Ja was, macht der jetzt etwa nur noch Plaisirrouten? So sieht's aus... Der zweite Teil unserer Sommerferien führte uns ins Haut Val Durance. Hier scheint bekanntlich fast immer die Sonne und es gibt eine unglaubliche Auswahl von Klettereien. Von alpinen Touren zu höchstklassigen MSL-Perlen über lässige Plaisirtouren bis zu einer sehr grossen Auswahl an Klettergärten in allen Gesteinsarten, Expositionen und Schwierigkeiten. Während wir uns familienbedingt vorwiegend dem Sportklettern widmeten, reichte es auch noch für eine Plaisirroute in Ailefroide.
So passierten wir auf der Anfahrt wieder einmal die Tete d'Aval und meine wehmütigen Blicke wanderten hinauf. Zu gerne wäre ich endlich einmal in die Ranxerox (18 SL, 7a) eingestiegen, welche dem Vernehmen nach zu den 100 besten MSL-Touren der Alpen gehört. Aus beinahe jeder Position im Haut Val Durance kann man die stolze Linie erkennen, aber es sollte auch dieses Mal noch nicht sein. Doch die Gelegenheit wird kommen, so viel ist sicher. Sind hingegen MSL-Routen im Plaisirbereich angesagt, so ist Ailefroide die Destination der Wahl. Erwähnt sei allerdings, dass unter dem 6a-Bereich nur eher wenig zu holen ist. Ein weiteres Hindernis stellte während unserem Aufenthalt die doch relativ sonnige Exposition der Wände dar - auf den schwarzen Granitplatten war es im Hochsommer bei direkter Einstrahlung schlicht und einfach viel zu heiss zum genüsslichen Klettern.
Der kürzeste (nicht unbedingt schnellste) Zustieg führt über den Bach, die Tyrolienne auf dem Foto knapp erkennbar. |
Daher wollte ich mit meiner Tochter nach einem gemütlichen Bade-Vormittag in den Sektor Poire, wo die logische Wahl eine der beliebtesten Touren des ganzen Tals überhaupt war, nämlich die Écrins Total (5c+). Der Rest der Familie wollte sich indessen dem Bouldern widmen, wofür es in Ailefroide auch sehr gute Möglichkeiten gibt. Die Route ist nach ESE exponiert, d.h. am Vormittag sonnig, am frühen Nachmittag gibt's noch etwas Streiflicht und Mitte Nachmittag kommt dann (endlich!) der Schatten. Als Zustieg wählten wir nicht den üblichen Weg im Aufstiegssinn links vom Bach - hier müsste man vom Hauptplatz in Ailefroide etwa 1km und rund 20 Minuten ins Tal hineinwandern. Sondern wir fuhren automobil rechts des Bachs auf der Strasse nach Pré, um dann via Tyrolienne zum Einstieg zu gelangen. Zeitlich bringt das sicherlich herzlich wenig, die Ersparnis an Fussmarsch ist auch kaum der Rede wert - rein vom Erlebnis her war es aber (gerade für die Kinder) schon toll, am Seil den reissenden (und zu Fuss absolut unpassierbaren) Bergbach zu überqueren.
Und so sieht's aus, wenn man dran hängt. Ein tolles Erlebnis, das für Abwechslung sorgt! |
Erwähnt sei an dieser Stelle auch noch, dass sich der Sektor allgemein und insbesondere deren zugänglichste Linie der Écrins Total einer sehr hohen Beliebtheit erfreut. In den Sommerferien wird man hier kaum auf freie Bahn treffen - es sei denn, man trete bereits frühmorgens oder erst spätabends an. Noch dazu tummelt sich hier erwartungsgemäss nicht unbedingt die geballte alpinistische Kompetenz und es sind doch allerhand unkonventionelle und ineffiziente Manöver zu betrachten. So kam es dann auch, dass ich mit meiner Tochter tatsächlich schon im kurzen Zustieg eine irre langsame Seilschaft überholen und distanzieren konnte, auf der Route passierten wir 2 weitere Seilschaften, welche sich (auf einer Plaisirroute, wo's keinen Hakenabstand >4m gibt!) ins Nirvana verkoffert hatten und beim Abseilen gab's auf der einem Ameisenhaufen gleichenden Poire ein ähnliches Bild.
Blick ins Tal von Ailefroide. Eine schöne, alpine Gegend, im Sommer jedoch sehr stark frequentiert. |
Um die Situation zu entschärfen, wurden mit Absicht 4 Abseilpisten eingerichtet, doch natürlich wird zu 99% nur jene benutzt, welcher unmittelbar neben der Route verläuft. So konnten wir auf dem Heimweg über eine der anderen Pisten mit freier Bahn gleich nochmals mehrere Partien einpacken und hätten wir uns für die übliche Variante hinten angestellt, ich glaube wir wären heute noch am Berg. Aber ich will das alles gar nicht werten. Es ist einfach ein Fakt, dass es in diesem Sektor sehr viele Leute hat und ich mir Andrang, Staus und Wartezeiten auf MSL-Touren nicht gewohnt bin. Erwähnt sei auch noch, dass in der Ecrins Total die Standplätze nicht verbunden sind (mit Absicht, damit die Leute diese nicht zum Abseilen nutzen können) und teils nur Laschen mit Platz für 1 Karabiner aufweisen. Dies sorgt bei dem grossen Andrang mit mehreren Partien an demselben Standplatz oft auch für heikle (Wechsel-)Manöver.
L1, 5b, 30m: Ziemlich flacher, plattiger Auftakt ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Am Schluss eine Linksquerung und griffig auf einen Aufschwung hinauf, dies ist die Crux.
Unterwegs im plattigen, ersten Teil von L1 (5b). Zustiegspfand und Tyrolienne (links oben) sind auch sichtbar. |
L2, 4b, 30m: Ein plattiger Auftakt, für den Grad gar nicht mal so einfach, danach eher etwas rechts halten. Bevor man nach rechts in die Schlucht hält, gibt's einen Standplatz (besser diesen nutzen). Oder alternativ die 15m-Querung in die Schlucht gleich noch zurücklegen und sich am unbequem hoch an der Schluchtwand gelegenen Stand einrichten.
Die Querung in die Schlucht am Ende von L2 (4b) mit Ausblick ins Tal. An den Wänden hinten wird auch geklettert. |
L3, 5c+, 20m: Die ersten Meter steil, griffig und ein bisschen schräg geschichtet aus der Schlucht hinauf. Dann folgt ein Quergang nach rechts mit einer ziemlich schwierigen, stark grössenabhängigen Reibungsstelle. Die Passage ist jedoch so gut abgesichert, dass sie für unsichere Vor- und Nachsteiger absolut problemlos ist.
L4, 5c, 30m: Sehr schöne Seillänge mit steiler, griffiger und homogener Wandkletterei in schon beinahe luftiger Position. Neben der letzten Seillänge die beste der ganzen Route.
Der Blick hinunter auf die sehr schöne L4 (5c). |
L5, 5a, 20m: Knapp links der runden Plattenkante geht's an einem Riss rampenartig hinauf. Wirkt ein bisschen gesucht, auf der Kante drauf wäre es wohl einfacher?!?
Der Ausstieg aus L5 (5a). |
L6, 4c, 30m: Geneigte Reibungskletterei, zu Beginn ohne Schwierigkeiten, dafür mit einem kurzen, ausgewaschenen Teilstücke, das ein bisschen an eine Badewanne erinnert (Mini-Kopie der Septumania). Am Schluss dann noch ein paar anspruchsvollere Moves nach links hinaus zum Stand unter dem letzten Aufschwung.
L7, 5b+, 40m: Mit ein paar gutgriffigen Moves ist der Aufschwung etwas linksherum rasch gemeistert. Es folgt sehr schöne Kletterei an rissigen Strukturen entlang der runden Plattenkante bis zum "Gipfel".
Jupii, die ganze Route souverän geschafft. Kurz vor dem Ende von L7 (5b+). |
Wir waren um 15.00 Uhr in die Route eingestiegen und waren (mit ein wenig Wartezeit) um 17.00 Uhr am Top. Alles war glatt und problemlos verlaufen, die Schwierigkeiten sind bestimmt nicht höher wie angegeben und selbst meine Tochter konnte alles easy klettern. Zum Abseilen wählten wir wie bereits erwähnt eine der freien, westlichen Pisten und waren nach 4 Manövern und einer knappen halben Stunde wieder am Boden, von wo es via Tyrolienne retour zur Strasse ging. Natürlich musste dann der Rest der Familie die Tyrolienne auch noch ausprobieren und so verbrachten wir eine weitere Stunde damit, ausgiebig den Bach zu überqueren. Nun sind wir parat für Patagonien oder wo auch immer, jedenfalls wird uns keine Passage eines reissenden Bergbachs mehr vor Probleme stellen ;-).
Der grösste Eispickel der Welt - vor der Mairie in Argentière, unmittelbar neben dem Carrefour. |
Ailefroide - Écrins Total 5c+ (5a obl.) - 7 SL, 200m - Elichabe/Codans/Vincens 1997 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, mobiles Sicherungsmaterial nicht nötig & kaum einsetzbar
Bestens mit verzinkten Bohrhaken (Stand Sommer 2017: guter Zustand) abgesicherte Plaisirroute, welche einen interessanten Mix an Platten und steileren, meist sehr griffigen Passagen bereithält. Also eine der einfachsten Routen dieser Länge im Tal erfreut sie sich sehr grosser Beliebtheit, so dass man während der Hauptsaison und zu normalen Tageszeiten kaum je alleine sein wird. Einen Beschrieb zur Route findet man auf C2C, dort werden auch 3 Kletterführer aufgelistet, wo man ein Topo finden kann. Während diese hierzulande eher schwierig erhältlich sind, so kann man sie im Shop am Hauptplatz in Ailefroide erwerben (während der Saison täglich durchgehend geöffnet). Weiter sind in den Topguide-Führern viele Touren um Ailefroide beschrieben und während die Écrins Total fehlt, so ist die Nachbartour Bonne Poire beschrieben - da die Einstiege zudem angeschrieben sind, findet man sich damit problemlos zurecht.
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