuttigem Gelände nach links hinauf zur Cirrus wechseln. Nach reiflicher Überlegung verwarfen wir indessen diese Möglichkeit und wollten die bereits lieb gewordene Gelbe Sau bis zum Ende klettern - mir ist einfach am liebsten, MSL-Routen von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Meter zu beklettern.

Am Wulst von L4 (5c), oben wartet die riesige Plattenwand im typischen Wenden-Style.
L5, 30m, 2a: Einfaches Überführungsstück an den oberen und wesentlichen Wandteil. Da sieht man gleich, was es geschlagen hat! Kompakte Steilplattenkletterei à la Rätikon - Erinnerungen an die grandiose, aber auch anspruchsvolle Achtibahn im Rätikon, ein Werk derselben Erstbegeher kommen (völlig zurecht) sofort auf.

L6, 40m, 6c: Nach ein paar gemässigten Metern geht's los. Mit feinem Antreten und guter Linienwahl kommt man über die ersten 2 BH an der Hauptwand noch gut hinweg. Dann ein Runout zum alten Kronenbohrhaken, der zudem noch verflixt schwierig zu klippen ist. Die Crux dann griffarm direkt über den Haken hinweg nach links. Danach wird's wieder ein bisschen leichter (~6b), aber es muss noch 2x weit über die Haken gestiegen werden bis zum Stand.

Super Plattenkletterei in L6 (6c). Die Haken stecken weiter auseinander, wie es auf dem Foto den Anschein machen mag. Zudem ist's in allen Seillängen so, dass diese nach dem Stand noch relativ eng stecken, gegen oben werden die Abstände dann immer weiter (absolut sinnvoll so, natürlich).

Rückblick auf L6 (6c), anspruchsvoll bis zum Schluss.
L7, 45m, 6a+: Auf dem Topo steht, dass in dieser Länge ein Friend 4 unverzichtbar sei. Solch grosse Cams hatten wir jedoch nicht dabei, da für die eigentlich geplante Cirrus nicht notwendig und freiwillig trägt man diese Teile auch nicht 3 Stunden herum. Das machte schon etwas Bauchweh... vom Stand weg geht's erst relativ leicht und top gesichert hinauf. Die Klimax dann gegen das Ende hin. Bohrhaken, schon etwas feinere Linksquerung und über einen Wulst hinauf zu einem Riss. Der ist tatsächlich breit, ganz an seinem unteren Ende liegt aber der Camalot 2 (der grösste, den wir dabei haben) zuverlässig. Der Move über den Wulst (ca. 4m über dem letzten BH) ist die Crux, ohne mobile Sicherung ginge das nicht. Die letzten Meter (nochmals mobile Sicherung und BH) dann wieder zugänglicher zum Stand.

Jonas steht mit den Füssen gerade an jener Stelle, wo in L7 (6a+) zwingend ein Cam in den Riss gelegt werden muss.
L8, 40m, 6b: Der Beginn bietet heftige Reibungskletterei an der Haftgrenze - 6b ist da die unterste Grenze der halbwegs nachvollziehbaren Bewertungsspanne. Hier aber tiptop eingebohrt. Nach links hinauf wird dann die Kletterei etwas einfacher, dafür auch die Abstände grösser. Der vorletzte Klipp ist ziemlich ätzend, der BH steckt unangenehm hoch.

Das Finish von L8 (6b) an grandiosen Wasserrillen bei perfekter Felsqualität.
L9, 45m, 6a: Endlich wieder einmal eine Länge, wo man sich etwas entspannen kann! Über weite Strecken sogar eher noch einfacher wie 6a, jedoch sehr schöne Kletterei. Im ersten Teil gut abgesichert, im zweiten Teil wie eigentlich immer weite Abstände. Die Crux an einem kleinen Wulst mit darauf folgendem Runout, welcher gut mit Cams in den tief eingeschnittenen Wasserrillen entschärft werden kann.

Tief eingeschnittene Wasserrillen am Ende von L9 (6a). Bis hierhin wurde die Route bereits 1988 in unglaublich kühner Manier erstbegangen. Es steckten damals auf den unteren Seillängen noch weniger als die Hälfte der heutigen Bolts. Und die Route klettert sich selbst im nachgerüsteten Zustand Anno 2017 immer noch kühn.
L10, 45m, 6c: Die ersten Meter ganz auf den Pfeilerkopf hinauf gibt's noch geschenkt. Dann ein schwieriger Schritt an die Hauptwand, wohl auch noch ziemlich grössenabhängig. Schliesslich folgt Premier Cru Wandkletterei an Chickenheads, total genial. Die Crux eine Wandstelle in der Mitte mit kräftigem Blockierer. Leider ist danach der Weiterweg schwer ersichtlich (BH aus der Kletterstellung nicht sichtbar, man könnte bei ähnlich scheinenden Schwierigkeiten so ziemlich in jede Richtung weiter). 5-7m klettert man im oberen Teil im anhaltenden 6b-Gelände zwischen den Bolts - aber es geht. In meinem Hinterkopf aber stets der Gedanke, was passiert, wenn ein solcher fucking Chickenhead abbricht. Dementsprechend katzenartig leicht versuche ich zu moven - sturzfrei zum Glück!

Er lässt es hier wie Plaisirkletterei aussehen, aber L10 (6c) an Chickenheads ist eine harte Nuss!
L11, 45m, 6b+: Ein Killerviech von einer Seillänge - anhaltend schwierig und anspruchsvoll, steile Wandkletterei vorwiegend an Chickenheads und den schwarzen, kohleartigen Einschlüssen, welche man von der Reissend Nollen Hauptwand kennt. In der Mitte eine kurze Sequenz mal leicht brüchig, sonst aber top Fels. Tja, und 8 BH auf 45m sind halt nicht die Menge. Insbesondere die letzten 4 sind alle heikel und sehr zwingend anzuklettern. Oft geht's bis kurz vor dem Klipp gerade noch so. Dann steht man mit pochendem Herz 3m über der letzten Sicherung und der Bolt grinst 50cm höher und zwei heikle Züge weiter hinab. Da hatte ich echt den Eindruck, dass ich im Vorstieg alle BH einen halben Meter tiefer gesetzt hätte. Doch irgendwie kämpfe ich mich durch - nach meinem Empfinden die insgesamt anspruchsvollste und vermutlich auch schwierigste Länge. Aber vielleicht war ich auch schon etwas müde.

Richtig taffe, aber geniale Kletterei an Chickenheads in L11 (6b+).
L12, 25m, 6a: Die letzte Länge ist auch nicht zu unterschätzen und bietet nochmals ähnliche Kletterei wie die beiden zuvor. Allerdings ist der Fels hier etwas mehr strukturiert und nicht ganz so steil, dass man mit einer harten 6a durchkommt. Der Stand dann gemeinsam mit der Cirrus eher links zu suchen (nicht auf den äusserst brüchigen Pfeilerkopf aussteigen!).

Am Top gibt's nicht viel zu sehen oder zu fotografieren - also muss ein Selfie herhalten. 
Wie eigentlich immer bei den Wendenrouten endet das Vergnügen abrupt auf einem vagen Pfeilergipfel beim Übergang von erstklassigem Topfels zu einem Gschirrlade. Die Uhr war bereits auf 16.45 Uhr vorgerückt, somit hatte uns die anspruchsvolle Kletterei doch 6:15 Stunden beschäftigt. Da noch ein langer Rückweg auf uns wartete, wollten wir uns nicht weiter aufhalten und fädelten die Seile umgehend in den Abseilring. Ausser der kurzen L5 kann kein Stand übersprungen werden, so dass 10 Manöver nötig sind und wir etwa 50 Minuten für den Weg in die Tiefe brauchen. Meist geht's ob der steilen und ungestuften Wand rassig mit Seil abziehen, nur die einfachere, etwas geröllige Zone von L4/L5 braucht etwas Aufmerksamkeit. Es folgte der Biss ins Sandwich, bevor wir uns bald auf den Heimweg machen. Dieses Mal wählen wir den Weg durch die Talmitte, wobei die Gletscherschliffplatten von oben kommend ziemlich unübersichtlich sind. Wir erwischen die Passage aber tiptop. Bereits nach einer guten Stunde sind wir am Ende der Strasse bei P.1593 und denken uns, wären wir doch auch von hier aufgestiegen. Es wartet noch eine Viertelstunde auf der Strasse, bevor wir talwärts rollen und wieder einmal unserer Wenden-Stammkneipe einen Besuch abstatten und auf ein weiteres, fantastisches Abenteuer anstossen können.

Der Wendengletscher ist absolut harmlos. Er war problemlos ohne Steigeisen und Pickel sowie in Halbschuhen zu begehen. Dies dürfte im Hochsommer wohl immer der Fall sein. Wir hatten in Unkenntnis der Begebenheiten Steigeisen, Pickel und schwere Schuhe dabei. Das nächste Mal werde ich jedoch darauf verzichten.
Facts

Titlis Südwand - Gelbe Sau 6c (6c obl.) - 12 SL, 480m - Winkler/Schoch/Stalder 1988-2006 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, Camalots 0.3-2 plus allenfalls 3, Keile nicht nötig

Sehr schöne Route mit Wendencharakter, welche den eher weiten Zustieg mit toller Kletterei und prima Ambiente auf jeden Fall lohnt. Die ersten 3 Seillängen bieten moderat schwierige Kletterei ähnlich wie am Vorbau des Reissend Nollen. Nach einem etwas gerölligen Intermezzo folgen 4 super Seillängen auf Platten mit seichten Wasserrillen. Zum Abschluss gibt's dann noch 3 steile Seillängen an fantastischen Chickenheads bis zum Top. Die Absicherung darf man als gut bezeichnen, auch wenn einem nichts geschenkt wird. Die Abstände nach dem Stand sind meist kurz gehalten, während sie gegen oben in der Seillänge immer weiter und zwingender werden. Die rostfreien Bolts sind jedoch solide und sinnvoll platziert, wenn sie auch teilweise hoch stecken und sehr ehrlich anzuklettern sind. Insgesamt würde ich die Bewertung xxx an der untersten Grenze vergeben, mit Zusatz psychisch anspruchsvoll, zwingend aber kaum gefährlich. Da und dort kann/muss noch ein Klemmgerät platziert werden, L7 wäre ohne einen Camalot der Grösse 2 (oder mehr) heikel. Die Bewertungen sind global gesehen sicherlich hart, jedoch im Wendenkontext jetzt auch nicht unrealistisch und "over the moon" - an den Wenden ist es einfach Standard, dass 6c bereits vollen Einsatz erfordert und auch 6a+ ist nie geschenkt. Im Vergleich zu 'moderner' bewerteten Routen kommt man der Sache aber wohl näher, wenn man überall noch einen Letter Grade (z.B. 6a -> 6b) hinzufügt. Der Zustieg über den Gletscher darf als harmlos bezeichnet werden und braucht normalerweise keine alpine Ausrüstung - hingegen kann die Randkluft problematisch sein. Ein Problem stellt insbesondere auch der Beginn der Route dar. Der erste Haken steckt derzeit auf rund 25m Höhe, die Strecke dorthin ist mobil gut absicherbar. Dies könnte sich in den nächsten Jahren zuspitzen, d.h. nach weiterem Abschmelzen warten unterhalb vermutlich schwierigere und nicht mobil absicherbare Klettermeter. Ich habe den Erstbegeher Kurt Winkler auf diese Problematik angesprochen. Er schrieb mir, dass er "es nicht nur erlaubt, dass hier Bolts platziert werden, sondern es sogar ausdrücklich begrüsst, wenn dies getan wird". Nochmals im Klartext: es darf also jedermann die Route durch Setzen von BH "nach unten verlängern" - bitte hinterlasst doch hier oder sonst an einschlägiger Stelle einen Kommentar, wenn dies erledigt wurde, damit man über den genauen Zustand im Klaren ist. Das Originaltopo gibt's hier auf filidor.ch, nähere Infos gibt's im Kletterführer Zentralschweizer Voralpen Südwest (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich) oder im Engelberg Outdoor Guide. Viel Spass!

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