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Freitag, 16. November 2018

Chöpfenberg - Isenburg (7c+)

Die 5-SL-Route Isenburg ist eine bisher wenig bekannte und bekletterte Route in der W-Wand am Chöpfenberg, in unmittelbarer Nähe zum Bockmattli. Erstbegangen wurde sie 1983/1984 durch Gregor Benisowitsch und Georg Furger. Für die damalige Zeit war dies ein gewagtes Unterfangen, denn man war sich damals kaum gewohnt, auf MSL in solch steilem Gelände und bei solch hohen Schwierigkeiten zu klettern, notabene natürlich noch ohne Akku-Bohrhammer. Gregor selber erzählte mir Geschichten aus der damaligen Zeit. Diese beinhalten 15m-Stürze, da es weit über der letzten Sicherung nicht gelang, einen Fixpunkt anzubringen und irgendwann die Kraft zum weiteren Festhalten erschöpft war. Gregor äussert auch die Vermutung, dass er zu dieser Zeit als einer der ersten im alpinen Gelände in den 9. UIAA-Grad vorgestossen war. Jedenfalls, während einige schwierige Passagen frei gelangen, so waren andere nur in technischer Kletterei zu lösen. Die Ausrüstung der Route galt als abenteuerlich und so fand sie in der Kletterszene wenig Beachtung, ja geriet gar völlig in Vergessenheit.

Blick aus der Froschperspektive auf die Chöpfenberg Westwand mit dem Verlauf der Route Isenburg (5 SL, 7c+).
Das nächste Kapitel in Sachen Isenburg wurde erst 2005 und damit 22 Jahre nach dem ursprünglichen Einrichten geschrieben. Gregor rüstete die Route zusammen mit Walter Britschgi mit soliden und zahlreichen Inox-Bohrhaken aus. Kurz darauf gelang ihm zusammen mit Patrick Hilber der erste Gesamtdurchstieg der Route (1983/1984 wurden stets nur einzelne Abschnitte geklettert). Im 2006 sicherte sich dann Martin Jaggi den roten Punkt, somit hatte die Isenburg nach vielen Jahren doch noch eine freie, durchgehende Begehung erfahren. Sanierung und Befreiung hatten jedoch auch nur wenig Einfluss auf die Begehungsfrequenz. Kaum je verirrten sich Kletterer in die Chöpfenberg Westwand. Zu Unrecht eigentlich, aber bei einer kaum bekannten Route in den oberen Schwierigkeitsgraden auch nicht allzu erstaunlich. Schon lange hatte ich die Isenburg auf dem Radar. Doch wie es so ist, es fand sich dann jedesmal doch ein anderes, scheinbar interessanteres Projekt. Persönlich motiviert durch Gregor war es an einem gewittrig-heissen Junitag dann aber soweit. Hier würden sich am kühlen Schatten noch ein paar Nüsse knacken lassen, bevor das Wetter zuschlägt und der Himmel seine Schleusen öffnet.

Die Route befindet sich in einer schönen Gegend. Hier die Sicht aufs Bockmattli und das Wägital.
Zustieg: der Weg zur Alp Feldrederten und der Weg hinauf unter die NW-Wand am Chöpfenberg war mir natürlich bestens bekannt, hatte ich hier doch mit 'Sturmfrei' (6 SL, 6c+) eine eigene Linie gelegt. Weit ist's nicht, jedoch gibt's kaum Wegspuren und es ist etwas Spürsinn erforderlich, um sich nicht im Wald zu verkoffern. Dann heisst's, die höher gelegene W-Wand zu erreichen. Dazu muss die grasige Sockelwand erklommen werden. Die Passage ist mit BH gesichert, jedoch wollen diese auch zuerst einmal aufgefunden werden (nicht ganz trivial!). Die auf dem Topo kolportierte 3a ist von der eher harten Sorte. Bisweilen klettert man sowas ja auch seilfrei und in Zustiegsschuhen. Hier schien weder das eine noch das andere wirklich realistisch. Hat man die Sockelwand einmal gepackt, so warten noch 60-70m in nun wieder einfacher begehbaren, aber immer noch steilem Grasgelände (T5-T6). Um rund 9.00 Uhr waren wir schliesslich bereit zur Attacke.

Das ist auf dem Heimweg, nicht auf dem Zustieg. Gibt aber einen kleinen Eindruck vom Steilgras-Teil.
L1, 30m, 7a: Es geht gleich fulminant, athletisch und pumpig los. Die Felsqualität in dieser Passage ist nicht berauschend. Etwas splittrig, halt auch unternutzt und mir bleibt als letzte Option nur eine Art Ninja Kick auf einen schuhschachtelgrossen Block, wo ich einiges auf dessen Ausbrechen gewettet hätte - kann man ja einmal riskieren, wenn der Haken am Bauchnabel ist. Nun denn, die Odds sind auf des Kletterers und nicht des Zweiflers Seite. Das Gestein hält stand und so passiere ich hier onsight. Der obere Teil dieser Seillänge ist dann markant einfacher und folgt einem Rampensystem nach rechts hinauf.

Im oberen Teil von L1 (7a) warten die eigentlich einzigen einfachen Meter der ganzen Routen (ca. 6a+).
L2, 30m, 7b: Man quert einfach auf dem Balkon nach links hinüber, worauf dann gleich die Crux folgt. Es gilt, eine feingriffige und technische Passage zu überlisten. Ich leiste mir zuerst eine Fehlinterpretation, im zweiten Versuch komme ich dann gut darüber hinweg. Der zweite Teil der Seillänge bietet coole, athletisch-henklige Kletterei an Henkeln und grossen Schuppen. Vor allem eine Passage nach zwei Dritteln dürfte man ausser nach markanten Trockenperioden immer feucht oder nass antreffen. Dank den grossen Griffen und der guten Absicherung aber wohl doch passierbar.

Hier folgt gleich die Crux in L2 (7b), eine eher feingriffig-technische Stelle. Wobei, überhängend ist's ja doch.
Im oberen Teil von L2 (7b) wartet coole Ausdauerkletterei an gutgriffigen Schuppen.
L3, 20m, 7c+: Der überhängende Riss mit der Crux gleich oberhalb vom Stand sieht ziemlich einschüchternd aus und ob dem hohen Schwierigkeitsgrad gebe ich die Onsight-Ambitionen gleich preis und mache vorerst nur einen Check-Out-Go. Das Gestein ist reichlich staubig, da auch diese Passage lange nass oder zumindest feucht bleibt. Zudem ist der Riss unangenehm ausdrehend und auch schmerzhaft (Crack Gloves wären hilfreich). Nach einer Weile des Boulderns werde ich mir gewahr, dass hier besser ohne die ätzenden Rissklemmer, sondern mit ein paar kräftigen Leistenzügen Höhe zu machen ist. Auf diese Weise lösen sich die Moves im zweiten Go plötzlich prima auf und das '+' im Schwierigkeitsgrad darf man vermutlich ad acta legen. Der zweite Teil der Seillänge nach dem Ausstieg aus dem Rissüberhang ist deutlich einfacher in etwas unsicher-splittrigem Gestein.

Von der Cruxsequenz der ganzen Route (L3, 7c+) gibt's nur dieses bescheidene Bottom-Up-Foto. Die Stelle ist allerdings länger und steiler wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Mit dem Riss konnte ich schlussendlich gar nicht allzu viel anfangen, hat es doch auch andere, 'normale' Griffe. Was gut ersichtlich ist: hier sifft es oft und das Gestein ist deswegen mit einer brösmeligen Schicht überzogen.
Im Rückblick ist L3 (7c+) nicht fotogen. Die letzten Meter sind einfach und in etwas splittrigem Fels.
L4, 15m, 7b+: Nun gut, die 15m für diese Seillänge habe ich zur Zeit des Tippens aus dem Topo übernommen. In meinem Kopf ist diese Sequenz als deutlich länger abgespeichert, ich hätte mindestens 30m geschätzt ;-). Gleich vom Stand weg geht's sehr luftig nach rechts um eine exponierte Nase herum. Man verschwindet so aus dem Blickfeld des Belayers und ist für den Rest der Seillänge auf sich alleine gestellt. Diese folgt einem diagonal verlaufenden Riss und bietet athletische Kletterei, wobei dazwischen auch die mehr wandartige Crux an einem Dächli zu meistern ist. Nachdem diese Länge im Steilgelände sehr stark querend verläuft, ist eine Rückkehr zum Stand kaum denkbar. Also gibt's kaum eine Alternative zum 'richtig festhalten' und tatsächlich kann ich onsight durchziehen. Als Belohnung dafür gibt's einen richtig heftigen Pump.

Steile, diagonal verlaufende Riss- und Wandkletterei in L4 (7b+). Rückkehr zum Stand davor ab hier nahezu unmöglich.
L5, 35m, 6c+: Während ein Rückzug bis zum Stand nach L3 noch ohne grössere Probleme machbar sein sollte, so ist dies vom Stand nach L4 tatsächlich schwierig. Vermutlich könnte man einer Art Terrasse (clean!) nach rechts folgen. Die Route folgt aber dem Risssystem, welches man in gesamten Routenverlauf benutzt hat. Ich lasse hier meinem Kameraden den Vortritt. Erst ein eher wandartiger Abschnitt, danach nicht allzu schwierig dem Riss entlang, die finale Passage ist aber nochmals athletisch und gar nicht so einfach.

Ausblick auf L5 (6c+), die zum Schluss nochmals mit athletischen Moves aufwartet.
Um ca. 13.15 Uhr sind wir beide am Ausstieg, welcher eine erstaunliche und bisher unbekannte Perspektive auf das Bockmattli offeriert. Wir nehmen es gemütlich und steigen dann auf der Rückseite des Grats ab. Zuerst ist das Gelände steil und ein Abseiler macht Sinn, danach wird's einfacher und man kann gut in den Kletterfinken das relativ kurze Stück zum Einstieg erledigen. Nun heisst's erst vorsichtig in die steilen Grashalden hinuntersteigen. Das Fixseil, welches hier dereinst installiert wurde, ist im Laufe der Zeit im Gras eingewachsen und kaum mehr nutzbar. Weiter unten befindet sich dann eine Abseilstelle, dank welcher man bequem über die Sockelwand in die Tiefe gleitet. Als wir unten stehen, werden wir uns bewusst, dass sich der Himmel beinahe in minutenschnelle dunkel überzogen hat und ein paar erste Tropfen zu uns schickt. Es ist jedoch mehr eine Mahnung, nicht mehr allzu lange hier herumzutrödeln. Tatsächlich gelangen wir noch im Wesentlichen trocken zurück zum Automobil, die richtig ernsthaften Schauer lassen dann nicht lange auf sich warten. Das braucht uns jedoch nicht weiter zu kümmern. Wir sind steil, schwierig und spektakulär geklettert, den Nachmittag verbringen wir mit gutem Gewissen in der Stube.

Die elegante Chöpfenberg Westwand auf dem Abstieg gesehen. 

Facts

Chöpfenberg - Isenburg 7c+ (6c obl.) - 5 SL, 130m - Benisowitsch/Furger 1984 & 2005 - ***;xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Spezielle, steile, aussergewöhnliche Route, welche mit einem Mix von Riss- und Wandkletterei einer natürlichen, logischen Linie folgt. Vermutlich handelt es sich sogar um die einzige, frei kletterbare und lohnende Möglichkeit in der abgeschiedenen, dreieckigen Wand. Die Route wurde üppig saniert und ist seither perfekt mit Inoxmaterial abgesichert. Man kann also voll angreifen und braucht keine mobilen Sicherungen mitzuführen. Mit Hängen und Würgen kommt man vermutlich sogar mit einem ziemlich bescheidenen Freikletterniveau im 6ab-Bereich die Route hoch, was aber freilich wenig Sinn macht. So richtig ganz schwierig sind eigentlich nur 3 kurze, bouldrige Stellen, der ganze Rest der Route spielt sich im 6c/7a-Bereich ab. Somit also eigentlich eine ziemlich zugängliche und aus dem Ballungsraum Zürich auch sehr schnell erreichbare Route - es bleibt ein Mysterium, warum diese Linie nie populär geworden ist. Natürlich, qualitativ wird einem in Bezug auf das Gestein nicht auf jedem Meter allerhöchste Qualität geboten, doch als Gesamtunternehmen lohnt sich die Isenburg auf jeden Fall und verdient m.E. solide drei Sterne. Erwähnt sei, dass die Bewertungen im Topo definitiv auf der gutmütigen Seite sind. Verglichen mit Testpieces aus derselben Epoche wie z.B. Kein Wasser Kein Mond an der Schafbergwand oder Hannibals Alptraum im Rätikon bewegt man sich hier nicht ganz in derselben Liga. Wobei die hier griffig-athletische Kletterei gegenüber den dortigen Plattenknallern natürlich viel zugänglicher ist und die komfortable Absicherung das Ganze auch milder erscheinen lassen mag, als es tatsächlich ist. 

Topo der Isenburg in der Chöpfenberg Westwand von Erstbegeher Gregor Benisowitsch.

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