Ja, das "beste Sportklettergebiet der Welt" in Ceüse hatte ich in meinem bisherigen Kletterleben stets links liegen lassen. Gar nicht so erstaunlich eigentlich, denn früher, in noch kinderlosen Zeiten schien mir der Besuch eines Klettergartens, wo man nur bei gutem Bergwetter hin kann, wenig attraktiv - bei solchen Bedingungen ging man mindestens auf MSL oder unternahm alpine Touren. Dann, mit kleinen Kindern war vor allem der Zustieg von 500hm ein Handicap. Doch nun, während unserer Ferien im Haut Val Durance, schien mir ein Tagestrip dahin lohnenswert... Wobei, die letztere Aussage ist klares Understatement! Ich war von der Kletterei absolut begeistert und kann all die Superlative teilen, die man allenthalben hört. Ich würde mich jetzt zur Aussage hinreissen lassen, der Fels sei "fast so gut wie an den Wendenstöcken" - kein Bruch, kein Grünzeug, sondern einfach kompakte Wand mit tollen Farben und genau der richtigen Menge an Struktur. Die Kletterei an den oft sloprigen Löchern, wo man von oben die Tritte nicht mehr sieht, hat mich im Charakter tatsächlich sehr an die Wendenstöcke erinnert. Auch in Bezug auf die Absicherung ist's ähnlich fordernd - unten stecken die Bolts wohl eng, aber obenraus muss der nächste Sicherungspunkt oft ehrlich angeklettert werden und es gilt, im plattigen Gelände kühlen Kopf zu bewahren.
Aufbruch zu neuen Ufern. Der fantastische Felsriegel markiert den Horizont. |
Die 4 Routen, welche ich im Sektor "Un pont sur l'infini" onsighten konnte, boten alle mehr oder weniger senkrechte Wandkletterei mit hohem fusstechnischem Anspruch. Das war mir durchaus recht so, schliesslich waren Bizeps und Unterarme von den Klettertagen zuvor schon reichlich angezählt. Und tatsächlich verspüre ich nun im Nachhinein einen Muskelkater in den Waden - das hatte ich schon lange nicht mehr und in Ceüse auch nicht wirklich damit gerechnet. Erwähnt sei aber auch, dass es in Ceüse ein bisschen von allem gibt - stark überhängendes Jug Pulling ebenso wie heikle Platten. Da ich 4 populäre 7a's ausgewählt hatte, war ich auch nicht weiter erstaunt darüber, dass die entscheidenden Löcher und Tritte bereits ordentlich poliert waren. Nun gut, mich stört das üblicherweise nicht weiter und das Gestein ist nach wie vor sehr schön zu beklettern. Aber es ist ein Fakt, dass bereits reichliche Gebrauchsspuren sichtbar sind. Die als hart verschrienen Bewertungen konnte ich nicht wirklich nachvollziehen, mir schien das absolut in der Norm zu sein - aber vielleicht hatte ich einfach die gängigen Routen ausgewählt.
Die Aussicht in die fantastisch schöne Gegend ist top! |
Zuletzt noch zum Zustieg: sucht man auf dem Netz, so findet man Angaben zwischen 30 und 90 Minuten, bzw. Einschätzungen von "gemütliches Aufwärmen" bis "nach 2x wollte ich hier nicht mehr hochlaufen". Nun, es sind rund 500hm zu bewältigen, es handelt sich um einen angenehmen, relativ flachen Pfad der über weite Strecken zumindest im Halbschatten der Bäume verläuft. Je höher man kommt, desto schöner werden die Ausblicke über die Gegend, welche überhaupt ein Bijou ist. Ein Häuschen in Sigoyer, hmm, vielleicht wäre das mal was?!? Anyway, mit den Kindern brauchten wir gerade eine Stunde bis unter die Biographie - wo wir auf dem Rückweg gerade noch einen Versuch einer der derzeit besten Frauen am Fels beobachten konnten. Wow, so flüssig, dynamisch und effizient sollte man klettern können - auch wenn's ihr nicht ganz gereicht hat, so war's doch eine sehr eindrückliche Show, die einem deutlich vor Augen führte, dass die eigenen Bewegungsmuster am Fels doch eher denen von einem Elefanten im Porzellanladen gleichen. Bevor ich noch kurz die gekletterten Routen charakterisiere, sei noch erwähnt, dass der Einstiegsbereich in den Sektoren, die ich gesehen habe (Biographie, Demi Lune, Un pont sur l'infini) praktisch eben und damit sehr kindertauglich ist. Wenn sie also hochlaufen mögen oder man sie tragen mag, ist's ein geeignetes Familiengebiet.
Die Biographie (9a+) im Profil. |
Gelati Dolomiti (7a): Sehr abwechslungsreich und höchst empfehlenswert. Bouldrig-überhängender Einstieg mit einem Längenzug. Dann erst griffiges, einfacheres Gelände, gefolgt von technischen Tropflochplatten und zum Abschluss eine kleine Verschneidung, welche nochmals knifflig ist. Gut abgesichert.
La Galère (7a): Fusstechnische Gleichgewichtskletterei mit psychischem Anspruch. Der Einstieg gleich kräftig an seichten 2-Finger-Löchern, gefolgt von ein paar besseren Griffen. Im Mittelteil eine Zauberstelle nach links hinauf. Oben raus muss man gut hinstehen und die übel sloprigen Löcher bedienen, dies bei 2x weiten Abständen (8 BH auf 25m).
Reine des Pommes (7a): Sehr homogene technische Wandkletterei. Hier fällt es schwer, eine eindeutige Crux zu identifizieren. Die Route ist nie verzweifelt schwer, aber auf ihren 30m auch nie wirklich einfach. Immer wieder tauch ein taugliches Loch oder eine Rissspur auf, mit welcher man sich in die Höhe schieben kann. Gut abgesichert (12 BH auf 30m).
Vas-y Tonton (7a): Technische Wandkletterei, bei welcher der Beginn noch etwas einfacher ist. Danach ähnlich im Charakter wie die Routen nebenan - sloprige und manchmal auch etwas bessere Löcher, gute Bewegungsplanung nötig. Ebenfalls recht gut eingebohrt, doch auch hier ist der eine oder andere nichttriviale Move noch nötig, wenn der letzte Bolt bereits unter den Füssen ist.
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